Zeller, Johannes - Das Verhalten im Leiden

Zeller, Johannes - Das Verhalten im Leiden

Text: Hebr. 12,11-14.
Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünkt uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber danach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind. Darum richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Knie und tut gewisse Tritte mit euren Füßen, dass nicht Jemand strauchele wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. Jaget nach dem Frieden gegen Jedermann und der Heiligung, ohne welche wird Niemand den Herrn sehen.

Dieselben Bibelworte lege ich der heutigen Betrachtung zum Grunde, wie vor acht Tagen. Ihr erinnert euch wohl noch, dass ich damals schon darauf hinwies, diese Stelle werde uns mehrmals beschäftigen. Um aber nun beides euch doch in seiner Zusammengehörigkeit klarzumachen, wollen wir noch einen Rückblick auf unsere letzte Predigt tun und von da aus den Übergang zur heutigen suchen. Von Leiden redeten wir und zeigten, wie verschieden dieselben angesehen und getragen werden, wie es aber wahrlich nicht gleichgültig ist für den Menschen, ob er die Leiden so oder anders ansehe und trage; denn aus der einen Art kommt Fluch und Unsegen, aus der andern beseligende Frucht und Segen. Wer nur einen Zufall oder eine Führung des blinden Schicksals in dem, was ihm begegnet, sieht und darin nicht die Hand des vorsehenden Gottes, ohne dessen Wissen und Willen kein Sperling vom Dach fällt, erkennt, der ist ohne Trost und Kraft und darum in Gefahr, in der schrecklichen Gefahr, bei gar schwerem Leiden zu verzagen und zu verzweifeln. Daher die vielen Geisteszerrüttungen oder die Versuche zu Selbstmorden! - oder bei geringeren Leiden entsteht geheimeres, innerlicher bleibendes Murren und Anklagen Gottes und immer mehr überhandnehmende Zerstreuungslust, Leichtsinn, Sündenliebe, nur um den Schmerz zu vergessen. Die Seele des auf solche Weise Leidenden wird gottlos, und ihr Ende ist ewiges Verderben. Aber auch diejenigen, welche zwar fern von diesem leugnenden Unglauben an Gott, aber ohne Vertrauen zu ihm, also ebenfalls in einen Unglauben, in einen zwar nicht Gott, aber seine Gnade leugnenden Unglauben, versunken sind und wähnen, Gott strafe sie mit ihren Krankheiten und Trübsalen, nicht damit sie Buße tun und leben, sondern damit sie vernichtet werden, haben ja keinen Trost, sondern machen sich in ihrer Selbstqual noch größere Schmerzen, als ihnen der Herr selbst auflegt. Auch sie enden beim immer tieferen Abfall von Gott, und darum bei der Unseligkeit, sei es, dass sie wirklich verzagen, oder in Empfindungslosigkeit dem Einfluss der göttlichen Kraft absterben. Aber auch die große. Zahl der Leidenden, die, wohl unterschieden von beiden frühern Arten, sich so im Allgemeinen damit zu trösten suchen, dass Gott dies Leiden über sie gebracht habe, und Er auch einen Ausweg finden werde, die aber im Grunde ihres Herzens bestimmt darauf rechnen, dass ihnen ihre Leiden, sie mögen leiden, wie und weswegen es immer sein mag, im Himmel vielfältig vergolten werden, und die in ihrem Leidensstolz nicht glauben, einer tiefen, wahrhaften Herzensbuße und eines kindlichen Glaubens an Jesum, den Gekreuzigten, zu bedürfen - auch diese bestehen nicht, wenn die Prüfung schwer wird, und können dem Gott, der den Sünder aus Gnaden, und nicht wegen des Verdienstes seiner Werke und seines Leidens, annimmt, nicht lieb sein, denn sie sind keine Gnade suchende, erlösungsbedürftige Herzen. Mit Freuden wandten wir uns sodann zu denen, welche die Leiden christlich betrachten und tragen, und wie wir uns gerne beim Besuch von den Unglücklichen, bei denen nur Elend am Leib und äußern Leben, wie an der Seele zu sehen ist, wegwenden und auf die hinblicken, in denen auch bei krankem Leib, oder unglücklicher Lebenslage eine gesunde Seele ist, die Gott liebt, so auch in der Betrachtung jetzt. Wir fanden damals, dass der wahrhaft christlich Leidende wohl seine Schmerzen fühlt, dieselben aber als von Gott, dem gütigen Vater, kommend trägt, im Aufblick auf den für uns Gekreuzigten Trost sucht und findet, da er weiß, dass die Leiden eine wohlgemeinte Züchtigung von Gott sind, durch die Gott der Herr sie aufmerksam machen will auf alles, wo sie von seinen Gesetzen abgewichen sind; durch die Gott bei ihnen anklopft, sie läutert, reinigt, damit sie Frucht der Gerechtigkeit bringen. Darum ist der Leidende ein Heiliger, d. h. vom Herrn heimgesuchter Mensch, - der Herr sucht ihn, ist ihm besonders nahe. Darum aber sündigt der ohne Buße Leidende gegen Gott; der aber, der die Züchtigung kennt, sich darunter beugt, vor Allem Befreiung von der Seelenkrankheit, die wir alle haben, Vergebung der Sünde sucht, der trägt die verheißene Frucht davon, erhöhten Glauben an Gott, Liebe, Dank gegen ihn - und daraus Friede.

