Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Misericordias Domini

Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag Misericordias Domini

Text: l Petr. 2,21-25.
Christus hat gelitten für uns, und uns ein Vorbild gelassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen; welcher nie eine Sünde getan, ist auch kein Betrug in seinem Mund erfunden; welcher nicht wieder schalt, da Er gescholten ward, nicht drohte, da Er litt; Er stellte es aber dem heim, der da recht richtet, welcher unsere Sünden selbst geopfert hat an seinem Leib auf dem Holz, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch welches Wunden ihr seid heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Der heutige Sonntag heißt Misericordia(s) Domini, Güte des HErrn. Der alte Gottesdienst fing mit den Worten an: „die Erde ist voll der Güte des HErrn.“ Das predigt uns heute die ganze Natur, die im milden Sonnenschein immer lieblicher erwacht zu neuem Frühlingsleben. Aber noch viel eindringlicher sagt es uns das heutige Evangelium, in dem sich JEsus uns darstellt als der gute Hirte, der uns nicht bloß auf die beste Weide führen will, sondern der aus unbegreiflicher Liebe sogar sein Leben gelassen hat für die Schafe. Diese Güte oder Barmherzigkeit des HErrn soll aber auch in unseren Herzen neues Leben wirken, soll aus dem Winter der Sünde und Fleischlichkeit uns in den schönen Frühling eines in GOtt seligen Lebens einführen, damit die ganze Liebesabsicht GOttes an uns erreicht werden könne. Wer JEsu Stimme hört und Ihm nachfolgt, der findet bei Ihm Leben und volles Genüge, dagegen die, welche nicht Ihm, sondern einem Fremden folgen, vom Wolf erhascht und getötet werden. In dieser Todesgefahr sind nach unserer Epistel alle natürlichen Menschen; sie sind irrende Schafe und sind auf den Tod krank und verwundet. Nur durch JEsu Wunden werden wir heil, und nur welche zu Christo, als dem Hirten und Bischof ihrer Seelen, bekehrt sind, nur die haben Friede, Freude und selige Hoffnung. Solche Seelen können auch Christo sein Kreuz nachtragen und haben selbst in der Hölle den Himmel. Daher kommt Alles darauf an, ob wir zu der Herde Christi gehören und ob wirklich zu uns gesagt werden könne: ihr wart wie die irrenden Schafe, ihr wart es, aber ihr seid es jetzt nicht mehr, ihr seid jetzt bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. Wem unter uns gilt dieses Wort? Zu wem von uns kann gesagt werden: du warst in der Irre, aber du bist bekehrt, und bekehrt nicht zu diesem oder jenem Menschen, nicht zu dieser oder jener Partei und Sekte, sondern zu JEsu Christo und zum Leben in ihm? Darüber wollen wir uns prüfen, indem wir nach unserer Epistel uns die Frage vorhalten:

Was zur Bekehrung gehöre?

  1. dass wir heil werden durch JEsu Wunden,
  2. dass wir der Sünde absterben und der Gerechtigkeit leben.

Heile mich, o Heil der Seelen,
Wo ich krank und traurig bin.
Nimm die Schmerzen, die mich quälen,
Und den ganzen Schaden hin,
Den mir Adams Fall gebracht
Und ich selbsten mir gemacht.
Wird, o Arzt, dein Blut mich netzen,
Wird sich all mein Jammer setzen.

Zu solcher Heilung, aber auch zur Heiligung unserer Seelen segne uns jetzt auch diese Betrachtung durch Deinen heiligen Geist. Amen.

I.

In unserem Text ist das Leiden und der Versöhnungstod JEsu der Mittelpunkt, von dem Alles ausgeht, aller Trost und alle Ermahnung. Petrus will die armen Sklaven, die bei ihren oft schrecklich grausamen Herren ein schweres Los hatten, ermuntern, dass sie geduldig aushalten, da es ja Gnade bei GOtt sei, wenn sie um des Gewissens willen das Übel ertragen und das Unrecht leiden. Sie seien ja dazu eigentlich berufen, als Jünger JEsu, dessen Weg ein Kreuzes- und Leidensweg sei. Hat Er unaussprechliche Martern für uns erduldet und endlich sein teures Leben uns zu gut in den Tod gegeben, - wie dürfen wir uns beschweren, wenn auch uns manche Leidenskelche eingeschenkt werden? Aber die Kraft zu allem Leiden, sowie zu allem Wandel nach dem Vorbild JEsu liegt nur in dem Heilwerden durch JEsu Wunden. Ohne das gibt es keine wahre Bekehrung und ohne Bekehrung kein rechtes Tragen des Kreuzes Christi und keinen Wandel in seinen Fußstapfen.

