Besser, Wilhelm Friedrich - Predigt am Sonntage Misericordias Domini 1877.

Besser, Wilhelm Friedrich - Predigt am Sonntage Misericordias Domini 1877.

Evangelium Johannis 10, 12-16.
Text: Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen, und verlässt die Schafe, und flieht; und der Wolf erhaschet und zerstreuet die Schafe. Der Mietling aber flieht; denn er ist ein Mietling, und achtet der Schafe nicht. Ich bin ein guter Hirte, und erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen; wie mich mein Vater kennt, und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle. Und dieselben muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird Eine Herde und Ein Hirte werden.

Hat uns der vorige Sonntag in seinem Evangelium die Sonntagsgeschäfte unseres auferstandenen Heilandes gezeigt und angewiesen, so kommt nun dieser andere Sonntag nach Ostern und lehrt uns diese Geschäfte erkennen und lieb haben als Hirtengeschäfte. Hat Er Sich doch selbst als Hirt erwiesen, da Er seinen verschüchterten Schafen bei seiner Auferstehung verkündigen ließ: „Siehe, Er wird vor euch hergehen in Galiläa, wie Er euch gesagt hat“ und dabei war ja auch verheißen: „dann will ich meine Hand kehren zu den Kleinen, und mich wenden zu den Allerbedürftigsten“. Wie treulich hat Er ihnen erfüllt, was ihnen vorher gesagt war: Er wird Seine Herde weiden, wie ein Hirte, Er wird die Lämmer in Seine Arme sammeln, und in Seinem Busen tragen. Alle Erscheinungen des HErrn nach Seiner Auferstehung, die wir betrachten und mit denen wir uns auch in unserer Privatandacht in dieser Zeit noch besonders beschäftigen sollen, zeigen uns recht Sein Hirtenherz, ich möchte sagen: es ist recht aus Seinem eigenen Hirtenbewusstsein herausgeredet, als Er dem Petrus bei jener Begegnung am See Genezareth auf sein Bekenntnis: „HErr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe“ ihm anvertraut, was Er lieb hat: „Weide Meine Schafe weide Meine Lämmer“. Misericordias Domini! Dieser Sonntag tritt an uns wieder heran mit einem Evangelium, wo alle Barmherzigkeit Gottes sich sammelt in dem Einen, dass Er uns Seinen lieben Sohn gegeben hat zu unserm Hirten. Wie auch Petrus in der heutigen Epistel davon zu uns redet in dem Spruche: „Ihr wart weiland wie die irrenden Schafe, nun aber seid Ihr bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. Gott hat hervorgeführt von den Toten den großen Hirten durch das Blut des neuen Testaments. Alles, was im alten Bunde geweissagt ist von Gottes Liebesverhältnis zu den Menschen, das spricht sich in dem Hirtennamen aus, den der HErr Sich gibt, und wo hätte hinwiederum die Erfahrung dieses Liebesverhältnisses seitens des Menschen einen reicheren und tröstlicheren Ausdruck gefunden als in dem 23. Psalm: „Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“. Und im neuen Testamente - in den Tagen der Gnade, die wir erleben dürfen, da ergießt sich der Strom der Barmherzigkeit voll und ganz auf uns und wir dürfen aus ihm unsere Herzen erquicken und stillen.

Eine Predigt vom guten Hirten soll uns aus dem Evangelium geschenkt werden! Nun, meine Lieben, zum Ersten sammeln wir uns bei der Betrachtung desselben um den, der Sich uns heute wieder als unser Heiland erbietet und lockt: „Ich bin ein guter Hirte“ und zum Andern machen wir uns auf, mit dem seligen Bekenntnis und der Losung: „Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“

1.

„Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Ein Mietling aber, der nicht Hirte ist, des die Schafe nicht eigen sind, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht; und der Wolf erhaschet und zerstreuet die Schafe. Der Mietling aber flieht; denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht!“ Das ist das erste Zeugnis, womit der Heiland sich als guten Hirten ausweist und womit Er den völligsten Anspruch darauf hat, sich uns anzupreisen als solchen. Ich bin ein guter Hirte.“ Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe, weil sie sein eigen sind. Sie sind sein eigen, er ist kein Mietling, kein Knecht, er ist ein Hirte, des die Schafe eigen sind. Er seht sein Alles für uns ein, Er seht sein Leben an die Schafe. Lasst uns merken, besonders auf den 13. Vers: „der Mietling aber flieht, denn er ist ein Mietling und achtet der Schafe nicht“, dass hier nicht von einer Pflichtverlegung geredet wird, die der Mietling sich etwa zu Schulden kommen lässt, ein gemieteter Knecht handelt eben nicht anders. Unter allen gemieteten Knechten, von denen uns das alte Testament besonderes erzählt, ist ohne Zweifel Moses der treueste gewesen. Moses, der einmal im Übereifer für sein abtrünniges Volk sich zu der Bitte vor dem HErrn aufschwang: „Tilge HErr meine Seele aus dem Buche der Lebendigen!“ Er wollte wirklich nicht fliehen, er wollte bei den Schafen aushalten, er wollte sein Leben für sie daran geben, aber das wurde nicht angenommen. Auch Gottes allertreuester Mietsknecht, Moses, muss fliehen. Wenn aber der Gewalthaber des Todes über die Kinder des Todes kommt, dann muss auch Moses fliehen. Aber Christus spricht: Ich bin ein guter Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe, deshalb sind die Schafe sein eigen. Zwar alles ist durch Ihn gemacht. Er ist auch unser Werkmeister, unser Schöpfer, unser HErr, aber wir sind auch zu Ihm geschaffen. Zu ihm, damit in uns aufleuchte das Licht des Lebens, welches Er ist, denn „das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh. 1), - dass wir seinem Bilde ähnlich und Teilnehmer an seiner Seligkeit sein sollen. Dies Bild, das Ebenbild Gottes ging verloren, und wir gingen alle in der Irre, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Wie hat Er Sich nun aber an den Verlorenen gerechtfertigt als ihr Hirte, wie hat Er Sich zu den Verirrten gestellt? Hat Er sie, zu Paaren getrieben dahin gegeben in die Sünde, hat Er sie hingehen lassen in die Abgründe, hat Er sie überliefert an die Wölfe? Nein Geliebte! Er hat Sein Leben für sie eingesetzt, Er hat das Äußerste für sie getan: „Er sprang in des Todes Rachen“. Er hat für sie, an ihrer Statt Sich verschlingen lassen von dem Höllenwolfe, der Hirte wurde zum Lamme! Und warum? Sein Leben war in uns, Sein Herz war in uns und so hat Er uns geliebt bis in den Tod, so hat Er jede einzelne Seele geliebt, so hat Er dich geliebt, o Seele, darum fließt Sein Blut für Dich. Und wie Er in Seinem ersten Sonntagsgeschäft, wie wir heut vor acht Tagen hörten, zu Seinen Jüngern trat und sie tröstete mit dem „Friede sei mit Euch“, so tritt Er heute zu uns und spricht darauf hinweisend, was wir wieder alles von Ihm gehört haben in der Passions- und Osterzeit: „Ich bin ein guter Hirte“. Und wenn Er nun so spricht zu mir, da will ich Ihm antworten: „Mein Hirte, wie so treulich gehst Du dem Sünder nach, hilf dass ich Dich erkenne, wie ich von Dir erkannt bin.“ Denn so lautet das zweite Selbstzeugnis des HErrn: „Ich bin ein guter Hirte und erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen.“ Nicht das Kennen Seiner Allwissenheit ist hier gemeint, die Himmel und Erde umfasst, wovon es heißt: „der HErr kennt die Gottlosen von ferne,“ von ferne das ist, wenn ich so sagen darf, eine kalte Erkenntnis; aber die Frommen kennt Er von nahe. Nein, das Erkennen ist hier gemeint, worin Paulus die vollkommene Seligkeit setzt, dass wir Ihn erkennen werden, wie wir von Ihm erkannt sind. Es ist das Erkennen der Liebe, womit Er uns aufnimmt zu Seinen Freunden, das Erkennen, wodurch wir „Eins werden mit Ihm, ein Herz und eine Seele, wonach Er uns nährt und pflegt mit Seinem Fleisch und Blut,“ wie es auch bei Jeremias (31, V. 22) heißt: „das Weib wird den Mann umgeben das Weib, welches der Mann erkennt“ - und wie David frohlockt: „Ich freue mich und bin fröhlich über Deine Güte, dass Du mein Elend ansiehst und erkennst meine Seele in der Not“. (Psalm 31, V. 8.) O selige Erkenntnis, die zwischen Ihm und den Seinigen stattfindet in der allerinnigsten und allervollkommensten Lebensgemeinschaft mit einander. „Ich erkenne die Meinen und bin bekannt den Meinen.“ Selig, wen der Hirte kennt, selig, wer den Hirten kennt! Und nun Hand aufs Herz: Ist es dir wahrhaft tröstlich und köstlich, Ihn deinen Hirten nennen zu dürfen, von Ihm gekannt zu sein und Ihn zu kennen? denn davon hängt es alles ab. Göttliche Dinge muss man lieben, um sie zu erkennen, und nur so viel erkennt man, als man liebt. Man kann diese Erkenntnis nicht mit einem Talent oder einer Anlage dazu sich erwerben, denn es heißt: „den Weisen und Klugen vor der Welt hast Du es verborgen, aber den Unmündigen offenbaret!“ Wenige der Weisen und Klugen finden diese Erkenntnis, aber freilich ist es ein besonderer Triumph der Liebe Gottes, wenn einer, der vor Menschen in innerer Geistesgröße und Charakterhoheit dasteht, wenn ein solcher (wie z. Paulus) als Unwürdiger zu Ihm kommt, als zum guten Hirten, um erst in Ihm volle Genüge zu finden. Da wird mein Herz wie eine Blume, die sich der Sonne zuwendet und ihre Strahlen auffängt; sie kann nicht anders, sie muss sich Ihm zuwenden; da findet meine Seele das Geheimnis der Liebe, die Seligkeit eines gegenseitigen Verständnisses mit Ihm. Mein Wille geht ein in den Seinigen und duldet gern den sanften, gewaltigen und doch meine Freiheit nicht erdrückenden Zwang Seines Willens. Dein Wille, mein HErr, geschehe. O HErr, mein Hirte, nur dass ich Dein und Du mein seiest. Selig, wer den Hirten also kennt: „Ich bin ein guter Hirte“. Ja, HErr, wir wollen es heute wieder mit bekennen: Du bist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Wir haben nichts an Dir auszusehen, uns mangelt nichts bei Dir. „Ich bin ein guter Hirte, aber nicht einer unter mehreren; ich bin der gute Hirte, der von Alters her verheißene, der, von dem es im 34. Kapitel des Hesekiel also lautet: „Siehe, ich will Mich Meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind; also will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, dahin sie zerstreut waren,“ und von dem es Jes. 40 heißt: „Er wird Seine Herde weiden wie ein Hirt, Seine Lämmer in Seine Arme sammeln.“ Der ist Er. Kennt ihr Ihn als den guten Hirten, so bekennt zugleich: Es ist keiner außer Ihm! Denn das ist das dritte Selbstzeugnis des HErrn in Seinem Evangelium: „Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle. Und dieselbigen muss ich herführen und sie werden Meine Stimme hören und wird Eine Herde und Ein Hirte werden.“

