Jesaja, Kapitel 32
32:1 Siehe, es wird ein König regieren, Gerechtigkeit anzurichten, und Fürsten werden herrschen, das Recht zu handhaben,
32:2 daß ein jeglicher unter ihnen sein wird wie eine Zuflucht vor dem Wind und wie ein Schirm vor dem Platzregen, wie die Wasserbäche am dürren Ort, wie der Schatten eines großen Felsen im trockenen Lande.
Wer dieser Mann ist, wissen wir alle. Wer könnte es anders sein, als der zweite Mann, der Herr vom Himmel, der Mann der Schmerzen, der Menschensohn? Was für eine Zuflucht ist Er seinem Volke gewesen! Er trägt die volle Kraft des Windes selbst und schützt so diejenigen, die sich in Ihm verbergen. Wir sind so dem Zorne Gottes entronnen, und wir sollen dem Zorn der Menschen, den Sorgen dieses Lebens und den Schrecken des Todes entrinnen. Warum stehen wir in dem Winde, wenn wir so leicht und so sicher aus demselben herauskommen können, indem wir uns hinter unsren Herrn verbergen? Laßt uns heute zu Ihm flüchten und in Frieden sein.
Häufig erhebt sich der gewöhnliche Wind des Leidens in seiner vollen Stärke und wird zum Sturm, der alles vor sich hinfegt. Dinge, die fest und dauerhaft aussahen, schwanken in dem Windstoß, und viele unsrer fleischlichen Zuversichten tun einen großen Fall. Unser Herr Jesus, der glorreiche Mann, ist ein Schirm, der niemals umgewehet wird. In Ihm sehen wir den Sturm vorüberrasen, aber wir selber ruhen in köstlichem Frieden.
Heute laßt uns in unsrem Zufluchtsort uns verbergen und unter dem Schutze unsres Schirmes sitzen und singen. Teurer Jesus! Teurer Jesus! Wie lieben wir Dich! Wohl mögen wir das tun, denn Du bist uns ein Schutz in der Zeit des Sturmes. (Charles Haddon Spurgeon)
32:3 Und der Sehenden Augen werden sich nicht blenden lassen, und die Ohren der Zuhörer werden aufmerken,
32:4 und die Unvorsichtigen werden Klugheit lernen, und der Stammelnden Zunge wird fertig und reinlich reden.
Der Prophet redet von einer Heilszeit, in der vieles den Menschen gegeben werde, das ihnen in andern Zeiten gebreche. Seit der Heiland gekommen ist, stehen wir in einer solchen Heilszeit. Und was könnte uns nicht alles werden, wenn wir selbst auch darum bemüht wären!
„Die Unvorsichtigen“, heißt es, „werden Klugheit lernen“: es werde eine Zeit kommen, da das Törichte, Verkehrte, Blinde, Unbedachtsame in den Herzen der Menschen schwinden und die rechte Klugheit bei ihnen einkehren werde. Damit ist freilich nur gesagt, daß es denen, die sich darum bemühen, mit den verheißenen neuen Kräften gegeben werde, es zu erlangen. Aber der Unvorsichtigen gibt es trotzdem doch noch viele unter uns, selbst unter den ernsteren Christen. Denn sie bemühen sich nicht um Besseres. Und doch ist's nicht auszusprechen, wie viel Schaden die Unvorsichtigkeit bringt! Vielfältig läuft man in der Welt, die doch im Argen liegt, umher, wie wenn nichts zu fürchten wäre! Man tappt an allem herum und hat sich, ehe man sich's versieht, beschmutzt, vergiftet - oder es „schnappt“ gar und man ist in der Falle wie ein Mäuschen, das sich vom Geruch reizen und locken läßt und daran herum trippelt, bis es „schnappt“. Das ist die Unvorsichtigkeit, mit welcher viele in grausige Gefahr, selbst des Todes und des ewigen Todes, hineinkommen. Klug zu werden hätten wir doch alle Ursache, zumal uns jetzt so klar geoffenbart ist, wie der Feind uns überall Fallen legt! Wo wir gehen und stehen, so dürfen wir denken, hat der Feind eine Falle gelegt, weil er immer hauptsächlich auf die Torheit und Unvorsichtigkeit der Menschen rechnet, wie es schon beim ersten Sündenfall geschah. Das tut er besonders dann, wenn er denkt, daß an den Seelen etwas für den HErrn sein könnte, der den Satan überwunden hat. Ach, wie viel Jammer bringt die Unvorsichtigkeit namentlich jungen Leuten!