Von Natur sind alle Menschen nach unserem Text wie die irrenden Schafe, wie das Jes. Kap. 53. sagt: „wir gingen Alle in der Irre, wie Schafe, ein Jeglicher sah auf seinen Weg,“ oder nach Jes. 65: „als ein ungehorsames Volk, das den Gedanken seines bösen Herzens nachwandelt auf einem Weg, der nicht gut ist.“ Wer von diesem bösen Herzen nicht frei geworden ist, der ist in der Irre, wie ein Schaf ohne Führer, das blindlings zulauft, bis es in Sümpfe oder Abgründe versinkt, oder bis nach unserem Evangelium der Wolf es erhascht und tötet. Dieser Wolf ist der Satan, der wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, welchen er verschlinge. Und wie in Sümpfen die Füße versinken und sich nicht mehr heraushelfen können, so ist das sündliche Verderben der Fleischeslust, Augenlust und des hoffärtigen Lebens. Die Seele wird in die Sünde immer mehr verstrickt, so dass sie sich nicht mehr erheben kann, sondern dem ewigen Tod verfällt. Da ist Hilfe allein in JEsu Wunden. Viele Seelen erkennen ihr Elend, beweinen es tief und geben sich aller Strafen schuldig: aber sie können das, was JEsus für sie getan hat, sich nicht zueignen und werden nicht heil durch seine Wunden. Und warum nicht? Weil sie sich selbst nicht aufgeben, in sich selbst noch etwas suchen, das ihnen helfen, sie entschuldigen, ihnen eine Gerechtigkeit vor GOtt geben soll. Zur wahren Bekehrung gehört, dass wir unser Grundverderben tief erkennen und unsere eigenen Wege als Wege des Verderbens gänzlich aufgeben.

Unser Ich mit seinem Eigenwillen und Fleischessinn muss uns so entleiden, dass wir, wie JEsus sagt, unser eigenes Leben hassen. Es ist ja an diesem Ich nichts zu lieben, als was GOtt ihm gegeben: aber selbst das haben wir durch die Sünde verderbt und verunreinigt, und nur wenn wir diese tiefe Krankheit unseres Wesens, die unsere edelsten Säfte und Kräfte verderbt, recht erkennen, und dem einzigen Arzt, der helfen kann, uns willenlos überlassen, nur dann ist Hilfe für uns möglich. JEsus hat unsere Sünden selbst geopfert an seinem Leib auf dem Holz, und dadurch allen Fluch hinweggetan, unsere Krankheit getragen, unsere Schmerzen auf sich geladen. Unsere Strafe lag ganz auf Ihm, so dass wir Frieden haben und begnadigt werden, als hätten wir nicht gesündigt, daher Johannes sagt: „das Blut JEsu Christi, des Sohnes GOttes, macht uns rein von aller Sünde.“ Das ist der höchste Trost, der wie ein Balsam die Wunden unsers inneren Menschen heilt. Wie keine Not größer ist als die eines geängstigten Gewissens, so ist auch keine Freude größer als die der Vergebung der Sünde. Wenn ein leiblich Verwundeter Tag und Nacht heftige Schmerzen ausgestanden hat, so dass kein Schlaf in seine müden Augen kam und seine Glieder oft zitterten vor Krampf und Schmerzen, und wenn dann endlich ein heilsamer Balsam die Schmerzen stillt und Gesundheit wiederbringt, so ist ein solcher Genesender wie neugeboren und neue Freude ergießt sich wie eine freundliche Sonne über sein Leben. Aber diese Freude ist nicht zu vergleichen mit der Wonne einer durch JEsum versöhnten und begnadigten Seele.