Weil wir aber davon nun zur klaren Überzeugung gekommen sind, dass die Leiden Züchtigung von Gott sind, die uns zum Segen dienen können, so müssen wir nun von da aus weiter gehen und das nach Anleitung des Textes näher betrachten, wie der Leidende, der christlich Leidende sich verhalten muss, um zu diesem Segen zu kommen - also: das, was der Leidende tun soll - und da sehen wir uns vom Apostel ermahnt

  1. zum Aufstehen aus der Trauer,
  2. zum sicheren, richtigen, d. h. entschiedenen, Wandel mit Gott,
  3. zum Friedenhalten mit den Menschen und
  4. zum Streben in der Heiligung.

Gott der Weisheit und der Kraft, erleuchte uns heute mit deinem Geist. O du weißt es, wie wir alle, und besonders viele von denen, die hier krank liegen, der ernsten Mahnung und Belehrung durch das Wort Gottes bedürfen, und sich nicht gewohnt sind, an dich, du lebendiger, allgegenwärtiger Gott, zu denken, dich nicht lieben - gib die Gnade, dass sie heute deine Stimme in ihrem Herzen vernehmen; wie einige unter uns wohl zu schwach und leiblich zu erschöpft sind, um ganz zuzuhören - lass doch einige Tropfen der Tröstungen und der Ermahnungen auch ihnen zukommen; und uns Gesunden gib den Segen und deine Kraft, damit wir gerüstet seien, wenn Du uns heimsuchst und Tage der Trübsal über uns senden wirst.

Amen.

I.

Es ist vielleicht auffallend, wenn an Leidende große Forderungen der Sittlichkeit und Religion gemacht werden, denn die einen möchten mir wohl erwidern: was tut denn der Leidende, besonders der Kranke, der an sein Bett, an das Zimmer gefesselt ist, Böses? was kann er da Böses tun? Alle Ermahnungen, Warnungen von der Art sind daher nicht zur rechten Zeit ihm gegeben. Dem, der so reden kann, kann nur geantwortet werden, dass er wahrlich den Menschen noch nicht kenne, wie er ist, denn das Böse, das in unserem Herzen wurzelt, wird nicht mit dem Eintritt ins Krankenhaus abgelegt - auch hier kann der Mensch die Sünde immer lieber bekommen und das Gute, was er auch hier tun kann, unterlassen. Andere möchten noch wohl fragen, und zwar verständiger, mit richtiger scheinendem Sinn: ob denn gerade der Leidende, der Kranke noch Kraft dazu habe, den Forderungen Gottes Genüge zu leisten, seine Gebote zu erfüllen? - O ja, Gott ist im Schwachen stark, muss ich antworten, und Er verlangt vom Leidenden und Unglücklichen nur, was gerade diesem möglich ist und ihm zu tun not ist. Es ist nicht selten der Fall, dass der Mensch durch Leiden in der Treue gegen Gott gelähmt, im Wachen auf seine Gebote matter wird, statt dass gerade die Leiden uns sollten inniger und näher zu Gott führen; - darum ist gewiss die Ermahnung den Leidenden nötig, und nicht überflüssig, vergeblich ist sie, wenn der Leidende auf die Worte Gottes hört, wozu ihm der Herr Kraft gibt, sobald er sie haben will, damit er auch dann die Kraft von Gott suchen und erhalten kann, mit der er Gottes Forderungen genügen kann. Darum, sagt der Apostel in unserem Text, darum, weil euch der Herr nicht von Herzen betrübt, sondern wohlwollend züchtigt, damit ihr ewige Frucht davon tragt, so strengt eure lässigen Hände und die müden Knie wieder an. Er redet bildlich und vergleicht den Leidenden mit einem ermatteten Arbeiter, dessen Hände es fast nicht mehr vermögen, sich zu regen, und mit einem müden Wanderer, dessen Knie einsinken. Ja damit ist der Unglückliche wohl zu vergleichen, denn nur eine schlaflos durchwachte Nacht nimmt seinem Geist die Kraft und Freudigkeit; auch nur eine kurze Zeit Leiden nimmt dem betenden Kranken den Mut dazu, es weiter zu tun. Wehmut und Seufzen ist in ihm und um ihn herum; er ist müde, Gott zu lieben und die Menschen zu lieben - die Liebe, die einst da war, will erkalten - o Geliebte, wir reden von christlich Leidenden, zu solchen redet der Apostel, nicht zu den auf heidnische Weise das Unglück Tragenden! Er hat zunächst diejenigen im Auge, die um ihres Glaubens an Jesum willen verfolgt wurden und bis aufs Blut leiden mussten; aber weil auch alle Leiden von Gott über uns verhängt werden, wie jene, so ruft er uns dringend zu: strengt eure lässigen Hände und die müden Knie wieder an, denn Gott hat euch nicht verlassen, Gott ist bei euch, er prüft euch nur, will euch läutern durch Leiden: darum wenn euch die Herzenshärtigkeit und die Ungerechtigkeit der Menschen in der Liebe fast wankend macht, so richtet euch auf und erfrischt die Liebe im Anschauen dessen, der ein beständiges Widersprechen von den Sündern erfahren musste.

