Spurgeon, Charles Haddon - 2. Korintherbrief (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - 2. Korintherbrief (Andachten)

2. Kor. 1, 5.

„Denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum.“

Hier haben wir ein seliges Verhältnis. Der Herr der Vorsehung trägt eine Waage: in die eine Schale legt Er die Heimsuchungen seiner Kinder, und in die andere ihren Gnadenlohn. Wenn die Schale der Heimsuchungen fast leer ist, so ist auch die Schale des Trostes gering beschwert; und wenn die Trübsalsschale voll ist, dann ist auch die Schale des Trostes gehäuft. Wenn sich die schwarzen Wolken am höchsten türmen, scheint uns das Licht der Sonne umso glänzender. Wenn die Nacht einbricht, und der Sturm naht, steht der himmlische Steuermann umso unermüdlicher am Ruder. Es ist etwas Köstliches, dass, wenn wir am schwersten getroffen werden, der Trost des Heiligen Geistes uns am meisten erquickt. Das kommt daher, dass Trübsal dem Trost Weg bahnt. Große Herzen wachsen nur in großen Heimsuchungen. Der Spaten der Leiden macht Raum der lindernden Tröstung. Gott kommt in unser Herz. Er findet es satt; da fängt Er an, unser Behagen zu stören und macht es leer; denn dann ist mehr Raum für die Gnade. Je gedrückter ein Mensch daniederliegt, umso mehr Trost empfängt er, weil er bereitwilliger ist, ihn anzunehmen. Ein andrer Grund, warum wir in unserer Trübsal oft so fröhlich sind, liegt darin, dass wir dann mit Gott am meisten zu schaffen haben. Wenn die Scheunen voll sind, kann der Mensch ohne Gott leben; wenn der Beutel von Gold strotzt, meinen wir, es ginge ohne viel Beten auch. Aber lass unser Gut dahinfahren, so fragen wir nach Gott; sind die Götzen gestohlen, so müssen wir Jehovah ehren. „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir.“ Kein Rufen ist so kräftig, wie das Schreien mitten aus den Bergen; kein Gebet ist so innig als das, welches aus der Tiefe des Herzens aufsteigt in tiefer Traurigkeit und Anfechtung. Die bringen uns zu Gott, und dann werden wir seliger; denn Gottesnähe ist Seligkeit. Komm, du betrübter Gläubiger, fürchte dich nicht deiner schweren Trübsal halben, denn sie ist die Verkündigerin reicher Gnade.

„Herz, du hast viel geweinet,
So weine nun nicht mehr!
In voller Lieb‘ erscheinet
Dir Jesus - Er, nur Er.“

2. Kor. 4, 18.

„Das Unsichtbare.“ Es ist gut, wenn wir auf unserer Christenwallfahrt hauptsächlich vorwärts schauen. Vor uns liegt die Krone, und aufwärts geht‘s zum Ziel. Auf die Zukunft muss doch am Ende vor allem unser Glaubensblick gerichtet sein, gelte es nun unsre Hoffnung, unsre Freude, unsern Trost oder unser Wachstum in der Liebe. Schauen wir in die Zukunft, so sehen wir die Sünde ausgerottet, den Leib der Sünde und des Todes überwunden, die Seele verklärt und würdig geachtet, teil zu haben am Erbteil der Heiligen im Licht. Und dringt unser Blick noch weiter hinaus, so erkennt das erleuchtete Auge des Gläubigen, wie das Todestal durchwandert, die dunkle Flut durchschritten ist, und jene lichten Höhen erreicht sind, darauf die himmlische Stadt thront; der Pilger sieht, wie er selber eingeht durch die Perlentore, wie er mit Jubel, einem Sieger gleich, empfangen wird, wie er aus Christi Hand die Krone empfängt, seinem Heiland in die Arme fällt, mit Ihm die himmlische Herrlichkeit genießen und mit Ihm auf seinem Stuhl sitzen darf, gleichwie Er überwunden hat und ist gesessen mit seinem Vater auf seinem Stuhl. Der Gedanke an solch eine Zukunft ist imstande, das Dunkel der Vergangenheit und die tiefe Dämmerung der Gegenwart zu erhellen. Himmlische Wonne entschädigt reichlich für den Erdenkummer. Fort, schnöde Furcht! Diese Welt ist nur eine Spanne breit, und bald bist du darüber hinaus. Flieht, zagende Zweifel! Der Tod ist nur ein schmaler Strom, und bald hast du ihn durchschritten. Zeit, wie flüchtig bist du - Ewigkeit, wie lang! Tod, wie kurz bist du - Unsterblichkeit, wie endlos! Mir ist es, als koste ich schon Eskols Trauben, und erquicke mich am Born, der drüben quillt. Der Weg ist ja so kurz, bald bin ich dort!

