Goßner, Johannes Evangelista - Pauli Bekehrung, (d. 25. Jan.)

Goßner, Johannes Evangelista - Pauli Bekehrung, (d. 25. Jan.)

Apostelgesch. 9,1 -22.

Paulus, der Apostel Jesu Christi, war ein Mann, dessen Bekehrung vor allen andern der ganzen Christenheit von der größten Wichtigkeit und Bedeutung ist; denn, wenn wir ihm - d. idem Geiste Gottes in ihm, auch nicht einen großen Theil des Neuen Testaments zu verdanken hätten, so ist seine Bekehrungsgeschichte allein schon der stärkste Beweis für die Göttlichkeit des Christenthums, und das anschaulichste Beispiel von der allgenugsamen Macht der Gnade, die Alles überwindet, auch die Starken zum Raube hat, ihre ärgsten, schnaubendsten Feinde zu besiegen und zu gewinnen vermag.

Saulus, einer der eifrigsten Pharisäer, die bekanntlich die ärgsten Feinde Jesu waren, und deren Lehre und Leben mit der Lehre und dem Geiste Jesu im schreiendsten Widerspruche standen; Saulus, der das größte Wohlgefallen am martervollen Tode des Blutzeugen Stephanus hatte, über den sie mit Zähnen knirschten, vor dessen Worten sie die Ohren verstopften; Saulus schnaubte noch mit Dräuen und Morden, mit mörderischen Drohungen, wider die Jünger des Herrn, wider alle, die den Namen Jesu anriefen und bekannten, mit der bittersten Feindschaft empörte er sich gegen Jesum und Seine Jünger, er hätte sie alle vertilgen mögen von der Erde; er konnte diesen Namen nicht hören, nicht ausstehen, daß er verehrt würde. Und dies Alles aus falschem Eifer für die väterliche Religion, die doch in allen ihren heiligen Schriften und Gebrauchen auf ihn hinwies und ihn erwartete. Dieser wüthende und schnaubende Pharisäer ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe gen Damaskus an die Schulen, oder Synagogen, auf daß, so er etliche dieses Weges (dieser Religion) fände, Männer und Weiber - er schonte kein Geschlecht - er sie gebunden führet nach Jerusalem. Er wußte, daß er damit bei dem Hohenpriester eine Ehre einlegte, daß man's ihm nicht versagen würde. Die Hohen-Priester sind gewiß nie für Jesum und Seine Jünger. Religionshaß, Kirchenneid, Sekten- und Partheigeist, blinde Anhänglichkeit an eine Kirchenform ist fast allemal verfolgungssüchtig und oft kannibalisch, Man scheint für die Religion zu eifern, und handelt geradezu ganz gegen alle Religion, will seiner Religion aufhelfen, und schadet gerade dadurch am meisten der Religion und reißt sie ganz darnieder. Doch war es dem jüdischen Pharisäer noch eher zu verzeihen, aber im Christenthum, welches lauter Liebe, Mitleid und Erbarmen mit allen Schwachen und Irrenden seyn soll, ist es das Unverzeihlichste und Ungereimteste. Das Christenthum kennt keine andern Waffen zur Vertheidigung und Ausbreitung als das Gebet, das Wort und die Liebe. Wenn es mit diesen Waffen seine Feinde nicht besiegen kann, so duldet es sie, trägt sie, und harret in Geduld mit Gebet und Flehen, mit Erweisung des Geistes, der Liebe, der Kraft, und siegt zuletzt doch - wenn's auch im Unterliegen wäre. Saulus, wie er anderswo (Apg. 26,9 f.) selbst erzählt, ging so weit in seinem blinden Eifer, daß er viele Heilige in das Gefängniß verschloß, und wenn sie erwürgt wurden, sagte er, stimmte ich bei, und durch alle Schulen peinigte ich sie oft, und zwang sie zu lästern, und war überaus unsinnig auf sie, vertilgte sie auch bis in die fremden Städte. Wo er nur einige finden konnte, suchte er sie auf und marterte sie. Er gesteht selbst, daß sein Eifer unsinnig war - er gerieth in Raserei, wenn er den Namen Jesus, den Namen Christ hörte. Woher kommt solche Feindschaft gegen den heilbringendsten Namen? wenn nicht vom Erzfeinde Jesu Christi und des menschlichen Geschlechts. Das ist nicht mehr menschlich, das ist teuflisch - wie allemal, wenn man Menschen wegen Religion und Frömmigkeit hasset und verfolgt. Und daß dieser höchste Grad von Blindheit und teuflischer Bosheit auch bei der unbescholtensten, aufrichtigsten Frömmigkeit bestehen kann, sehen wir an Paulus, denn er meinte es redlich, er lebte nach der strengsten Sekte des jüdischen Gottesdienstes, hat sein Leben von Jugend auf unbescholten zugebracht, unsträflich nach dem Gesetz. Apg. 26, 4. 5. Dennoch bekennt er selbst 1 Tim. l, 13. war ich ein Schmäher, ein Lästerer, ein Verfolger (wie denn?) ich hab's aus Unwissenheit gethan, im Unglauben - aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, und ist desto reicher gewesen die Gnade unsers Herrn Jesu Christi rc. Er war also der frömmste, eifrigste Mann, der Heiligste seiner Kirche und Sekte und doch der größte Sünder und ärgste Feind der Religion - alles in Einem. Wer das fassen kann, der fasse es! Er glaubte voll heiligen Geistes zu seyn, und war voll Wuth und unsinnigen Hasses. Aber auch solche Feinde überwindet das Christenthum, solche Verfolger besiegt Christus - den Haß mit Liebe, die unsinnige Wuth mit Milde und Barmherzigkeit. Wo die Sünde mächtig war, offenbarte sich die Gnade noch mächtiger. Solche Menschen kann keine menschliche Kunst und Beredsamkeit bekehren und belehren. Das konnte nur die Gnade, nur Christus, und dadurch hat er sich erwiesen, als den, der alle Gewalt hat im Himmel und auf Erden; und daß er der ist, zu welchem Gott gesagt hat: Sehe dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemmel deiner Füße lege - herrsche mitten unter deinen Feinden. Ps. 110, 1. Ich will dir die Starken zum Raube geben. Jes. 53, 12. Denn Da er auf der Reise war und nahe bei Damaskus kam, umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel, und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul! was verfolgst du mich? Bisher hat ihn nur das pharisäische, sektiererische Licht umstrahlt, und das blendet, verfinstert, und macht unsinnig und grausam, sieht alle Menschen, die nicht denselben Weg gehen, für wilde Thiere an, die man ausrotten müsse, man glaubt Gott einen Dienst zu thun, wenn man Jeden todtschlägt, verbrennt und vergiftet, oder doch lästert und verketzert, der einige Buchstaben mehr oder weniger in seinem Glaubensbekenntniß, oder einen Schnörkel weniger in seiner Form hat. -

