Gerok, Karl - Der Heimat zu - Pfingstfest

Gerok, Karl - Der Heimat zu - Pfingstfest

1888.

(Joh. 14,23-31.)
(23) Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. (24) Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat. (25) Solches hab ich zu euch geredet, weil ich bei euch gewesen bin. (26) Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, derselbige wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe. (27) Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht. (28) Ihr habt gehört, dass ich euch gesagt habe: Ich gehe hin und komme wieder zu euch. Hättet ihr mich lieb, so würdet ihr euch freuen, dass ich gesagt habe: Ich gehe zum Vater; denn der Vater ist größer denn ich. (29) Und nun hab ichs euch gesagt, ehe denn es geschieht, auf dass, wenn es nun geschehen wird, ihr glaubt. (30) Ich werde nicht mehr viel mit euch reden; denn es kommt der Fürst dieser Welt, und hat nichts an mir. (31) Aber auf dass die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe, und ich also tue, wie mir der Vater geboten hat: steht auf und lasst uns von uns hinnen gehen.

„Schmückt das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars. - Dankt dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währt ewiglich.“ Mit diesem fröhlichen Psalmruf (Ps. 118, V. 27, 29) begrüßen wir heute das liebliche Pfingstfest, das Frühlingsfest der christlichen Kirche.

Ist doch in diesen Tagen der Frühling in der Natur als ein langersehnter und um so willkommenerer Gast bei uns eingekehrt in seiner Blütenpracht voll Glanz und Duft, wie wir sie selten noch gesehen, zum Zeichen: Es bleibt doch dabei, wenn der Winter ausgeschneit, tritt der schöne Sommer ein; denn der Herr ist immer noch freundlich und seine Güte währt ewiglich über seinen Menschenkindern.

Der allerhöchste Gast aber, den wir heute festlich begrüßen, das ist der, von welchem unser Lied sagt: Zeuch ein zu deinen Toren, sei meines Herzens Gast; der, von welchem der Herr in unserem Evangelium sagt, durch ihn wolle er selbst mit seinem Vater zu uns kommen und Wohnung bei uns machen, der Pfingstgeist, der heilige Geist.

Wo er einzieht in seiner Gemeinde, da blüht ein geistlicher Frühling auf, der nicht verregnet werden kann. Wo er Wohnung macht in einem Herzen, da bringt er neues Leben, bringt Kräfte der zukünftigen Welt, bringt Blüten der Gottseligkeit und Früchte der Gerechtigkeit in der Seele ans Licht.

Lasst uns etwas weiter reden:

Von dem schönen Geistesfrühling, den der Pfingstgeist in Christenherzen weckt:

  1. In lebendiger Erkenntnis Gottes;
  2. in herzlicher Liebe Gottes;
  3. in seligem Frieden Gottes.

O Geist des Herrn, der das Leben schafft,
Walt' in der Kirche mit deiner Kraft,
Dass die Gotteskinder geboren werden,
Gleichwie der Morgentau schon auf Erden

Zu Christi Preis. Amen.

Es ist ein schöner Geistesfrühling, den der Pfingstgeist in Christenherzen weckt, vor allem:

1) In lebendiger Erkenntnis Gottes.

So etwas kündet der Herr seinen Jüngern an, wenn er sagt: „Solches habe ich zu euch geredet, weil ich bei euch war. Aber der Tröster, der Heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, derselbige wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, das ich euch gesagt habe.“

Wohl hatten sie an Jesus den Lehrer, dem kein Lehrer gleich. Sein Wort war des Vaters Wort. Etwas Höheres und Besseres, als seine Jünger aus seinem Mund gehört hatten in den paar Jahren ihres persönlichen Umgangs mit ihm, konnte kein Mensch auf Erden und kein Engel vom Himmel sie lehren. Und doch war sein Lehramt an ihnen noch nicht vollendet und ihre Erkenntnis der Wahrheit noch nicht fertig und lebendig.

