Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - 1. Pet. 5, 6. 7.

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - 1. Pet. 5, 6. 7.

Predigt bei dem zweiten Mordattentat auf Seine Majestät den König Friedrich Wilhelm IV. am 20. Mai 1850.

Geliebte in Gott. Wo die Ereignisse selbst zu Rednern werden, wird jede Rednerzunge zu Schanden, wenn sie etwas mehr thun will, als die einfache Dolmetscherin der Ereignisse seyn. Laßt mich daher in aller Einfachheit euch an's Herz legen, was das erneute, schreckliche Ereigniß in unserm Volk zu uns redet. Es ruft das Wort des Apostels Petrus uns zu:

1. Petr. 5, 6. 7.

So demüthiget euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn Er sorget für euch. „

Es ist ein Ereigniß geschehen, welches aufs Neue uns auffordert, uns tief zu demüthigen vor Menschen und vor Gott, welches auf's Neue mit der ernstesten Sorge uns erfüllt, welches uns aber auch getrost unsere Sorge auf den Herrn werfen läßt - unsere Sorge, doch nicht unsere Arbeit.

Es ist abermals, sage ich, ein Ereigniß geschehen, welches uns auffordert, uns auf's Tiefste zu demüthigen vor Menschen und vor Gott. Als wir vor drei Jahren an dieser Stätte versammelt waren, um bei gleicher Veranlassung ein Trauer- und Dankfest zu begehen, wie anders standen damals wir Deutschen und wir Preußen! Noch war die Ehre deutscher Redlichkeit, Treue, Mäßigung, wenngleich schon im Schwinden begriffen, sprichwörtlich bei unsern Nachbarvölkern; auf eine Reihe Könige blickten wir Preußen hin, von denen fast nur mit Einer Ausnahme jeder, sei es durch häusliche, sei es durch öffentliche Tugenden oder durch beides zugleich als der Stolz seines Volkes galt, auf eine Geschichte konnten wir blicken, in welcher Empörung und Königsmord Wörter von völlig fremdem Klange waren. Stolz blickten wir herab auf jene Nation neben uns, deren wiederkehrende Revolutionsgreuel die Blätter ihrer Geschichte in Blut getaucht, deren Königsblut auf dem Schafott geflossen war, bei denen jedes Jahr ein neues Attentat auf Königsleben brachte, deren Treubruch ebenso sprichwörtlich unter den Völkern geworden, wie die deutsche Treue. Und jetzt - hineingezogen in die gleiche Gemeinschaft der Schande, verlustig der Ehren, die vorzugsweise an den deutschen Namen geknüpft waren, ein Geschlecht von Thoren und von Frevlern in den Augen jener Nationen, welche von dem von Frankreich aus hervorgebrochenen Sturme sich nicht haben hinreißen lassen. - Und nun - ein neuer Mordanfall auf ein Königsleben, auf das Leben des deutschen Herrschers, an dem alles, was von deutscher Ehre noch übrig ist, jetzt hangt und sich anklammert! Und wäre es nur eine vereinzelte Frevelthat! Es giebt ja allerdings Frevelthaten eines faulen Gliedes eines Volkes, welche nur dazu dienen, die Gesundheit des ganzen Körpers desto mehr zu offenbaren, aber diese Spitze sittlicher Verworfenheit, sie ist wie eine Anhöhe, von der aus erst recht offenbar wird, wie weit die sittliche Fäulniß schon im Volke gegriffen hat! Wohl rauschen die Dank- und Anhänglichkeitsadressen durch die Zeitungen, aber wer, der Ohren hat zu hören, hört nicht das heisere Hohngelächter, das aus den Abgründen hervor ihnen nachrauscht. Aus den Zeitungen - und auch nur aus einem Theile derselben - spricht die Entrüstung, auf den Kanzeln der Abscheu, aber auf den Straßen und in den Wirthshäusern, da lassen sie zu Haufen aufweisen die Majestätsbeleidiger, die, wo