Tholuck, August - Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1834.

Tholuck, August - Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1834.

Christen, zum zweiten Mal seid ihr am heutigen Tag versammelt, um die Geburt eines Kindes zu feiern! Welch' ein Geburtsfest! Wo ist unter den Sterblichen ein Kind, dessen Geburt gefeiert wird, wie die seinige - von den Scharen, die in allen Teilen der Erde in diesen Tagen zu den heiligen Stätten wallen, von den Freudentränen, welche in manchem Kämmerlein geweint werden, und das ist geschehen seit achtzehn Jahrhunderten, und wird geschehen, so lange als die Zeit sein wird. Christen, entweder ist dieses Kind wirklich unvergleichlich höher, denn alle Kinder, die je an einer Mutterbrust gelegen, oder die Christenheit ist einem Wahn preisgegeben, wie keine andere Gemeinschaft der Menschen. Nein, ihr Christen, in keinem Wahn seid ihr an heiliger Stätte zusammengekommen, in keinem Wahn steigen an diesem Tage die Opferflammen über die ganze Erde hin hell und heilig zum Himmel; denn das Kind, das euch heute geboren ist, ist der Friedensfürst, auf dessen Schultern die Herrschaft liegt. Und sind zwei Tage in unserer Christenheit angesetzt, um diese Geburt zu feiern, sie sind nur der Höhepunkt jener Geburtsfeier des Kindleins, welche alle erlösten Herzen feiern, so oft sie in der Angst und Sorge des Lebens sich trösten, dass es einen Erlöser gibt von allem Bösen und allem Übel.

Lieblich und erbaulich ist dieser Aufgang aus der Höhe, wie die heilige Schrift diese Geburt nennt, mögen wir betrachten, was er vertilgt hat, mögen wir betrachten die Art und Weise, wie er statt gefunden. Es ist aber diese letzte Betrachtung, die in unserer heutigen Andacht uns beschäftigen soll. Den Abschnitt, an welchen wir sie anknüpfen, finden wir 1. Könige 19, 1-13.

Und Ahab sagte Isebel an Alles, was Elia getan hatte, und wie er hätte alle Propheten Baals mit dem Schwerte erwürgt. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia, und ließ ihm sagen: Die Götter tun mir dies und das, wo ich nicht morgen um diese Zeit deiner Seele tue, wie dieser Seelen einer. Da er das sah, machte er sich auf, und ging, wo er hin wollte, und kam gen Berseba in Juda, und ließ seinen Knaben daselbst. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise, und kam hinein, und setzte sich unter eine Wacholder, und bat, dass seine Seele stürbe, und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser, denn meine Väter. Und legte sich, und schlief unter der Wacholder. Und siehe, der Engel rührte ihn, und sprach zu ihm: Stehe auf, und iss. Und er sah sich um, und siehe, zu seinem Haupt lag ein geröstetes Brot, und eine Kanne mit Wasser. Und da er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum anderen Mal wieder, und rührte ihn und sprach: Stehe auf und iss: denn du hast einen großen Weg vor dir. Und er stand auf, und aß und trank; und ging durch Kraft derselben Speise vierzig Tage und vierzig Nächte, bis an den Berg Gottes Horeb. Und kam daselbst in eine Höhle, und blieb daselbst über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm, und sprach zu ihm: Was machst du hier, Elia? Er sprach: Ich habe geeifert um den Herrn, den Gott Zebaoth; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, und deine Altäre zerbrochen, und deine Propheten mit dem Schwert erwürgt; und ich bin allein überblieben, und sie stehen danach, dass sie mir mein Leben nehmen. Er sprach: Gehe heraus, und tritt auf den Berg vor den Herrn. Und siehe, der Herr ging vorüber, und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss, und die Felsen zerbrach, vor dem Herrn her: der Herr aber war nicht im Wind. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein still sanftes Sausen. Da das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel, und ging heraus, und trat in die Tür der Höhle.