Es ist aber doch die Zeit da, da die Unvorsichtigen Klugheit lernen könnten, sich zu hüten vor alle dem, was äußerlich gleißt und schimmert - und doch im Hintergrund Verderben hat! Wer sich durch Buße und Glauben an den HErrn Jesus bekehrt, der kann's lernen; und er lernt's um so mehr, je völliger er sich mit seinem ganzen Wesen zu Gott wendet. Vor allem kann er sich auch der vielen Zungensünden enthalten lernen, an denen vornehmlich die Unvorsichtigkeit der Menschen zu erkennen ist. Denn es ist ja hier auch verheißen, daß der Stammelnden Zunge fertig und reinlich reden werde.
Zu dem allen bedarf es freilich eines beständigen Aufblicks nach oben, eines steten Seufzens und Bittens mit Wachsamkeit: „HErr, bewahre Du mich! Schütze Du mich! Lenke Du mich! Gib Du mir zur rechten Zeit den Wink, da ich selbst zu dumm wäre, es von mir aus zu merken, was in diesem und jenem liegt! Und regle meine Sinne, daß sie mich nicht betören! Zähme namentlich meine Zunge, daß sie's in nichts verderbe!“ Wer so betend seinen Weg geht, kommt gut durch, wie es verheißen ist. Wer aber aus sich selbst mit Selbstvertrauen zurechtkommen will, ohne recht aufzumerken - dabei wohl auch Warnungen und Weisungen verschmäht -, der kommt oft unversehens schnell zu Fall, besonders dann, wenn noch allerlei Gelüste in ihm nicht völlig ertötet sind.
Ach, daß uns der HErr helfen möge zum Sieg, durch Wachsamkeit und Vorsicht! (Christoph Blumhardt)
„Stammelnd“ ist ein eigentümlicher Ausdruck. So sind, geistlich genommen, die Leute hauptsächlich dann, wenn sie ans Geistliche kommen sollen. Vielen läuft's mit dem Reden in allem glatt weg. Wenn sie es aber ein wenig geistlich wenden oder wenn sie für die Wahrheit einstehen, wenn sie nur nach dem Gewissen reden und sagen sollen, was recht und nicht recht ist, dann stammeln sie und bringen's nicht heraus; oder sie bringen's verkehrt heraus und sind im Nu unter den Tisch geschwatzt.
Statt dessen nun soll man „fertig“ reden lernen; fertig: indem man's versteht, das vorzubringen, was recht ist, was andern frommt und zum Guten dient; wenn man dabei auch immer wieder neue Gedanken hat und die Worte dazu bekommt, daß man vor allem stets Antwort weiß und nicht stecken bleibt. Solches muß gegeben werden; und dazu ist uns der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, verheißen.
Was aber gegeben werden soll, muß auch erbeten sein. Man soll darum lernen, mit dem Aufblick zum HErrn zu reden, wenn man sich verantworten oder wenn man einem überklugen standhalten oder überhaupt mit andern verkehren soll. Wie „ fertig “ könnten wir so doch werden zu Trost, Erbauung, Rat, Belehrung, Warnung, auch Bestrafung. Und wie würde doch alles auch uns wieder zur Bewahrung dienen, wenn wir uns mehr in die Gegenwart des HErrn stellen würden!
Aber auch „reinlich“ soll die Rede werden: wenn keine Bitterkeit, keine widrige Stimmung, keine Lieblosigkeit, keine Schroffheit, nichts Herbes, nichts Abstoßendes in dem liegt, was man sagt. Die erfahrene Liebe Christi sollte ja unsre Rede reinlich machen können, wenn wir darauf achten würden! Und wie wichtig wäre doch das! Mancher ist wohl „fertig“ und weiß nach rechts und links hinauszugeben, daß er das Feld behauptet - aber er verwundet, verletzt, betrübt, beleidigt, ärgert, tötet wohl gar mit seiner „fertigen“ Rede. Das aber, ach, wie mißlich ist das!
Also fertig und reinlich reden, gewandt und weislich, mild und sanft, erbaulich, wohltuend, rein von aller Falschheit und aller Lieblosigkeit reden - das soll der „Stammelnden Zunge“ lernen. Wir können's als Jünger Jesu bei gutem Stand unsres Herzens, wenn wir wollen, durch den Heiligen Geist! (Christoph Blumhardt)
32:5 Es wird nicht mehr ein Narr Fürst heißen noch ein Geiziger Herr genannt werden.
