Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von - Das Eigentliche des Glaubens

Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von - Das Eigentliche des Glaubens

Was ist das Eigentliche des Glaubens? da müssen wir zwischen zweierlei Menschen durchgehen: zwischen denen, die den Glauben erzwingen und zu einer Wissenschaft machen wollen, und zwischen denen, die die Glaubensmaterien für eine Chimäre halten. Es gibt aber auch gleichgültige Leute, denen es so am gemütlichsten ist, dass sie sich einen Gedanken fassen, der spricht: Ich glaube: nehmen sich die Sprüche und Wahrheiten, setzen voraus, sie sollen wahr sein, und wenn das Herz spricht lauter Nein, und wenn sie keinen Sinn dazu und kein Gefühl davon haben, und wes der Beweis noch Kraft herauskommt, so glauben sie immer drauf los. Der Glaube wird von andern für eine Chimäre gehalten, und er ist's.

Wer uns nicht kennt, der denkt, wir seien solche Chimärique-Gläuber. Aber wir gehen mitten durch; denn für das Erste halten wir den Glauben für keinen Gegenstand der Evidenz, denn er hat mit Dingen zu tun, die nicht erscheinen, zweitens halten wir ihn für nichts weniger als für einen bloßen Gedanken: ich will glauben. Und dennoch glauben wir, dass es eine solche Realität ist, die so gewiss ist, als unser Leben und unsere Seele gewiss sind, die wir auch nicht sehen.

Der Glaube ist eine ex supposito veritatis rei herrührende Verbindung des Gemütes mit dem Schöpfer, der Heiland ist, woraus der Entschluss entsteht, mit Ihm alles auszustehen, sich Sein und seiner Worte nicht zu schämen, alles auf Ihn hin zu wagen, sich Tag und Nacht mit Ihm zu erfreuen, zu trösten, und was man nötig hat, bei Ihm zu holen. Die damit verknüpfte Liebe, die verliebte Anhänglichkeit währt durchs ganze Leben über den Tod hinaus, in allen Abwechslungen guter und böser Tage, in allen Krankheiten. Und wenn ein Mensch so rasend wird, dass er an die Kette gelegt werden muss, so bleibt die verliebte Anhänglichkeit an den Heiland, bis ihm die Seele ausfährt. Und wenn das nicht ist, wenn er sich zu der Zeit, da er sich seiner Sinnen nicht mächtig ist, anders erklärt, so ist er zu der Zeit, da er seiner Sinne mächtig war, ein Schelm gewesen und hat von einem Heiland geredet, den er nicht gekannt und nicht geliebt hat: denn der Glaube hält alles aus, kann durch nichts geändert werden.

Das ist der Glaube, sich halten an den, den man nicht sieht, als sähe man Ihn. Derweilen die Leute die Köpfe über Ihn schütteln, unterdes ist unser Herz nur auf Ihn gerichtet, und es saust ihm immer vor den Ohren herum: Er hat getragen alle meine Last und mein Elend, alle Sünde - das geht immer mit uns um, das geht mit uns zu Bett, das steht mit uns auf, das ist der Direktor von allen unsern Sachen, Gedanken, Handlungen rc.

Das heißt das Glaubensleben, und geht endlich so weit, dass man sagen kann: Ich lebe nicht mehr - Er lebt in mir. Was ich lebe, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat. Ich habe Ihn nicht gesehen, aber ich habe Ihn lieb, und glaube an Ihn, obwohl ich Ihn nicht sehe.

Darum kann ich's unmöglich mit denen halten, die in den Tag hinein glauben. Sie haben nicht lieb, sie hangen nicht mit Leib und Seele an dem Heiland, sie beweisen es nicht, dass sie mit Leib und Seele an Ihm hangen, sondern sie haben sich einen Gedanken gemacht: ich glaube; und denken, sie wollen damit selig werden, wenn sie das Ding nacheinander im Kopf herdenken und mit dem Maul herplappern, wenn gleich das Herz dagegen ist und kein Gefühl da ist.

Wer da sagt: ich kenne Ihn und wandelt nicht wie Er, der ist ein Lügner, er hat Ihn weder gesehen. noch erkannt. Denn wenn er einen Glauben aus Liebe hätte, wenn er glaubte, weil er liebte, wenn sein Herz voll wäre von der Sache, wenn er das zu seinem Element hätte, darin er lebte; wenn er mit einem überzeugten und gefühligen Herzen aus Erfahrung zu Jesu sagen könnte: du hast meine Tränen in Freudenöl verwandelt, ei so würde er auch wandeln, wie Jesus gewandelt hat, so wäre er schon lange Jesus ähnlich und seiner Natur teilhaftig geworden, und in derselben. Natur würde er natürlicher Weise wandeln; seine ganze Art zu handeln, würde dem ähnlich sehen, in dem er lebt.

Der Glaube also, der Evidenz (Wissenschaft) ist, ist nichts nütze, und der abstrakte Glaube, der ohne Gefühl ist, ist wieder nichts nütze, sondern das verliebte Anhängen an den, der uns erschaffen, erlöst und heiligt; dass uns auch kein Todesbann ewig von Ihm trennen kann, selbst wenn man nicht sieht, nicht mit Händen greift; das heißt Glaube, Glaubensleben.

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autoren/z/zinzendorf/zinzendorf_das_eigentliche_des_glaubens.txt · Zuletzt geändert: von aj
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