1. Mose, Kapitel 3
3:1 Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu dem Weibe: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von den Früchten der Bäume im Garten?
Wie klein ist der Verstand eines Menschen neben der Klugheit einer Schlange! Sie verzweifelt nicht, läuft nicht ratlos hin und her und macht keine dummen Streiche. Messen wir den Menschen nur nach den Leistungen seiner Sinne, seines Verstandes und seines Gedächtnisses, dann bleibt er weit hinter den geistigen Leistungen der Tiere zurück. Das gibt dem Tier die für uns versuchliche Macht, weil im Tier ein großer Verstand ohne Hemmung und Einschränkung im Dienst seiner Triebe steht. Wenn ich nichts anderes als Verstand wäre, warum sollte ich nicht das Tier nachahmen und dasjenige Maß von Verstand, das ich habe, so brauchen, wie das Tier den seinigen braucht, eben dazu, dass ich alles erjage, wonach mein Gelüsten verlangt? Dem lockenden Beispiel des Tieres tritt zunächst das Gebot entgegen: Du bist nicht selbst über dein Leben Herr und weißt nicht selber, was gut und böse ist; das sollst du nicht selber nach deiner Willkür festsetzen, sondern sollst hören, was für dich gut ist und was für die böse ist, was dich ins Leben führt und was dich zerstört. Das wird dir gesagt, und dadurch, dass zu dir gesprochen wird und du hörst, bist du kein Tier. Wenn aber zum Tier in mir nichts anderes kommt als das Gebot, das mir erklärt: du hast nicht zu begehren, sondern zu gehorchen, und sollst nicht wünschen, sondern empfangen, was dir gegeben wird, dann entsteht in mir noch nicht mehr als ein nicht zu schlichtender Streit. Zu meiner tierischen Klugheit muss die Torheit des Evangeliums kommen. Den muss ich kennen lernen, der das Kreuz getragen hat. Das ist das vollkommene Gegenteil zur Klugheit der Schlange. Sein Bild, das Bild des Gekreuzigten, befreit mich von der Bewunderung für den Geist des Tiers und schließt seinem Einfluss die Türe zu.
Weil Du, Herr, uns von der Schlangenklugheit befreist, öffnest Du uns das Paradies. An Deinem Kreuz erscheint uns die Weisheit, die von oben kommt. Wache über dem Getümmel meiner Gedanken und sende in mich hinein die Strahlen Deines Lichts, des richtenden, das zwischen dem, was gut und was böse ist, scheidet, des weisenden, das mir die Spur Deines Wandels zeigt. Amen. (Adolf Schlatter)
3:2 Da sprach das Weib zu der Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten;
3:3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Eßt nicht davon, rührt's auch nicht an, daß ihr nicht sterbt.
3:4 Da sprach die Schlange zum Weibe: Ihr werdet mitnichten des Todes sterben; 1)
3:5 sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon eßt, so werden eure Augen aufgetan, und werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
3:6 Und das Weib schaute an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und daß er lieblich anzusehen und ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.
Im Kampf mit manchen Sünden bleibt uns keine andere Möglichkeit des Sieges, als dass wir fliehen. Die Naturforscher des Altertums schrieben mancherlei über den Basilisken, dessen Augen seine Opfer bezauberten, und sie ihm ohne Mühe zur Beute werden ließen; so stürzt uns schon der bloße Anblick des Bösen in große Gefahr. Wer sich hüten will vor Missetaten, muss jede Gelegenheit zur Sünde meiden und fliehen. Mache einen Bund mit deinen Augen, dass du mit keinem Blicke achtest auf den Anlass zur Versuchung, denn solche Sünden bedürfen nur eines Funkens, so fangen sie an zu brennen und stehen im einem Augenblick in vollen Flammen. - Wer möchte so verwegen sein und in die Verbannungszelle eines Aussätzigen gehen und sich zum Schlaf niederlegen inmitten des furchtbaren Verderbens? Nur wer selber begehren könnte, aussätzig zu werden, würde auf solche Weise um das Gift der Ansteckung buhlen. Wenn der Seemann wüsste, wie er dem Sturm entfliehen könnte, er würde eher alles aufbieten, bevor er sich der Gefahr aussetzte, mit ihm auf den Tod kämpfen zu müssen. Ein vorsichtiger Steuermann hat kein Verlangen, zu probieren, wie oft er eine Klippe streifen könne, ohne ein Leck ins Schiff zu bekommen; er bleibt am liebsten so viel als möglich mitten im sichern Fahrwasser.