Der Herr hatte an ihnen getan, was der Sämann auf seinem Ackerfeld tut im Spätjahr oder um Frühlingsanfang. Er hatte den Samen seines Wortes in ihre Herzen ausgestreut treu und fleißig, und sie hatten sich dabei verhalten wie ein gutes Ackerfeld, sie hatten den Samen aufgenommen willig, lernbegierig, in einem guten feinen Herzen.

Aber auch der beste Samen im besten Boden kann nicht aufgehen, wachsen und gedeihen, wenn nicht der Frühling darüber kommt und mit milden Sonnenstrahlen, mit befruchtenden Regengüssen den Samen aus der Erde lockt und zur Entfaltung bringt. So ruhte auch das Wort des Herrn noch halbverstanden, teilweise unverstanden, hie und da selbst missverstanden als ein schlummerndes Samenkorn in der Brust der Jünger, bis der Pfingstgeist kam und es zur Entfaltung brachte, indem er sie erinnerte an alles, was der Herr ihnen gesagt hatte, und ihnen das Herz aufschloss zu rechter Erkenntnis und den Mund auftat zu freudigem Bekenntnis der göttlichen Wahrheit. Nun, vom Geist Gottes angeweht, konnte ein Petrus seine Pfingstpredigt halten so gewaltig und überzeugend, dass es den Hörern durchs Herz ging. Nun, vom Geist erinnert an alles, was der Herr ihnen gesagt hatte, konnte ein Matthäus die Bergpredigt und die Gleichnisse des Meisters niederschreiben, dass wir uns heut noch daran erquicken; konnte ein Johannes uns die Abschiedsreden Jesu aufzeichnen zur Erbauung der Gemeinde für alle Zeiten. Nun, vom Geist Gottes befruchtet, entwickelten sich die einfachen Worte Jesu im Geist der Apostel zu einem reichen Fruchtfeld evangelischer Wahrheit und wurden zu einem unvergänglichen Lebensbrot, daran heute noch die Christenheit zehrt.

Etwas Ähnliches, meine Freunde, will der Pfingstgeist auch in uns wirken, indem er das Wort Gottes in uns befruchtet und unsere christliche Erkenntnis entwickelt.

Auch wo das Wort Gottes nicht auf den harten Weg fällt und von Füßen zertreten oder von Vögeln gefressen wird, wo man es gerne hört und willig annimmt, da schlummert es eben oft lang im Herzen wie ein verborgenes Samenkorn. Man hat einen Spruch in der Jugend gelernt, aber man vergisst ihn wieder; oder man hat ihn im Gedächtnis behalten, aber man versteht ihn noch nicht; oder man hat ihn seinem Wortsinn nach verstanden, aber im Herzen noch nicht lebendig erfahren. Und so ist bei manchen redlichen Christenleuten ihr Christentum noch nicht viel mehr als ein unverarbeiteter Vorrat von Lehrsätzen und Geboten, den sie zwar gewissenhaft hüten, aber von dem weder sie selbst, noch andere viel Frucht haben.

Aber wie schön ist's, wenn nun so ein Spruch, den wir oft gehört, aber immer wieder vergessen, oder längst gewusst, aber nie recht verstanden haben, zur guten Stunde, sei's im Gotteshaus oder im Kämmerlein, sei's durch eine frohe oder durch eine ernste Lebenserfahrung, sei's vermittelst menschlicher Belehrung oder durch innere Erleuchtung, uns auf einmal klar wird, dass wir nun erst seine Wahrheit verstehen, seine Kraft spüren und einen Schatz daran gewonnen haben fürs Leben das hat der Heilige Geist getan!

Und wie schön, wenn dann durch den Geist Gottes ein Licht ums andere uns aufgeht, eine Wahrheit aus der anderen sich entwickelt, wie aus einem einfachen Samenkörnlein eine kornreiche Ähre wird, wie ein gesunder Baum mit jedem Frühling neue Zweige ansetzt, wie in einem Blumenbeet an jedem Morgen neue Blumen aufgehen.