Nun aber kam über Paulus ein ander Licht - ein Licht vom Himmel - ein Beweis, daß sein voriges Licht nicht vom Himmel, sondern von der Erde, irdisch war, wie die Weisheit. Jak. 3, 15 - 17. Doch erst schlägt ihn dieses himmlische Licht nieder, wirft ihn von seiner pharisäischen Höhe herunter. Das mußte es zuerst thun. Er glaubte ja vorher schon im Himmel zu seyn. Das Licht vom Himmel mußte ihm erst zeigen, wo er sey, wohin er gehöre, mußte ihn erst demüthigen, denn nur Demüthigen giebt Gott Gnade. Alle, die sich selbst hoch stellen, in ihrem falschen blinden Eifer, müssen erst erniedrigt werden. Das wahre Licht beugt allemal; das menschliche Licht und Wissen blähet, erhebt, macht stolz, aber das himmlische, wahre Licht macht klein und gebeugt, demüthig - man fällt auf die Kniee, sobald man Licht vom Himmel sieht; man erblickt sich arm, sündig, schlecht und gnadebedürftig. Jedes Licht, das dich erhebt und bläht, ist ein Irrlicht, eine Blendlaterne, die der Teufel, der Lügner und Vater der Lügen angezündet hat. Aber der Heiland läßt Seinen niedergeschlagenen Feind nicht lange liegen, sondern spricht gleich mit ihm, um ihn aufzurichten, und ihm das Licht zu erklären und zu deuten; theils, um ihn zur Erkenntniß seiner Sünden zu führen, ihm seine falsche Heiligkeit und Gerechtigkeit auszuziehen, daß er sich in seiner wahren Gestalt erblicken möge, theils sich ihm zu offenbaren und zu zeigen, daß er Ihn nicht verfolgen, sondern an Ihn glauben und selig werden sollte.