„Die ihr den Heiland kennt und liebt,
Ihn, der uns Seligkeiten gibt,
Die noch kein Ohr vernommen,
Die noch in jenen ew‘gen Höh‘n
Kein sterblich Auge je geseh‘n,
Die in kein Herz gekommen:
Freut euch, Sein Reich Bleibt euch allen!
Bald wird‘s schallen:
Kommt zum Lohne,
Nehmt des Kampfes Siegeskrone!“

2. Kor. 5, 14.

„Die Liebe Christi dringt uns also.“

Wie vieles verdankest du meinem Herrn? Hat Er je etwas für dich getan? Hat Er dir deine Sünden vergeben? Hat Er dich gekleidet mit einem Kleid der Gerechtigkeit? Hat Er deinen Fuß auf einen hohen Felsen gestellt? Hat Er deinen Gang gewiss gemacht in deinen Schuhen? Hat Er dir eine Wohnung im Himmel bereitet? Hat Er dich für den Himmel geschmückt? Hat Er deinen Namen in sein Buch des Lebens eingeschrieben? Hat Er dich mit unzählbaren Wohltaten überschüttet? Hat Er für dich Reichtümer der Gnade aufbewahrt, die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat? Dann tue auch etwas, was seiner Liebe wert ist. Biete deinem sterbenden Erlöser nicht bloß das leere Opfer deines Mundes dar. Was musst du empfinden, wenn dein Meister kommt, und du Ihm bekennen musst, dass du nichts für Ihn getan hast, sondern dass du deine Liebe abgesperrt hieltest wie einen stehenden Wassergraben, so dass sie weder seinen armen Brüdern, noch seinem Werk zufloss? Fort mit einer solchen Liebe! Was halten die Menschen von einer Liebe, die sich nie durch Taten beweist und offenbart? „Ach,“ sagen sie, „öffentliche Zucht ist besser als heimliche Liebe.“ Wer mag etwas von einer Liebe wissen, die so schwach ist, dass sie dich nicht einmal zu einer einzigen Tat der Selbstverleugnung, der Großmut, des Heldensinnes oder der Begeisterung reizt! Bedenke, wie sehr Er dich geliebt hat, und hat sich selbst dahingegeben für dich! Kennst du die Macht dieser Liebe? Dann lass sie für deine Seele einen rauschenden, gewaltigen Wind sein, der die Wolken deiner Weltliebe hinwegfegt, und den Staub deiner Sünde vertreibt. „Um Christi willen,“ das sei die feurige Zunge, die sich auf dein Haupt setze; „um Christi willen,“ das sei das göttliche Entzücken, der himmlische Hauch, der dich über die Erde emporträgt, das sei der göttliche Geist, der dich kühn macht gleich dem Löwen, und schnell wie des Adlers Flug im Dienste des Herrn. Die Liebe sollte den Füßen der gottdienenden Tat Flügel verleihen, und Kraft den Armen des Wirkens. Auf Gott gerichtet mit einer Beständigkeit, die nichts erschüttern kann, entschlossen, Ihn zu ehren, mit einer Bestimmtheit, die sich durch nichts lässt abwendig machen, und vorwärts strebend mit einem Eifer, der nimmer ermüdet, wollen wir unsre Liebe zu Jesu laut bezeugen. Möge das Gewicht der göttlichen Waage uns himmelwärts heben, Ihm entgegen!

2. Kor. 5, 21.

„Denn Er hat Den, der von keiner Sünde wusste, für und zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“