Da wird's Frühling im Geist. Da wird uns das Wort Gottes aus einem toten Buch mit dürren Blättern zu einer grünen Aue, zu einer Geistesweide voll kräftiger Kräuter und lebendiger Quellen, weil der Geist Gottes wie Frühlingswind über die toten Buchstaben hinweht und sie lebendig macht. Da werden uns jene Worte Jesu und der Apostel, die einst in grauer Vorzeit in einem fernen Erdenwinkel erschollen und verschollen sind, wieder so frisch und Lebendig, als würden sie erst heut zum erstenmal für uns gesprochen oder geschrieben; weil derselbe Geist, der jene ersten Zeugen erfüllte, nun auch unseren Geist berührt hat und Verwandtes von Verwandtem verstanden wird. Möchte es so Frühling werden auch in unseren Herzen durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes, der uns in alle Wahrheit leitet! Und der uns zu allem Guten stärkt:

2) In herzlicher Liebe Gottes.

Wo die in uns waltet, da erst wird's recht Frühling in der Seele.

„Wer mich liebt, der wird meine Worte halten, und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen; wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht.“ Abermals ein bedeutsames Wort des Herrn an die Seinen.

Nicht zu solchen Leuten und von solchen Leuten redet hier der Herr und rede auch ich jetzt, denen der Wille Gottes gleichgültig und das Wort Christi verhasst ist, die kein anderes Gesetz kennen als ihren eigenen Willen und keine andere Gebote als ihres Herzens Gelüste.

Nein, ich nehme an, es ist dir ein redlicher Ernst, Gottes Gebote zu erfüllen und Christi Worte zu halten. Ich will sogar annehmen, du hast dich bekehrt, dein Herzensboden ist umgebrochen durch die scharfe Pflugschar des göttlichen Gesetzes und ist eingesät mit dem guten Samen der göttlichen Gebote und der Wille Gottes, deine Heiligung ist auch dein aufrichtiger Wille und Vorsatz.

Und doch, lieber Freund, will's vielleicht zu keinem rechten Wachstum im Guten, zu keinem fröhlichen Gehorsam kommen. Du fühlst in dir keine rechte Kraft, das Gute zu tun und deine Pflichten zu erfüllen gegen Gott und Menschen; des Herrn Gebot ist dir ein hartes Joch und eine schwere Last. Dein Christentum ist noch ein saurer Werkdienst und keine fröhliche Herzenssache. Wie kommt das? Wo fehlt es da?

Das sagt dir der Herr. Wer mich liebt, der wird meine Worte halten; wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Seht, meine Lieben, damit spricht Jesus das ganze Geheimnis eines lebendigen Christentums aus: es besteht in der Liebe zu Gott und dem Heiland.

Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung, die Liebe macht auch das Schwerste leicht. Was vermag die Liebe schon in menschlichen Dingen! Mutterliebe, Freundesliebe, Vaterlandsliebe, Liebe und Begeisterung für irgend eine Kunst und Wissenschaft - welche Mühen kann sie ertragen, welche Opfer bringen, welche Heldentaten tun, welche Meisterwerke schaffen!

Und nun die Liebe zu Christo, dem Liebenswürdigsten unter den Menschenkindern; die Liebe zu Gott, dem Vater des Lichts, dem Urquell alles Wahren, Guten und Schönen - was vermag die in einem Menschen und durch einen Menschen zu wirken! Was haben die Apostel, die Märtyrer, soviele gottliebende, gottinnige, gottbegeisterte Seelen aller Zeiten getan, gelitten, geleistet, gewirkt in dem Gedanken: Lasst uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt! und in dem Bewusstsein: Die Liebe Christi dringet uns.

Ja du selbst, lieber Christ, wenn du in einer guten Stunde, nach einer glücklichen Erfahrung deines Lebens, in einer freudigen Erregung deines Herzens warm geworden warst von dankbarer Liebe zu deinem Schöpfer, von anbetender Verehrung für deinen Erlöser: sind dir dann nicht alle deine Aufgaben leichter, alle deine Pflichten süßer, alle deine Nebenmenschen lieber geworden, dass du etwas spüren durftest von des Herrn Wort: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht?