Damit wir aber dieser Versöhnung recht teilhaftig werden, so ist eine gänzliche Übergabe unseres Herzens an JEsum nötig. Daran fehlt es bei den meisten Seelen, und daher werden so Viele nicht heil durch JEsu Wunden. Viele halten sich mehr an Menschen als an JEsum; wenn der Geist GOttes sie vom Sündenschlaf aufweckt, so entsteht ein Suchen und Fragen nach der Wahrheit, man fängt an, die Gläubigen zu lieben und Trost und Rat bei ihnen zu holen. Aber da bleiben so Manche bei den Menschen stehen, bekehren sich zu diesem oder jenem Prediger oder Parteihaupt, setzen das Christentum ins Hören und in den Umgang, ergötzen sich in schönen, erbaulichen Gesprächen und Gefühlen, und so kommt es nicht zu der gründlichen Buße und zu dem Eindringen in JEsum, bei dem allein die Kraft seines heiligen Lebens in uns überströmen kann. Deswegen haben wir vor Allem uns darüber zu prüfen, wie wir zu JEsu stehen, ob Er uns wirtlich mehr sei als alle Menschen, ob wir alles Heil allein in Ihm suchen, ob wir in einer inneren Herzensverbindung mit Ihm stehen und unsere Seelen Ihm so öffnen, dass Er all' das Unsere uns nehmen und all' das Seine uns geben kann.

O Geliebte, es sollte Keines von uns einen Augenblick Ruhe haben, bis es durch den Geist GOttes innerlich überzeugt ist, dass es heil sei durch JEsu Wunden, bis es frei von aller Furcht und Gewissensangst sich der Vaterliebe GOttes und der vollen Vergebung aller Sünden getrosten kann. Wie können wir denn ohne das dem Tod entgegengehen? Und wie schnell der Tod kommen kann, haben wir gestern aufs Neue gesehen, da ein sonst gesunder Mann, während er am Tische las, plötzlich zusammensank und tot zur Erde fiel. Ach, wie schrecklich wäre ein solcher Tod für eine Seele, die keinen Heiland hätte und ohne Vergebung der Sünden so plötzlich vor den Richterstuhl GOttes treten müsste! Da Keines von uns vor solch' schnellem Tode sicher ist, so haben wir alle Ursache, den Grund unserer Hoffnung genau zu prüfen und wohl zu erforschen, ob wir gewiss durch JEsu Wunden heil worden seien.

Wenn aber das auch der Fall ist, wenn wir wirklich durch ernstliche Buße und lebendigen Glauben an JEsum Gerechtigkeit und Friede in Ihm gefunden haben, so gehört zur Bekehrung weiter:

II.

dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Es ist wohl zu merken, dass Petrus in unserem Text sagt: „Christus hat unsere Sünden selbst geopfert, auf dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben.“ Hier wird es ausdrücklich als Zweck des Todes JEsu genannt, dass wir der Sünde absterben und in einem neuen Leben wandeln sollen. Nicht dazu hat Er sein bitteres Todesleiden erduldet, dass wir es mit der Sünde leicht nehmen, uns auf fleischliche Weise der Vergebung getrösten und die Gnade GOttes auf Mutwillen ziehen. Der Zweck der Versöhnung ist unsere Wiederherstellung in das Bild GOttes und daher unsere Heiligung. Zur Heiligkeit und zur Vereinigung mit GOtt sind wir geschaffen, dieser erste Zweck unseres Lebens ist durch die Sünde aufgehoben; uns wieder dazu zu helfen, dazu hat JEsus unsere Versöhnung gestiftet. Die Wirkung dieser Versöhnung ist bei allen redlichen, GOtt verlangenden Seelen die, dass uns dadurch die Welt gekreuzigt und unser eigen Herz genommen wird. Wer könnte die Welt und Sünde noch lieben, die JEsu das Leben gekostet hat? Wer könnte sein Herz noch für sich behalten, das JEsus mit tausend Schmerzen sich zum Eigentum erworben hat? Die Macht seiner bis in den Tod treuen Liebe treibt uns, dass wir Ihm uns opfern, und die Seligkeit, womit die Vergebung der Sünde das Herz überströmt, sie schon ist ein Ersatz für alle Lust der Welt, und die zukünftige Herrlichkeit, auf deren Freuden der Glaubens- und Hoffnungsblick vom Kreuze JEsu weg hinausschaut, das hilft die Welt zu überwinden und Alles für Schaden zu achten, auf dass wir Christum gewinnen.