Betrübte Seele! warum trauerst und weinst du? Bist du betrübt über dein Sündenelend? Dann schaue empor zu deinem vollendeten Herrn und Heiland, und bedenke, dass du in Ihm vollkommen geworden bist; du bist in Gottes Augen so vollkommen, wie wenn du nie gesündiget hättest; ja, noch viel mehr, der Herr der Gerechtigkeit hat ein göttliches Gewand über dich geworfen, so dass du mehr hast als die Gerechtigkeit Gottes. O du, lieber Christ, der du trauerst, über die angeborne Sündhaftigkeit und Bosheit, siehe, nun kann dich keine deiner Sünden mehr verdammen. Du hast die Sünde hassen gelernt; du hast aber auch die Erkenntnis empfangen, dass die Sünde nicht mehr dein ist: sie wurde Christus aufs Haupt gelegt. Du stehst nicht mehr für dich selbst da, denn du bist nun in Christo geborgen; bist nicht angenehm um deinetwillen, sondern in deinem Herrn und Heiland; du wirst von Gott in dieser Stunde ebenso angenommen, mit all deiner Sündhaftigkeit, wie in jener seligen Zukunft, wo du, von allem Verderben und Elend erlöst, verklärt vor seinem Throne stehst. O, ich beschwöre dich, fasse diesen köstlichen Gedanken recht zu Herzen: vollkommen gemacht in Christo! Denn du bist „vollkommen in Ihm“.

„Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das sei dein Schmuck und Ehrenkleid;
Damit kannst du vor Gott besteh‘n,
Wenn du zum Himmel wirst eingeh‘n.“

„Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes, und vertritt uns.“ Christ, lass dein Herz guter Dinge sein, denn du bist „angenehm gemacht in dem Geliebten“, was hast du noch zu fürchten? Dein Antlitz strahle von Glück; lebe bei deinem Meister; wandle in den Vorstädten des himmlischen Jerusalem; denn bald kommt deine Zeit, und dann wirst du dich erheben dahin, wo dein Jesus thront, und wirst herrschen zu seiner Rechten, gleichwie Er empfangen hat und ist gesessen zur Rechten des Vaters; und das alles darum, dass Er der göttliche Meister, „der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht ist, auf dass wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.“

2. Kor. 6, 16.

„Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“

Was für ein lieblicher Name: „Mein Volk!“ Was für eine köstliche Offenbarung: „Ihr Gott!“ Welch eine Fülle des süßesten Inhalts ist in diesen beiden Worten eingeschlossen! - Es liegt darin zunächst eine Auszeichnung. Denn die ganze Welt ist Gottes; der Himmel und aller Himmel Himmel ist des Herrn, und Er herrscht unter den Menschenkindern; aber von denen, die Er auserwählt hat, die Er sich erkauft hat mit Blut, sagt Er etwas, was Er von keinen andern sagt; Er nennt sie: „Mein Volk.“ In diesem Worte liegt der Begriff des Eigentumsrechts. In einem ganz besonderen Sinne heißt es: „Des Herrn Teil ist sein Volk; Jakob ist die Schnur seines Erbes.“ Alle Völker auf Erden sind sein; die ganze Welt steht unter seiner Gewalt; dennoch ist sein Volk, das Volk seiner Wahl, in ganz besonderem Sinne sein Eigentum; denn Er hat mehr für sie und um ihretwillen getan als für andre; Er hat sie mit seinem Blut erkauft; Er hat sie zu sich gezogen aus lauter Güte; Er hat ihnen seine ganze Seele in Inbrunst zugewendet; sein großes Herz schlägt ihnen entgegen; Er hat sie geliebt mit einer unaufhörlichen, ewigen Liebe, dass auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen, eine Liebe, welche die Flut der Zeiten auch nicht im mindesten wird abschwächen können. Liebe Freunde, könnt ihr euren Blick hinauf richten gen Himmel und sagen: „Mein Herr und mein Gott! mein! durch jene unaussprechlich liebliche Verwandtschaft, welche mir das Recht gibt, Dich Vater zu nennen; mein! durch jene geheiligte Freundschaft und Gemeinschaft, die meine höchste Wonne ist, wenn es Dir wohl gefällt, Dich mir zu offenbaren, wie Du Dich der Welt nicht offenbarest?“ Kannst du das Buch der von Gott eingegebenen Schrift aufschlagen und darin das Vermächtnis deiner Erlösung lesen? Kannst du deinen Namen finden, der mit teurem Blut geschrieben steht? Kannst du in demütigem Glauben den Saum des Kleides Jesu berühren und sprechen: „Mein Christus?“ Wenn du das kannst, dann spricht Gott von dir und von den andern, die dir gleich sind: „Mein Volk;“ denn wenn Gott dein Gott ist, und Christus dein Christus, so hat der Herr eine besondere, innige Zuneigung zu dir; du bist sein auserwähltes Kind, angenehm gemacht in seinem lieben Sohn.

2 Kor. 6,16

Ich will in ihnen wohnen, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.