Heute bin ich vielleicht einer großen Gefahr ausgesetzt; ich will Schlangenklugheit brauchen, mich ferne davon zu halten und ihr auszuweichen. Die Flügel der Taube können mir heute nützlicher sein, als die Klauen des Löwen. Freilich kann ich vielleicht etwas dabei einbüßen, wenn ich aller bösen Gesellschaft ausweichen will; aber besser, ich verliere äußerlich manches, als dass ich die Seele aufs Spiel setze; dass ich reich werde, ist nicht notwendig; aber dass ich rein sein soll ist mir befohlen. Keine Bande der Freundschaft, keine Fesseln der Schönheit, kein blendendes Talent, keine Gefahr, lächerlich zu erscheinen, sollen mich von dem weisen Entschluss abbringen, vor der Sünde zu fliehen. Dem Teufel muss ich widerstehen, so flieht er vor mir, aber die Lust des Fleisches muss ich fliehen, sonst überlistet sie mich.
O, Du Gott der Heiligkeit, bewahre uns, damit niemand uns mit seiner schändlichen Zudringlichkeit umstricke. Mögen nie die furchtbaren verbündeten Mächte: Welt, Fleisch und Satan uns überwinden! (Charles Haddon Spurgeon)
3:7 Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schürze.
3:8 Und sie hörten die Stimme Gottes des HERRN, der im Garten ging, da der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seinem Weibe vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter die Bäume im Garten.
Meine Seele, da jetzt der Tag kühl geworden ist, so komm ein wenig in die Stille, und höre auf die Stimme deines Gottes. Er ist immer bereit, mit dir zu reden, wenn du bereit bist, auf Ihn zu hören. Wenn in deinem Umgang mit Ihm irgend eine Stockung eintritt, so liegt der Fehler nicht an Ihm, sondern ganz und gar nur an dir, denn Er steht vor der Tür und klopft an, und wenn die Seinen Ihm nur auftun wollen, so geht Er mit Freuden zu ihnen ein. Aber in was für einem Zustande befindet sich mein Herz, der Garten meines Herrn? Darf ich auch hoffen, daß er wohl gepflegt und begossen ist und Frucht bringt, wie es Ihm gefällt? Wenn nicht, dann hat Er viel zu tadeln; aber dennoch bitte ich Ihn, zu mir zu kommen, denn nichts bringt so sicher mein Herz in einen guten Zustand, als die Gegenwart der Sonne der Gerechtigkeit, die auf ihren Strahlen das Heil bringt. Darum komm, o Herr, mein Gott, meine Seele ladet Dich herzlich ein und harrt sehnsüchtig auf Dich. Komm zu mir, o Jesu, mein Vielgeliebter, und pflanze frische Blumen in meinen Garten, wie ich sie in größter Vollkommenheit blühen sehe in Deinem unvergleichlichen Gemüt! Komm, o mein Vater, der Du der rechte Gärtner bist, und tue mit mir nach Deiner Liebe und Weisheit! Komm, o Heiliger Geist, und besprenge mit Deinem Tau mein ganzes Wesen, gleichwie jetzt die Kräuter befeuchtet werden von Abendtau. O, daß Gott mit mir redete! Rede, Herr, denn Dein Knecht hört! Ach, daß Er doch mit mir wandelte; ich bin bereit, Ihm mein ganzes Herz und Gemüt hinzugeben, und jeder fremde Gedanke ist verbannt. Ich frage nur nach dem, was Er mir gern gibt. Ich weiß gewiß, daß Er sich zu mir herabläßt, und mir seinen Heiligen Geist schenkt zum ewigen Eigentum. Wie lieblich ist die Kühlung der Abenddämmerung, wenn jeder Stern wie ein Auge vom Himmel herniederblickt, und die kühlen Lüfte wie der Odem der himmlischen Liebe fächeln. Mein Vater, mein erstgeborener Bruder, mein sanfter Tröster, redet mit mir in Freundlichkeit und Liebe, denn Du, dreieiniger Gott, hast mir das Ohr geöffnet, und ich widerstrebe nicht; Du hast mich gerufen, und ich eile in Deine selige Nähe. (Charles Haddon Spurgeon)
3:9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du?