sie nicht mitspielen konnten, wenigstens mit in die Hände klatschen. Während wir hier zum Dank versammelt sind, daß diese Kugel ihren Weg verfehlte, wer weiß, in welchen Winkeln in derselben Stunde anderwärts diejenigen gegossen werden, die ihn besser finden sollen! Doch ist's das noch nicht, was unsern Verfall in seiner Größe offenbar macht, unsern Verfall macht vielmehr die innere Stellung recht offenbar, welche die Masse der ruhigen und wohlgesinnten Leute, derer selbst, welche die Adressen unterzeichnen und bei den Dankgottesdiensten sich einstellen, welche diese der Wahrheit nach zu einem solchen Verbrechen einnehmen. Von den Schaaren solcher Heuchler will ich gar nicht einmal sprechen, die um Amt und Würde willen die Phrase des Bedauerns auf ihren Lippen tragen und die Lüge in ihrem Herzen. Nein, von euch will ich reden, ihr schwachen und entmarkten Kinder der Zeit, die ihr's zum Bedauern wohl bringt, aber nicht zum Abscheu, zum sittlichen und religiösen Abscheu vor der Sünde. Was bedauert ihr? Daß eines guten Mannes Leben angetastet worden. Eines guten Mannes Leben? Es ist das Leben dessen, an dessen heiligen Scepter keine Hand von Fleisch und Blut antasten darf, ohne Einbruch in göttliche Rechte! Des Königs Name ist hunderttausend Namen, und einem Tropfen Königsblut von Unterthanenhand vergossen, dem ziehen die Ströme Bluts vom Volke hinten nach. Ist nicht aber bei Etlichen schon bis zu dem Grade die sittliche Kraft gewichen, daß sie ihr schlaffes Bedauern fast zu gleichen Theilen theilen zwischen dem Verbrecher und seinem königlichen Opfer? Noch ist das Wundfieber, das auf der brennenden Wunde liegt, nicht geheilt, und schon tönt aus dem Lager dieser Gutgesinnten das Geschrei nach Begnadigung. Was wir anklagen an diesem Geschlecht ohne Mark und ohne sittliches Herzblut, das ist, daß sie kein Verständniß mehr haben für das Wort Schuld! Und sie können es nicht kennen, denn sie wissen von keinem Erbeben vor ihrer eigenen Schuld. O wenn wir sie noch kennten jene heiligen Schauer, in denen einst selbst die Völker der alten Welt vor den Rachegöttinnen der Schuld, wenn sie erschienen mit dem gläsernen Auge, dem heiseren, markerstarrenden Gesang und mit dem Schlangenhaar, im Innersten zusammenbebten! Aber wir kennen sie nicht, und so finden wir sie denn zu Tausend und abermal Tausenden auch unter jenen Ruhigen und Wohlgesinnten, die, wo ein so ungeheures Verbrechen begangen wird, zwar für das Unglück, das darin liegt, noch eine Phrase, vielleicht auch eine Thräne haben, aber kein Erbeben vor der Schuld. O wenn sie noch da wären, jene Zeiten, wo jeder christliche Mensch am Abende jedes Tages sich selbst die Schuldrechnung vorlegte in dem Bewußtseyn, daß wir Menschen allesammt nur Knechte sind, die einst vor ihrem Herrn Rechnung abzulegen haben von ihrem Haushalte, wie ganz anders würden die Gefühle seyn, mit denen eine solche Frevelthat an eines Königs Leben unter dem Volke aufgenommen würde. Aber ihr, die ihr verlernt habt, über die Schuld eures eigenen Lebens und jedes einzelnen Tages desselben zu erbeben, wie könntet ihr sittlich erbeben bei fremder Schuld? Und unzertrennlich mit dem Worte Schuld hängt auch das Gericht zusammen. Nur darum haben wir, die verweichlichten Kinder der Zeit, noch vor Kurzem über dem noch rauchenden Blute der Frevelthat nach Amnestie der Verbrecher schreien hören, weil sie von der Schuld nichts mehr wissen.