Wenn ihr in stiller Nacht das Gotteskind, dessen Geburt wir heute feiern, herniedersteigen seht in die Krippe des kleinen Bethlehem, unbemerkt von allen Großen und Weisen der Erde, und das kleine Häuflein frommer Hirten das Wiegenfest feiern seht, und ihr vernehmt den eben verlesenen Abschnitt aus dem alten Bund, sagt mir, ist euch nicht, als ob die alte Geschichte bloß eine weissagende Predigt wäre von der Geburt eures Heilandes? - „Der Herr ist nicht im Sturm und Ungewitter, sondern im stillen, sanften Säuseln,“ das ist die Wahrheit, welche uns hier entgegengerufen wird - zunächst freilich in einer ganz anderen Beziehung, als die, welche wir eben erwähnten; denn forschen wir nach der Bedeutung jener erhabenen sinnbildlichen Erscheinung im Zusammenhang der Geschichte des Elias, so sehen wir, wie dieser große Prophet im Kampf wider die Gottlosigkeit seines Volkes von seinem Eifer war verzehrt worden, also, dass ihm die Lebenslust verging, wie es heißt: „Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise, und kam hinein, und setzte sich unter eine Wacholder, und bat, dass seine Seele stürbe, und sprach: „„Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele!“„ So soll denn nun diese Erscheinung nur eine Mahnung sein, dass in dem fressenden Elias-Feuer, sobald es von der Liebe, von der Geduld, von der Ergebung nicht getragen wird, der Herr nicht sei. Wohl gäbe nun schon in dieser Beziehung unser Text reichlichen Stoff zur Betrachtung, wenn ich euch zeigen wollte, wie das Elias-Feuer beschaffen sein müsste, in dem der Herr ist. Wie vielerlei Seiten der Betrachtung und Anwendung bietet aber überhaupt diese Erzählung dar, mögen wir sie auf unser Verhältnis zu Gott oder auf Gottes Verhältnis zu uns, mögen wir sie auf die Weltgeschichte anwenden, oder auf das einzelne Herz! Vielfach und in mannigfacher Weise ist es wahr: „der Herr ist nicht im Sturm und Ungewitter, sondern im sanften stillen Säuseln.“ Heute aber lasst diese Wahrheit uns betrachten mit Bezug auf die Erscheinung des Heilandes der Welt, und zwar

  1. mit Bezug auf seinen Eintritt in die Welt;
  2. mit Bezug auf seinen Durchgang durch die Welt;
  3. mit Bezug auf seinen Ausgang aus der Welt,

und zwar wollen wir überall das erwägen, wie er im Gegensatze zur endlichen, und im Gegensatz zur sündlichen Welt hätte erscheinen können, und wie er wirklich erschienen ist.

Der Herr ist nicht im Sturm und Ungewitter, sondern im sanften stillen Säuseln! So ruft uns der Eintritt des Gottessohnes in die Welt zu. Wie hätte er erscheinen können gegenüber der endlichen Welt? Verborgen ruht hinter aller Herrlichkeit der Natur, verborgen ruht hinter dem Schauspiel der Geschichte, verborgen waltet in der Tiefe der Erde, verborgen waltet in der Unermesslichkeit der Sternenwelt der ewige Geist, den wir Gott nennen.

