Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Die Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der köstlichen Perle. Mt 13, 44–46

Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Die Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der köstlichen Perle. Mt 13, 44–46

44 Abermals ist gleich das Himmelreich einem verborgenem Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging hin vor Freuden über denselben und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. 45 Abermals ist gleich das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte. 46 Und da er eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Es ist ein Unterschied zwischen diesen beiden Gleichnissen.

Der eine Mann fand ohne zu suchen, dass ein Schatz im Acker verborgen war, der andere ging aus und suchte Perlen, bis er die eine köstliche fand.

So sind die Führungen der Menschen verschieden.

Das eine Notwendige ist in Christo; einigen wird dieses durch göttliche Fügung fast ungesucht entgegen gebracht, andere finden es erst nach lange vergeblicher Mühe des Forschens.

Einen jeden aber lehrt Christus, dass man, um Ihn zu gewinnen, bereit sein muss, alles andere gering zu achten, dahinzugeben und aufzuopfern.

Das war es, wozu der reiche Jüngling sich nicht entschließen konnte, das ist es, was so wenige von den Weisen und Angesehenen in dieser Welt vermögen.

Der HErr kann nur solche Diener brauchen, die ihre höchste Freude darin finden, Ihn zu ergreifen und Ihm nachzufolgen. Er verlangt eine heldenmütige Liebe, welche sich, um nur Christum zu gewinnen, über irdische Verluste, Schmach und Leiden hinwegsetzt. „Wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.“

Indem der HErr diese zwei Gleichnisse aneinander reiht, scheint Er uns zu sagen, dass es zweimal im Leben des Christen eine solche Aufopferung gilt: am Anfang unserer Laufbahn und gegen das Ende derselben.

Wollen wir der Welt und ihrer Richtigkeit entrinnen, Christum, der der Welt verborgen ist, ergreifen, so ist ein rechter Ernst und große Entschlossenheit nötig, wie bei dem Manne, der alles verkaufte, um den Schatz im Acker zu erwerben.

Dies ist die Bekehrung, aber damit ist noch nicht das Ziel erreicht. Noch muss die köstliche Perle errungen werden, das Kleinod, welches die himmlische Berufung uns vorhält, die Krone, welche der HErr an jenem Tage denen geben wird, die den Glauben bewahrt und den Lauf vollendet haben.

Der Weg des Christen zu diesem Ziele ist schmal und bleibt schmal, und der Kampf erfordert zuletzt noch die größten Anstrengungen. Aber die Krone des Lebens ist es wert, dass man um ihretwillen fortgesetzte Selbstverleugnung und die größten Opfer nicht scheue.

Dies ist die ermahnende Absicht des HErrn und die moralische Bedeutung dieser Gleichnisse, aber auch ein prophetischer Sinn ist darin verborgen.

So ist ja auch in dem Gleichnisse vom barmherzigen Samariter uns gesagt, was wir tun sollen, und zugleich angedeutet, was der HErr für uns tut. Der Mensch, der den Schatz findet, und der Kaufmann, welcher die köstliche Perle erwirbt, bedeutet, wie in den vorigen Gleichnissen der Sämann und der Herr des Ackers, den Menschensohn, und der Acker bedeutet auch hier die Welt (vergl. Mt 13, 37-38).

Der im Acker verborgene Schatz bedeutet die Auserwählten, die in der Menschenwelt vorhanden sind, aber niemand bekannt waren. Aber der Sohn Gottes kennt die Seinen. Er nahm sie wahr, die Ihm der Vater zum besonderen Eigentum bestimmt hat. Er sah in dem gefallenen und verderbten Menschengeschlecht die Seelen, welche nach dem verborgenen ewigen Ratschluss des Vaters Ihm angehören, Seine auserwählte Kirche bilden, Seine Seligkeit und Herrlichkeit mit Ihm teilen sollen. Auf diese blickte Er, diese wollte Er gewinnen, diesen in der Welt vergrabenen Schatz wollte Er heben, wie Er spricht: „Ich bitte nicht für die Welt, sondern für die, welche du mir gegeben hast.“

Um diese teuer geachteten Seelen zu erwerben, hat Er alles verkauft, was Er hatte. Er verließ die Herrlichkeit, die Er bei dem Vater besaß. Er achtete es nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern entäußerte Sich selbst. Er gab die göttliche Gestalt daran und nahm Knechtsgestalt an. Er kam herab in vollkommener Liebe und wurde Mensch zu unserm Heil.

Dazu bewog Ihn die Freude an Seinen Auserwählten, die Er kennt, ehe sie Ihn kennen. Er allein wusste von ihnen; Seine Menschwerdung und Seine Absicht bei derselben war ein tiefes, den Menschen und den Engeln verborgenes Geheimnis, welches erst kund wurde, nachdem Er den Schatz erworben hatte.

Um den Schatz zu gewinnen, hat Er den Acker erkauft: durch Seine Hingebung hat Er die Welt erworben, zum Lohn für Seinen Gehorsam bis zum Tode hat Er Macht empfangen über alles Fleisch, damit Er das ewige Leben gebe den Auserwählten, die Ihm der Vater gegeben hat (Joh 17, 2).

Gott hat Ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde, die Kirche ist Sein Eigentum in besonderem Sinn, sie ist mit Ihm aufs innigste verbunden, und sie ist in Seinen Augen mehr wert als die ganze übrige Welt.

Als Er die Seinen erkaufte, waren sie noch nicht sogleich bereitet zur Aufnahme in die Herrlichkeit. Seine Kirche sollte erst die rechte Gestalt gewinnen, in Heiligkeit und Liebe vollendet werden.

Er sucht eine Gemeinde, die heilig und unsträflich, ohne Flocken und Runzel sei, wie sie im Hohen Liede beschrieben ist und im 4;'-. Psalm —lieblich wie Jerusalem, hervorleuchtend wie die Morgenröte, schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, die Eine köstliche Perle, der keine andere zu vergleichen ist. In solcher Gestalt soll Seine Gemeinde vor Ihm dargestellt werden, wenn Er kommt; noch sucht Er nach ihr, und sobald Er sie findet, will Er sie zu sich nehmen in Seine Herrlichkeit. Aber die Mühe ist groß, bis dieses Ziel erreicht wird.

Wiederum heißt es: Er verkaufte alles, was er hatte.

Während Er die Kirche zur Vollendung führt, muss Er zugleich Gerichte über die Welt kommen lassen, nicht anders kann Er Sein Ziel mit der Gemeinde erreichen, denn für sie selbst sind die Gerichte nötig, erst um sie zu läutern, dann um sie aus der Welt zu erretten.

Er gibt um der Kirche willen eine Zeitlang die Welt dahin, denn an dem Besitz der köstlichen Perle ist Ihm alles gelegen. Doch liebt Er auch noch die Welt, denn wenn die Kirche in die Herrlichkeit eingegangen ist, dann soll sie der Welt erst recht zum Segen gereichen. So innig, heilig und zart ist die besondere Liebe, die der Sohn zu den Kindern Gottes hat, sie kann nur mit der Liebe des ewigen Vaters zu dem eingebornen Sohne verglichen werden, wie der Sohn sagt: Du liebest sie, gleichwie Du mich liebest (Joh. 17, 23). Wie innig und tief begründet sollte unsere Liebe zu dem HErrn sein, der uns zuerst also geliebt hat.

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