Hier ist ein wechselseitiges Interesse. Eines gehört dem andren. Gott ist das Teil Seines Volkes, und das erwählte Volk ist das Teil seines Gottes. Die Heiligen finden in Gott ihr vorzüglichstes Besitztum, und Er hält sie für einen besonderen Schatz. Was für eine Fundgrube von Trost liegt in dieser Tatsache für jeden Gläubigen!

Dieser glückliche Zustand wechselseitigen Interesses führt zu wechselseitigem Andenken. Gott wird immer an die Seinen denken, und sie werden immer an Ihn denken. Heute will Gott alles für mich tun; was kann ich für Ihn tun? Meine Gedanken sollten zu Ihm eilen, denn Er denkt an mich. Ich will darauf achten, dass sie dies wirklich tun, und mich nicht mit dem bloßen Zugeständnis begnügen, dass sie es tun sollten.

Das führt weiter zu wechselseitiger Gemeinschaft. Gott wohnt in uns, und wir wohnen in ihm; Er wandelt mit uns, und wir wandeln mit Gott. Glückliche Gemeinschaft dies!

O, dass ich Gnade hätte, um den Herrn als meinen Gott zu behandeln; Ihm zu vertrauen und Ihm zu dienen, wie Seine Gottheit es verdient! O, dass ich Jahwe im Geist und in der Wahrheit lieben, verehren, anbeten und gehorchen könnte! Dies ist meines Herzens Wunsch. Wenn ich das erreicht, so werde ich meinen Himmel gefunden haben. Herr, hilf mir! Sei mein Gott, indem Du mir hilfst, Dich als meinen Gott zu erkennen, um Jesu willen.

2. Kor. 6, 17.

„Sondert euch ab.“

So lange der Christ in der Welt ist, soll er nicht von der Welt sein. Er soll sich von ihr unterscheiden in dem großen Ziel seines Lebens. „Christus“ soll „sein Leben“ sein. Ob er esse, oder ob er trinke, oder was er sonst tue, das soll er alles tun zu Gottes Ehre. Ihr dürft euch Schätze sammeln; aber sammelt sie euch im Himmel, da sie weder die Motten noch der Rost fressen, noch die Diebe nachgraben und stehlen. Ihr dürft suchen reich zu werden; aber euer Ruhm sei, dass ihr „reich werdet am Glauben und an guten Werken.“ Ihr dürft euch Freuden gönnen; wenn ihr aber fröhlich seid, so singt Psalmen, und dichtet in euren Herzen ein feines Lied zum Lobe des Herrn. In eurem Geist wie in euren Neigungen sollt ihr euch nicht dieser Welt gleichstellen. Wenn ihr demütig bleibt vor Gott, wenn ihr allezeit eingedenk seid seiner Gegenwart, wenn ihr euch freuet in der Gemeinschaft mit Ihm, und wenn ihr sucht, seinen Willen zu erkennen, dann zeigt ihr, dass ihr himmlischen Geschlechts seid. Und ebenso solltet ihr „abgesondert sein“ von der Welt in euren Taten. Ist etwas recht, so tut‘s, auch wenn‘s zu eurem Nachteil ist; ist es ungerecht, so hasset die Sünde um eures Meisters willen, auch wenn sie euch reichen Gewinn eintrüge. Habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, sondern straft dieselben. Wandelt würdig eures hohen Berufs und euer Erwählung. Bedenke, lieber Christ, dass du ein Sohn des Königs aller Könige bist. Darum bewahre dich unbefleckt von der Welt. Besudele die Finger nicht, die bald die himmlischen Saiten der goldenen Harfe rühren werden; lass deine Augen, die bald schauen sollen den König in seiner Schöne, nicht Fenster der Lust werden; lass nicht in morastigen Sümpfen deine Füße sich besudeln, welche bald wandeln werden durch die goldenen Gassen der himmlischen Stadt; lass nicht dies Herz sich mit Stolz und Bitterkeit erfüllen, das doch nach kurzer Frist soll vom Himmel erfüllt sein, und überfließen soll von überschwänglicher Freude.