Darüber laßt uns uns demüthigen vor allen andern Völkern rings umher: wir sind nicht besser denn sie. Aber mehr noch als dies: wie unser Text uns auffordert, laßt uns uns demüthigen unter Gottes Hand. In jenem Stolz eines Volks auf seinen Namen, auf seine erhabenen Vorfahren und auf den Ruhm seiner Geschichte liegt allerdings eine sittliche Kraft, welche vor schmachvollen Thaten bewahren kann. Aber Scham vor der Schmach, wenn es nur die Scham vor den Menschen ist, wie stark sie auch sei, das Herz reinigen kann sie doch nicht, das kann allein der Schrecken vor der Schuld. Nun aber kann den keiner kennen, als wer Religion kennt und hat. Denn das Gefühl der Schuld, es ist das Gefühl, nicht in endliche Gesetze von menschlicher Willkür eingegriffen zu haben, sondern in ewige Ordnungen, in die Ordnungen eines heiligen Gottes, der seiner nicht ungestraft spotten läßt; so kann es kein Schuldgefühl geben ohne Religion, denn was ist Religion anders als die gefühlte Lebensbeziehung zu Gott? Beruht darauf nun alles wahre Schuldgefühl, o müssen wir nicht fürchten, daß selbst unter euch stärkeren Männern, die ihr bei einer solchen Frevelthat mehr in eurem Herzen fühlt, als jenes schale Bedauern, daß doch selbst manchem von euch das Gefühl der Schuld noch fremd ist, denn - ist nicht selbst in vielen von euch die Religion erloschen, die gefühlte Lebensbeziehung zu Gott? O ihr Männer der guten Gesinnung, ihr erschrecket wohl vor dem Frevel, weil er die Nation schändet, weil er die Grundfeste des Staatsgebäudes erschüttert, das ihr liebt, aber erschrecket ihr denn auch darüber, daß der Frevel eingreift in jenes ewige, göttliche Gesetz, das göttliche Gerichte zeitlich oder ewig in seinem Gefolge hat, die so groß sind, wie die Uebertretung? Ihr Patrioten, das einfache Bibelwort: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten', dies muß wieder die Wahrheit eurer Herzen werden. Vor den Menschen demüthigt ihr euch vielleicht bei solcher Frevelthat, und ist euch herzlich weh dabei, daß euer Volk mit solcher Schmach auf's Neue besudelt worden, aber an diese Demüthigung hat Gott nicht die Verheißung geknüpft, uns wieder zu erheben: unter Gottes Hand müssen wir uns demüthigen, wenn er, wie unser Text verheißt, unser tiefgefallenes Volk wieder erheben soll zu seiner Zeit- zu seiner Zeit, erst dann wird diese seine Zeit zur Erhöhung sehn, wenn König und Unterthan vor ihm auf den Knieen liegen werden mit dem demüthigen Bekenntnisse des Unrechts, was sie vor ihm gethan. Und wie nahe ist jedem Einzelnen bei diesem Frevel die Demüthigung gelegt, da es offenbar ist, wie die Fäden solcher That in unserer aller eigene Brust hineinreichen. Ihr Wohlgesinnten! nicht der Mörder in Berlin allein klaget an, klaget die Fäden an, wodurch seine Sünde während der zwei letzten Jahre mit der in eurem eigenen Herzen verschlungen ist, die unreinen aufrührerischen Gelüste, die leichtsinnigen Reden, eure Abgöttereisünden mit den Zeitgötzen, eure Feigheit, womit ihr verstummt seid vor den Freveln der Zeit, eure wetterwendische Nachgiebigkeit, mit der ihr nach den Erfolgen gerichtet habt, was ihr nach den ewigen Gesetzen Gottes hättet richten sollen. Und gesetzt, es wären welche, die von keinen Begehungssünden angeklagt worden, unsre Unterlassungssünden klagen uns alle an: wir haben den sittlichen Fall unseres Volkes nicht tief genug gefühlt, wir haben nicht ernst genug in den eigenen Busen gegriffen, wir Lehrer haben den ernsten Ton, zu dem die ganze Zeit uns hindrängte, nicht genug durch unsere Vorträge hindurchklingen lassen, es hätte bei uns allen, Gottesgelehrten, Philosophen, Rechtsgelehrten und Medicinern, die Wahrheit, die Gott mit ehernem Griffel in unsere Geschichte geschrieben, durch unsere Lehre hindurchklingen müssen, daß die Sünde der Leute Verderben ist. Da ist ja keiner in keiner Fakultät, der das nicht hätte auf seinem Gebiete erkennen müssen. Wir hüben an den Schnitzeln unserer eigenen Weisheit fortgekräuselt, es hätte aber in so ernster Zeit etwas vom Gefühl der Gottheit in unsere ganze Wissenschaft dringen und ihr einen höhern Ton und Klang geben müssen. - In wie weit bei dem Mörder in Berlin sein Verbrechen verstrickt gewesen sei mit der Sündenschuld unserer letzten Vergangenheit, dafür warten wir noch auf das Ergebniß der gerichtlichen Untersuchung - von uns wissen wir's oder können es doch wissen, wie weit wir selber in die allgemeine Schuld hineingezogen worden. Die Untersuchung haben wir bei uns anzustellen und uns zu demüthigen unter Gottes Hand.