Eine in JEsu versöhnte Seele zieht das Leben Christi an und gibt sich selbst Ihm zum Opfer. Wer in Christo neues Leben gewonnen, der kann sein Ich verleugnen, als ob es gar nicht da wäre, und in dieser Verleugnung stirbt der alte Mensch, dass der sündliche Leib aufhört und wir hinfort der Sünde nicht mehr dienen. Daher sagt unser Text, Christus habe am Kreuz unsere Sünden geopfert, auf dass wir der Sünde absterben und der Gerechtigkeit leben. In dem großen Opfer Christi ist die Sünde in ihrem Wesen getötet, des Satans Werke zerstört und Kraft, der Gerechtigkeit zu leben, erworben. Der Gerechtigkeit leben, das heißt GOtt leben, oder wie Paulus 2 Kor. 5 sagt: „nicht mehr sich selber leben, sondern Dem, der für uns gestorben und auferstanden ist.“ Versöhnung ist das Mittel zur Vereinigung mit GOtt, diese aber ist nicht möglich ohne ein Leben in der Heiligung, bei dem unser Herz und Leben Dem angehört, dem wir Alles schuldig sind. Ohne solches Absterben der Sünde und Leben in der Gerechtigkeit gibt es keine wahre Bekehrung. JEsus sagt: „an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Die Frucht des Glaubens- und Lebensbaumes, den GOtt in unsere Herzen pflanzt, ist die Heiligung. Nach dieser Frucht ist der ganze Baum zu beurteilen; und diese Frucht soll so beschaffen sein, wie das Leben JEsu war. Petrus sagt: „ihr seid bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen,“ d. h. zur Gemeinschaft mit Ihm, zur Ähnlichkeit mit Ihm, dass ihr mit Ihm Eins sein und in Ihm euer Leben führen sollt. „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein,“ sagt Paulus Röm. 8. Und Er selbst sagt: „Es werden nicht Alle, die zu mir HErr, HErr, sagen, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“

Deswegen gehört zur Bekehrung wesentlich, dass wir trachten zu wandeln, wie JEsus gewandelt hat. Nach unserem Text hat Er uns ein Vorbild gelassen, dass wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen. Dieses Vorbild JEsu ist das einer reinen Heiligkeit, die durchaus im Willen GOttes ruhte, so dass unser Text von Ihm bezeugen kann: „Welcher nie eine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Mund erfunden.“ Keine Sünde getan - in gar nichts sich selbst gesucht, obwohl Er in göttlicher Natur stets versucht war, seine Macht zu eigener Verherrlichung zu gebrauchen und für sich etwas zu suchen. Er ist allenthalben versucht worden, gleichwie wir, aber ohne Sünde ist Er in vollkommener Heiligkeit geblieben, nicht Einmal ist der mindeste Betrug in seinem Mund erfunden worden. Sein ganzes Leben hindurch war das seine Speise, dass Er den Willen seines himmlischen Vaters tat. Und das tat Er in Umständen, in denen es außerordentlich schwer war. Bittere Armut, tiefe Niedrigkeit, Verachtung und Schmach bei der Welt, Anfeindung und Verfolgung durch finstern Hass und Neid, das sind Lagen, in denen es schwer ist, Glauben, Geduld und Gehorsam unter GOtt zu bewähren; ist das schon für einen armen und alles Elends schuldigen Sünder schwer, wie viel mehr für einen Königssohn, der eine ganz andere Erziehung von Jugend auf gehabt hat; aber wie unendlich mehr für den, der GOtt gleich war und hätte mögen Ehre haben von allen Kreaturen! Dass Er es nicht für einen Raub hielt, GOtt gleich sein, 'dass Er Knechtsgestalt annahm und sich erniedrigte bis zum Tod am Kreuze, das ist ein Wunder über alle Wunder. Und in aller Schmach schalt Er nicht, da Er gescholten ward, dräuete nicht, da Er litte, sondern stellte Alles Dem heim, der da recht richtet.

O wie weit sind wir noch von diesem hohen Vorbild entfernt! Wo JEsus liebte, da neiden wir; wo Er für Andere lebte, da leben wir für uns; wo Er nicht müde ward, da erlahmen wir; wo Er freundlich redete, da schelten wir; wo Er betete, da schimpfen wir; wo Er Geduld hatte, da strafen wir. So auch mit dem Leiden. Wo Er schwieg, da schreien wir; wo Er willig duldete, da murren wir; wo Er sich schmähen ließ, da schmähen wir; wo Er litt, da dräuen wir. O wie nötig haben wir's, sein Vorbild fest im Auge zu behalten und aus allen Kräften zu trachten, Ihm ähnlich zu werden! Nur in diesem echten JEsus sinn sind wir glücklich und haben Segen für unser ganzes Leben. Diesen Sinn bekommen wir aber nur dann, wenn wir JEsum recht von Herzen lieb haben; je mehr wir Ihn lieben, desto mehr wird uns alle Sünde und Welt entleiden, und wir werden unser höchstes Glück darin finden, Ihm anzugehören, dem treuen Hirten und Bischof unserer Seelen. Als Hirte führt Er uns auf die beste Weide, als Bischof ist Er, was das Wort eigentlich bedeutet, unser Aufseher, der durch seinen Geist uns in der Zucht erhält, uns über der Sünde zuerst innerlich, dann auch äußerlich straft, und so uns auch von Abwegen immer wieder auf den Weg des Lebens leiten will. In dieser Zucht haben's die Seelen unaussprechlich gut; sie sind los von dem, was eigentlich allein unglücklich macht, von der Sünde, und sie vermögen, wozu kein Gesetz und kein bloß menschlicher Wille Kraft gibt.

