Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis von dem unbarmherzigen Knechte. Mt 18, 23-35

Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die Gleichnisse Jesu Christi - Das Gleichnis von dem unbarmherzigen Knechte. Mt 18, 23-35

23 Darum ist das Himmelreich gleich einem König, der mit seinen Knechten rechnen wollte. 24 Und als er anfing zu rechnen, kam ihm einer vor, der war ihm zehntausend Pfund schuldig. 25 Da er’s nun nicht hatte, zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn und sein Weib und seine Kinder und alles, was er hatte, und bezahlen. 26 Da fiel der Knecht nieder und betete ihn an und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, ich will dir’s alles bezahlen. 27 Da jammerte den Herrn des Knechtes, und er ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. 28 Da ging derselbe Knecht hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an und würgte ihn und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist! 29 Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir; ich will dir’s alles bezahlen. 30 Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis daß er bezahlte, was er schuldig war. 31 Da aber seine Mitknechte solches sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten vor ihren Herrn alles, was sich begeben hatte. 32 Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht, alle diese Schuld habe ich dir erlassen, dieweil du mich batest; 33 solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? 34 Und sein Herr ward sehr zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlte alles, was er ihm schuldig war. 35 Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, so ihr nicht vergebt von eurem Herzen, ein jeglicher seinem Bruder seine Fehler.

Der HErr sah voraus, dass unter Seinen Jüngern Versündigungen des einen gegen den andern vorkommen würden. Er verlangt darnach, dass die Seinigen in Friede und Eintracht zusammenhalten, und es kränkt Ihn tief, wenn Zwistigkeiten, Kränkungen und Erbitterungen unter ihnen vorfallen. Darum hat Er einen Weg angezeigt, auf welchem diesen Übeln vorgebeugt und der schon entstandene Zwist beigelegt werden soll. Er sagt: „Sündiget dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn, d.h. stelle es ihm vor, zwischen dir und ihm allein. Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hörer er dich nicht, so nimm noch einen oder zwei zu dir usw.“ (Mt 18, 15).

Wir Menschen machen es leider ganz anders. Ist uns eine Kränkung widerfahren, so sprechen wir davon in der Regel mit andern, beschweren uns über den Bruder und reden uns dadurch in die Verstimmung immer mehr hinein; ihm selbst sagen wir anfangs nichts, endlich aber bricht unsere Erbitterung gegen ihn los, wir machen ihm Vorwürfe auf eine Weise, die sein Ehrgefühl verletzt; er wird gewahr, wie wir bei andern über ihn gesprochen haben; er wird dadurch aufgebracht und es tritt eine unheilbare Feindschaft ein.

Die Lehre Jesu gebietet uns das gerade Gegenteil einer solchen Handlungsweise. Wir gehen hin zu andern und halten uns über den Bruder auf, aber der HErr sagt: Gehe hin zu deinem Bruder und halte es ihm unter vier Augen, dann erst, wenn das nichts hilft, teile es andern mit, aber auch dann nicht, um deinen Bruder anzuschwärzen, sondern um mit ihrer Hilfe ihn noch zu gewinnen.

Dies also ist ein Grundgesetz, welches Christus Seiner Kirche zur Erhaltung des Friedens gegeben hat. Wir werden angewiesen, mit Offenheit und Redlichkeit, mit männlichem Mut und mit Vertrauen zu dem Nächsten aufzutreten. Wir sollen ihm zutrauen, dass ein gutes Wort eine gute Ausnahme bei ihm finden werde. Wir sollen nicht warten, bis er von selbst seinen Fehler einsieht.

Die Liebe zum Frieden, der Schmerz über den Unfrieden unter den Brüdern soll uns bewegen, dass wir dem Beleidiger entgegenkommen, und wiewohl wir uns unschuldig fühlen, doch den ersten Schritt zur Versöhnung tun.

