Quandt, Carl Wilhelm Emil - Micha - 1. Einleitung.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Micha - 1. Einleitung.

In Jesu Namen. Amen.

verstehest du auch, was du liesest? - so fragte Philippus Apostelgesch. 8 den Kämmerer der Königin Kandace, als dieser auf seinem Wagen saß und die Schrift las. Er aber sprach: „Wie kann ich, so mich nicht Jemand anleitet?“ und ermahnte ihn, daß er sich zu ihm setzte und ihn anleitete. Nicht für das Verständnis jeder einzelnen Schriftstelle bedarf der Christ besonderer Anleitung; die Hauptstellen und Hauptkapitel der Schrift, in denen offenbart ist, wie ein armer Sünder selig werden kann, sind klar für den einfachsten Verstand, der um Erleuchtung des heiligen Geistes in Demuth gebetet hat. Es giebt aber auch andere Stellen der Schrift, Verse, Kapitel, ganze Bücher, zu deren Verständniß, wenn es einigermaßen in die Tiefe dringen soll, es besonderer Anleitung bedarf. Die prophetischen Bücher des alten Testamentes erheischen eine solche Anleitung vornehmlich. Wir möchten dem Bibelleser im Folgenden schlichte Philippusdienste thun zu sorgfältigerer Erkenntniß dessen, was in dem prophetischen Buche Micha's, des sechsten in der Reihe der kleinen Propheten, der Herr, unser Gott, verkündet hat.

Das prophetische Buch Micha's ist berühmt durch seinen Weihnachtsspruch: „Und du Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel der Herr sei, welcher Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“ Um dieses Spruches willen ward das ganze Buch hochgehalten von den Schriftgelehrten und Rabbinen der Juden; um dieses Spruches willen ist das ganze Buch auch der Christenheit ein theuerwerthes Buch.

Aber auch darum liest der Christ gern in dem Buche Micha's, weil unser Herr, der Heiland, gern darin gelesen hat. Ein helles Zeugniß dafür, daß der Herr Christus die Weissagungen Micha's gelesen und bedacht, ist seine Weihrede, die er seinen Jüngern hielt, als er sie zu den verlorenen Schafen Israels sandte, Ev. Matth. 10. In derselben redet er an zwei verschiedenen Stellen mit Worten, die er aus dem Buche Micha's entnommen. Wenn er spricht Matth. 10, 21: „Es wird aber ein Bruder den andern zum Tode überantworten, und der Vater den Sohn; und die Kinder werden sich empören wider ihre Eltern und ihnen zum Tode helfen“, und wenn er sagt Matth. 10, 35. 36: „Ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter, und die Schnur wider ihre Schwieger, und des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein“ - so bildet den Hintergrund und Ausgangspunkt dieser seiner Aussprüche offenbar das Wort Micha 7, 6: „Der Sohn verachtet den Vater, die Tochter setzt sich wider die Mutter, die Schnur ist wider die Schwieger; und des Menschen Feinde sind sein eigen Hausgesinde.“

Ist dieses Zeugniß Christi von dem Buche, Micha, das wir Matth. 10 finden, sowie das weihnachtliche Zeugniß Micha's von Christo, das wir Micha 5 finden, ein doppelter Empfehlungsbrief des heiligen Geistes, der dem Buche Micha bei uns von vornherein eine freundliche Aufnahme sichert: so ist doch noch mehr um seines ganzen, reichen Inhalts willen das Buch unseres andächtigsten Versenkens und Bedenkens werth. Was der Name des Propheten ausdrückt - Micha, abgekürzt aus Michajah, heißt: „Wer ist wohl wie du!“ wörtlich: „Wer wie Gott!“ Kap. 7, 18 deutet der Prophet selbst seinen Namen also -, das predigt sein Buch, es predigt: Wer ist wohl wie Gott im Richten, wie im Erlösen, im Richten der Sünder ohne Buße, im Erlösen der bußfertigen Sünder! Die richtende Gerechtigkeit Gottes wird uns in ihrem ganzen Ernste, in ihrer vollen Strenge vor die Augen gemalt; aber auch die erlösende Barmherzigkeit Gottes wird uns in ihrer vollen Süßigkeit geschildert, und nicht blos in jenem bekannten Weihnachtsspruch, sondern mehr als einmal wird prophetisch hingewiesen auf den, in dem das erlösende Erbarmen Gottes Fleisch und Blut annahm, auf Jesum Christum.

So wollen wir uns denn unter des heiligen Geistes angeflehter Gnade mit gesammelten Sinnen in alle die Worte versenken, die in dem Buche Micha's zuvorgeschrieben sind uns zur Lehre, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Wir geben uns der Betrachtung des Einzelnen hin nach der Ordnung, die der Prophet selbst seinen Reden gegeben hat.

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