3:10 Und er sprach: Ich hörte deine Stimme im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
3:11 Und er sprach: Wer hat dir's gesagt, daß du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?
3:12 Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellt hast, gab mir von von dem Baum, und ich aß.
3:13 Da sprach Gott der HERR zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, daß ich aß.
3:14 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang.
3:15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.
2)
Advent ist die Zeit der Verheißungen auf Christum. Die Reihe der Verheißungen eröffnet die Weissagung vom Weibessamen und Schlangentreter, an Eva gegeben nach dem Falle im Paradiese. Sie wird von der Kirche das Urevangelium genannt, und sie ist es, ist der Inbegriff des ganzen Evangeliums. Jesu Geburt, Jesu Tod, Jesu Kampf und Sieg, Jesu Herrschaft und Herrlichkeit, und daß Er dem Satan die Macht genommen hat, daß im Fluche der Segen liegt, d es Feindes Fall unser Auferstehen, des Feindes Not unser Brot, des Feindes Tod unser Leben ist: das Alles liegt in diesen verheißungsvollen Worten ausgesprochen. Dieses Wort mußte schon bei unsern Stammeltern mächtig alle Tränen trocknen, und ihren Lebenshimmel in die Farbe der Morgenröte kleiden und Tag und Nacht wie Geläut einer hellen, fröhlichen Adventsglocke über ihrem Haupte tönen. Dieses Wort mußte ihnen werden zum Stern in ihren Nächten, und zum offnen Brünnlein, daraus sie mitten auf dem fluchbeladenen Distelfelde Mut und Friede tranken. Dieses Rettung verheißende Wort hob sie wie auf Engelsflügeln über alles Drückende und Beschwerliche ihrer Lage hinweg und machte ihr Herz wieder frei und froh zu Dem, von dem sie so schnöde sich losgerissen. - O so lobe denn auch meine Seele den Herrn, und vergiß nicht, was Er dir Gutes getan hat! Was ist's nun doch, daß ich mit Adam von meiner Höhe sank, da sich ein solches Erbarmen meiner angenommen! Auf einem solchen Dornenacker läßt sich wohl noch leben, wo eine solche Gottesliebe ihre Arme nach mir ausstreckt. In einem solchen Tränenthale ist es noch wohl auszuhalten, auf dessen Trübsalswegen mir eine solche Huld begegnet. Wie trüb und dunkel es denn auch um mich aussieht: es strahlt doch das Versöhnungskreuz in diesen Wolken! Eine ewige Zuflucht sehe ich doch geöffnet; es wandelt durch das Nachtstück meines Lebens ein Sünderheiland; und an den Säulen dieser Erde steht ein großer Name: „Immanuel!“ Den Namen lesen, und niedersinken, und frohlocken, und das Paradies nicht mehr vermissen, das kann nur Eins sein. Und ist der Lebensadvent schon durch Seine Gnade schön: wie viel schöner wird erst der ewige Christtag sein! Hosianna dem Sohne Davids! Komm, Herr Jesu! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Dies ist die erste Verheißung, die dem gefallenen Menschen gegeben wird. Sie enthält das ganze Evangelium und den Kern des Gnadenbundes. Zum großen Teil ist sie bereits erfüllt worden. Der Same des Weibes, unser Herr Jesus, ward in die Ferse gestochen, und ein schrecklicher Stich war es. Wie schrecklich wird das schließliche Zertreten des Schlangenkopfes sein! Der Wirkung nach geschah es schon, als Jesus die Sünde hinwegnahm, den Tod überwand und die Macht des Satans