Jacoby, Carl Johann Hermann - Der erste Brief des Apostels Johannes in Predigten ausgelegt - III. Die Freudigkeit des Christen im Kampf gegen die Sünde.

Jacoby, Carl Johann Hermann - Der erste Brief des Apostels Johannes in Predigten ausgelegt - III. Die Freudigkeit des Christen im Kampf gegen die Sünde.

1. Joh. 2, 1-6.
Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf dass ihr nicht sündigt. Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist. Und derselbige ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht allein aber für die unseren, sondern auch für der ganzen Welt. Und an dem merken wir, dass wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten. Wer da sagt: Ich kenne ihn und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer da sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.

Der freudigen Stimmung, in welche uns die Adventszeit versetzt, kommen diese Worte des Apostels Johannes entgegen und wollen sie in unserm Gemüte befestigen. Wie sanftmütig und tröstend reden sie zu uns, und doch von welchem heiligen Ernst sind sie erfüllt! „Meine Kindlein,“ so nennt der greise Jünger die Glieder der Gemeinden, an die sein Sendschreiben gerichtet ist. Wie ein Vater hat er sie gepflegt, die einen hat er aus der Welt für das Reich Gottes gewonnen, durch sein Zeugnis sind sie Christen und Kinder Gottes geworden, die andern hat er gestärkt und gekräftigt, gestützt und bewahrt, seine Seelsorge hat sie behütet, dass sie in der Gnade Gottes gewachsen sind. So hangen sie an ihm mit inniger Liebe und Verehrung als an ihrem Vater. So wird uns vor Augen gestellt, wie in diese Welt, seitdem die Liebe Gottes in Jesu Christo uns erschienen, eine neue Macht, die Macht einer unendlichen und heiligen Liebe eingetreten ist, in der die Älteren als Wegweiser mit väterlicher Treue die Jüngeren leiten, in der diese zu jenen willig aufschauen und ihrem Worte folgen. Und was verkündet nun die väterliche Stimme des Apostels seinen Kindern? Sie leben mitten in einer Welt der Sünde, aber sie sollen ihrem Gesetze nicht gehorchen, sondern das Wort Gottes halten; wandeln, gleichwie Christus gewandelt hat, in ihm bleiben und nicht sündigen. Sie leben ja in einer Welt, in die Jesus Christus gekommen ist, in der er das Reich Gottes gestiftet, die er mit dem Licht seines Worts erhellt hat. Die Mahnung des Apostels wäre ein wirkungsloser Schall, ein unerfüllbares Gebot, an dem verzagt die einen, leichtfertig die andern vorübergehen würden, wenn nicht im Heilande Jesu Christo die Liebe Gottes, die Fülle seiner Gnade, die Macht seiner heilenden und heiligenden Kräfte offenbar geworden wäre. Nun kann der Apostel so große Aufgaben stellen, weil er weiß, dass Gott die Gaben verliehen hat, sie zu erfüllen. Freilich, es ist ihm auch nicht verborgen, wie groß unsere Schwachheit, wie stark die Macht der Sünde in uns ist, wie oft wir fehlen; er kennt unsere Ohnmacht, die Anklagen des Gewissens, die niederbeugende Gewalt des Schuldgefühls. Aber damit wir nicht unter dieser Last zusammenbrechen, richtet er uns auf, tröstet uns und weist uns auf den Fürsprecher hin, den wir bei Gott haben, auf unseren Herrn Jesum Christum. So sind es Adventstöne, erquickende und tröstende, ernste und doch so milde Stimmen, die wir heute vernehmen. Lasst uns auf dieselben hören und von ihnen geleitet

Die Freudigkeit des Christen im Kampf gegen die Sünde

zum Gegenstande unserer Adventsbetrachtung wählen. Wir erkennen zuerst, wie sie in der tröstenden Zuversicht wurzelt, welche uns in unserer Schwachheit aufrecht erhält, und erwägen sodann, wie sie durch das stärkende Vertrauen bewahrt wird, welches uns die Kraft zum endlichen Siege verleiht.

1.

Der Kampf, zu dem wir berufen sind, ist schwer und groß; er währt lange Zeit, denn wir müssen ihn führen, so lange wir auf Erden wandeln; zahlreich sind die Feinde, die uns bedrohen, die Versuchung der Welt, die Lust des eignen Fleisches; schwach ist unser Geist, wir sind noch weit entfernt vom Mannesalter Jesu Christi. So zieht sich die Sünde durch unser ganzes Leben hindurch; wie viele Werke, die wir bereuen müssen, werden von uns vollbracht; wie viele Worte, deren wir uns schämen, sprechen wir aus, und wie vielen Gedanken wenden wir uns willig zu, die in sündiger Begierde wurzeln. Als sündige Menschen treten wir in dies Erdenleben ein, als sündige Menschen verlassen wir es. Im Tode endet eines sündigen Menschen Pilgerweg.