Das: warum verfolgst du mich? zeigt uns, daß Jesus alle Verfolgungen der Seinigen, als Seine Verfolgung ansehe, daß Alles, was den Seinigen geschieht, von Ihm so aufgenommen werde, als hätte man es Ihm gethan. Christen verfolgen, heißt Christum verfolgen; Fromme hassen, heißt Gott und Christum hassen. Den Glauben an Christum nicht leiden können, heißt Christum nicht leiden können, die Versammlungen, die Gebete und die Frömmigkeit der Gläubigen lästern, stören, erschweren und verbieten, heißt Jesum verfolgen. Höret es alle, die ihr die Pietisten, die Frömmler, die Frommen, Beter, Bibelleser und Bekenner Jesu verfolget, hasset, lästert, hindert, störet und verachtet; ihr verachtet, lästert, verfolget Christum, der in ihnen und unter ihnen wohnt, und bei ihnen ist alle Tage - in ihrer Mitte, so oft sie in Seinem Namen zusammen kommen. Ihr heißet es Conventikel, Winkelversammlungen und dergleichen, und glaubet sie stören zu müssen, dahingegen ihr alle weltliche, sündliche Versammlungen, Zusammenkünfte, Gelage, Bälle, Theater und dergleichen lobet, duldet, befördert, was seyd ihr anders als Saulusse, denen Christus vom Himmel zuruft: Saul! Saul! warum verfolgst du mich? warum hassest du Christum in den Christen? warum störest du Christum, der mitten unter den Seinigen ist und sie nie allein lässet? Habt ihr denn einen Bessern unter euch, wenn ihr zum Vergnügen, zur Lust, zum Tanz, zum Spiel zusammen kommt? - Möchtet ihr hören die Stimme Jesu und fragen, wie Paulus fragte: Herr, wer bist Du?

Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgest Es wird dir schwer werden, wieder den Stachel zu locken - auszuschlagen, mir zu widerstehen. Er kennt Ihn nicht, aber er fragt nach Seinem Namen. Er liegt zu Boden, darum frägt er nach dem, der ihn niederschlug und allein aufrichten konnte. Herr, wer bist Du? o möchten Alle, die Ihn noch nicht kennen, so nach Ihm fragen? Er würde Allen sich offenbaren, um zu erkennen, was das für ein Mann ist, den sie verfolgen.

Zu Judas sagte Jesus auch: Freund, wozu kommst du? Verräthst du des Menschensohn mit einem Kuß? Das war so viel, als das, was Er hier zu Paulus sagte: warum verfolgst du mich? Aber Judas fragte nicht, er wußte es schon, wer Jesus war, und fuhr nur zu, ohne zu bedenken, was er that, weil er schon verstockt war und der Teufel sein Herz in der Gewalt hatte. Ein redlicher, unwissender Feind und offenbarer Lästerer und Verfolger ist besser und leichter zu bekehren, als ein falscher Freund, der weiß, was er thut und es doch thut. So ist mancher Feind und Lästerer, der nur darum verfolgt, weil er Christum, das Christenthum, die Frömmigkeit nicht kennt, und in Unwissenheit handelt. An solchen muß man nicht verzweifeln. Wenn sie einmal eine Ohrfeige vom Heiland bekommen, oder einen Stoß, daß sie niederfallen, so fragen sie schnell: Ja, was ist's denn mit euch? Was habt ihr denn eigentlich? Was steht denn in der Bibel? Gebt mir doch eine? Ich muß die Sache kennen lernen, und dann geht es. Jesus antwortet, offenbart sich, giebt sich zu erkennen: Ich bin's, den du verfolgst, verachtest, verschmähst in den armen Leuten; sie sind mein, ich habe sie erlöset, an mich gezogen, erweckt und erleuchtet. Sie glauben an mich und sind selig. Gieb dich, du wirst nichts ausrichten gegen mich und die Meinigen. Willst du mit deinem Gott streiten und Recht behalten? Das wird dir nicht gelingen.

Wie muß die sanfte, milde Antwort: Ich bin Jesus, den du verfolgest, das Herz Pauli getroffen, verwundet und verändert, den Felsen zerschmettert - haben! Wie, wird er gedacht haben: Du bist der Mann, den ich so sehr hasse und verfolgte, Du - so freundlich, so himmlisch, so majestätisch und doch so herablassend, liebevoll und gnädig! und ich konnte Dich so lästern und verfolgen! - Da sieht man, die Liebe ist stärker als der Tod und Teufel, mächtiger wirkend, als alle Macht und Gewalt. Gott selbst braucht, um das Härteste zu erweichen, das Stärkste zu überwinden, nicht Seine Allmacht und Donnergewalt, sondern Seine Liebe und Freundlichkeit, die Steine und Felsen besser als ein eiserner Hammer zerschlägt, oder leichter als Feuer erweicht und auflöst. Er darf nur Seinen Namen nennen, und so wie Er ihn ausspricht, und wie Er den Sünder dabei anblickt, so ist der ärgste Feind und Verfolger gewonnen, überzeugt und ein Jünger.

