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Hohelied, Kapitel 8

Hohelied, Kapitel 8

8:1 O, daß du mir gleich einem Bruder wärest, der meiner Mutter Brüste gesogen! Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen, und niemand dürfte mich höhnen!

8:2 Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen, da du mich lehren solltest; da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel.

8:3 Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich.

8:4 Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

8:5 Wer ist die, die heraufsteigt von der Wüste und lehnt sich auf ihren Freund? Unter dem Apfelbaum weckte ich dich; da ist dein genesen deine Mutter, da ist dein genesen, die dich geboren hat.

8:6 Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN,
Wessen Liebe kann das sein, die so stark ist wie der Überwinder aller Könige, wie der Würgengel des menschlichen Geschlechts? Klänge es nicht wie ein Spott, wenn ich den Ausdruck auf meine arme, schwache und kaum lebendige Liebe zu meinem Herrn Jesu beziehen wollte? Ich liebe ihn, und vielleicht vermöchte ich durch seine Gnade auch für ihn zu sterben; aber doch ist meine Liebe an sich selbst so schwach, daß sie kaum einen witzelnden Spott, viel weniger einen grausamen Tod zu ertragen imstande wäre. Gewiß, von meines Freundes Liebe ist hier die Rege, von der Liebe Jesu, des unvergleichlichen Liebhabers der Seelen. Seine Liebe war wahrlich stärker als der furchtbarste Tod, denn sie bestand die Trübsal des Kreuzes siegreich. Es war ein langsam martervoller Tod, aber die Liebe überdauerte die Qual; ein schmachvoller Tod, aber die Liebe überdauerte die Qual; ein schmachvoller Tod, aber die Liebe verachtete die Schande; ein Verbrecher-Tod, aber die Liebe trug die Strafe unserer Missetat; ein einsamer, hilfloser Tod, vor dem auch der himmlische Vater das Angesicht verbarg, aber die Liebe ertrug den Flucht und triumphierte über alles. Es war ein verzweiflungsvoller Kampf, aber die Liebe ertrug die Siegespalme. Wie nun, mein Herz? Regen sich nicht mächtige Gefühle in dir, wenn du solch eine himmlische Liebesmacht betrachtest? Ja, mein Herr, ich sehne mich und seufze danach, Deine Liebesflamme gleich einem Feuer in mir zu empfinden. Komm selber zu mir, und fache die Flamme meines Geistes an.
„Ach, daß ich ganz in Dank zerflösse
Von Deiner Liebe Wundergröße!“
Warum sollte ich an der Macht meines liebenden Heilandes zweifeln, der mich liebt mit seiner Liebe, stark wie der Tod? Warum nicht hoffen, auch ihm mit solcher Liebe entgegenzulodern? Er verdient es, und mich verlangt danach. Die Blutzeugen fühlten solche Liebe, und sie waren doch auch nur Fleisch und Blut wie ich. Sie trauerten über ihre Schwachheit, und mitten in Schwachheit waren sie dennoch stark. Die Gnade verlieh ihnen ihre ganze unerschütterliche Standhaftigkeit; auch mir ist gleiche Gnade zugesichert. Jesus, du Bräutigam meiner Seele, gieße solche Liebe, ja, deine Liebe über mein Herz aus, jetzt und allezeit! (Charles Haddon Spurgeon)


Die Liebe erleuchtet das Herz; die Liebe zeigt Gott. Eine Seele, in der die Liebe wohnt, wird vom Stolze nicht aufgeblasen, vom Neide nicht aufgezehrt, vom Zorne nicht zerrissen, vom Geize nicht verblendet; immer ist sie rein und keusch, ruhig und fröhlich, friedlich, gütig und bescheiden. In wem Gottes Liebe wohnt, der denkt immer, wie er die Welt verlassen, wie er zum Himmel gelangen, wie er den wahren Frieden finden könne. Mag er gehen, mag er sitzen, mag er wirken, mag er ruhen, mag er thun was er will, sein Herz bleibt bei Gott. Schweigend gedenkt er Gottes, redend wünscht er nichts Anderes, als von Gott und Gottes Liebe zu reden.
Alle ermahnt er zur Liebe und Alle empfiehlt er die Liebe, Allen beweist er nicht blos mit Worten, sondern auch mit der That, wie süß die Liebe Gottes und wie bitter und trübe die Liebe der Welt ist. Er verlacht dieser Welt Pracht, schilt ihre Sorge, zeigt, wie thöricht es ist, auf vergängliche Dinge zu vertrauen. Er staunt über die Blindheit der Menschen, die solches lieben, er meint, daß Allen süß sein müßte, was ihm schmeckt, daß Alle sehen müßten, was er sieht. So komme denn, o selige Liebe, auch zu uns, mache unsere Sehnsucht weit, mache unser Herz breit, daß es Gott als Gast und Bewohner in sich aufnehmen kann. Amen! (Christian Wilhelm Spieker)

8:7 daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gölte es alles nichts.