Durch Entzweiungen in einer Gemeinde sucht der Teufel Eingang zu gewinnen; wer Zwist und Erbitterung aufkommen lässt, öffnet dadurch dem Verderber die Türe. Darum muss man gleich seinen ersten Anläufen widerstehen, wie der Apostel sagt: „Gebet nicht Raum dem Lästerer“ oder dem Verleumder, dem Teufel. Arge Gedanken und Misstrauen gegen die Brüder entstehen aus den Einflüsterungen Satans. Solchen soll man das äußere und das innere Ohr verschließen und den Verkläger der Brüder zurückweisen. Denn dieser ist es, welcher durch den Mund der Menschen und durch böse Regungen unseres eigenen Herzens uns gegen die Brüder aufzuhetzen versucht.

Darum sollen wir ihm Widerstand leisten; und wie wir dies anzufangen haben, lehrt uns der HErr in diesem Wort. Wenn dieses befolgt wird, so kann es dem Feind nicht gelingen, die Gemeinde Gottes durch Unfrieden zu zerrütten. Wenn solche Biederkeit und Versöhnlichkeit in ihr vorwaltet, so ist sie wie eine mit Mauern wohlverwahrte Stadt gegen die Anläufe des Widersachers wohl geschützt.

Sollen wir dieses Wort des HErrn befolgen, so müssen wir von Herzen zur Verzeihung bereit sein, sobald der Nächste seinen Fehler einsieht. Diese Lehre verstand Petrus ganz gut, und es scheint, dass sie ihm einige Unruhe machte. Er mochte fühlen, dass hiermit ein großes Maß von Versöhnlichkeit verlangt werde, und dass es mit seinem Herzen noch nicht ganz so bestellt sei.

Aus dieser Unruhe entstand seine Frage (Mt 8, 21): „Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist’s genug siebenmal?“

So ist das menschliche Herz, selbst wenn schon so viel Gutes in ihm wohnt, wie damals in Petrus. Man will in der Liebe und Versöhnlichkeit gegen die Brüder nicht zu viel tun. Man meint, diese müsse doch auch eine Grenze haben, d. h. das menschliche Herz weiß von der vollkommenen Liebe nichts. Aber diese wohnt in dem Herzen unsers Heilandes. Hier sehen wir den Unterschied zwischen Petrus und Christus.

Petrus meint, siebenmal verzeihen sei genug; Christus sagt: Nein, sondern siebenzigmal siebenmal soll man verzeihen. Er sagt dies nicht nur, sondern Er tut es auch; Er gebietet eine unermüdliche und unerschöpfliche Liebe, und Er selbst erfüllt dieses Gebot. Denn was war Sein Verfahren mit Seinen Jüngern, die Ihm so viel Mühe machten? Ein beständiges Tragen, Dulden, Lieben und Verzeihen.

Und was ist Sein Verhalten gegen uns, indem Er vom Himmel aus an uns arbeitet, um uns selig und heilig zu machen? Bis hierher hat Er uns Tag für Tag unsere Fehler vergeben; so oft wir Ihn suchten, hat Er uns Sein Angesicht wiederum leuchten lassen, und auch heute hat Er uns aufs neue gesegnet und unserer unzähligen früheren Übertretungen nicht gedacht. Er hat uns wahrhaftig siebenzigmal siebenmal vergeben. „Die Güte des HErrn ist es, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß!“ (Klgl 3, 22-23).

Unter den Menschen wird es nicht leicht vorkommen, dass einer dem andern siebenzigmal siebenmal etwas zu verzeihen hat, es müsste denn sein bei Eltern, denen ihre Kinder durch immer wiederkehrende Schwachheiten und Fehler viel Mühe machen.

Ein Vater- oder Mutterherz verzeiht wohl auch vierhundertneunzigmal; aber so soll auch die Gesinnung der Ehegatten gegen einander sein, so bereit zum Vergehen sollen auch leibliche Geschwister und sollen die Glieder der christlichen Gemeinde unter sich sein.

