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Jesaja, Kapitel 59

Jesaja, Kapitel 59

59:1 Siehe, des HERRN Hand ist nicht zu kurz, daß er nicht helfen könne, und seine Ohren sind nicht hart geworden, daß er nicht höre;

59:2 sondern eure Untugenden scheiden euch und euren Gott voneinander, und eure Sünden verbergen das Angesicht vor euch, daß ihr nicht gehört werdet.

59:3 Denn eure Hände sind mit Blut befleckt und eure Finger mit Untugend; eure Lippen reden Falsches, eure Zunge dichtet Unrechtes.

59:4 Es ist niemand, der von Gerechtigkeit predige oder treulich richte. Man vertraut aufs Eitle und redet nichts Tüchtiges; mit Unglück sind sie schwanger und gebären Mühsal.

59:5 Sie brüten Basiliskeneier und wirken Spinnwebe. Ißt man von ihren Eiern, so muß man sterben; zertritt man's aber, so fährt eine Otter heraus.
Siehe das Netz der Spinne und erkenne darin ein höchst lehrreiches Bild von der Frömmigkeit des Heuchlers. Es stellt die Absicht, Beute zu erhaschen, ans Licht: Die Spinne sättigt sich mit geraubten Fliegen und der Pharisäer schaut mit gierigen Blicken nach seinem Lohn. Törichte Leute lassen sich leicht von den wohltönenden frommen Redensarten der Scheinheiligen berücken, und selbst der vorsichtigere Beurteiler wird manchmal überlistet. Geachteter Name, gutes Lob, Ruf der Rechtschaffenheit: das sind die winzigen Fliegen, welchen die Heuchler in ihrem Netze auflauern. Das Netz einer Spinne ist ein Wunder von Kunstfertigkeit. Gehe hin, und betrachte der schlauen Jägerin Kunstwerk. Ist nicht eines Betrügers Gottesfurcht ganz ebenso bewundernswert? Wie weiß er doch einer offenbaren Lüge ein solches Gepräge der Wahrheit zu geben! Wie weiß er es so geschickt einzurichten, daß sein wertloser Flitter die Rolle des kostbaren Goldes spielt! Ein Spinnweb geht ganz aus des Geschöpfes eignem Innern hervor. Die Biene sammelt ihr Wachs im Kelch der Blumen, aber die Spinne trinkt keinen Blumensaft, und doch spinnt sie ihren Faden endlos in die Länge. Ebenso finden Heuchler ihre Zuversicht und Hoffnung in ihnen selber; ihren Anker haben sie auf dem eignen Amboß geschmiedet, und ihr Ankertau mit eignen Händen zusammengedreht. Sie legen selber ihren Grundstein und meißeln selber die Säulen zu ihrem Hause, und verschmähen, Schuldner der unumschränkten Gnade Gottes zu werden. Aber einer Spinne Netz zerreißt sehr leicht; es ist wunderbar kunstvoll gemacht, aber nicht dauerhaft gearbeitet. Es hält dem Besen der Magd nicht stand, noch dem Stab des Wandrers. Es braucht kein schweres Geschütz, um des Heuchlers Hoffnung über den Haufen zu werfen, sie stürzt schon beim leichtesten Stoß, und ein Windhauch weht sie zu Boden. Heuchlerische Spinnweben müssen bald verschwinden, wenn der Besen des Verderbens darüber wegfegt und das Werk der Reinigung beginnt. Und solche Spinnweben dürfen im Hause des Herrn keine bleibende Statt finden; der Herr siehet darauf, daß die Spinnweben, und die sie verfertigen, auf ewig dem Verderben anheimfallen. O, meine Seele, vertraue auf etwas Besseres, als auf einer Spinne Netz. Der Herr Jesus müsse dein ewiger Bergungsort sein. (Charles Haddon Spurgeon)

59:6 Ihre Spinnwebe taugt nicht zu Kleidern, und ihr Gewirke taugt nicht zur Decke; denn ihr Werk ist Unrecht, und in ihren Händen ist Frevel.

