Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Fünfte Lektion.

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Fünfte Lektion.

Das Gebet, welches empfängt, oder die Gewissheit der Gebetserhörung.

Bittet, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan. Matth. 7,7.8.

Der HErr kehrt hier in der Bergpredigt zum zweiten Mal zurück zum Gebet. Das erste Mal hat ER vom Vater gesprochen, der im Verborgenen ist, und hat eine Gebetsvorschrift gegeben, Matth. 6,5-15. Nun spricht ER von dem, was überall die Hauptsache beim Gebet ist, von dem Glauben an die Gewissheit einer Antwort. Wir fühlen Ihm ab, wie Ihm Alles daran lag, dies seinen Jüngern einzuprägen, und wie ER Befehl und Verheißung in die Worte zusammen fasst: „Bittet! Sucht! Klopft an!“ und: „Ihr sollt empfangen, Ihr werdet finden, es wird Euch aufgetan werden!“ Und als einen festen Grund, darauf man stehen kann, gibt ER das Gesetz des Reiches an: „Wer da bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; wer da anklopft, dem wird aufgetan.“ Wir haben also hier eine sechsmalige Versicherung der großen Wahrheit, dass wir bei unserem Gebet fest auf eine Antwort rechnen können.

Man hat sich viele Mühe gegeben, in den drei Worten: „Bittet, sucht, klopft an,“ eine Steigerung zu finden. Wenn dies des HErrn Absicht war, so bezieht sich das Erste: „Bittet“ auf die Gabe. Man kann jedoch die Gabe empfangen, ohne Gott Selbst zu haben. Darum folgt das Zweite: „Sucht!“ nämlich Gott Selbst, der da mehr ist, als Seine Gabe. Man kann aber auch Gott zeitweise finden, ohne zur bleibenden Gemeinschaft mit Ihm zu kommen, darum das dritte: „Klopft an,“ um den Eingang zu einer bleibenden Einwohnung zu erlangen. Das Bitten ist also das Erste und Leichteste, das soll uns zum Suchen führen, und dann soll das Anklopfen als das Höchste darauf folgen. Wie dem aber auch sei, Eins ist deutlich und gewiss daraus zu erkennen; der HErr will uns lehren, dass alles Begehren Gottes und alles Suchen nach Ihm seinen Lohn finden soll. Wir müssen uns fest versichert halten, dass bei dem Vater im Himmel Bitten, Suchen und Anklopfen nie fruchtlos bleiben kann.

Dass der HErr es für nötig gehalten hat, uns diese Winke übers Gebet zu so wiederholten Malen zu geben, ist eine Lektion von höchster Bedeutung. Es ist ein Beweis, dass ER unser Herz kennt, und dass ER weiß, wie es von Natur ist, nämlich ungläubig und misstrauisch gegen Gott. ER weiß, dass, selbst wenn wir wissen und bekennen, Gott sei ein Erhörer des Gebets, das gläubige Bitten etwas Geistliches ist, das uns zu hoch und zu schwer dünkt, darum beginnt ER Seine Unterweisung damit, uns so dringend diese erste Wahrheit einzuschärfen: Bittet, so werdet ihr empfangen; wer da bittet, der empfängt. Es ist dies das feste, ewige Gesetz des Königreiches Gottes; wenn Jemand bittet und nichts empfängt, so wird noch etwas an seinem Gebet fehlen. Haltet an, und lasst euch von dem Wort und von dem Heiligen Geist unterweisen, wie ihr beten sollt, aber bleibt allezeit guten Muts in der Gewissheit: wer da bittet, der empfängt. Bittet, und es soll euch gegeben werden.

Das wahre Gebet besteht aus zwei Teilen, hat zwei Seiten, eine menschliche und eine göttliche. Die menschliche ist das Bitten und Verlangen, die göttliche das Geben. Bitten und Empfangen gehört zusammen. Es ist, als ob der HErr Jesus uns sagen wollte, dass wir mit dem Gebet nicht ruhen sollen, bis wir Antwort erlangen. Das ist Gottes Wille, das ist die Regel im Hause des Vaters. Das kindliche Gebet bekommt eine Antwort. Wenn keine Antwort kommt, müssen wir nicht niedersitzen und sagen: es wird wohl nicht des Vaters Wille sein, mir eine Antwort zu geben. Nein, es mag etwas in unserem Gebet sein, das noch nicht so ist, wie Gott es haben will, nicht kindlich und gläubig, darum kommt die Antwort noch nicht. Wir müssen mit Beten anhalten, bis die Antwort kommt.

Es ist eine der schrecklichen Krankheiten des christlichen Lebens unserer Tage, dass man zufrieden ist, wenn aufs Gebet auch keine Antwort erfolgt. Man bittet täglich, man bittet Vielerlei, aber man weiß wenig von eigentlichen Gebetserhörungen zu reden. Und doch ist es das, was der Vater begehrt, mit Seinen Kindern täglich als Gebets-Erhörer zu verkehren. ER will, dass ich täglich mit bestimmten Gebetsanliegen zu Ihm komme; ER will, dass ich es täglich erfahren soll, dass ER mich erhört. In der Erhörung des Gebets findet die Seele Gott als den Lebendigen, der allezeit nahe und ihre Stärke ist. Ps. 66,19.20.; 116,1. Der HErr Jesus will, dass wir erkennen sollen, dass auf jedes Gebet eine Antwort beschieden ist, und dass wir fest glauben, wir werden sie erhalten.