Solches vermag die göttliche Liebe, die durch den heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen wird. Sie ist eine Flamme des HErrn, dass auch viele Wasser sie nicht auslöschen können (Hoh 8, 6-7). Es ist die Absicht des HErrn bei dem Gleichnis, das Er nun folgen lässt, die Liebe Gottes uns im rechten Lichte zu zeigen und uns dadurch über unsere Verpflichtung zur Versöhnlichkeit gegen den Nächsten zu erleuchten.

Wir lernen daraus

• Erstens: unsere Verschuldung gegen Gott ist unermesslich. • Zweitens: Gott vergibt auch große Sünden • Drittens: Gott verlangt dafür von uns, dass wir dem Nächsten vergeben. • Viertens: Er kann, wenn wir nicht vergeben, Seine schon ausgesprochene Begnadigung zurücknehmen.

I. Die Knechte in diesem Evangelium sind Beamte, denen der König sein Land und die Einkünfte desselben zur Verwaltung anvertraut hat. So kann es kommen, dass einer unter ihnen bei der Abrechnung 10,000 Talente abliefern sollte, welches, wenn dies hebräische Talente sind, 48 Millionen Gulden beträgt (oder doch, wenn es attische Talente sind, 24 Millionen Gulden). So viel war diesem Manne anvertraut, und es scheint, er hatte diesen Betrag ganz oder zum größten Teile durchgebracht.

Hiermit also wird uns vorgestellt, wie tief wir gegen Gott, den großen König, verschuldet sind. Will Er mit uns ins Gericht gehen, so können wir Ihm auf Tausend nicht Eins antworten. Er ist die höchste Majestät und Liebe, wir sind Ihm vollkommene Huldigung, Anbetung und Liebe schuldig. Unsere leiblichen und geistlichen Kräfte, alle Gelegenheiten Gutes zu tun, jede Unterweisung in Seiner Wahrheit, jede Erfahrung Seiner Gnade sind Güter, die Er uns anvertraut hat und die wir nach Seinem Sinne anwenden sollen.

Auch der Ärmste von uns hat Großes aus der Hand des HErrn empfangen, wenn wir nur an die Taufgnade gedenken an die christliche Erziehung, an die genossene Gnadenzeit, an den mannigfaltigen Segen in der Kirche und an die Bewahrung vor so manchem Bösen; Auch wenn wir keine groben Sünden vor den Menschen begangen hätten, so würden wir doch vor Gott, wenn Er mit uns Rechnung hält, tief verschuldet dastehen: so mangelhaft war unser Dank für das alles und so gering unsere Treue, so vielfältig und hartnäckig unsere Widersetzlichkeit gegen Seinen guten Geist.

Auch wir können nicht bezahlen, das Versäumte nicht nachholen, die Schuld nicht abtragen, denn wenn wir uns auch jetzt aufmachen und wirklich von nun an dem HErrn von ganzem Herzen anhangen und mit allen Kräften dienen, so tun wir ja doch nur, was wir ihm ohnehin und unter allen Umständen zu tun schuldig sind. Damit wird also das Vergangene nicht gut gemacht.

Unsere Verschuldung ist in der Tat so groß, dass Gott der HErr gerechtfertigt wäre, wenn Er es machte wie der König im Evangelium, welcher beschloss, den Diener vom Amte zu setzen, ihm alles Anvertraute zu entziehen und ihn in die Sklaverei zu verkaufen. Wir hätten verdient, aus der Nähe unseres Gottes verwiesen und der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, die wir bisher genossen haben, verlustig erklärt zu werden.

II. Gott vergibt auch große Sünden.

Auf die fußfällige Bitte des Knechtes erbarmte sich der König über ihn und schenkte ihm nicht nur die verwirkte Freiheit wieder, sondern erließ ihm auch großmütiger Weise die ganze Schuldforderung.