Will euch der Trübsinn des Herzens von Gott wegführen, so denkt an die Jünger, wie sie im Garten Gethsemane vor Traurigkeit schliefen und dadurch ihrem Meister gar wehe taten und in Versuchung fielen. Auch dem Schwächsten ruft der Herr, der die Mühseligen und Beladenen zu sich einlädt, zu: wacht und haltet an im Gebet! Er muss also wachen und anhalten können im treuen, gottvertrauenden Gebet. Als Abraham die Erfüllung der ihm mehr als 20 Jahre vorher gegebenen Verheißung, dass er, der Kinderlose, einen Sohn erhalten soll, nicht mehr geduldig erwarten konnte, da fiel er nieder und betete: Herr, Herr, was willst du mir geben? Da stärkte ihn der Herr. Jakob, der Patriarch, der im Glauben an Gott wandelte, wurde mutlos und ließ seine Hände sinken, als er vernahm, dass Joseph, sein geliebter Sohn, von einem Tier zerrissen sei: Ich werde mit Leid hinunterfahren in die Grube, zu meinem Sohn! sprach er. Also für dieses Leben hoffte er nicht mehr auf Trost; aber er raffte sich wieder auf, damit ihn der Kummer nicht zernagte, legte sein Herz mit all' seinen Wünschen und Schmerzen vertrauend in Gottes Hand und ward so noch vor seinem Tod köstlich getröstet. Hiob, über den Leiden ohne Zahl kamen, und der oft, ach sehr oft zu sterben wünschte und viel klagte und die Führungen Gottes meisterte, er beugte sich endlich, als Gott erschien, bekannte sich schuldig und tat nun Buße - da wandte sich der Herr willig zu ihm und segnete ihn wieder. Auch David, der Dulder, vermochte oft die Last, die ihm aufgelegt war, nicht mehr zu tragen, und seufzte oft: Herr, hilf mir, ach wie so lange! und rief: Hüter, ist die Nacht schier hin? - und wenn er kraftlos war und nur noch seufzte, so stärkte Gott ihn, so dass ihn seine müden Knie wieder trugen, und er den Weg des Kreuzes und des Glaubens weiter wandeln konnte. Selbst der starke Mann in Gott, Elias, ermattete einst und rief unter dem Wachholder und bat, dass seine Seele stürbe, und sprach: es ist genug, so nimm, Herr, nun meine Seele: ich bin nicht besser, denn meine Väter. Aber der Engel des Herrn rührte ihn an, stärkte ihn, so dass er nun durch die Wüste hindurch gehen konnte, um auf dem Horeb das stille, sanfte Sausen, den liebenden Gott zu finden und zu fühlen. Geliebte! Genug der Beispiele, aber in allen ist Trost und Ermunterung für euch, die müden Knie, die müde Seele von neuem zu erheben, alle Kraft anzustrengen, an Gott, dem treuen Gott festzuhalten, - er stärkt Jeden zu seiner Zeit, gerade, wie er es bedarf; der Verzagte aber reißt sich von ihm los, und das ist Verderben.