59:7 Ihre Füße laufen zum Bösen, und sie sind schnell, unschuldig Blut zu vergießen; ihre Gedanken sind Unrecht, ihr Weg ist eitel Verderben und Schaden;

59:8 sie kennen den Weg des Friedens nicht, und ist kein Recht in ihren Gängen; sie sind verkehrt auf ihren Straßen; wer darauf geht, der hat nimmer Frieden.

59:9 Darum ist das Recht fern von uns, und wir erlangen die Gerechtigkeit nicht. Wir harren aufs Licht, siehe, so wird's finster, auf den Schein, siehe, so wandeln wir im Dunkeln.

59:10 Wir tappen nach der Wand wie die Blinden und tappen, wie die keine Augen haben. Wir stoßen uns im Mittag wie in der Dämmerung; wir sind im Düstern wie die Toten.

59:11 Wir brummen alle wie die Bären und ächzen wie die Tauben; denn wir harren aufs Recht, so ist's nicht da, aufs Heil, so ist's ferne von uns.

59:12 Denn unsere Übertretungen vor dir sind zu viel, und unsre Sünden antworten wider uns. Denn unsre Übertretungen sind bei uns und wir fühlen unsere Sünden:

59:13 mit Übertreten und Lügen wider den HERRN und Zurückkehren von unserm Gott und mit Reden von Frevel und Ungehorsam, mit Trachten und dichten falscher Worte aus dem Herzen.

59:14 Und das Recht ist zurückgewichen und Gerechtigkeit fern getreten; denn die Wahrheit fällt auf der Gasse, und Recht kann nicht einhergehen,

59:15 und die Wahrheit ist dahin; und wer vom Bösen weicht, der muß jedermanns Raub sein. Solches sieht der HERR, und es gefällt ihm übel, daß kein Recht da ist.

59:16 Und er sieht, daß niemand da ist, und verwundert sich, daß niemand ins Mittel tritt. Darum hilft er sich selbst mit seinem Arm, und seine Gerechtigkeit steht ihm bei.

59:17 Denn er zieht Gerechtigkeit an wie einen Panzer und setzt einen Helm des Heils auf sein Haupt und zieht sich an zur Rache und kleidet sich mit Eifer wie mit einem Rock,

59:18 als der seinen Widersachern vergelten und seinen Feinden mit Grimm bezahlen will; ja, den Inseln will er bezahlen,

59:19 daß der Name des HERRN gefürchtet werde vom Niedergang und seine Herrlichkeit vom Aufgang der Sonne, wenn er kommen wird wie ein aufgehaltener Strom, den der Wind des HERRN treibt.

59:20 Denn denen zu Zion wird ein Erlöser kommen und denen, die sich bekehren von den Sünden in Jakob, spricht der HERR.