„Mir nach! spricht Christus, unser Held,
Mir nach, ihr Christen alle!
Verleugnet euch, verlasst die Welt,
Folgt meinem Ruf und Schalle!
Wer mir nicht nachfolgt, trägt die Kron‘
Des ew‘gen Lebens nicht davon!“

2. Kor. 7, 6.

„Gott, der die Geringen tröstet.“

Und wer tröstet wie Er? Gehe hin zu einem armen, betrübten, gedrückten Kinde Gottes; rede ihm von köstlichen Verheißungen; flüstere ihm Worte des Trostes ins Ohr; es ist der tauben Otter gleich, dass es nicht hört die Stimme des Zauberers, des Beschwörers, der wohl beschwören kann. Es ist mit Wermut und Galle getränket, und tröstest du es aus allen Kräften, so bringst du höchstens ein oder zwei Laute der Ergebung aus ihm heraus; du entlockst ihm keine Freudenpsalmen, keine Hallelujalieder, keine Freudengesänge. Aber lass Gott sein Kind heimsuchen, lass Ihn sein Angesicht über dasselbe erheben, so leuchten des Trauernden Augen hoffnungsvoll auf. Er singt:

„Ich senke mich in Deine Wunden,
Ich senke mich in Deinen Tod,
Wenn in der Schwermut Trauerstunden
Die Sünde mir Verdammnis droht.
Ich schaue Deine Schmerzen an,
Und weiß, Du hast genug getan.“

Du hast ihn nicht zu trösten vermocht; aber der Herr hat‘s getan; Er ist der „Gott alles Trostes.“ Es ist keine Salbe in Gilead, aber der rechte Balsam ist bei Gott. Es ist kein Arzt da unter allen denen, die geschaffen sind, aber der Schöpfer Himmels und Erde ist „der Herr, dein Arzt.“ Es ist so herrlich, wie ein einziges liebliches Wort Jehovahs die Christen mit Lob und Preis erfüllt. Ein Wort des Herrn ist wie eine Goldmünze, und der Christ ist der Goldschläger, der mit dem Hammer der Verheißung es in die Wochen hinausdehnt. Darum, du armes Christenherz, brauchst du nicht in Verzweiflung hinzubrüten. Gehe zum Tröster und bitte Ihn, dass Er dich mit Trost sättige. Du bist ein armer, vertrockneter Brunnen. Du hast schon gehört, dass, wenn ein Ziehbrunnen nicht mehr schöpft, so musst du zuerst Wasser hineingießen, dann gibt er wieder all sein Vermögen; und so, lieber Christ, gehe zu Gott, wenn du vertrocknet bist, bitte Ihn, dass Er seine Freude in dein Herz gieße, so wird der Born deiner Freude sein Wasser wieder geben. Gehe nicht zu irdischen Freunden, denn du findest an ihnen leidige Hiobströster; aber gehe zuerst und vor allem zu „deinem Gott, der die Geringen tröstet,“ so wirst du bald bekennen: „Ich hatte viel Bekümmernis in meinem Herzen, aber Deine Tröstungen ergötzen meine Seele.“

2 Kor. 7,10

„Die göttliche Traurigkeit wirket zur Seligkeit eine Reue.“

Echte geistliche Traurigkeit über die Sünde ist ein Werk des Geistes Gottes. Die Reue ist eine zu liebliche Blüte, als dass sie im Garten der Natur wachsen könnte. Die Perlen wachsen von Natur in den Perl-Muscheln, aber die Reue erscheint nie von selber in den Sündern, es sei denn, dass die göttliche Gnade sie in ihnen wirke. Wenn du ein einziges Körnlein wahren Abscheus vor der Sünde in dir hast, so ist es dir von Gott geschenkt worden; denn die Dornen der menschlichen Natur haben noch nie auch nur eine einzige Feige getragen. „Was von Fleisch geboren ist, das ist Fleisch.“

Die wahre Reue trägt eine bestimmte, unverkennbare Hinneigung zum Heiland in sich. Wenn wir unsere Sünde bereuen, so müssen wir das eine Auge auf die Sünde, das andere auf das Kreuz richten; oder, noch besser, wir bleiben mit beiden Augen an Christus haften und sehen alle unsere Missetat im Licht seiner Liebe.