Das ist die traurige Tatsache, die jeden ernsten Menschen, der an den heiligen Gott glaubt, zum Zweifel, ja zur Verzweiflung an seinem Heil führen müsste, wenn uns nicht himmlische Tröstung in unserer Schwachheit aufrecht hielte, wenn wir nicht auf die Sühne unserer Sünden durch Christus und auf die Fürsprache Christi bei dem Vater vertrauen dürften. Aber nun können wir triumphieren, dass unsere Schuld, wie groß und schwer auch immer, uns doch nicht von unserm Gott trennt, denn sie ist eine vergebene Schuld. Jesus Christus, sagt der Apostel, ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt. Seht, meine Lieben, wie die Gnade unsers Gottes, seine unendliche erbarmungsreiche Liebe, doch nicht seine Heiligkeit aufhebt, sondern sie in ihrem ewigen Rechte bestätigt. Wir Menschen greifen oft fehl in unserer Erziehung, in falscher, schwacher Liebe vergeben wir, ohne dass das Unrecht in tiefer Reue gesühnt ist, und so erleben wir es zu unserer Betrübnis, dass bald ein neues, schweres Unrecht geschieht. Es wird uns so schwer, Gnade und Gerechtigkeit in der Liebe zu einen. Aber unser Gott, das Urbild und Vorbild aller Erziehung, offenbart in der Gnade zugleich die Gerechtigkeit, vergibt uns die Schuld, aber richtet die Sünde, und führt uns so, vergebend und richtend, auf den Weg der Rettung. In Jesus Christus erkennen wir die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, denn unser Heiland ist den Schmerzensweg gegangen, den die Weltsünde bereitet hat, und hat die Dornenkrone getragen für uns. Sie sind an ihn herangetreten, die Versuchungen, die nur in einer Welt der Sünde aufsteigen konnten; er ist versucht worden allenthalben gleich wie wir (Heb. 4,15), er hat den tiefsten Schmerz erfahren, den ein Menschenherz erfahren kann, den Schmerz verschmähter und verratener Liebe; er hat alles Leid geduldet, das eines Menschen Seele zu belasten und zu beugen vermag, er ist am Stamme des Kreuzes gestorben. Er hat den schwersten Kampf gekämpft, er hat das schwerste Leid getragen, er hat sich kämpfend, leidend, sterbend als den sündlosen, gehorsamen Sohn Gottes erwiesen. So steht er in der Menschheit einzig und einsam und doch als der Erstling vieler Brüder, der zweite Adam, der Bürge einer neuen Welt. Er trägt in heiligem Mitgefühl, selbst sündlos und schuldlos, die Last unserer Sünde und Schuld, so dass ihm nichts menschliches fremd bleibt; er tritt in die alte Menschheit ein, nimmt sie an, erkennt und empfindet ihr Elend, wie es nur der erkennen und empfinden kann, der des sündigen Elends Quell nicht in sich hegt. Was die alte Menschheit aus eigener Kraft nicht vermocht hat, vollbringt er. In ihm erkennt und fühlt die Menschheit mit vollkommener Reinheit und Tiefe der Sünde Schuld und Gottes Zorn über dieselbe; aber in ihm, dem Urheber einer neuen geheiligten Menschheit, wendet sie sich auch zu ihrem Gott und vereinigt sich mit seinem Willen. In ihm ist die sündige Menschheit gerichtet und zugleich gerettet. So ist das Kreuz Jesu Christi der sühnende Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit; die alte Welt vergeht, die neue Welt entsteht. Sein Kreuz zieht hinein in die Buße des Glaubens, dass wir in ihm sterben unserm alten Menschen nach, um als neue Menschen zu auferstehen. So schaut uns die heilige Liebe Gottes an, nicht wie wir durch uns selbst, sondern wie wir in Christus sind. Denn Jesus Christus ist unser Fürsprecher bei dem Vater, er, der Gerechte. Sein heiliges, im Tode vollendetes Lebenswerk, der richtende und rettende Sieg über die Sünde, vertritt uns bei dem Vater, verbürgt uns, dass wir in ihm, mit ihm, durch ihn siegen, in der Kraft seines heiligen Gehorsams selbst Gehorsam lernen, in seiner Nachfolge zur Ähnlichkeit mit ihm werden verwandelt werden. So sind wir dem Vater wohlgefällig, können vor sein Angesicht treten und, der Vergebung gewiss, zu ihm sprechen: Vergib uns unsere Schuld. Das Gebet, das der Heiland selbst in unseren Mund legt, hat die Verheißung der Erhörung. Unsre Schwachheitssünden können uns nicht von der Liebe Gottes trennen, Christi Blut und Gerechtigkeit ist unser Schmuck und Ehrenkleid, damit wir können vor Gott bestehen, wenn wir zum Himmel werden eingehen, damit wir auch jetzt, mitten in der Zeit, vor seinem Angesichte erscheinen können. Darum sehen wir unsere Zuversicht auf die Sühne, die Jesus Christus vollbracht hat, und auf seine Fürsprache bei dem Vater; aber halten wir es uns auch immer vor Augen, dass niemand auf diese Zuversicht Recht und Zugang hat als der im Glauben reuige Sünder. Sie bleibt versagt dem frevelhaften Leichtsinn des Weltkindes, das, unbeirrt durch die Mahnungen des göttlichen Wortes und das Zeugnis des Gewissens, auf dem Wege des Verderbens fortschreitet und aufsteigende Unruhe des Herzens mit der Berufung auf die Sühne Christi beschwichtigt; sie bietet sich allein dar dem ernsten Sinn, der die Sünde hasst und doch den Reiz ihrer Begierde empfindet, dem verzagten Herzen, das schmerzlich die Fesseln der Gefangenschaft fühlt und nach Befreiung aus ihr sich sehnt. Für das Volk Gottes ist eine Ruhe vorhanden (Heb. 4,9), für das Volk Gottes ist das Kreuz Jesu Christi der Baum des Lebens, das Volk Gottes, das in Buße und Glauben zum Kreuze aufschaut, findet hier Gnade und Frieden.