8:8 Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. Was sollen wir unsrer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird?

8:9 Ist sie eine Mauer, so wollen wir ein silbernes Bollwerk darauf bauen. Ist sie eine Tür, so wollen wir sie festigen mit Zedernbohlen.

8:10 Ich bin eine Mauer und meine Brüste sind wie Türme. Da bin ich geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet.

8:11 Salomo hat einen Weinberg zu Baal-Hamon. Er gab den Weinberg den Hütern, daß ein jeglicher für seine Früchte brächte tausend Silberlinge.

8:12 Mein eigener Weinberg ist vor mir. Dir, Salomo, gebühren tausend, aber zweihundert den Hütern seiner Früchte.

8:13 Die du wohnst in den Gärten, laß mich deine Stimme hören; die Genossen merken darauf.
Mein teurer Herr Jesus denkt wohl zurück an den Garten Gethsemane, und obgleich Er denselben verlassen hat, so weilt Er dennoch in einem Garten, in dem Garten seiner Brautgemeinde; hier offenbart Er seine ganze Liebesfülle denen, die an seiner seligen Gemeinschaft festhalten. Jene liebevolle Stimme, mit welcher Er seine Freunde anredet, klingt herrlicher als die himmlischen Harfen. Es liegt eine Innigkeit lieblichen Wohllautes in derselben, welche alle irdische Musik weit hinter sich zurücklässt. Tausendmal Tausende auf Erden und zehntausendmal Zehntausende im Himmel werden von ihren seligen Tönen entzückt. Manche, die wir wohl persönlich kennen und die wahrhaft zu beneiden sind, lauschen in diesem Augenblick der geliebten Stimme. Ach, dass doch auch ich teilhätte an dieser Freude! Zwar sind ihrer etliche arm, sehr arm, andre liegen auf dem Krankenbette, und noch andre stehen den Todespforten nahe, aber, o mein Herr, ich möchte gern mit ihnen Mangel leiden, mit ihnen stöhnen und seufzen, oder mit ihnen sterben, wenn ich nur Deine Stimme hören dürfte, mein Heiland! Einst hörte ich sie oft, aber ich habe Deinen Heiligen Geist betrübt. Kehre Dich zu mir in Barmherzigkeit, und sprich wieder zu mir: „Ich bin dein Heil.“ Keine andre Stimme vermag mich zu erquicken; ich kenne Deine Stimme und kann von keiner andern mehr berückt werden; o, lass mich sie hören, ich bitte Dich. Ich weiß nicht, was Du sagen willst, noch stelle ich irgendeine Bedingung, o mein Freund und Bräutigam, lass mich nur Dich sprechen hören, und sei es auch ein Vorwurf, so will ich Dir dafür danken. Vielleicht bedarf es, um mein schwerhöriges Ohr zu heilen, einer sehr schmerzhaften Behandlung, aber koste es auch, was es wolle, so gehe ich nicht von dem einen Verlangen ab, das mich ganz verzehrt: „Mache, dass ich Deine Stimme wieder höre. Baue die Gänge meines Ohres neu, durchbohre sie mit Deinen härtesten Worten, nur gib nicht zu, dass ich fort und fort taub bleibe gegen Deine Ermahnungen und Zurufe. Ach, gewähre doch diesen Abend Deinem unwürdigen Kinde, o Herr, dies Verlangen; denn ich bin Dein und Du hast mich mit Deinem teuren Blut erkauft. Du hast mir das Auge geöffnet, Herr, tue mir nun auch das Ohr auf. (Charles Haddon Spurgeon)

8:14 Flieh, mein Freund, und sei gleich einem Reh oder jungen Hirsch auf den Würzbergen!1)

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