Thomas von Kempen - Buch 1 - Kapitel 17
Von dem klösterlichen Leben.
1. Du mußt dich selbst in vielen Stücken brechen lernen, wenn du mit Andern in Frieden und Eintracht bleiben willst.
Es ist nichts Geringes, in Klöstern oder in einer Genossenschaft zu leben und darin ohne Klage zu verweilen und bis zum Tode treulich auszuharren.
Selig, wer darin gut gelebt und glücklich vollendet hat!
Wenn du gebührend feststehen und fortschreiten willst, so mußt du dich für einen Pilger und Fremdling auf Erden halten.
Du mußt ein Thor werden um Christi willen, wenn du ein gottseliges Leben führen willst.
2. Das Ordenskleid und der geschorne Kopf trägt wenig bei; aber die Aenderung des Wandels und die vollständige Ertödtung der Leidenschaften machen den wahren Ordensmann.
Wer etwas anderes sucht als Gott allein und seiner Seele Heil, der wird nichts finden, als Anfechtung und Schmerz.
Auch kann nicht lange in Frieden stehen, wer nicht bemüht ist, der Geringste zu sein und Allen unterthan.
3. Zum Dienen bist du gekommen, nicht zum Herrschen; zum Dulden und Arbeiten bist du berufen, nicht zum Müssiggehen oder schwatzen.
Hier also werden die Menschen geprüft, wie das Gold im Feuerofen.
Hier kann Niemand bestehen, wenn er sich nicht von ganzem Herzen um Gottes willen demüthigen will.