2.

Aber wir gewinnen hier nicht bloß Gnade und Frieden, sondern auch Stärke, nicht bloß tröstende Zuversicht in unserer Schwachheit, sondern auch Vertrauen und Kraft zu endlichem Siege. Die Gewissheit der Sündenvergebung um Christi willen führt uns in die Nachfolge Jesu Christi hinein. Die vergebende Gnade Gottes, die dem Bußfertigen zu teil wird, zerreißt die Ketten, die ihn an die Welt der Sünde fesselten, und vereinigt ihn mit dem lebendigen Gott, der uns in Christus offenbar geworden ist. Wir sind durch die dankbare Liebe an ihn gebunden, es wird unsere Speise, den Willen des himmlischen Vaters zu tun. Die Sündenvergebung schließt den Bruch mit der Sünde in sich, sie verleiht Vertrauen und Mut, Kraft und Stärke. So hat der Heiland beides miteinander verknüpft, das Wort des Trostes: „So verdamme ich dich auch nicht“ und das Mut und Vertrauen weckende Wort: „Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr“ (Joh. 8,11). So soll jede Beugung vor Gott, in der wir seine vergebende Gnade erbitten, zu einer Erhebung zu Gott werden, in der wir der Sünde entsagen. Das Wort des Apostels, das wir heute vernehmen: „Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf dass ihr nicht sündigt“ soll in dem Gelübde wiederklingen: Wir wollen nicht sündigen. Unser Wandel soll ein Wandel werden, in dem wir unserm Gott und Vater, aber nicht der Sünde dienen. Die Gestalt eines solchen Wandels, eines Wandels im Licht, vergegenwärtigt uns nun der Apostel. Zuerst führt er uns in die geheimnisvollen Tiefen des Gemüts, zu den Quellen. Wir sehen, wie er aus der Gemeinschaft mit Jesu Christo geboren wird, wie wir mit ihm und durch ihn mit dem Vater verbunden bleiben, wie er in uns ist, wir in ihm sind. Wir erblicken den Heiland als unser Haupt, uns als Glieder an seinem Leibe, ihn als den Weinstock, uns als die Reben. Ohne ihn können wir nichts tun. Wir stehen in einer persönlichen Lebensbeziehung zu ihm. Der Umgang, den der Herr während seines Erdenlebens seinen Jüngern gewährte, setzt sich in der verborgenen Gemeinschaft fort, in der er sich jetzt, der zur Rechten Gottes Erhöhte, den Seinen mitteilt. Wie er einst die Jünger zu Zeugen seiner Werke und Worte erwählte, wie sie weilen durften, wo er weilte, ihn auf seinen gnadenreichen Wegen begleiten, wie sie sich von ihm belehren, mahnen, warnen, richten und strafen ließen, wie er an ihrem Leben teilnahm, sie nach dem Maße ihres Verständnisses an seinem Leben teilnahmen, so will auch der erhöhte Heiland in unseren Herzen gegenwärtig sein, die Worte, die er einst geredet hat, die uns in dem Worte der heiligen Schrift überliefert sind, unserm Geist, unserer Erkenntnis erschließen, uns mit ihnen erfüllen, dass ein Abglanz derselben auf unseren Worten liegt, so will er uns zu Werkzeugen bereiten, in denen er sein heiliges Wirken zum Bau seines Reiches fortsetzt. Er will an unserm Leben teilnehmen, wir können und sollen unser Herz ihm öffnen, unsere Gedanken vor ihm aussprechen, dass er Torheit und Irrtum nehme und das Licht seiner Wahrheit in sie hinein leuchten lasse, wir können und sollen, was wir begehren, wonach wir trachten, an seinem Worte prüfen, dass alles Unreine aus ihnen ausgeschieden werde, und reines, ihm wohlgefälliges Streben uns leite. Er will uns als Wegweiser und Führer vorangehen, und wir wollen ihm als seine Jünger folgen, wir wollen in ihm sein, wie er in uns ist. Aber wir wollen auch in ihm bleiben. Wenn wir aus der Gottesferne zu ihm, in die Gottesnähe, gekommen sind und seine Herrlichkeit geschaut haben, dann ist es uns ein unfasslicher Gedanke, wir könnten je aufhören, bei ihm zu bleiben, nur in seiner Gemeinschaft atmen wir Friedensluft, wir rufen mit Petrus: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Joh. 6,68.69). Aber im Lauf der Jahre schwindet leicht die Lebhaftigkeit des ursprünglichen Gefühls, dagegen tauchen Begehrungen und Neigungen auf, die wir längst ertötet glaubten, und Gedanken des Zweifels, von denen wir für immer uns befreit wähnten, gewinnen von neuem über uns Macht. Aber dennoch bekennen wir, wir bleiben stets bei dir, denn du bleibst auch stets bei uns. Du bist bei uns geblieben und willst bei uns bleiben. Du neigst dich zu uns, wenn wir im Gebet zu dir emporschauen, du redest zu uns, wenn wir uns um dein Wort versammeln, du schließt von neuem mit uns den Bund des Friedens, wenn wir in der Feier des heiligen Mahles bußfertig und gläubig vor dein Angesicht treten. Wir spüren deine Nähe in den bedeutungsvollen, entscheidenden Stunden unsers Lebens, in den Tagen der Freude und Erquickung, in den Tagen der Trübsal und Trauer, wir spüren deine Nähe, wenn du uns zu einer höheren Stufe in der Lebensgemeinschaft mit dir führen willst. Du bleibst bei uns, so wollen wir auch bei dir bleiben und in deiner Kraft alle Versuchungen überwinden, die uns von dir trennen wollen.