brach, aber es wird noch völliger geschehen bei der zweiten Zukunft unsres Herrn und am Tage des Gerichts. Für uns steht die Verheißung als eine Weissagung da, daß wir durch die Mächte des Bösen in unsrer niederen Natur leiden und so in die Ferse gestochen werden sollen: aber wir werden triumphieren in Christo, der seinen Fuß auf den Kopf der alten Schlange setzt. Dies Jahr hindurch mögen wir den ersten Teil dieser Verheißung in unsrer Erfahrung zu lernen haben durch die Versuchungen des Teufels und die Unfreundlichkeit der Gottlosen, die sein Same sind. Sie mögen uns so stechen, dass wir mit unsrer verwundeten Ferse hinken; aber lasst uns den zweiten Teil des Spruches ergreifen, dann werden wir unverzagt sein. Durch den Glauben wollen wir uns freuen, dass wir dennoch in Christo Jesu, dem Weibessamen, herrschen sollen. (Charles Haddon Spurgeon)
3:16 Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein, und er soll dein Herr sein.
3:17 Und zu Adam sprach er: Dieweil du hast gehorcht der Stimme deines Weibes und hast gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen, verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang.
3:18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen.
3:19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
3:20 Und Adam hieß sein Weib Eva, darum daß sie eine Mutter ist aller Lebendigen.
3:21 Und Gott der HERR machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen und kleidete sie.
3:22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, Adam ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, daß er nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich!
3:23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, daß er das Feld baute, davon er genommen ist,
3:24 und trieb Adam aus und lagerte vor den Garten Eden die Cherubim mit dem bloßen, hauenden Schwert, zu bewahren den Weg zu dem Baum des Lebens.
Dies Kapitel ist eine Historie, wie der Mensch durch den Teufel von Gottes Wort abgeführet worden und durch den Ungehorsam in die Sünde und Strafe Gottes gefallen sey, und dienet zur Warnung, daß wir lernen fest an Gottes Wort halten und uns vor der Sünde hüten, welche vom Teufel ihren Anfang hat und den Tod sammt allem andern Jammer über die Menschen gebracht hat.
Dagegen soll man aber auch den Trost merken, welchen hier Gott dem Adam und der Eva gibt, daß nämlich des Weibes Same, Christus, der Schlange den Kopf zertreten, das ist dem Teufel seine Macht nehmen und durch Sein Leiden uns aus Tod und Sünde zur Gerechtigkeit und zum ewigen Leben helfen solle.
Solchen Trost sollen wir fest behalten und uns das Fersenstechen des Teufels, das ist allerlei Widerwärtigkeit dieses Lebens nicht ärgern lassen; denn im Paradies hat es angefangen und muß für und für also gehen. Der Teufel gönnet uns die Seligkeit nicht; wiederum will Gott uns in Sünden nicht verderben lassen und schaffet uns Hilfe durch Seinen Sohn, der für uns am Kreuz stirbt und bezahlet. Solchen Trost und solche Hilfe sollen wir mehr achten, denn des Teufels Fluch und Feindschaft.
Gott gebe, daß - wie wir in Adam alle des Todes schuldig worden sind, also auch in Christo alle hier im Reich der Gnaden und dort im Reich der Herrlichkeit leben mögen. (Veit Dieterich)