Der Heiland hat also einen Stachel, und einen unüberwindlichen Stachel, gegen den kein Ausschlagen, kein Widerstand hilft; das ist doch nur der Stachel Seiner Liebe und Gnade, die so lange liebt und liebkoset, wie die Mutter das Kind, bis man sich giebt und auch liebt. Vom Stachel und Pfahl des Satans-Engels erlöst zu werden, hat Paulus dreimal gebeten, und er wurde nicht davon befreit; warum nicht? Der Stachel der Gnade und Liebe, der ihn besiegte, hat so mächtig in ihm gewirkt, daß er hernach auch den Pfahl im Fleische, den Satans-Engel ertragen konnte, die Gnade machte ihn ihm erträglich, an der er sich genügen lassen konnte.

Und er sprach mit Zittern und Zagen: Herr, was willst Du, daß ich thun soll? Nun zittert und zagt der unverzagte Held, vor dem alle Christen zitterten, der Alles in Schrecken setzte, wo er hin kam, selbst die Jünger zu Jerusalem fürchteten sich vor ihm, bis sie hörten, er sey nun auch ein Jünger. Apg. 9, 26. Nun ist er schon ein andrer Mann, ganz ergeben und bereit Alles für Ihn zu thun, was Jesus will, der kurz vorher glaubte, Alles diesem Mann zuwider thun zu müssen. Was vermag dieser Name nicht? o wenn Ihn Alle kennten, wahrhaftig, sie entbrennten durchgängig gegen Ihn; ich glaube, ihre Herzen empfänden Liebesschmerzen und Seine Schönheit riß sie hin. Tausende, die Ihn jetzt lästern und verschmähen, und sagen: Wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche! würden, wenn sie sich und Ihn kennten, niederstürzen, zittern - vor Scham und Freude zitternd, fragen: Was willst Du, daß ich thun soll? Herr Jesu Christ, mein Leben, Dir Alles hinzugeben, das, weiß ich, hältst Du gern; drum sey Dir auch mein Leben und Alles hingegeben, Dir, meinem Gott und Herrn. Nimm mich in Deine Arme, daß meine Seel' erwärme von Deiner heißen Liebesflamm'!

So schnell geht es, wenn das Herz gebrochen, der Sinn recht gebeugt ist, wenn man auf dem Boden liegt, und nicht mehr auf seinen eigenen Beinen stehen, und auf seinen Stelzen gehen kann, wenn man sieht und an Händen und Füßen spürt, daß es mit aller eigenen Gerechtigkeit ein Ende hat, da hört das eigne Thun und Wirken auf, man will nicht mehr sein eigner Herr und Meister seyn, sondern da fragt man Ihn: Herr, was willst Du, daß ich thun soll - nun will ich nicht mehr mir, sondern Dir leben und dienen, nicht mehr meinen, sondern Deinen Willen thun, nur Dein Werkzeug seyn. Der Gehaßte, der Verfolgte, ist auf einmal sein Herr und Meister, für den er nun Alles thun will, wie er vorher Alles wider Ihn gethan hat. So schnell kann der Herr die Herzen ändern. Und wessen Herz nicht so geändert ist, der ist nicht bekehrt, der hat Jesum nicht gesehn und erkannt. Wem Jesus so im Geiste erscheint und vor die Seele tritt, wie dem Paulus durch äußere Erscheinung - und das thut Er einem Jeden zwei-, dreimal, daß Er ihn herum hole, wie Hiob sagt - der wird entweder ein entschiedener Jünger des Herrn, der zu Allem bereit ist, allen Seinen Willen zu thun, oder ein Heuchler, oder ein Verstockter und Verhärteter und zweimal erstorbener Baum.

Der Herr sprach zu ihm: Stehe auf, und gehe in die Stadt, da wird man dir sagen, was du thun sollst. Der Herr hat ihn nicht niedergeschlagen, daß er liegen bleiben, sondern als ein anderer Mann aufstehen, und andere Wege gehen soll - den Saulus schlug Er nieder, auf daß ein Paulus auferstände. Den Verfolger, den Feind warf Er nieder, damit ein Apostel, ein auserwähltes Rüstzeug erweckt werde.