Ich sage weiter: es ist ein Ereigniß geschehen, welches auf's Neue mit der ernstesten Sorge uns erfüllt. Noch kein volles Jahr, seitdem Deutschland von dem Schrecken der Gesetzlosigkeit sich zu erholen angefangen hat, und was davon sich neu ausgebaut hat, hat es nicht an Preußens Scepter sich angelehnt? An dieses Königs Leben - wie viel Millionen Leben und ihre Wohlfahrt sind an dieses Königs Leben angeknüpft! Damals als jenes Verbrechen vor drei Jahren zum ersten Male in der Geschichte Preußens, ja fast in der Geschichte Deutschlands begangen worden war, da konnte nach vollbrachter Thai das edle Königsherz das Wort aussprechen: „Ich lege doch mein Haupt nach wie vor getrost in jedes meiner Unterthanen Schooß“ - wir staunten der Kühnheit des Vertrauens, doch um alles in der Welt willen hätten wir nicht das Mißtrauen an seiner Stelle sehen mögen. Jetzt aber - wer anders, als ein schwachmüthiger Thor könnte jetzt dies Königswort wiederholen? O fühlt es, fühlt es, Vaterlands - Genossen, um was diese drei Jahre uns gebracht haben! Das hohe Königswort - in dieser Zeit gesprochen - zum Thorenwort geworden! Wo aber vor eines Königs Burg nicht mehr Vertrauen und Ehrfurcht des Volkes die Wache hält, ja nicht einmal die heilige Scheu vor dem Frevel - daß da für die Erhaltung eines Fürstenlebens Schloß und Reisige keine Bürgschaft geben, das wissen wir. Und nun der Fluch, der auf jeder schwarzen That ruht, daß sie neues Böses zeugen muß, daß sie eine Brandrakete ist, deren Funken auseinanderstieben, um allenthalben Feuer anzuzünden; nun die ängstigende Furcht, daß der verfehlte Versuch nur zum Wegweiser werde des besseren Gelingens, und daß, wenn es früher oder später gelungen, die in innerlichem Kochen genährte Glut aufs Neue mit feurigerer Lohe herausschlagen werde denn je - o Herr! auf wen sollen wir vertrauen? Eure Trostgründe von der Erde, sie sind leidige Tröster; mit der kleinen Zahl derer tröstet ihr, die das Herz haben, vom frevelhaften Worte zur frevelhaften That fortzuschreiten - aber ist nichts als die Feigheit der Riegel, der vor der blutigen That steht, laßt nur den günstigen Augenblick kommen, und er wird diesen Riegel bald hinwegschieben! Und so feige sind sie auch nicht die blutrothen Schaaren; sie haben wohl unedlen und edlen Blutes schon genug getrunken, um nun auch nach Königsblute lüstern zu seyn. Mit den gutgesinnten Vaterlandsfreunden tröstet ihr - ja wären alle diese Vaterlandsfreunde auch Freunde Gottes! Die aber das nicht sind, die sind am schlimmen Tage doch nicht sicher, Wetterfahnen zu werden wie alle anderen. Denn nur ein Mensch, dem der Glaube an eine weltregierende heilige Gottheit unerschütterlich fest steht, dem steht auch unerschütterlich fest, daß das Gewissen Recht behalten muß, auch wenn die ganze Welt auf dem Spiele stände - daß unsere Thaten niemals nach den Erfolgen, sondern nach Gottes Gesetzen zu beurtheilen sind. An diesem Glauben aber eben an die verborgenen göttlichen Quellen, aus denen alles Recht der Erde fließt, an dem fehlt es - fehlt es einem großen Theil der Männer des Rechts selbst. Wir fluchen den Jesuiten um des Grundsatzes willen, den sie die Hölle gelehrt, daß der Zweck die Mittel heilige, aber ihr alle, denen die kräftige Lebensbeziehung auf Gott, denen die Religion fehlt, merkt ihr's denn nicht, wie auch ihr vor diesem Grundsatz euch nicht retten könnt? Daß unter allen Nebeln der Welt die Schuld schlechthin das größte sei, daß der Weg der Pflicht, auch wenn er über Millionen Leichen ginge, schlechthin der rechte, daß tausend Menschenleben, wenn sie durch Sünde zu retten sind, geopfert werden müssen, daß nur, wer den Willen Gottes thut, bleibet in Ewigkeit: Chimären sind ja das alles, wenn es keinen lebendigen Gott mehr giebt, der die Welt auf den Grundpfeilern seiner heiligen Ordnung gegründet hat und den Missethäter nicht ungestraft läßt. Ein Narr ist's, der nicht durch die kleine Lüge die Ehre und Wohlfahrt seines Standes retten, durch einen gebrochenen Eid sein eigenes und seiner Kinder Leben retten will. Wenn nun aber selbst unter euch Männern der guten Gesinnung so mancher sich befindet, auf dessen Herde der Religion nichts mehr als die todte Asche zu finden ist, wie gewiß ist's, daß auch unter euch der Boden, auf dem ihr steht, schlüpfrig werden wird, wenn in der Stunde der Versuchung der Kampf sich entspinnt zwischen dem vermeintlich sittlichen Zwecke und dem gottlosen Mittel. Vor dem Grundsatze, daß der Zweck die Mittel heilige, kann nichts den Menschen sicher stellen, als der Glaube an einen Gott, der die Welt so regiert, daß heilige und gottgefällige Mittel allemal zum besten Ziele führen müssen.