Auch wir sind zum Bewusstsein unserer Schuld gebracht worden. Erleuchtet durch das Wort der Wahrheit haben wir unsere persönliche Verschuldung und unsern Anteil an der Gesamtschuld Seines Volkes dem HErrn bekannt und abgebeten. Im Hinblick auf die Herrlichkeit des HErrn und auf Seine bevorstehende Erscheinung haben wir Ursache, mit Jesaias auszurufen „Wehe mir! denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volke unreiner Lippen.“

Wir bekennen es in unseren Gottesdiensten, dass die Sünden vieler Geschlechter schwer auf uns liegen. Auch sind solche unter uns, welche einzelne schwere Sünden zu bereuen hatten. Und siehe, Gott kommt uns in seiner Barmherzigkeit entgegen. Er spricht uns los von aller Schuld, Er bestätigt uns die Taufgnade und das Kindesrecht.

Er schenkt uns die Gabe Seines Geistes und die alleredelsten Güter aufs Neue, welche der christlichen Kirche am Anfang geschenkt und von ihr missachtet, verwahrlost und verwirkt worden waren. Wie könnte sich die Großmut des HErrn in hellerem Lichte offenbaren als in der Wiederaufrichtung Seines Volkes aus dem Verfall und Verderben, und in den Schritten, die Er tut, um uns nun für das unvergängliche, unbefleckte und unverwelkliche Erbe im Himmel zu bereiten!

Es gibt eine falsche Auslegung dieses Gleichnisses, als ob Gott auch ohne Mittler und Versöhner den Menschen vergäbe, und als ob wir kein Opfer und keine Genugtuung Jesu Christi nötig hätten. Aber der König im Evangelium ist, laut den Schlussworten des Gleichnisses, der Vater unseres HErrn Jesu Christi, der Vater, den niemand kennet, außer der Sohn und wem Ihn der Sohn will offenbaren; der Vater, zu dem niemand kommen kann außer durch den Sohn; der Vater, der im Sohne ist und der Sohn in Ihm; der Vater, dessen Freundlichkeit und Leutseligkeit im Sohn erschienen ist, und der durch den Sohn die Welt richten wird.

Wir verdanken die Vergebung und die mannigfaltige Gnade, die uns zuteil wird, den versöhnenden Leiden Jesu Christi, Seinem Hingang zum Vater und Seiner Fürbitte. Die großartige Schuldenerlassung, welche der Christenheit jetzt angeboten wird, fließt aus dem Verdienste Jesu Christi und ist das herrlichste Zeugnis von der Kraft Seines Blutes.

III. Wie soll ich dem HErrn vergelten alle Seine Wohltat, die Er an mir tut?

Der HErr gibt uns die Antwort im Gleichnis; der großmütige König erwartete, dass der begnadigte Knecht nun auch dem Mitknecht die Schuld erlassen würde. Weil er dem König selbst die Wohltat nie vergelten konnte, sollte er seinem Mitknecht im Kleinen ähnliche Wohltat erzeigen. Dieser war ihm 100 Denare, d. h. 40 Gulden schuldig, eine Kleinigkeit gegen die Schuld, die der König erlassen hatte und welche eine Million zweimalhundertausendmal so viel betrug.

Es kann sein, dass ein Mitbruder schwer gegen uns gefehlt hat; doch ist seine Schuld, verglichen mit der unabsehbaren Rechnung, die Gott uns vorhalten kann, nur ein einzelner mäßiger Posten. Fühlen wir uns gleich tief gekränkt durch den Nächsten, so muss sich doch unser Urteil mildern, wenn wir auf uns selbst und auf den Allmächtigen blicken und Seiner Güte gegen uns gedenken.

Wenn jemand hart bleibt, während der Nächste um Verzeihung bittet, so ist es ein Zeichen, dass ihm selber die Buße nicht von Herzen ging. Er hat vielleicht aus Angst bei Gott abgebeten, aber ohne die rechte Erleuchtung über sein Verderben, ohne innerliche Beugung und Beschämung, ohne ein tiefes und durchdringendes Gefühl seines Unrechts; denn dieses Gefühl und die dankbare Empfindung der widerfahrenen Gnade würde ganz gewiss sein hartes Herz erweicht, sanft und versöhnlich gestimmt haben.