Der Herr wollte ihm auf der Landstraße keine Bußpredigt halten und keinen Religionsunterricht geben; dazu hatte Er schon Seine Leute bestellt. - Wenn der heilige Geist Einen erweckt hat, dann schickt Er ihn in die Predigt,„ sagt ein erfahrner Jünger des Herrn. Er ehrt das Predigt- und Lehramt, weil Er es selbst eingesetzt hat. Wer Alles vom Herrn unmittelbar geoffenbart und nichts von Andern, die Gott dazu gesetzt hat, hören will - wer sagt, was können mir Andere, Prediger oder Lehrer sagen, ich kann selbst in der Bibel lesen, ich will mir es selbst offenbaren lassen, der ist ein stolzer Heiliger, der wird vom Herrn selbst wenig vernehmen, seine Eigenliebe wird seine Lehrmeisterin und Verführerin seyn. Mußte doch Paulus in die Schule gehen zu einem alten Jünger, obwohl er den Herrn gesehn hat. Der Herr und Sein Geist haben doch noch genug an dir zu thun, wenn du auch Andre hörst und dir sagen läßt, denn Er ist es doch, der dich durch sie lehrt, der dir den Sinn giebt, die Schrift, das Wort, das Herz aufthut, daß du es verstehst, und daß es dir gesegnet ist. Sie sind's nicht, die da reden, sondern der heilige Geist.. Er will es nun so, darum füge dich, geh in die Predigt, laß dich lehren und dir erzählen, wie es Andere erfahren haben, und was sie bezeugen von Jesu. Was du aber da hörst, das thue auch - höre es nicht, um zu hören; Jesus sagt: da wird man dir sagen - nicht was du nur wissen, sondern, was du thun sollst.

Die Männer aber, seine Gefährten, standen und waren erstaunt, denn sie hörten zwar die Stimme, sahen aber Niemand. Sie sollten bloß Zeugen seyn, daß mit Paulus was vorging, daß er von oben herab ergriffen worden sey. Es war nur auf ihn gezielt, nicht auf sie - das Licht sahen sie, aber Jesum nicht. - So sehen oft die Leute bei einer Erweckung in der Kirche, in einem Hause oder in einer Familie ein Licht, das Einem oder Einigen aufgeht, hören auch das Wort, die Stimme, aber Ihn, Ihn selber sehen sie nicht, erkennen und erfahren Ihn nicht, sondern nur der, der sehen soll, dem Er gerade sich offenbaren will. Sie waren wohl seine Gefährten in der Verfolgung, im Haß gegen Jesum, aber nicht in der Bekehrung und Erkenntniß Jesu. Warum aber ließ sich Jesus nicht auch von ihnen schauen? Warum hat Er sie nicht auch zugleich ergriffen und erweckt? - Das weiß nur Er, was für Gründe Er dazu gehabt hat. Das können wir nicht erklären, warum in derselben Predigt nur Einer oder Einige Jesum sehen und von Ihm nieder geworfen und wiederum aufgerichtet werden, obwohl Alle oder Viele dasselbe Licht sehen und dieselbe Stimme hören. Es muß wohl in ihnen liegen. Wer darf sagen: Er wollte sie nicht - und nicht vielleicht: Er sah, daß sie nicht gewollt hatten, wenn Er sie auch ergriffen hätte; wie zu Jerusalem Matth. 23,37. Er hat Seine Zeit und kennt Seine Leut‘. Solche Gefährten, Zuhörer und Zuschauer in der Predigt giebt es ja Viele, die erstarret stehen, und doch Niemand sehen, obwohl sie die Stimme hören. Frage dich doch, wenn du aus der Predigt kommst, was du gesehen - im Geiste geschaut und erfahren hast - nicht nur, was du gehört hast. Du kannst erstarren vor Rührung oder Bewunderung, durch die Stimme und schöne Rede des Predigers, aber wenn du Jesum am Kreuz nicht gesehen, und als deinen Heiland nicht gefunden und in deinem Herzen nicht einen bleibenden Eindruck von Seiner Liebe und Gnade erhalten hast, so hilft dir das flimmernde Licht, die rührende Stimme, und die Bewunderung und das Anstarren derselben nichts.