Wahrer Kummer über die Sünde wirkt unbeschreiblich segensreich. Niemand darf sagen, er hasse die Sünde, wenn er in der Sünde lebt. Die Reue zeigt uns das Böse an der Sünde, nicht nur in der Vorstellung, sondern in der wirklichen Erfahrung; Gebrannte Kinder fürchten das Feuer. Wir fürchten uns so sehr davor, wie ein Mensch, der kürzlich beraubt worden ist, sich vor Räubern fürchtet. Wahrhafte Trauer über die Sünde macht, dass wir sehr auf der Hut sind über unsere Zunge, damit sie auch nicht in einem Wörtlein sich übereile; wir wachen eifersüchtig über all unser tägliches Tun, damit wir nicht im geringsten uns versündigen, und jeden Abend beschließen wir den Tag damit, dass wir aufrichtig und niedergeschlagen bekennen, wie wir mannigfaltig gefehlt haben, und jeden Morgen erwachen wir mit ernstlichen Seufzern, Gott möge uns nun an dem neuen Tag bewahren vor neuen Sünden, auf dass wir ihn nicht betrüben.

Wahrhafte und aufrichtige Reue wirkt unablässig fort. Wer von Herzen gläubig ist, bereut bis zur Sterbestunde. Dieser tropfende Quell setzt nie aus. Jede andere Sorge weicht der Zeit, aber dieser herzliche Kummer wächst mit unserem Wachstum, und seine Bitterkeit ist so lieblich, dass wir Gott dafür danken, dass wir schmecken und ertragen dürfen, bis wir einst eingehen zu seiner ewigen Ruhe.

2. Kor. 8, 9.

„Er wurde arm um euretwillen.“

Der Herr Jesus war von Ewigkeit her reich, herrlich und erhaben; aber „ob Er wohl reich ist, wurde Er doch arm um euretwillen.“ Gleichwie der reiche Gläubige keine wahre Gemeinschaft haben kann mit seinen armen Brüdern, wenn er nicht mit dem Seinen ihren Bedürfnissen zur Hilfe kommt, so ist es auch unmöglich, dass unser göttlicher Herr und Heiland hätte können wahre Gemeinschaft mit uns pflegen, wenn Er uns nicht teilhaftig gemacht hätte seines überschwänglichen Reichtums, wenn Er nicht arm geworden wäre, auf dass wir reich würden. Wäre Er auf seinem Thron der Herrlichkeit geblieben, und wären wir im Elend des Sündenfalls verharrt, ohne seiner Erlösung teilhaftig zu werden, so wäre eine Gemeinschaft von beiden Seiten etwas Unmögliches gewesen. Die Lage, in die wir durch den Fall gerieten, machte es ohne den Bund der Gnade den gefallenen Menschen ebenso zur Unmöglichkeit, mit Gott zu verkehren, wie es unmöglich ist, dass Christus mit Belial stimme. Damit also ein Umgang und eine Gemeinschaft möglich werde, musste notwendig der reiche Blutsverwandte, des Menschen Sohn, seinen Reichtum auf seine armen Brüder übertragen, der gerechte Heiland musste seinen sündigen Geschwistern die eigene Vollkommenheit schenken, und wir, die Armen und Schuldbeladenen, mussten aus seiner Fülle empfangen Gnade um Gnade; also dass im Geben und Empfangen der Einige von seiner Höhe herabkam, und wir aus unserer Erniedrigung emporstiegen, und uns gegenseitig in wahrhaftiger und herzlicher Gemeinschaft umfangen konnten. Die Armut muss reich werden durch Den, in welchem alle Schätze der Unendlichkeit verborgen sind, bevor es zu einer aufrichtigen Gemeinschaft kommen kann; und die Sündenschuld muss getilgt werden in der zugerechneten und geschenkten Gerechtigkeit, bevor die Seele kann in ungetrübter Gemeinschaft einhergehen. Jesus muss die Seinen mit seinem Kleid von reiner Seide kleiden, sonst kann Er sie nicht eingehen lassen in den Palast seiner Herrlichkeit; und Er muss sie abwaschen mit seinem Blut, sonst sind sie befleckt für den Kuss seiner Freundschaft und für die Umarmung seiner Gemeinschaft. O gläubige Seele, hier ist wahrlich Liebe! Um deinetwillen „wurde der Herr Jesus arm,“ Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, auf dass Er dich möchte erheben zur Gemeinschaft mit Ihm.

