Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 43
Wider das eitle Wissen der Welt.
1. Sohn! laß dich nicht von den schönen und feinen Worten der Menschen berücken. „Denn das Reich Gottes stehet nicht in Worten, sondern in Kraft.“ (1. Kor. 4,20.)
Merke auf meine Worte, welche die Herzen entzünden und die Gemüther erleuchten; sie bringen Zerknirschung und mancherlei Trost.
Nie lies mein Wort in der Absicht, gelehrter und wissensreicher zu erscheinen.
Befleißige dich, deine Fehler zu ertödten; denn das wird dir mehr Nutzen bringen, als die Kenntniß von vielen schwierigen Fragen.
2. Wenn du auch viel gelesen und erkannt hast, so mußt du doch immer auf den Einen Anfang zurückkehren.
Ich bin’s, der den Menschen Weisheit lehrt und den Unmündigen hellere Erkenntniß mittheilt, als irgend ein Mensch zu geben vermag.
Zu wem ich rede, der wird bald weise sein und im Geiste stark fortschreiten.
Wehe denen, die viel Seltsames von den Menschen erfahren wollen und um den Weg, mir zu dienen, sich wenig kümmern.
Es wird die Zeit kommen, da der Meister aller Meister, Christus, aller Engel Herr, erscheinen wird, um Alle abzuhören, das ist, um das Gewissen eines Jeden zu erforschen. – Und dann wird Jerusalem mit hellen Leuchten durchsucht werden, und es werden offenbar sein die Geheimnisse der Finsterniß, und verstummen werden die Beweisgründe der Zungen.
Ich bin’s, der ein demüthiges Gemüth augenblicklich so erhebt, daß es mehr von der ewigen Wahrheit begreift, als wenn Einer zehn Jahre lang sich auf Schulen den Kopf zerbrochen hätte.
Ich lehre ohne Wortgeräusch, ohne den Wirrwarr menschlicher Meinungen, ohne Prunkt und eitle Ehre, ohne den Streit der Beweise.
Ich bin’s, der da lehret das Irdische verachten, das Zeitliche mit Eckel ansehen, das Ewige suchen und empfinden, die Ehrenstellen fliehen, Aergernisse ertragen, alle Hoffnung auf mich setzen, außer mir nichts begehren und über Alles mich inbrünstig lieben.
3. Denn ich weiß Einen, der dadurch, daß er mich innig liebte, göttliche Dinge lernte und Wunderbares redete. Indem er Alles verließ, fiel ihm mehr Gewinn zu, als von tiefsinnigem Studiren.
Ich rede aber mit Einigen von allgemeinen, mit Andern von besonderen Dingen; Einigen zeige ich mich lieblich unter der Hülle von Zeichen und Bildern: Andern aber offenbare ich in hellem Lichte die Geheimnisse des Himmels.
Es ist nur eine Stimme in den Büchern der heiligen Schrift; aber nicht Alle belehrt sie auf gleiche Art. Denn ich bin der Lehrer der Wahrheit im Innern, der Herzenskündiger, der die Gedanken erforscht, alles Vernehmen fördert, und Jedem zutheilst, so viel ich ihn für würdig halte.