Diese Antwort kann zuweilen eine abweisende sein, wenn unser Gebet nicht nach Gottes Wort ist, wie bei Moses, als er darum bat, in Kanaan eingehen zu dürfen. Aber er erhielt doch eine Antwort. Nur die Götter sind stumm und können nicht sprechen. Kann Gott Seinem Kind nicht geben, was es verlangt, so will ER ihm doch antworten. ER will ihm durch Sein Wort und durch Seinen Geist zu wissen tun, dass es das Erbetene nicht haben kann, damit es unter der Leitung des Geistes, gleich. dem HErrn in Gethsemane, die Bitte zurückziehen kann. Sowohl Moses, der Knecht, als Christus, der Sohn, erkannten, dass das, was sie erbitten wollten, im Widerspruch stehe mit dem, was Gott gesprochen hatte. Eine Antwort will uns Gott immer geben, sei es eine abweisende, wenn das Gebet nicht nach Seinem Rat ist, sei es eine günstige, wenn der Heilige Geist uns in unserem Gebete geleitet hat.

Wie weit muss unser Herz von Gott abgekehrt sein, dass es uns so schwer fällt, so herrlichen Verheißungen zu glauben. Wie kommt es doch, dass, während wir den Wortlaut der Verheißung vernehmen, und mit dem Verstande auffassen, der Glaube des Herzens im Ergreifen derselben, sich so kümmerlich erweist? Unsere Entfremdung von Gott und von den Dingen der unsichtbaren Welt ist daran Schuld. Der Glaube ist das Auge, das Vermögen die ewigen Dinge zu erkennen, sie aufzunehmen und an ihnen Gefallen zu finden. Das inwendige Leben des Kindes Gottes ist aber noch schwach, und die Macht des Fleisches so stark, dass selbst dann, wenn wir das Wort mit aller Macht fest zu halten suchen, es Zeit braucht, bis das Herz die volle Haltbarkeit bekommt, in der Stellung zum innerlichen Ziel fest bleibend, die geistliche Wahrheit ganz in sich aufzunehmen, so dass sie etwas ihr angeeignetes, natürliches wird. Es wird zu Stande kommen, wenn der Gläubige sich erhalten und von Herzen in das Wort vertieft, so dass der Geist in Kraft in ihm wirken kann, und wenn er sich im Umgang mit Gott, so von Allem abzieht, dass er völlig innerlich Eins mit Ihm wird. In einem Herzen, das hiernach strebt, wird das Wort: „Bittet, und euch wird gegeben“ feste Wurzel fassen.

Meine geliebten Mitschüler in der Schule Jesu! Lasst uns aufsehen zu Ihm, um unsere Aufgabe zu lernen. Lasst uns nicht warten, bis die Not uns dringt, die Erfüllung der Verheißung ernstlich zu bewahren. Menschliche Vernunftschlüsse sollen die göttlichen Verheißungen nicht entkräften. Wir wollen uns zu jedem Gebet Zeit nehmen, und die Antwort des HErrn abwarten. Bei den Hausgenossen des himmlischen Vaters ist die Gebetserhörung Regel. Unsere geringen Erfahrungen sollen nicht die Richtschnur unsres Glaubens sein. Nicht nur wenn wir beten wollen, sondern allezeit soll es uns fest stehen, dass die Antwort im Himmel und das Gebet auf Erden zu einander gehören, so dass das Eine so sicher ist, als das Andere.

HErr, lehre uns bitten!

HErr Jesus! lehre mich verstehen und glauben, was Du uns verheißen hast. Es ist Dir nicht unbekannt, o mein HErr, mit welchen Vernunftgründen sich mein Herz zufrieden stellt, wenn ich keine Antwort empfange. Da ist der Gedanke, dass der verborgene Ratschluss es verhindert. Da ist die Lehre, dass das Gebet als Umgang mit Gott Segen genug ist, wenn auch keine Antwort kommt. Und deine Worte versichern mich doch deutlich, o mein geliebter Heiland, dass, wie der Baum eine Frucht bringt, also auch das Gebet eine Antwort. Du versicherst es uns, dass der unsichtbare Vater sich uns offenbaren will, dass dies unser Kindesrecht ist, zu bitten und zu empfangen.

O HErr! Dein Wort ist treu und wahrhaftig. Es kann nur meine Schuld sein, wenn ich diese Erfahrung zu wenig kenne. Wenn ich nicht im Geist und in der Wahrheit bitte, und mein Leben nicht vom Geist Gottes regiert wird, dann habe ich auch keine Kraft im Gebet des Glaubens.

HErr, lehre mich beten! HErr, ich weiß, an wen ich glaube, und ich bin gewiss, dass Du auch in dieser Sache, die ich Dir übergeben und Dir darinnen vertraut habe, wirst treu erfunden werden. Du wirst mich beten Lehren, so dass ich empfange. Mein teurer Heiland! Ich rechne auf Dich, o leite mich ein in das verborgene Bitten, das allezeit eine Antwort erlangt. Amen.

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