Meine Lieben! Es gibt viele Religionen auf Erden und es gehört besonders zu der Weisheit dieses Geschlechtes, des Zeitgeistes, dass man sagt: ein jeder werde durch die Religion selig, die er eben hat. Ein jeder fühlt sich befriedigt von der seinigen. Da kommen sie und sagen, es sei ja gar nicht möglich bei der verschiedenen Bildung, dem verschiedenen Grade der Kultur und der Zivilisation, den die Völker haben, dass da alle Nationen dieselbe Vorstellung von Religion haben sollen; und da eben die Geister so verschieden sind, so ist es notwendige Folge, dass es auch verschiedene Religionen geben muss. Nun, Geliebte, das ist heidnisch geredet. Natürlich ist es zwar und auch vernünftig, aber es ist eben heidnisch und fleischlich vernünftig. Dieser Mann Jesus Christus, der Welt Heiland und Gottes Sohn, er macht den Anspruch nicht, unter verschiedenen guten Hirten ein guter Hirte zu sein; er macht den Anspruch, der alleinige gute Hirte zu sein.

„Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle. Und dieselbigen muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören und es wird Eine Herde und Ein Hirte werden!“ Das zieht auf die Knie nieder! Hier ist der einige Hirte, weil das ewige Halleluja, welches Johannes in der Offenbarung dem Lamme singen. hört, Ihm gesungen wird, denn Er ist dies Lamm und Er ist der Hirt, der einige Hirt, und es stärkt unsern Glauben an Ihn, wenn wir wenigstens etwas von dem hören und erfahren, wie Er Sich in der Geschichte Seiner Kirche, vor allem in der Missionsgeschichte, als der einige Hirte gerechtfertigt nach dem Spruch: „Ich muss sie herführen und es wird Eine Herde und Ein Hirte werden!“ All überall, sie mögen Weiße oder Schwarze sein, unter den glühenden Sonnenstrahlen Indiens oder auf den Gefilden ewigen Schnees und Eises im äußersten Norden wohnen, sie mögen so gebildet und in Kunst und Wissenschaft so hoch gestiegen sein wie die Griechen, oder so gewaltig und weise in der Kunst zu regieren wie die Römer, oder sie mögen verkommen und elend sein wie die ärmsten unter den Südsee Insulanern in einem sind sie alle sich gleich, dass nämlich ihr Herz nicht zur Ruhe kommt, bis sie dieses Hirten Stimme hören und Seine Schafe werden. Keiner ihrer Götzen vermag ihr Herz zu stillen, sie behalten blutende Herzen, denn gestillte Herzen gibt es nur bei Ihm, bei unserm Heiland Jesu Christo, unserm HErrn. Und siehe in das ganze Meer der Völker aller Zeiten siehe dich um unter all ihren sogenannten Religionen, die „Bindung“ der Menschenherzen an Gott in Christo, sie allein ist Religion: d. h. sie beweist ihre Allgemeinheit, ihre recht echte Katholizität dadurch, dass sie die eine allen zugängliche köstliche Perle in sich trägt, nämlich diese Person, die, wie zu allen Zeiten, so auch heute zu uns redet in der Stimme unsers guten Hirten: „Ich habe noch andere Schafe“ die sind nicht aus der Familie Abrahams, und es ist erbaulich, nachzulesen, wie bei Lukas der Stammbaum unsers HErrn Jesu hinaufgeführt wird bis auf Adam. Und Er hat noch andere Schafe, weil Er auch ihr Bruder geworden ist, daher nicht allein die Semiten, sondern auch die Nachkommen Japhets und selbst die fluchbeladenen Kinder Hams Teil haben sollen an Ihm. Es kam in Ihm, dem einigen Samen Abrahams, der Segen Abrahams über alle Geschlechter der Erde, wie die duftende Salbe aus zerbrochenem Gefäß.