Saulus aber richtete sich auf von der Erde, und als er seine Augen aufthat, sah er Niemand. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn hinein gen Damaskus. Wer so niedergeschlagen worden, darf und kann so aufstehen, wie Paulus - doch nicht ohne Hülfe. Er der alle Andere niedergeschlagen, und Alle aufrichten und Alle gehen lehren, Alle führen wollte, muß jetzt von denen sich aufrichten und führen lassen, die er anführte, als ein blinder Führer verführte. Jetzt mußte er erst an sich äußerlich erfahren, was er bisher innerlich war - ein blinder Führer der Blinden. Jetzt, nachdem er den Herrn gesehen, sah er Niemand - solche Gesichte dauern nicht immer, nicht lange - das schadet nicht, er hat Ihn schon genug gesehen und erfahren - nun soll er glauben. Er soll nun Niemand mehr ansehen, keine Person, keinen Menschen, Niemand mehr kennen nach dem Fleisch, selbst Jesum nicht, wie er nachher selbst gestand. 2 Kor. 5, 16. Wunderbare Führung! seine Verführten müssen ihn nun führen, zu denen, gegen die er sie anführte, er muß sich führen lassen zu ihnen, um nun von ihnen zu lernen und sich den Weg zeigen zu lassen, den Weg, den er bisher verfolgte, zerstören und verrammeln wollte. Was wird er da alles gedacht haben, bei dieser Führung nach Damaskus? Nun ist er äußerlich blind und innerlich sehend, vorher war er innerlich blind, und hielt sich für sehend. Selig, wer so mit Blindheit geschlagen wird, daß ihm die innern Augen aufgehen.

Und er war drei Tage nicht sehend, und aß nicht und trank nicht. Er, der das Licht der Welt, das Licht der Synagoge zu seyn glaubte, muß nun drei Tage nicht sehen, auf daß er tief in sich hinein schauen und sich und seinen innern Menschen recht kennen lernen möchte. Und er hat es so zu Herzen genommen und der Herr hat ihn so zappeln lassen, daß ihm alle Lust zum Essen und Trinken verging. Das war nun kein pharisäisches Fasten mehr; das entstand aus innerer Noth, die Einem allen Appetit benimmt.

Blind und ohne allen Appetit saß nun der schnaubende Mann da, der das Christenthum vertilgen wollte; der seiner Sache so gewiß war, der ist nun so rathlos, so verlassen! Der Herr hat ihm wohl gesagt: in der Stadt wird man dir sagen, was du thun sollst; aber Niemand kommt zu ihm, Niemand weist ihn an, Niemand sagt ihm was. Erst nach drei Tagen - nicht gleich wieder - erscheint und zeigt ihm der Herr im Gesicht - den Mann, der ihm sagen sollte, was er zu thun habe - und zugleich bekommt derselbe Mann, Ananias, Befehl, zu Saulus zu gehen und ihn zu trösten und zu belehren. Und die Empfehlung ist diese: denn siehe, er betet. Der Verfolger betet - nun ist's anders mit ihm. Sobald man betet, bekommt man vom Herrn ein gutes Zeugniß und Empfehlung an alle Jünger. Das ist das beste Attest. Wenn er betet, so muß es gut mit ihm gehen. Vorher muß er also wohl nicht gebetet haben, wie man beten soll, sondern nur pharisäisch. Luc. 18, 11. Ananias aber hat viele Einwendungen gegen den Mann aus Furcht vor ihm - er will nicht sogleich zu ihm gehen, obwohl ihm Jesus ein gutes Zeugniß gab. Er muß es zu arg gemacht haben, und das Wunder der Bekehrung war zu groß und zu schnell, als daß es auch die gläubigsten Jünger sogleich glauben konnten. - Ich habe, sprach Ananias, von Vielen gehört von diesem Manne, wie viel Nebels er Deinen Heiligen gethan hat zu Jerusalem, und er hat Macht zu binden Alle, die Deinen Namen anrufen.“ Und zu dem soll ich gehen, zu Deinem und unserm ärgsten Feinde? Herr! was denkst Du? - So sprach Ananias zum freundlichen Heiland, der keines Feind, sondern seiner größten Feinde Freund und Heiland ist, der ein Beispiel aufstellen wollte, daß Seine Liebe und Gnade Alle besiegen, Alle bekehren, Alle selig machen könne, daß Seine Jünger ein weiteres Herz bekommen und zu Allen eingehen, Alle suchen und annehmen sollten, daß sie bei keinem Verfolger, Lästerer und Schmäher an Seiner Gnade zweifeln sollten, wenn er den Seinigen noch so viel Uebels gethan hat, und noch so viel Gewalt und Macht gegen sie von den Hohenpriestern in Händen hat.