Aber der Apostel führt uns nicht bloß in die verborgenen Tiefen des Gemüts, in denen der Quell der Lebensgemeinschaft mit dem Heiland entspringt, und in denen sie stetig sich erneut, er leitet uns auch mitten hinein in die Fülle der Aufgaben, welche das zeitliche Dasein dem Christen stellt, in deren Erfüllung er sich bewähren muss. Er fordert von uns, dass wir das Wort des Heilandes, seine Gebote, halten, dass wir wandeln, gleich wie er gewandelt hat. Derselbe Apostel, welcher die Herrlichkeit des verborgenen Lebens in Christo uns so lebendig vor Augen stellt, richtet auch die ernste Mahnung an uns, in Wort und Tat, im Wirken und Leiden dem Herrn nachzufolgen. Es genügt nicht, selige Gefühle der Nähe Christi zu spüren, es reicht nicht aus, das Bekenntnis der Kirche festzuhalten, der Herr wohnt nicht im Gefühl und in der Phantasie, er wohnt nicht im Gedächtnis und in der Vernunft, er wohnt in der Gesinnung, er wohnt in dem Willen, der sich in der Tat bezeugt. Wenn das Gefühl die Gesinnung belebt, wenn die Erkenntnis die Gesinnung bildet, nur dann haben sie Wert. So ruft uns der Apostel zu einem Christentum der Tat, zur Nachfolge Jesu Christi. Möchte dieser Ruf, den wir wieder heute vernehmen, nicht vergeblich sein, möchten wir uns in diesen gnadenreichen Tagen des Advents von neuem entschließen, dem Herrn als seine treuen Diener zu folgen, zu folgen zu den Werken der Selbstverleugnung, des Gehorsams, der Liebe, zu folgen auch zu dem schwersten Werk, dem Werk geduldig, ergeben getragenen Leids. Die Nachfolge Jesu Christi ist die Probe, ob unser Christentum echt ist; es ist die unerlässliche Forderung, der wir uns nicht entziehen dürfen. Ein Christentum ohne Nachfolge Jesu Christi ist ein müßiges Spiel der Einbildungskraft oder eine unfruchtbare Übung unsers Verstandes, immer eine Selbsttäuschung, die unser Seelenheil gefährdet. Wir glauben, Christen zu sein, und sind es nicht; wir trösten uns der Verheißungen Gottes, und sie gelten uns nicht. Daher bezeugt der Apostel: „Wer da sagt, ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit.“ So lasst uns Jesu nachfolgen als seine Jünger. Aber vergessen wir es nicht, wir können ihm nur nachfolgen, wenn wir in ihm sind und bleiben. Ohne innere Gemeinschaft mit dem Heiland können wir ihn zwar nachahmen, aber ihm nicht nachfolgen; ohne innere Gemeinschaft mit ihm können wir in ihm zwar einen Gesetzgeber verehren, dessen Willen wir in der äußeren, sichtbaren Erscheinung unsers Handelns gehorchen, aber nicht unseren Erlöser und Meister, dessen Sinn und Geist unser Herz erfüllt, weil wir unseren Willen seinem heiligen Willen erschlossen und ergeben haben. Nachahmung ist