Thomas von Kempen - Buch 2 - Kapitel 8

Thomas von Kempen - Buch 2 - Kapitel 8

Von dem vertraulichen Umgange mit Jesu.

Wenn Jesus da ist, ist Alles gut, und nichts scheint schwer; wenn er dagegen nicht da ist, ist Alles hart.

Wenn Jesus nicht im Innern spricht, so ist der Trost gering; spricht aber Jesus nur ein Wort, so hat man Trost in Fülle.

Stand nicht Maria Magdalena alsbald auf von der Stelle, wo sie weinte, als Martha ihr sagte: “Der Meister ist da und rufet dich?“ (Joh. 11,28.)

Selige Stunde, wenn Jesus von den Thränen zur Freude des Geistes ruft!

Wie bist du so dürre und hart ohne Jesum! Wie thöricht und eitel, wenn du außer Jesu noch etwas begehrst. Ist dieses nicht ein größerer Schaden, als wenn du die ganze Welt verlörest?

2. Was kann die Welt dir bieten ohne Jesum?

Ohne Jesum sein, ist Höllenpein, mit Jesum sein, Himmelswonne.

Wenn Jesus mit dir ist, so kann kein Feind dir schaden.

Wer Jesum findet, findet einen guten Schatz, ja einen Schatz über alle Schätze.

Und wer Jesum verliert, verliert nur zu viel und mehr als die ganze Welt.

Der Allerärmste ist, wer ohne Jesum lebt und der Allerreichste, wer wohl mit Jesus steht.

3. Es ist eine große Kunst, mit Jesu umzugehen wissen und Jesum festhalten können, ist große Klugheit.

Sei demüthig und sanftmüthig und Jesus wird mit dir sein.

Sei fromm und stille und Jesus wird bei dir bleiben.

Du kannst Jesum schnell vertreiben und seine Gnade verlieren, wenn du dich dem Aeußerlichen zuneigen willst.

Und wenn du ihn vertrieben und verloren hast, zu wem willst du fliehen und wen dann zum Freunde suchen?

Ohne Freund kannst du nicht wohl bestehen und wenn Jesus nicht vor Allen dein Freund ist, so wirst du gar traurig und ohne Trost sein.

Du handelst also thöricht, wenn du auf irgend einen Andern vertraust oder deine Freude an ihm hast.

Lieber die ganze Welt zum Feinde, als Jesum beleidigen.

Darum sei dir von Allen, die du liebest, Jesus der Liebste.

4. Alle sollst du lieben um Jesu willen, Jesum aber um seiner selbst willen.

Jesus Christus allein ist besonders zu lieben; denn er allein wird vor allen Freunden gut und treu erfunden.

Um seinetwillen und in ihm seien Freunde sowohl, als Feinde dir lieb und für sie alle steige dein Gebet zu ihm auf, daß Alle ihn erkennen und lieben mögen.

Begehre nie für dich Lob oder Liebe; denn das gebührt allein Gott, der nicht seines Gleichen hat.

Verlange nicht, daß irgend Jemand sich mit dir in seinem Herzen beschäftige und auch du sollst dir nichts mit der Liebe eines Andern zu schaffen machen; sondern Jesus allein sei in dir und in jedem guten Menschen.

5. Sei rein und frei im Innern, ohne dich an irgend eine Kreatur zu hängen. Du mußt bloß sein und ein reines Herz zu Gott bringen, wenn du verkosten und sehen willst, wie freundlich der Herr ist.

Und dahin wirst du fürwahr nicht gelangen, wenn nicht seine Gnade dir zuvorgekommen ist und sie dich hingezogen hat, daß du, abgeschieden und frei von allen andern Dingen, dich allein mit dem Einzigen verbindest.

Denn wenn Gottes Gnade zu dem Menschen kommt, so wird er kräftig zu Allem und wenn sie von ihm weicht, dann wird er arm und schwach und gleicht einem zur Bestrafung aufbewahrten Missethäter.

Darüber darf er aber den Muth nicht verlieren, noch verzweifeln, sondern muß nach Gottes Willen mit Gleichmuth ausharren und Alles, was über ihn kommt, zur Ehre Jesu Christi ertragen; denn auf den Winter folgt ja der Sommer, auf die Nacht der Tag und auf das Ungewitter heiterer Himmel.

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