Der Herr aber sprach zu Anania: Gehe hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, daß er meinen Namen trage vor Heiden, vor Königen und vor den Kindern Israel. Der Herr kennt die Seinen; wo erleuchtete Jünger nur Feinde und Verfolger sehen, da sieht Sein Auge schon das auserwählte Rüstzeug, sieht schon alle seine Thaten, den eifrigsten Verbreiter Seines Namens unter allen Völkern, sieht schon die ganze Apostelgeschichte Pauli, besser als sie Lucas beschrieben hat. O was haben wir für einen Herrn! wenn wir Ihm doch allezeit unbedingt auf's Wort folgten, ohne Einwendung und Säumen - besonders wenn es heißt: Siehe, er betet. Es scheint, der Heiland hat auf diesen Saulus gewartet, er hatte die zwölf Jünger erwählt, aber unter ihnen war kein Paulus - sie waren alle vorerwählte Zeugen - aber diesen nennt Er mit besonderm Nachdruck: das auserwählte Rüstzeug, das überall hin zu brauchen ist und Alles ausrichten wird, vor Heiden, Königen und Kindern Israels. Er war ohne Streit der beste Träger des Namens Jesu, er hat ihn am weitesten und zu den Meisten getragen. Es kann ihn nicht Jeder so tragen - sondern, wem es gegeben ist, und wer sich auch so ganz dazu hergibt. Er hat schon vorher eifrig getragen, nur nicht de n rechten Namen, den Moses, und nicht im rechten Geiste - nun durfte er nur den rechten Namen kennen lernen, so war Alles gut und recht. O wenn Mancher so viel für Christus thäte, als er gegen Ihn thun zu müssen glaubt und thut, wie viel auserwählte Rüstzeuge hätte Christus! Doch heißt es auch:

Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß, u meines Namens willen. Christus verspricht Seinen Knechten nicht gute Tage, sondern kündigt ihnen Leiden an; denn wenn diese sie abschrecken, und sie nichts für Ihn leiden wollen, so taugen sie nicht, so sollen sie Ihm lieber wegbleiben. War das der Gehalt? das Reisegeld? der Lohn? Allerdings, so muß es ein Jünger, ein Bote und Zeuge Christi ansehen; freuten sich doch schon die andern Apostel, Schläge davon getragen zu haben vor dem Rache zu Jerusalem, und um des Namens Jesu willen Schmach leiden zu dürfen. Das ist aber das Geheimniß, ein Miethling will nur Lohn, Gewinn, Eroberung, Ehre, Lob, gute Tage, und flieht, sobald Leiden und Schmach um Christi willen sich ihm in den Weg stellen. Ein rechter Jünger freut sich und erkennt daran des Herrn Führung und Wohlgefallen.

Nun folgte Ananias, ging hin, grüßte den Saulus als seinen Bruder, legte ihm die Hände auf und verkündigte ihm Alles, was der Herr ihm geoffenbart und befohlen hatte. Da fiel es wie Schuppen von den Augen des Saulus, und er ward plötzlich wieder sehend, und er stand auf, ließ sich taufen, nahm Speise zu sich, und stärkte sich und blieb etliche Tage bei den Jüngern zu Damaskus, predigte alsbald Jesum in der Synagoge, daß Er der Sohn Gottes sey, so daß sich alle Juden entsetzten, und es nicht begreifen konnten, was aus dem Mann geworden, von dem sie wußten, daß er nur gekommen sey, alle Christen zu verfolgen und zu vertilgen, und nun predigt er Christum! Saulus aber ließ sich nicht irre machen, predigte fort, bis sie die Thore sperrten, und ihm nach dem Leben strebten; bis ihn die Jünger selber fortschickten, und in einem Korb über die Stadtmauer hinabließen, weil alle Ausgänge seinetwegen geschlossen waren.