ein äußeres Gesetzeswerk, ein knechtisches Tun; Nachfolge ist ein aus dem Innern erwachsendes Lebenswerk, ein kindliches Tun. Deshalb ist es an die Erkenntnis Jesu Christi gebunden. Denn ohne Erkenntnis keine Freiheit. Jesum Christum erkennen und seine Gebote halten, beides gehört innig zusammen. Haben wir den Heiland erkannt, haben wir in sein Herz voll Liebe hineingeschaut, haben wir uns in die Herrlichkeit seines Lebens, Leidens und Sterbens versenkt, ist uns Christus unser Versöhner, Erlöser und Wegweiser, mit einem Worte, ist er unser Herr geworden, dann können wir, dann müssen wir ihn lieben und seine Gebote halten. Erkenntnis, Liebe, Gehorsam, das ist der Weg, auf den wir gewiesen sind. Ein innerer, notwendiger Zusammenhang führt von der Erkenntnis zur Liebe, von der Liebe zum Gehorsam. Ist es doch eine allgemeine Erfahrung, dass wir, sobald uns die Züge eines hohen, erhabenen Geistes, einer edlen Gesinnung fesseln, sobald uns das Bewusstsein bewegt, in das Angesicht einer Persönlichkeit zu schauen, die uns an Einsicht, Wollen und Können überragt, von liebevoller Verehrung ergriffen werden und zu willigem Gehorsam uns entschließen. Und nun, meine Teuren, wir stehen hier vor dem eingebornen Sohn Gottes voll Gnade und Wahrheit, vor dem sündlosen Menschensohn, der uns aus der Knechtschaft der Sünde in das Vaterhaus Gottes gerettet, aus verlornen Söhnen zu begnadigten Kindern des himmlischen Vaters gewonnen hat, und diese Erkenntnis sollte uns nicht zur Liebe, und diese Liebe nicht zum Gehorsam führen! Nein, wir haben Jesum Christum erkannt, erkennend haben wir ihn geliebt, liebend ihm gehorcht, und immer erneut sich unsere Erkenntnis, wächst aus ihr die Liebe, aus der Liebe der Gehorsam. Aber, was ein erstes ist, wird auch ein letztes. Im Gehorsam wächst die Liebe, in der Liebe die Erkenntnis. Das Maß unserer Liebe ist auch das Maß unsers Erkennens. Je inniger wir lieben, desto tiefer erkennen wir. Je mehr wir gehorchen, desto kräftiger wird unsere Liebe, denn gehorchend werden wir inne, dass es ein Liebeswille ist, der das sanfte Joch auf unsere Schultern legt. So verknüpft eine heilige und selige Wechselwirkung das innere Leben im Herrn und den Wandel nach seinem Wort. Wir müssen ein Licht im Herrn sein, damit wir in der Welt leuchten; aber dies Leuchten in der Welt verleiht dem Licht im Innern des Herzens neue Helligkeit, neuen Glanz.

So sei von uns beides gepflegt, der verborgene Umgang der Seele mit dem Heiland und die treue Nachfolge seines Wandels. Er ist uns nahe, lasst uns allezeit in seiner heiligenden und beseligenden Ruhe bleiben. Amen.

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