Freilich sehen wir nie die Eine Herde unter dem Einen Hirten dicht vor uns mit Augen, denn unser Blick ist noch getrübt durch die Sünde und den Anblick der Zerrissenheit innerhalb der Christenheit; aber es ist unser Trost, dass es einmal offenbar werden wird, dass überall da, wo der Name Jesu hingekommen ist, und sei es auch nur ein Hauch von Ihm, der gedrungen sei in den verborgensten Winkel der Erde, wo Er gepredigt worden ist als ein Heiland der Sünder, als der Gekreuzigte und Auferstandene, wo dieses Evangelium im Evangelium erschollen ist, dass da sich überall sammelt die Eine Herde unter dem Einen Hirten, dem bekannt, der die Seinen kennt. Ich glaube, ich glaube eine heilige christliche Kirche. Dieses Glaubens Lohn wird sein, dass wir schauen werden, was wir jetzt noch nicht sehen. Wenn das Vollkommene kommen wird, dann wird auch in diesem Sinne das Stückwerk aufhören. Und wir, Geliebte, die der HErr in diesem einen Stück vorgezogen hat vor vielen christlichen Brüdern, nämlich darin, dass wir nur, nur die Stimme Jesu hören, dass wir die Gemeinde sind, deren Angehörige keines Fremden Stimme hören, noch keinen, keinen andern König über ihre Seele haben, als den, der dennoch ein König ist, ob Er gleich gelitten hat unter Pontio Pilato und noch leidet unter der gottfeindlichen Weltmacht; die der Kirche Glieder sind, in der Gottes Wort lauter und rein gepredigt und die Sakramente nach Christi Befehl verwaltet werden. - O, Geliebte, also von Gott begnadigt, welche Verantwortung haben wir! Sollten wir nicht darum billig in dem Wettlauf nach dem himmlischen Kleinod die Eifrigsten sein, nicht die Vordersten in Erwählung der Losung: der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln? nicht die Lautersten und Aufrichtigsten im Schaffen unserer Seligkeit? Geliebte, der HErr tritt heute wieder unter uns und sieht uns darauf an, ob wir das wollen! „Ich bin ein guter Hirte“ und nicht wahr, Ihr gebts Ihm zu, dass Er es ist! Dazu tut Er das, dass Er uns wieder dies Evangelium schenkt, auf dass wir Ihm darauf antworten sollen. Willst du Ihm nicht darauf antworten und Ihm dafür danken? Er grüßt dich wieder, dich und mich, mit dem: „Ich bin ein guter Hirte“ und ich will Ihm dafür danken, indem ich darauf antworte: Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln! Aber, Geliebte alle diese köstlichen Reden in Gottes Wort, wo von dem guten Hirten und den Schafen gesprochen wird sie sind doch alle voll auch von Strafe, von Klage, von Warnung. Selbst der Psalm, in dem am allermeisten, fast in jedem der 176 Verse die Rede ist von der Lust und Liebe zu Gottes Wort, von der guten Weide des guter Hirten, selbst dieser Psalm schließt mit der Klage: „Ich bin ein verirrtes und verlorenes Schaf, suche Deinen Knecht“.