Die Buße eines Menschen, der sich nach der Hand unversöhnlich zeigt, war eine Heuchelei, wie es im 78. Psalm (Ps 78, 36) heißt, von den Israeliten, als sie in der Wüste geängstigt wurden: „Sie heuchelten Ihm mit ihrem Munde und logen Ihm mit ihrer Zunge.“

Nachdem uns Gott durch Seine Vergebung so hoch verpflichtet hat, weiset Er uns auf den Nächsten und sagt: Wollt ihr Mir Dankbarkeit erzeigen, so haltet euch an eure Brüder und tut an diesen wie Ich euch getan habe.

Paulus hatte sich als ein Verfolger der Gemeinde schwer verschuldet; der HErr erließ es ihm, und nun betrachtete sich der begnadigte Paulus als einen „Schuldner aller Menschen, der Griechen und Barbaren, der Weisen und der Unverständigen“; er hielt sich für verpflichtet, ihnen etwas von der Liebe zu erzeigen, die ihm der HErr erwiesen hatte (Röm 1, 14). Wenn mir im Leben der Sohn eines meiner Wohltäter begegnet und meiner Hilfe bedarf, so soll ich mich der Gelegenheit freuen, an ihm etwas von meiner Schuld abzutragen.

Wenn ein Bruder an uns gefehlt hat, so haben wir die Aufgabe, ihn nicht nur mit uns zu versöhnen, sondern auch ihm zu helfen, dass er die Schuld, die er deshalb vor Gott hat, los wird und in den Frieden mit Gott zurückkehrt. „Höret er dich, so hast du deinen Bruder gewonnen,“ du hast ihn nicht nur für dich, sondern für Gott wiedergewonnen.

lV. Der Knecht verfuhr gegen seinen Mitknecht nach der Schärfe der Gerechtigkeit, indem er ihn in das Schuldgefängnis werfen ließ. Die Mitknechte wurden darüber sehr betrübt, sie teilten es dem Könige mit, sie verlangten nicht sowohl Strafe für den Unbarmherzigen als Hilfe für den Gefangenen.

Der König, voll Unwillen über den unbarmherzigen Diener, nahm die schon ausgesprochene Begnadigung zurück und ließ nun der strengen Gerechtigkeit ihren Lauf.

Wenn uns Gott schon große Gnade erzeigt hat, so ist Er doch nicht verbunden, wenn wir uns wie der böse Knecht benehmen, seine Gnade fort und fort über uns walten zu lassen. Der Stand der Gnade und die Unbarmherzigkeit gegen die Brüder vertragen sich nicht zusammen. Wenn wir gegen den Nächsten hart reden, wenn wir uns böse Worte und lieblose Gefühle gegen ihn erlauben, so muss sich die Liebe Gottes von uns zurückziehen.

Wenn wir anfangen über die Fehler der Brüder hart zu richten, so wird auch Gott anfangen, hart mit uns zu verfahren, und wenn wir beten, wird Er Sein Ohr unserm Gebet verschließen.

„Wer da sagt, er sei im Lichte und hasset seinen Bruder, der ist noch in Finsternis,“ er hält sich für fromm und gerecht, aber „die Finsternis hat seine Augen verblendet“ (1 Joh 2, 9-11).

Noch mehr: „So jemand dieser Welt Güter hat, und sieht seinen Bruder darben, und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes in ihm?“ (1 Joh 3, 17).

Wenn er schon die Liebe Gottes erfahren hat, so muss sie sich doch von einem solchen zurückziehen, wie viel mehr von dem, welcher dem bittenden Mitknecht die Verzeihung verweigert.

Es gibt also eine Zeit der Gnade und Geduld, und sie währt für uns noch jetzt; es kommt aber auch eine Zeit, wo, wenn man die Gnade nicht dankbar benützt hat, die strenge Gerechtigkeit walten wird; und damit eine solche Zeit nicht über uns komme, müssen wir jetzt in der Liebe eingewurzelt und gegründet werden, Barmherzigkeit üben und von Herzen vergeben, denn wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm.

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