2. Kor. 11, 22.

„Sind sie Hebräer? ich auch.“

Wir begegnen hier einem persönlichen Anspruch, und einem solchen, der des Nachweises bedarf. Der Apostel Paulus wusste, dass sein Anspruch unbestreitbar war; es gibt ihrer aber Viele, die kein Recht auf diesen Namen haben und dennoch zum Israel Gottes gerechnet sein wollen. Wenn wir nachweisen können, dass wir Jesu nachfolgen; wenn wir von ganzem Herzen sagen können: „Ich vertraue ganz auf Ihn, ich vertraue einzig auf Ihn, ich vertraue einfältig auf Ihn, ich vertraue jetzt auf Ihn, und ich vertraue ewig auf Ihn,“ dann haben wir ein Recht auf die Stellung, welche die Heiligen Gottes einnehmen; alle ihre Freuden sind unser Eigentum; wir können wohl die Geringsten in Israel sein, geringer als die „Allergeringsten unter allen Heiligen;“ wenn aber die Gnadengüter Gottes den Heiligen als Heiligen zugehören, und nicht als vorzüglichen Heiligen, oder erkenntnisreichen Heiligen, so dürfen wir dennoch getrost und zuversichtlich sagen: „Sind sie Ebräer? ich auch; darum sind die Verheißungen mein, die Gnade ist mein, so wird mir auch die Herrlichkeit zufallen.“ Wenn wir dieser Anspruch, mit Recht erheben dürfen, so gewährt er uns großen Trost. Wenn Gottes Kinder sich darüber freuen, dass sie Sein Eigentum sind, welche Seligkeit für mich, dass ich sagen darf: „Ich auch!“ Wenn sie von ihrer Vergebung, von ihrer Rechtfertigung, von ihrer Gotteskindschaft in dem Eingeborenen und Geliebten reden, wie darf ich dann so freudig antworten: „Durch Gottes Gnade besitze das Alles ich auch.“ Aber dieser Anspruch hat nicht nur seine Freuden und Vorzüge, sondern auch seine Pflichten und Bedingungen. Wir müssen uns zum Volk Gottes halten im Schatten der Wolken wie im Sonnenschein. Wenn wir hören, dass man mit Spott und Verachtung spricht von denen, die Christo angehören, so müssen wir unverzagt hervortreten und sagen: „Deren einer bin ich auch.“ Wenn wir sehen, wie sie um Christi willen arbeiten, ihre Zeit, ihre Kraft, ihr ganzes Herz Jesu hingeben, so müssen wir sagen können: „Das tue ich auch.“ Ach, beweisen wir doch unsere Dankbarkeit mit unserer Hingebung, und leben wir als solche, welche auf Grund ihres himmlischen Bürgerrechte gerne die mit demselben verbundene Verantwortlichkeit auf sich nehmen. (Goldstrahlen Juni 6)

2. Kor. 12, 9.

„Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Ein Haupterfordernis, um Gott dienen zu können und Ihm wohlgefällig zu sein, Gottes Werk gut auszurichten und siegreich hinauszuführen, ist, dass wir selber unsre Schwäche und unser Unvermögen fühlen. Wenn der Streiter Gottes hinauszieht in den Kampf, vertrauend auf die eigene Kraft; wenn er sich rühmt: „Ich weiß, ich werde siegen; mein starker Arm und mein gutes Schwert werden mir den Sieg erringen,“ so ist eine schmähliche Niederlage nicht fern. Gott stehet dem nicht bei, der in eigener Kraft einhergeht. Wer so gewiss auf den Sieg rechnet, rechnet falsch, denn „es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Wer hinauszieht in den Streit und sich seiner Gewandtheit rühmt, des luftiges Panier wird zerreißen und voller Staub wieder zurückkehren, und sein Wappen wird mit Schmach bedeckt sein. Wer Gott dienen will, muss Ihm nach seiner Weise dienen und in seiner Kraft, sonst nimmt Er den Dienst nicht an, und erkennt ihn nicht an. Was der Mensch ohne den göttlichen Gnadenbeistand unternimmt, kann Gott nie und nimmer anerkennen. Die erdentstammten Früchte verwirft der Herr; Er sammelt nur Korn, das vom Himmel herab gesät, von der Gnade betaut, und in der Sonne der göttlichen Liebe gereift ist. Gott schüttet alles aus, was in dir ist, bevor Er sein Eigentum dir anvertraut; Er fegt zuerst deine Tennen aus, ehe Er sie füllt mit dem besten Weizen. Gottes Strom hat Wassers die Fülle; aber nicht ein Tröpflein entspringt irdischen Quellen. Gott will, dass in seinem heiligen Kriege keine andre Kraft kämpfe, als die Kraft, die Er selber gibt. Bist du betrübt über deine Schwachheit? Fasse Mut, denn du musst zuerst deiner Schwäche bewusst werden, ehe dir der Herr Sieg verleiht. Deine innere Leere ist nur eine Zubereitung, dass Er dich erfüllen könne mit seiner Fülle, und wenn Er dich niederwirft, so tut Er‘s nur, um dich aufzurichten.