II.

Aber wenn ihr wieder steht, ihr Leidenden, wenn ihr wieder Mut und Gottvertrauen habt, dann tut richtige Tritte mit euren Füßen, dass nicht das Hinkende ausgleite, sondern vielmehr gesund werde. Wieder bildlich, aber es kann uns bald klar werden. Hinken heißt in der Bibelsprache gar bezeichnend: bald der Welt, bald Gott, heute der Sünde und morgen den heiligen Geboten untertan sein; keinem von den beiden Herrn ganz dienen, von keinem sich ganz trennen können, sondern beide in unseliger Vermischung festhalten. Und nun wahrlich, das findet sich auch bei Leidenden und Unglücklichen, denn wäre ihre Seele frei von Selbst, Welt und Sündenliebe, so würden sie nicht so viel jammern und weinen, und stiller tragen. Nun das will uns der Apostel lehren, teure Zuhörer; wenn wir die Züchtigung von Gott erfahren und spüren, wenn wir uns von neuem ermannt und im Vertrauen zu Gott durch Christum gestärkt haben, dann nun die Zeit der Erquickung zu benutzen und an dem großen Werk zu arbeiten, unsere Seele zu erforschen, wo wir noch die Welt und Sünde und uns lieben, und hier freudig alles hinzugeben, was wir haben, um den verborgenen Schatz im Acker, um die köstliche Perle ganz zu gewinnen, und, sollte es sein, auch das Allerliebste, wie der Herr sich ausdrückt, die rechte Hand, abzuschneiden, um nicht mit beiden Händen, d. h. mit der vollen Lust an den Gütern dieser Erde, einzugehen in die Hölle, und lieber nur mit Einer Hand, d. h. mit Verleugnung der Welt, ins Himmelreich einzugehen. Entschiedenheit verlangt der Apostel von uns zu unserem Heil, völlige Ergebung an Gott und Liebe zu Ihm von ganzem Herzen, das Streben, alle seine Gebote zu halten, keinem auszuweichen; und dies fordert er zu unserem Heil, denn wer hinkt, tut keine sicheren Tritte und wird gleiten, wer aber entschieden und unbedingt sich dem Herrn Himmels und der Erde weiht, der wandert sicher und wird gesund an der Seele, denn Gott ist ihm nahe, und bei Ihm allein ist die Gesundheit der an der Sünde und Selbstsucht kranken Seele zu suchen; nur wer ganz nach Gottes Geboten lebte, kann Gott von Angesicht sehen und dann mit Jakob rufen: meine Seele ist genesen! Aber diese feste, zuversichtliche Nachfolge Jesu kann nur auf dem Grund der tiefsten Selbstverleugnung beruhen, und weil diese uns Menschen allen, auch dem Leidenden, das Schwerste ist, so führt uns der Apostel noch zweierlei Besonderes an, wobei gerade jene Verleugnung unumgänglich nötig ist. Friede mit Jedermann und Heiligung, ohne welche Niemand Gott schauen kann.

III.