O Herr! auf wen sollen wir vertrauen? Auf Erden auf Keinen, aber auf dich, Herr, vertraue ich und werfe auf dich alle meine Sorge. Ja, werfet alle eure Sorge auf den Herrn, er ist die rechte Zuflucht der Herzen in der so beängstigenden Zeit. Er hat uns ein Wahrzeichen gegeben, daß er retten kann auch aus des Todes Rachen und daß er auch in der Zukunft noch unser Königshaus retten will. Wie auch die klügsten Anschläge, wenn Er es will, zu Schanden werden, und wie gewiß er dieses königliche Haupt noch zu bessern Dingen aufbehalten hat, hat er uns nicht dafür ein Wahrzeichen gegeben, bei dem jedermann mit dem Psalmisten rufen muß: „Nun merke ich, daß der Herr seinem Gesalbten hilft und erhöret ihn in seinem heiligen Himmel.“ Vierzehn Tage übt sich eine in diesem Werk ohnehin schon geübte Hand im Treffen eines Herzenszieles, zwei Schritte von dem königlichen Opfer entfernt drückt sie das Mordgewehr ab - doch nur die Kugel wirft der Mensch, und nur den Streich führt des Frevlers Hand, aber wie und wo er falle, das steht in eines Andern Hand. Nun merke ich, daß der Herr seinem Gesalbten hilft und erhöret ihn in seinem heiligen Himmel. Ihr Preußen, das laßt nun unsere Losung werden. Wunderbar ist's vor unsern Augen, wie Gott die in den Straßenkoth getretene Krone Preußens wieder aufgehoben und, mit neuem Glanze umgeben, unserm König aufgesetzt hat: er wird und will auch das Haupt nicht versäumen, dem er sie aufgesetzt hat, und weiß, zu welchen Zwecken er es aufbehalten. Er wird den tief Gedemüthigten, nun aber neu Erhobenen, noch ferner zum Felsen in dem Strudel machen, darauf die Schiffbrüchigen sich retten, und was sie gedachten böse zu machen, das wird der Herr wieder gut machen. Mag das Gelüste der Hölle, das auf's Neue Königsblut gekostet, dadurch noch durstiger danach geworden seyn, mag jeder verfehlte Versuch für sie der Wegweiser werden zu besserem Gelingen: uns Treuen im Lande soll das versprützte Königsblut auch zu etwas dienen - o wir wissen es, dies köstliche Blut ist für uns geflossen, für unsere Sicherheit, für unsere Ruhe; so sollen sie denn, diese vergossenen Blutstropfen, ein neuer Kitt werden, des Königs und der Unterthanen Herzen noch unauflöslicher zusammen zu verbinden. Für uns, für uns steht er ja auf seiner hohen Warte der königliche Mann, die Zielscheibe jeder Bubenhand. Und mit neu gekräftigter Inbrunst kehrt sich Herz und Auge zum Himmel hin und fleht: O schirme ferner, o schirme ferner den König, der dir gelobt hat: Ich und mein Haus, wir wollen dem Herren dienen.