Es gibt Stunden, wo du ihm meinst, näher zu kommen, o es gibt wunderbare Stunden im Menschenleben, wo es ist, wie wenn das große Geheimnis alles Daseins auf einmal die Riegel sprengen und unverhüllt hervortreten wollte. Unser Innerstes wird erschüttert in solchen Stunden. Wie aber, wenn nun der Riegel wirklich gesprengt wird, wenn der, welcher im unzugänglichen Licht wohnt, da kein Mensch zukommen kann, wenn der unendliche Geist, welcher Himmel und Erde trägt, Gestalt annimmt und unter seinen endlichen Geschöpfen erscheint - wer erwartet nicht da schon, was uns geschrieben ist von dem Tage seiner Wiederkehr, dass der Thron seiner Himmel erbebt, dass der Fußschemel seiner kleinen Erde erzittert, dass ein vorahnendes Gefühl, wie wir es sonst wohl bei großen Naturerscheinungen finden, alle Geschlechter der Erde ergreift, und jauchzen die Einen macht, und weinen die Anderen - denn also steht geschrieben: „Bald nach der Trübsal derselbigen Zeit werden Sonne und Mond den Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte der Himmel werden sich bewegen, und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes im Himmel, und alsdann werden heulen alle Geschlechter auf Erden, und werden sehen kommen den Menschensohn in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ Doch siehe, wie die Natur überall leise ist, wenn sie schafft, und nur laut wird, wenn sie zerreißt, so ist sie leise gewesen, unendlich leise, als der größte von einem Mutterschoß Geborene in die Welt trat. Die Sonne hat nicht am Himmel gestanden, als er kam, es war Nacht; nicht in die Hauptstadt ist er eingetreten, sondern in einen der kleinsten Flecken des Landes; kein Schläfer wachte auf bei seinem Kommen, sondern nur die, welche in dieser Nacht wachten, haben seine Kunde vernommen; die nächtliche Erde ist nicht erbebt, und der Nachthimmel ist nicht erzittert, nur die wenigen kindlichen Seelen, die damals an seiner Wiege wachten, zitterten, aber ihr Zittern war ein Zittern der Freude.

Das ew'ge Licht geht da herein,
Gibt der Welt einen neuen Schein,
Es leucht't wohl mitten in der Nacht,
Und uns des Lichtes Kinder macht.
Den aller Weltkreis nie beschloss,
Der lieget in Mariens Schoß;
Er ist ein Kindlein worden klein,
Der alle Ding' erhält allein.

Wie hätte er erscheinen können gegenüber der sündigen Welt? Einst wird er ihr erscheinen als ihr Richter, und damals, schon damals hätte es heißen können:

Zittern in der Erde Gründen
Wird des Richters Nah'n verkünden,
Der die Herzen will ergründen.

Schon damals hätte ein banges Vorgefühl die ganze Sünderwelt ergreifen können, schon damals hätten sie rufen können, was sie einst rufen werden: ihr Berge, deckt uns! ihr Hügel, fallt über uns! Aber „der Herr war nicht im Ungewitter, sondern im stillen, sanften Säuseln“ und an seiner Wiege singen die Heerscharen des Himmels: „Friede auf Erden, und an den Menschen ein Wohlgefallen!“

Der Sohn des Vaters, Gott von Art,
Ein Gast in der Welt hie ward,
Und führt uns aus dem Jammertal
Und macht uns Erb'n in seinem Saal.

Geliebte Gottes, mit welchen Gefühlen müssen wir dieses Geburtsfest feiern, wenn wir bedenken, wie er hätte erscheinen können, und wie er erschienen ist, wenn wir aber auch andrerseits bedenken, wie er einst erscheinen wird. Denn - sagt uns des Apostels Wort - „den Himmel hat er eingenommen bis auf die Zeit, wo Alles wird erfüllt werden, was Gott geredet hat durch den Mund aller seiner heiligen Propheten,“ und der das erste Mal gekommen ist, die Sünder zu suchen, wird das zweite Mal kommen, sie zu richten; der das erste mal gekommen ist, die Sünde zu tragen, wird das zweite Mal kommen, sie zu verdammen. Darum nun, weil dieses noch der Tag der Erquickung ist, wo der Herr nicht im Ungewitter erscheint, sondern im sanften, stillen Säuseln, o so rühre denn das sanfte, stille Säuseln unser Herz, o so lasst uns niederknieen an dieser Krippe, mit den frommen Hirten anbeten, und mit den Königen aus dem Morgenland Myrrhen streuen!