59:21 Und ich mache solchen Bund mit ihnen, spricht der HERR: mein Geist, der bei dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen von deinem Munde nicht weichen noch von dem Munde deines Samens und Kindeskindes, spricht der HERR, von nun an bis in Ewigkeit.1)
O Du gnadenreicher Herr Jesu, der Du bist gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist: ich danke Dir, daß Du mich diese heilige Advents-Zeit unter Deinem Schutz und Gnade abermal hast erleben lassen. Du ewiger Sohn Gottes, der Du bist gewesen, ehe noch der Welt Grund gelegt war, bist in’s Fleisch gekommen, ein wahrer Mensch geworden, daß Du uns möchtest selig machen. Wir konnten wegen des schweren Sündenfalls nicht zu Dir in den Himmel kommen, darum kommst Du zu uns auf Erden, auf daß Du uns Alle mögest zur Seligkeit hinführen. Wir waren durch die Sünde Fremde, ja Gefangene und Gottesfeinde geworden; aber durch Deine allerheiligste Ankunft soll Alles wieder gut gemacht werden.
O große Gnade, o unaussprechliche Liebe! Um Deinetwillen, o Jesu, sollen die Fremden Bürger und Hausgenossen Gottes, die Gefangenen Erlöste, und die Feinde Gottes Geliebte, die Sünder Kinder, und die Gefallenen wieder aufgerichtet werden. O heilige Ankunft, dadurch wir zum Tode Verdammte das Leben erlangen sollen, und die wir vorher aus der Gnade gefallen waren, durch Dich mit Schmuck und Ehren sollen angethan werden! Denn das ist je gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.
Liebster Jesu, mache mich auch selig, führe mich auch in Dein Freudenreich! Gieb mir zu dieser heiligen Zeit ein aufmerksames und gehorsames Herz, daß ich möge Dein heiliges Wort mit Fleiß und Andacht anhören, im Herzen behalten und annehmen, im Glauben, in Deiner Erkenntniß und Liebe in diesen heiligen Tagen wachsen, und die Glaubensfrüchte in meinem Leben zeigen, als da sind: Keuschheit, Demuth, Sanftmuth, Gehorsam, Frömmigkeit; damit Deine Ankunft auch mir möge eine selige und heilsame Ankunft sein. Ach bewahre mich, daß es nicht von mir heißen möge: „Er kam in sein Eigenthum, aber die Seinen nahmen Ihn nicht auf.“ O Herr Jesu, ich nehme Dich auf im Glauben, ich liebe Dich, ich ehre dich, ich folge Dir. Komm herein, Du Gesegneter des Herrn! Warum stehest Du draußen? Ich habe mein Herz Dir durch Deine Gnade bereitet. Komm in mein Herz, ich will aus Liebe zu Dir alle weltlichen Eitelkeiten und Lustbarkeiten, alle Sünden und Bosheiten gern meiden, damit Du allein meiner Seele Inhaber und meines Herzens Beherrscher seiest. Ach, wohne in mir, heilige mich Dir, erhalte mich in Deiner Gnade. O Jesu, Du kamst als ein König: ach, regiere hinfort in meinem Herzen, daß die Sünde nicht mehr darin herrschen könne. Du kamst als ein Gerechter: ach, mache mich gerecht, und schenke mir das Kleid Deiner Gerechtigkeit. Du kamst arm: daß Du mich mögest reich machen an meiner Seele, reich im Glauben und an himmlischen Gütern. Du kamst demüthig; ach, mache mich demüthig, daß ich von Dir lerne Demuth und Sanftmuth, und dieselbe in meinem Leben bei allen Gelegenheiten ausübe. O Du König der Ehren, ziehe denn ein in die Thore meines Herzens! Siehe, ich thue durch Deine Kraft sie Dir weit auf. Regiere mich hinfort mit Deinem heiligen Geiste, daß ich Deine Wohnung und Dein Tempel beständig bleiben möge bis an mein seliges Ende! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


DIs ist ein herrlicher schöner Spruch und seliger nötiger Trost fur frome Christen / Das Gott zu jeder zeit im eine Kirchen auff Erden samlet und erhelt. Auch am ende der Welt / wenn sichs ansehen lesst / das alle Regiment in ein hauffen fallen wöllen / und die Kirche von allem menschlichen schutz / hülff und trost / verlassen scheint.
Und sagt mit klaren ausgedrückten worten / Das die allein die Kirche oder Gottes volck sind / welche dis wort haben / predigen / mit glauben annemen und bekennen / so Gott / durch die Propheten / Christum und Apostele / geoffenbaret hat. An dasselbige Wort bindet er die Kirchen / als an ein gewis Zeichen / dabey man sie kennen sol.
Weiter tröstet und stercket der Prophet alle / so sich von iren sünden bekeren / und gleuben an den Erlöser / Jhesum Christum der nu komen ist / das sie gewis schliessen sollen / das sie Gliedmas der rechten Kirchen seien / vergebung der sünden / gerechtigkeit und ewiges Leben haben.
Und das sie dazu durch den heiligen Geist erleuchtet und geheiliget sind / das die Lere des Evangelii / durch sie auch weiter ausgebreitet werde / das die Kirche fur und fur / also möge durchs Wort erbawet und erhalten werden / bis ans ende der Welt. (Caspar Cruciger)