Das erfuhr ein Mann, der lange der Sünde diente, aber durch die Macht der Liebe JEsu ergriffen sich Ihm ergab, und so statt düsterer Verzweiflung den seligen Frieden GOttes erlangte. Bis in sein sechsunddreißigstes Jahr war er ein leichtsinniger Wirtshausläufer und sogar ein Trunkenbold. Es war ihm aber dabei innerlich so wenig wohl, dass er sich öfters verfluchte, er wolle nicht mehr ins Wirtshaus gehen. Allein wenn er den ausgestreckten Arm des Schildes sah, so war's, als ob die Füße hinein müssten und er konnte nicht widerstehen. Mit geschlagenem Gewissen stöhnte er der Lust seines übermächtigen Fleisches. Endlich aber wurde seine innere Unruhe so groß, dass er beschloss, sich selbst zu entleiben, da er glaubte, er könne von dieser Sünde doch nicht mehr los werden. In schauerlichem Kampf trug er ein ganzes Jahr lang den Strick in der Tasche, an dem er sich aufhängen wollte. Einmal suchte er wieder durch den Wein sein Gewissen zu betäuben und seine Lust zu befriedigen. Aber kaum hatte er sich gesetzt und sah das Glas an mit dem roten Wein, da überfiel ihn mit Macht der Gedanke: das hat deinen Heiland an's Kreuz gebracht. Dann durchdrang ihn ein so starkes Gefühl von der unendlichen Liebe JEsu, dass er nicht mehr bleiben konnte. Er ließ das volle Glas, zahlte den Wirt und floh hinaus in den Wald, warf sich auf seine Knie und vergoss einen Strom von Tränen. Sein Seufzen war: ach, du ewige Liebe, ist's denn auch noch möglich, dass du dich meiner erbarmst? Er bekam einigen Trost in sein verwundetes Herz, aber er fühlte lebhaft das Bedürfnis einer Handleitung, ging daher zu einem frommen Greise in Nagold und bat demütig, ob er ihm erlaube, sein Herz auszuschütten, er sei ein so großer Sünder. Der Alte wollte seine Redlichkeit prüfen und fragte, was in seinem Ort die Ochsen gelten. Der Angefochtene hörte kaum darauf und sprach von seinem Herzen. Ebenso als der Alte noch zweimal nach anderen Dingen fragte. Nachdem er so von der Redlichkeit seines Sündenbekenntnisses sich überzeugt hatte, verkündigte ihm der erfahrene Jünger Christi das Evangelium vom Sünderheiland und richtete ihn mächtig auf. Er bekehrte sich dann gründlich und sein ganzer Lebenswandel wurde so verändert und so in den Sinn JEsu verklärt, dass alle Leute seines Ortes ihm bald das Zeugnis eines musterhaften, ja untadelhaften Wandels gaben.

Solche Bekehrungen aus der Sünde zur Gerechtigkeit, aus der Finsternis zum Licht, aus dem Tod zum Leben wirkt die Liebe JEsu in den Herzen, die ihre Sünde erkennen und so ein offenes Ohr haben für das Wort vom Kreuz. So wolle der HErr auch in uns Allen seine Liebe verklären und uns keine Ruhe lassen, bis wir Ihn und in Ihm das Leben gefunden haben, dass Er uns erneuern und in sein heiliges Bild verklären könne von einer Klarheit in die andere. Dann können wir auch die Leiden und Trübsale, wie unser Text-Zusammenhang ermahnt, geduldig ertragen. Denn wer JEsum liebt, der lernt auch sein Kreuz willig auf sich nehmen und weiß, dass unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit schafft, wenn wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare.

So lasst uns denn dem lieben HErrn
Mit Leib und Seel' nachgehen,
Und wohlgemut, getrost und gern
Bei Ihm im Leiden stehen
Denn wer nicht kämpft, trägt auch die Kron'
Des ew'gen Lebens nicht davon. Amen.

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