„Wir sind schwach: bei Ihm ist Stärke;
Sind wir arm, der Herr ist reich!
Unser Gott tut Wunderwerke!
Wer ist unserm König gleich?
Ja, der Herr ist es, der uns heilt
Und den Schwachen Kraft erteilt.“

2 Kor. 12,9

„Meine Gnade ist genügend für dich: denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Unsre Schwachheit sollte geschätzt werden, weil sie Raum für göttliche Kraft macht. Wir hätten vielleicht niemals die Macht der Gnade gekannt, wenn wir nicht die Schwachheit der Natur gefühlt hätten. Gelobt sei der Herr für den Pfahl im Fleisch und den Satansengel, wenn sie uns zu der Kraft Gottes treiben.

Die ist ein köstliches Wort von unsres Herrn eignen Lippen. Es hat den Schreiber dieses vor Freude lachen gemacht. Gottes Gnade genug für mich! Ich sollte denken, sie wäre es. Ist nicht der Himmel genug für den Vogel, und der Ozean genug für den Fisch? Der Allgenugsame ist genugsam für meine größten Bedürfnisse. Er, der genügend ist für Erde und Himmel, ist gewiss im Stande, für einen armen Wurm wie mich zu sorgen.

Lasst uns denn auf unsren Gott und seine Gnade uns verlassen. Wenn Er unsren Kummer nicht hinwegnimmt, so wird Er uns instandsetzen, ihn zu tragen. Seine Kraft soll in uns eingegossen werden, bis der Wurm die Berge dreschen wird, und ein Nichts soll Sieger über alle Hohen und Mächtigen sein. Es ist besser für uns, Gottes Kraft zu haben, als unsre eigne; denn wenn wir tausendmal so stark wären, wie wir es sind, so würde es im Angesichte des Feindes auf nichts hinauslaufen; und wenn wir schwächer sein könnten, als wir sind, was kaum möglich ist, so vermöchten wir doch alles durch Jesum Christum.

2. Kor. 13, 5

„Prüft euch, ob ihr im Glauben steht!“

„Hast du den Glauben?“ Du sagst: ja, ich habe ihn. Ich will dich noch etwas fragen: Macht dieser Glaube dich auch gehorsam? Der Besessene, den Jesus geheilt hatte (Lukas 8, 39), wäre gern bei Jesus geblieben und hätte seinen Worten gelauscht, aber als Jesus ihn heimgehen hieß, ging er ohne Widerrede. Macht dein Glaube dich gehorsam?

Es gibt in unserer Zeit recht traurige Arten von Christenmenschen, die nicht einmal die ganz gewöhnliche Ehrlichkeit haben. Es gibt Menschen, die, ohne gottesfürchtig zu sein, doch im geschäftlichen Verkehr streng nach dem Recht handeln und ehrlich sind, während hingegen manche, die sich als Christen bekennen, vielleicht nicht gerade unehrlich sind, aber es doch nicht so genau nehmen, hier und da ein klein wenig von der geraden Linie abzuweichen. Sie bezahlen ihre Rechnungen nicht zu rechter Zeit, sie sind nicht pünktlich und gewissenhaft; ja manchmal - was hilft es, die Wahrheit zu verbergen? - findet man Christen, die geradezu unehrlich handeln und die Dinge tun, über die sich ganz weltliche Menschen schämen würden.

Aber glaube mir, wenn du in deinen geschäftlichen Beziehungen etwas tun kannst, was eines ehrlichen Mannes unwürdig ist, so bist du überhaupt kein Christ. Sei überzeugt, dass, wenn du im Ungehorsam gegen die Gebote Gottes dahinlebst, wenn du deinem Christennamen Schande machst, wenn du Gespräche führst, an denen sich ein Weltmensch schämen würde, dann ist die Liebe Gottes nicht in dir. Ich verlange keine Vollkommenheit, aber ich verlange Redlichkeit. Wenn dein Christentum nicht fertig bringt, dass du in den Dingen dieses Lebens gewissenhaft bist und darüber betest, wenn du nicht in Jesus Christus eine neue Kreatur bist, so ist dein Glaube nichts als ein tönendes Erz und eine klingende Schelle (1. Korinther 13, 1).

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