Was ist Gnade und Macht der Gnade Christi, wenn's das nicht ist? Wie kann sich Christus mehr verherrlichen als so? Wie viel wäre da zu sagen und zu betrachten, wenn der Raum einer Predigt es gestattete. Aber jeder Leser wolle selbst beten und nachdenken darüber, so wird ihm Licht werden, und er wird sich kaum an einer andern Geschichte so erbauen, als an dieser. Bemerkenswerth ist besonders, daß der Heiland durch Seinen Jünger Ananias das Werk vollführen ließ, das Er angefangen, daß erst durch diesen Diener des Herrn das auserwählte Rüstzeug zubereitet werden mußte, daß durch Auflegung der Hände die Schuppen abfielen, und Saulus wieder sehend wird, erst dann der heilige Geist über ihn ausgegossen, und er wieder freudig, getrost, ja muthvoll wird, gleich zu bekennen und zu predigen den verfolgten und verhaßten Namen Jesus. Er wußte es am besten, wie sehr Ihn die Juden haßten, und wie sehr sie auch ihn selbst hassen und verfolgen würden, und wie viel er zu leiden haben würde, wenn er Ihn predigte. Dennoch, dennoch fuhr er zu, und besprach sich nicht mit Fleisch und Blut. Gal. 1, 16. Und gleich erfüllte sich s, was Jesus ihm vorhersagen ließ: der Mann, der mit Gewalt und Macht, mit bewaffneter Mannschaft, wie's scheint, zur Freude der Juden und zum Schrecken der Christen herkam, muß froh seyn, daß er in einem Korb über die Stadtmauer dem Tode entrinnen konnte. Aber das macht ihn nicht muthlos, sondern er predigte gleich darauf wieder denselben verhaßten, ihm aber nun so theuren und heilbringenden Namen. Was vermag die Gnade nicht, wenn sie die rechte ist, und recht ergriffen, nicht vergeblich empfangen wird; er hat das Zeugniß von Christo bekommen, daß er ein auserwähltes Rüstzeug sey, und das konnte nicht fehlen, es mußte sich bewahren. Jesus wußte, wen Er erwählet hat. Gelobet sey Sein herrlicher Name!

Sollt ich aus Furcht vor Menschenkindern
Den Geistestrieb in mir verhindern,
Und nicht bis in mein Grab hinein,
Ein treuer Zeuge Jesu seyn?

Soll ich des Höchsten Wort verschweigen,
Und nicht dem Hause Jakobs zeigen,
Wie schändlich sich's vor Gott verstellt,
Darum, weil's Menschen nicht gefällt?

Sollt ich den falschen Christen heucheln,
Und der gottlosen Rotte schmeicheln,
Um eine Hand voll zeitlich Korn,
Und zu entgehn der Menschen Zorn?

Sollt ich die Bösen selig preisen,
Die weder Licht noch Glauben weisen,
Um ihre Gunst, die lauter Wind,
Weil sie noch Feinde Gottes sind.

Sollt ich die Gotteskinder nennen,
Die weder Gott noch Christum kennen,
Die bei der Wahrheit hellem Schein
So arg als blinde Heiden seyn.

Wer sind sie denn, die mich verlassen,
Und mich als ein Fegopfer hassen?
Wer sind sie, die so zorniglich
Ihr Herz verbittern gegen mich?

Es sind nur Menschen, die mit Sünden
Und losen Stricken sich verbinden;
Ein Nichts, ein Gras, ein schnödes Heu,
Ein Dampf und ausgedroschne Spreu.

So hoch sie sind in ihren Sinnen,
So werden sie doch endlich innen,
Daß all ihr Thun zur Hölle fahrt,
Und nur auf kurze Zeit besteht.

Wer bin ich denn, den sie verschmähen?
Ist's denn auf mich nur abgesehen,
Ist's Gott nicht, der mich reden heißt?
Und treibt mich nicht Sein werther Geist?

Weß ist das Amt, das ich hier trage?
Wer fordert es, daß ich's ihm sage?
Ist's nicht der große Gottesmund?
Der thut durch mich sich ihnen kund.

Ei! sollt mein Gott mich auch nicht schützen?
Wenn sie mit Wüthen auf mich blitzen?
Sollt' dessen Huld in aller Pein
Mir nicht ein süßes Labsal seyn?

Du kennst mich ja, Du Menschenhüter!
Daß mir nicht ist um schnöde Güter
Zu thun, noch um die Gunst der Welt,
Die Manchen so gefangen hält.

Die Liebe Christi, die mich dringet,
Die ist's, die mich im Geiste zwinget,
Mit Rufen, Locken, Bitten, Flehen
Den Menschenseelen nachzugehn.

Darüber will ich gerne leiden,
Kein Kreuz, noch Spott der Bösen, meiden;
Sey Du mir nur bei Hohn und Spott
Nicht schrecklich, Du mein treuer Gott!

Hier ist, mein Blut, mein armes Leben,
Soll ich's bei Deinem Dienst hingeben;
Ja Herr! Dein Will gescheh‘ an mir,
Bring nur dadurch viel Guts herfür.

Ich weiß, Dein Wort wird endlich siegen,
Das finstre Reich muß unterliegen,
Den Sieg wird man in Kurzem sehn,
Sollt's auch durch Marterblut geschehn.

Ach stärke mich doch auch, mein Retter!
Damit durch alle Trübsalswetter
Mein Zeugniß fest und freudig sey!
Es ist gewagt! Herr, steh mir bei!

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