32:6 Denn ein Narr redet von Narrheit, und sein Herz geht mit Unglück um, daß er Heuchelei anrichte und predige vom HERRN Irrsal, damit er die hungrigen Seelen aushungere und den Durstigen das Trinken wehre.
32:7 Und des Geizigen Regieren ist eitel Schaden; denn er erfindet Tücke, zu verderben die Elenden mit falschen Worten, wenn er des Armen Recht reden soll.
32:8 Aber die Fürsten werden fürstliche Gedanken haben und darüber halten.
32:9 Stehet auf, ihr stolzen Frauen, höret meine Stimme! ihr Töchter, die ihr so sicher seid, nehmt zu Ohren meine Rede!
32:10 Es ist um Jahr und Tag zu tun, so werdet ihr Sicheren zittern; denn es wird keine Weinernte, so wird auch kein Lesen werden.
32:11 Erschreckt, ihr stolzen Frauen, zittert, ihr Sicheren! es ist vorhanden Ausziehen, Blößen und Gürten um die Lenden.
32:12 Man wird klagen um die Äcker, ja um die lieblichen Äcker, um die fruchtbaren Weinstöcke.
32:13 Denn es werden auf dem Acker meines Volkes Dornen und Hecken wachsen, dazu über allen Häusern der Freude in der fröhlichen Stadt.
32:14 Denn die Paläste werden verlassen sein und die Stadt, die voll Getümmel war, einsam sein, daß die Türme und Festen ewige Höhlen werden und dem Wild zur Freude, den Herden zur Weide,
32:15 bis so lange, daß über uns ausgegossen wird der Geist aus der Höhe. So wird dann die Wüste zum Acker werden und der Acker wie ein Wald geachtet werden.
32:16 Und das Recht wird in der Wüste wohnen und Gerechtigkeit auf dem Acker hausen,
32:17 und der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und der Gerechtigkeit Nutzen wird ewige Stille und Sicherheit sein,
32:18 daß mein Volk in Häusern des Friedens wohnen wird, in sicheren Wohnungen und in stolzer Ruhe.
Friede und Ruhe sind nicht der Unwiedergebornen Eigentum, sie sind das besondere Erbteil der Kinder Gottes, ihr ausschließlicher Besitz. Der Herr des Friedens gibt vollkommenen Frieden denen, deren Herzen sich auf Ihn verlassen. Als der Mensch noch im Stande der Unschuld lebte, gab ihm sein Gott die blumigen Auen des Gartens Eden zur Wohnung des Friedens; ach, wie bald hat die Sünde den schönen Wonneaufenthalt zerstört! Am Tage jenes großen Gerichts, da die Sündflut ein ganzes sündiges Geschlecht hinwegraffte, war die auserwählte Familie völlig geborgen in der sichern Wohnung der Arche, welche sie von der alten, verurteilten Welt zur neuen Erde des Regenbogens und Friedensbundes hinübertrug, zum Vorbild des Heils in Jesu, unsrer Rettungsarche. Israel wohnte im Frieden unter den blutbesprengten Wohnungen Ägyptens, als der Engel der Verwüstung alle Erstgeburt schlug; und in der Wüste gewährte der Schatten der Wolkensäule und der wasserspendende Fels den müden Pilgern köstliche Ruhe. Zu dieser Stunde ruhen wir in den Verheißungen unsres treuen Bundesgottes und wissen, daß sein Wort treu und wahrhaftig ist; wir ruhen im Schatten der Lehre seines Wortes, das uns tröstet; wir ruhen in dem Bund seiner Gnade, welcher uns zum Port der Wonne geschenkt ist. Wir sind herrlicher bewahrt als David in der Höhle Adullam, oder Jonas unter seinem Kürbis, denn niemand kann unsre Ruhestätte stören oder vernichten. Die Person Jesu ist der sichere Ruheort seines Volkes, und wenn wir zu Ihm nahen im Brotbrechen, im Hören seines Wortes, in Betrachtung seiner Heiligen Schrift, im Gebet oder im Lobgesang, so erfahren wir, daß wir in jeder Weise, in welcher wir Ihm nahen, den Frieden unsrer Seele wieder finden. (Charles Haddon Spurgeon)
32:19 Aber Hagel wird sein den Wald hinab, und die Stadt danieden wird niedrig sein.
32:20 Wohl euch, die ihr säet allenthalben an den Wassern und die Füße der Ochsen und Esel frei gehen lasset!