In diesen worten leret uns Gott / das allein diese Gottes Volck und Kirche sind / so die Lere / durch die Propheten / Christum und Apostel geoffenbart / hören und mit glauben annemen. Und udrch diese Lere / gibt Gott seinen heiligen Geist / ist bey diesen Gleubigen / gibt inen vergebung der sünden / erhöret sie / hilfft inen in mancherley nöten / und gibt inen ewige seligkeit.
Und suche die Kirche nicht an andern orten / da diese Lere verfolget wird / ob sie gleich Titel und namen der Kirchen haben wöllen.
Las dich auch dis nicht irren / das die selbigen Verfolger / schöne ordentliche weltliche Regiment und macht haben / und die Gleubigen zurstrewet und unterdruckt sind. Denn die Kirche ist an Gottes wort und heiliigen Geist / nicht an menschliche Hoheit / gebunden.
Und ist ein herrlicher grosser Trost / das Gott hie zugesagt / Das er allezeit fur und fur / auch auff Erden in diesem Leben / eine rechte Kirche erhalten wölle.
Und sol ein jeder zu aller zeit wissen / das er selbs ein Gliedmas dieser rechten Kirchen Gottes ist / So er diese Lere mit glauben annimpt / er sey auff Erden wo er wölle / Ob er gleich gering / und von den Verfolgern veracht ist. (Philipp Melanchthon)


Das ist eine harte Strafpredigt wider die Sünde des Volks, daß Gott sie gerne hören und ihnen gerne helfen wolle, aber ihrer Sünden halber es nicht thun könne, sintemal nicht allein Mord, falsche Predigt und andere Untugend, sondern auch falsche Heiligkeit unter ihnen im Schwang gehe, welche Er mit einer Spinnewebe vergleicht, als wollte Er sagen: Es ist wohl ein Gewebe, aber man wird sich übel darein kleiden und damit decken. Denn falsche Heiligkeit ist der Art, daß sie ohne Gottes Wort durch eigene Werke Gott versöhnen und Seine Gnade erlangen will. Darum weissaget hier der Prophet, Gott werde mit Seinem Gericht kommen und die bösen Buben strafen.
Wir sollen also hieraus lernen, woher die Ungnade Gottes mit ihren Wirkungen, den so erschrecklichen Gerichten, komme, nämlich von den Sünden der Menschen, welche so gar sehr dem HErrn zuwider sind, daß sie auch Gott und uns von einander scheiden, und daß sie das Angesicht Gottes von uns verbergen, so daß wir nicht erhöret werden können. Und damit wir wissen, was Gott für Sünde halte, wird ein großes Register sündlicher Dinge angeführt, darnach man sich billig prüfen soll, ob man nicht auch dergleichen an sich habe.
Weiter wird gezeigt, die Sünde habe die böse Art an sich, daß man meint, man werde Nutzen und Ehre davon haben, - so bringe sie dagegen Schaden und Schande; ja, sie mache den Menschen ganz blind, dumm und toll, daß er alles verkehrt angreift und ausrichtet. Darum sollten wir uns billig vor Sünden hüten - und, wo wir gesündiget, in Zeiten wahre Buße thun.
Doch wird auch dem frommen Häuflein alles Gute versprochen, damit ein jeder sich dadurch reizen lasse, von Sünden abzustehen, dagegen Gutes zu thun und in dem Guten zu beharren.
Nun, o heiliger Gott, öffne uns die Augen und Herzen, daß wir sehen, was für Herzeleid die Sünde uns bringe, und uns also vor derselben hüten; erwecke uns auch durch Deinen heiligen Geist, daß wir lernen fromm seyn und uns in der Gottseligkeit üben, auf daß wir Deinen verheißenen Segen aus Gnade erlangen, - durch Jesum Christum. Amen. (Veit Dieterich)

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