Und wenn solch eine dankbare Liebe zu unserem Schöpfer, solch eine anbetende Verehrung für unseren Erlöser die herrschende Stimmung unserer Seele würde und mit sanfter Wärme unser ganzes Leben durchdränge, o wie würde da ein neues Leben, ein frischer Trieb in unser Christentum kommen; welch schöne Blüten des Glaubens, des Gehorsams und jeglicher Christentugend würden da zum Vorschein kommen in unserem Wandel, so dass wir's erfahren dürften, was der Jünger der Liebe schreibt: Seine Gebote sind nicht schwer. Aus dem knechtischen: „Ich muss“ würde je mehr und mehr ein kindliches: „Ich will“ und ein männliches: „Ich kann“; denn „der Geist hilft meiner Schwachheit auf“.

Ja der Geist Gottes, der Heilige Geist, der alles Gute in uns schafft, der weckt auch die Wurzel alles Guten, die Liebe Gottes in unserem Herzen; er gibt uns statt des kalten, harten, steinernen Herzens ein warmes, weiches, fleischernes Herz, in welchem der lebendige Puls der Liebe Gottes schlägt und unseren ganzen inneren Menschen belebt, wie der Apostel schreibt (Röm. 8): Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder - nicht mehr nur seine Knechte, die aus Furcht ihm dienen, sondern seine Kinder, die ihm aus Liebe anhangen.

Darum was können wir uns heute Besseres wünschen für unser inneres Leben als den heiligen Geist, den Geist der Kindschaft, dass er über den Acker unseres Herzens komme, wie die warme Frühlingsluft, die den Boden erwärmt, dass die Blumen sich entfalten und die Saaten sich entwickeln; dass er uns lehre Gott lieben und sein Wort halten. So wird's Frühling im Herzen, ein geistlicher Frühling, von dem es in höherem Sinne gilt, was der Dichter vom natürlichen Frühling singt:

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden!

und um welchen der christliche Sänger bittet:

Mach mein Herz zu einem Garten,
Drin der Tugend schönste Arten
Blühn in voller Lieblichkeit!

Dieser Herzensfrühling bringt dann auch mit zuguterletzt:

3) Den seligen Frieden Gottes,

welchen der Herr den Seinen verheißt, wenn er spricht: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht gebe ich, wie die Welt gibt; euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht!“

O wieviel Furcht und Schrecken, wieviel Not und Sorge treibt ein Menschenherz um in diesem armen Leben! Wie freudenarm und friedlos gehen soviel Menschen umher in dieser stürmevollen Welt! Und was die Welt von Freuden verspricht, was sind es oft für eitle, wo nicht gar sündliche Freuden; was sie von Frieden und Befriedigung verheißt, wie bald kann ein Sturm von außen oder innen diesen Frieden uns wieder rauben!

Aber spricht der Herr, nicht gebe ich, wie die Welt gibt. Er gibt bessere Freuden, er gibt einen dauernderen Frieden. Wo er Wohnung macht im Herzen, darf man nicht mehr erschrecken, noch sich fürchten, denn man weiß: Ich bin versöhnt mit Gott; da mag's von außen stürmen, innen im Herzen ist Friede, denn man weiß: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Da blühen der Seele Freuden, von denen die Welt nichts ahnt, die Freuden der Andacht, des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, der Gottseligkeit. Da ist's Frühling in der Seele, denn das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden. Wie die düsteren Wolken des Winters müssen Furcht und Schrecken weichen, wie milde Frühlingsluft weht um uns das sanfte Säuseln der göttlichen Gnade und wie der blaue Frühlingshimmel wölbt sich über uns der Himmel der göttlichen Erbarmung. Möchte er auch in unsere Herzen einziehen, dieser Friede Gottes, den die Welt nicht gibt; dieser himmlische Frühling, der nimmer verwelkt; dieser Geist von oben, der das Leben schafft!

O du Geist des neuen Bundes, Geist des Vaters, mild und rein,
Heilger Odem seines Mundes zeuch in unsre Herzen ein;
Leib und Seele, Haupt und Glieder kehren aus dem Tode wieder,
Wo sich deine Gotteskraft einen Sitz und Tempel schafft.

Amen.

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