O, Geliebte, der Heiland ist auch bei uns darauf gefasst, dass es nicht anders sein wird. Das Gleichnis vom guten Hirten, der da die 99 in der Wüste lässt und geht hin und sucht das verlorene und verirrte dies Gleichnis muss Er auch an uns immer von neuem betätigen und danach mit uns handeln. Und wenn wir Ihm doch heute alle recht Gelegenheit dazu geben wollten, das Köstlichste in Seiner suchenden Hirtenliebe an uns zu wenden. Das Verwundetste und Verlorenste, das Kränkste und Schwächste, das Elendste und Verkommenste sucht Er, das Erfrorenste, um es zu erwärmen, und Ihr wisst, wenn Er es gefunden hat, da legt Ers auf Seine Achseln. Er erschlägt es nicht, Er verbindet und heilt es denn Seine teuer erworbenen Seelen sind Seine Schafe. Sein Leben ist in ihnen, und sie selig zu machen, ist die Krone Seiner Freude. „Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Wenn wir sonst nichts können, das können wir doch tun, dass wir uns wieder aufmachen und mit neuer Entschiedenheit sprechen: Der HErr ist mein Hirte. Der HErr, kein Anderer. Ich will mit keinem anderen Christentum etwas zu schaffen haben. Mein Christentum hängt an dem einen Manne; an diesem persönlichen Heilande, an Jesu Christo hängt mein ganzes Christentum. Denn ein Christentum ohne den lebendigen Christus, das ist keine grüne Aue. „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser. Er erquickt meine Seele. Ein Christentum ohne den Umgang mit dem persönlichen Heilande gleicht einer Sammlung von getrockneten Blumen, die ich in eine Mappe lege, die keinem Menschen etwas nützt und mir höchstens die Genugtuung verschafft, ein ausgezeichneter Botaniker gewesen zu sein. Der HErr ist mein Hirte - nach meinem Glauben mein einiger Hirte und ist kein anderer Name den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden, denn allein in dem Namen dieses Hirten Jesu. Und so machen wir uns heute wieder zu Ihm auf, in einer Zeit, wo ein neues Heidentum sich breit macht, ein Heidentum, viel, viel schlimmer als das alte, das Heidentum unserer spöttischen Antichristen, denn es ist eben nicht bloß Unchristentum, sondern Antichristentum; uns aber soll es nicht irren, denn wir hören Seine Stimme, und indem wir dies bekennen, geloben wir Ihm: ich will nur Dich hören, Du allein sollst mir helfen, in Dir finde ich meine Weisheit, nicht in meiner Vernunft und nicht in der Welt gescheitesten Gedanken, in Dir meine Gerechtigkeit, denn ich habe keine, Du bist meine Erlösung, denn Du hast mich erlöset von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels. „Der HErr ist mein Hirte,“ mir von Gott gemacht zur Weisheit, Gerechtigkeit, zur Erlösung und auch zur Heiligung, denn der HErr ist mein Hirte nach meiner Liebe. Wenn mir dies Erfahrung ist, dann werde ich es nun auch freilich aufgeben, mich ferner so zu betragen, als wäre Er es nicht; aufgeben werde ich alle Götzendienerei, alles Buhlen mit der Lust der Welt, alles Jagen nach dem Reichtum und dem Vergnügen des Lebens. Bei der Jugend freilich wird man es noch verstehen können, wenn sie es nicht besser kann, hie und da noch einem Schmetterlinge nachzuhaschen, aber einen traurigeren Anblick kann es doch nicht geben, als wenn ein Alter diesen Dingen noch so anhängt, als gäbe es keine dringendere Pflicht und kein größeres Vergnügen, als alles noch mitzumachen und durchzukosten. Ihr lieben Kinder, meine Konfirmanden, Ihr habt ja in dieser Woche das Lied gelernt: „Eins ist not, ach HErr, dies Eine lehre mich erkennen doch, alles andre, wie's auch scheine usw.“ Eins ist not. „Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ Allerdings, manchen Mangel muss ich mir auferlegen, den ein Weltkind sich nicht aufzuerlegen braucht, in manchem Stück haben jene es leichter. Ja, ein leichteres Leben haben sie, es ist aber alles Betrug, Betrug, ein stattlicher Aufputz auf modrigem Grund, nur äußerlich eine Befriedigung, denn wie so plötzlich werden sie dahingerafft. Und das nicht bloß, wenn sie sterben, wenn sie in das letzte dunkle Tal hinein müssen, nein, auch schon dann werden sie zunichte, wenn die Sonne eines irdischen Glückes ihnen untergeht. Wie heißt es aber dagegen bei uns, Geliebte? „Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück - denn Du bist bei mir Du.“ Und wenn die Tage unsers irdischen Lebens immer trüber und schmäler werden und die Bedrängnisse von allerlei Angst, Not und Trübsal mich immer mehr in die Enge treiben, dann heißt es: „Du bereitest vor mir einen Tisch wider meine Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.“ Und wenn ich töricht bin und mir bange ist und es mir schwer ist, dem HErrn in Seinen wunderbaren Wegen mit mir stille zu halten, wenn ich Ihm in meiner Kurzsichtigkeit aus der Schule laufen möchte, dann ruft Er mir zu: „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang“. Gott wird nicht darauf warten, dass ich mir mein Gutes aufsuche, nein, Er wird es so fügen, dass Er es mir schwer macht, ihm auszuweichen. „Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen“ - mich verfolgen, um mich zu ergreifen - mein Leben lang“ „Der HErr ist mein Hirte,“ Geliebte, wenn wir uns heute wieder dazu aufmachen, so entsagen wir damit aufs neue allem Geiz, aller Sorge, allen Dornen, die den guten Samen ersticken wollen, wir machen uns los von den Lüsten dieses Lebens. Wir fliehen aber auch aus jeder Schwermutshöhle, auch die Last des Lebens kann uns nicht erdrücken wir werden nicht umkommen, es bleibt dabei, mir wird nichts mangeln. Ja, „HErr, mein Hirt, Brunnen aller Freuden, Du bist mein, ich bin Dein, niemand soll uns scheiden“. Geliebte Gemeinde! Ich bitte und ermahne Euch, weil uns denn der HErr Jesus wiederum das Misericordien-Evangelium geschenkt und uns gegrüßt hat mit dem Angebot: „Ja, ich bin ein guter Hirte“, lasst uns einmütig Ihm antworten und danken mit dem Bekenntnis: „Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!“ Amen.

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