Ja wir, die wir noch einen lebendigen Gott haben, wir werfen die Last unserer Sorgen ab auf den, der alle Dinge trägt mit seinem allmächtigen Wort, und fühlen uns wieder leicht. Die Sorge werfen wir auf ihn, doch - nicht die uns verordnete Arbeit. Nur das heißt ja christlich arbeiten - beten, als ob man nicht arbeitete, nur das heißt christlich beten - arbeiten, als ob man nicht betete. Und zwar sei das, woran es am meisten fehlt, der vornehmste Gegenstand unserer Arbeit: ihr Männer und lieben Brüder, es muß die heilige Flamme der Religion wieder heller brennen auf den Altären unserer Herzen und Häuser. Und nicht bloß wünschen müssen wir das, sondern würklich dafür etwas thun bei uns und bei Andern. Nahet euch zu Gott, so nahet er sich zu euch-, ruft das apostolische Wort euch zu. „Suchet, so werdet ihr finden, bittet, so wird euch gegeben werden, klopfet an, so wird euch aufgethan. Eure Hände sind lahm und steif geworden und können zum Gotte eurer Kindheit sich nicht mehr erheben - er aber ist nicht euch fremd geworden, sondern ihr ihm, verhüllt ist er euch zur Seite gegangen die langen Jahre her, die ihr hingegangen seid ohne zu beten, er ist da, und er wird sich euch wieder offenbaren, sobald ihr ihn wieder suchen werdet. Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, die ihn mit Ernst anrufen.

O Gott, der du Gebete erhörst, darum auch alles Fleisch zu dir kommt, höre auch die Gebete unserer aller, die wir in dieser Zeit, wo du unsere einzige Zuflucht bist, zu dir flehen: „Wir glauben, Herr, hilf unserm Unglauben!- Sammle ein Volk und Erbe wieder, das mit seinem Herrn und Könige spricht: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen. “ Und wenn wir erst recht vor dir werden gedemüthigt seyn, dann erhebe uns zu deiner Zeit. Amen.

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