Es ist ein großes Gebot, das hier gerade den Leidenden gegeben ist, Frieden halten gegen Jedermann, und man trifft es nicht selten anders an bei denselben. Schon das Leiden gibt ihnen oft eine Gereiztheit und einen Überdruss gegen die sie Umgebenden, dass schon daraus viel Zwiespalt und Streit entsteht; aber gegen alle, welche sie je früher beleidigt oder in Schaden gebracht haben, bleiben sie unversöhnt. Es ist ein betrübender Anblick um den, welchen Gott mit mächtiger Hand gezüchtigt hat, damit er Buße tue und beten lerne: vergib mir meine Schulden, - und der dann das: „wie auch ich vergebe meinen Schuldnern“ nicht hinzu fügen will, darum also auch jenes nicht recht hat beten lernen, wenigstens gewiss, wie Gott bestimmt lehrt, ohne Erhörung es beten wird. Wer war leidender als unser Herr Jesus, auf Erden, und doch in dem Augenblick, als er ans Kreuz geschlagen wurde, und die, welche diese Tat ausübten, rings um ihn auf die roheste Art spotteten und ihn höhnten, da vermochte Er es zu beten für sie: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Wahrlich, ein solches Herz, das Demut und Selbstverleugnung kennt, kann friedlich sein gegen Alle; Er, der uns hierin voran ging, kann diesen Friedenssinn und Versöhnungssinn auch den Seinigen geben, wenn sie ihn darum bitten. Als ein herrliches Beispiel davon steht Stephanus da, der während der schmerzlichen Steinigung, als er schon den Tod sich nahen fühlte und „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ gerufen hatte, noch niederkniete und laut schrie: Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht! Dieser Leidende war also friedliebend und versöhnt gegen Menschen, die ihm auf die ungerechteste und boshafteste Weise das Leben nahmen. Haltet Frieden gegen Jedermann, ruft uns der Apostel zu, uns allen, und wahrlich, wir müssen wohl dafür sorgen, sein Gebot auch da zu halten, wo die Schuld des Unfriedens auf unserer Seite ist. Nun denn, Geliebte! Steht auf, erhebt euch aus eurer Traurigkeit, wandelt entschieden, nur mit Gott, als eurem einzigen Herrn, und haltet Frieden mit Jedermann - und noch ein Großes, Wichtiges will der Herr von den Leidenden, dass sie nach der Heiligung streben!

IV.

Heiligung! - ohne Sündenliebe soll der Christ sein, da er teuer erkauft ist durch das Blut des heiligen, unbefleckten Lammes Gottes, das seine Sünde trug. Täuscht euch hierin nicht, Geliebte, als ob schon das Leiden, weil es uns während der traurigen Zeit, während des Schmerzes die Nichtigkeit und Erbärmlichkeit aller Sinnengenüsse zeigt, weil es uns vor der Sünde, die wir liebten, jetzt um der Unruhe und der Angst willen, die daraus entstehen, und die ihr jetzt in den trostlosen Stunden wohl fühlt, Ekel gibt, als ob schon das Leiden selbst uns heiligte und reinigte: o nein, die Erfahrung zeigt, dass, wenn die Leiden vorbei und vergessen sind, dieselben Sünden wie früher doch wieder uns lieb sind, und so unglaublich es uns jetzt in der dunklen Zeit scheint, wir sie in heiteren Tagen doch wieder ausüben. - Aber dazu sind uns die Leidenszeiten gegeben, damit wir nach der Heiligung streben, d. h., dass wir uns in den Stunden der Not recht zu Herzen fassen, wie strafbar es ist, Gott zu vergessen und die Sünde zu lieben, und es wird uns ja dann leichter, weil wir wohl fühlen, wie sie nicht trösten, nicht stärken kann in der Zeit der Trübsal, da sie nicht aus Gott ist; aber wenn wir das erkannt haben, müssen wir Gott Alles treu bekennen und Ihn um die Kraft seines heiligen Geistes bitten; gegen jede Leidenschaft, die wir in uns haben, lange, innig dafür beten, und wahrlich, wir haben die Verheißung: So wir unsere Sünden bekennen, so ist der Herr treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns von aller Untugend reinigt. Ohne Gebet, ohne Gottes Kraft, ohne den heiligen Geist vermögen wir uns nicht zu heiligen: und heiligen, reinigen von Sünde müssen wir uns. Vernehmt noch das letzte wichtige Wort, alle ihr Geliebten, welches der Text uns sagt: - wenn wir Gott schauen, zu Gott kommen wollen; denn ohne Heiligung wird Niemand Gott schauen, heißt es noch. Nicht wahr, ihr wollt ja alle zu Gott kommen, weil bei ihm allein Friede und Seligkeit ist. Ihr sehnt euch ja, und wohl einige unter euch, die sehr, sehr leiden und die Nichtigkeit der menschlichen Kraft, das Ungenügende der Erdengüter tief empfinden, sehnen sich ja innig und mit Tränen nach Erlösung aus den Schmerzen und hoffen, bald abscheiden zu können und bei Gott zu sein. Aber vergesst das große Wort nicht: ohne Heiligung kann Niemand Gott sehen. Nur die durch den Glauben an den Gekreuzigten gerechtfertigte, durch die Heiligungskraft, die in diesem Glauben ist, gereinigte Seele, nur die Seele, in der das Ebenbild Gottes ist, wird Gott schauen. Es ist jenseits nicht anders als hier schon. Wer hier Gott nicht kennt, nicht liebt, liebt, schaut ihn auch dort nicht.

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