„Der Herr ist nicht im Ungewitter, sondern im sanften, stillen Säuseln“ - wie es wahr geworden in dem Durchgang Jesu Christi durch die Welt. Er hatte, wie des Apostels Wort sagt, „es nicht für einen Raub gehalten, Gott gleich zu sein, er hatte sich entäußert, und menschliche Knechtsgestalt angenommen, und ward gleichwie ein anderer Mensch, und an Gebärden als ein Mensch erfunden.“ Aber auch unter den Menschen gibt es Götter, d. h. gibt es solche, die wegen der Herrlichkeit und Höhe ihres Standes, im Verhältnis zu den Übrigen Götter der Erde genannt werden. Noch stand bei ihm die Wahl, ob er in Palästen thronen wollte, oder in den Hütten, ob vom Thron herab der Ruf erschallen sollte: „Kommt her zu mir, ihr Mühseligen und Beladenen!“ oder an den Landstraßen und Hecken, ob nur der Glanz einer verborgenen Himmelswelt das Auge der Sterblichen berühren sollte, oder zugleich der Glanz irdischer Herrlichkeit sie blenden. Doch siehe, der Herr ist im stillen, sanften Säuseln: das Zimmermannshaus in Nazareth ist dem Himmelskönig nicht zu niedrig, darin einzukehren, das durch und durch gewirkte wollene Gewand ist dem Herrn der Herrlichkeit nicht zu eng, um darin durch das Erdental zu wallen. Der König aller Könige wählt unter den Knechten, seinen Untertanen, den Knechtesstand, so tritt er auf seinen endlichen Brüdern gegenüber. Doch wie hätte er auch in dieser niedrigen Verkleidung der sündlichen Welt gegenüber so ganz anders auftreten können, als er aufgetreten ist? Obgleich kein Stern auf seiner Brust glänzt, und keine Krone auf seinem Haupt, dennoch trägt er auch in dieser Erniedrigung Donner und Blitz auf seiner Zunge, Donner und Blitz in seinen Händen. Wie, wenn auf den Lippen des Heiligen jedes Wort zu einem Fluch gegen die Sünde geworden wäre, jede Rede zu einer Ankündigung des Gerichts für den Übertreter? In Jeremias, dem Propheten, spricht der Herr, der Gott Israels: „Nimm diesen Becher voll Zorns aus meiner Hand, und schenke daraus allen Völkern, zu denen ich dich sende.“ Wie, wenn der Sohn selbst mit dem Becher voll Zorns in seiner Hand erschienen wäre, um Gericht zu halten mit dem Zepter seines Mundes über eine abgefallene Welt? Aber der Herr ist nicht im Ungewitter, sondern im sanften, stillen Säuseln: „Tröstet, tröstet mein Volk, redet mit Jerusalem freundlich, verkündigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, und ihre Sünde vergeben ist“ - das ist der Text seiner prophetischen Predigt. Als er zum ersten Mal in die Synagoge von Nazareth kommt, da schlägt er das Wort des Propheten auf: „Der Geist des Herrn ist bei mir, derhalben er mich gesalbt hat und gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, dass sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen - zu predigen das angenehme Jahr des Herrn.“ Und als Aller Augen, die in der Schule waren, auf ihn sahen, da fing er an zu ihnen zu sagen: Heute ist die Schrift erfüllt vor euren Ohren. Die Weisheit lässt sich rechtfertigen von ihren Kindern, und wird der Zöllner und Sünder Geselle. Wohl trägt auch er einen Becher Wein, aber es ist nicht der Wein des göttlichen Zornes, es ist der Wein, mit welchem der Samariter die Wunden des schwer Geschlagenen wäscht; es ist der Becher Weins, von dem er selbst sagt: „Trinkt Alle daraus, das ist mein Blut des neuen Testamentes, welches vergossen wird für Viele zur Vergebung der Sünden.“ Für die Propheten des alten Bundes gibt es keinen höheren Ruhm, als dass sie wandeln „in dem Feuer und der Kraft des Elias“, wie auch von dem Täufer geschrieben steht, dass sie ihren Mund auftun, und schonen ihre Stimme nicht, und verkündigen laut: „dass die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt ist.“ Von diesem Propheten des neuen Bundes steht aber in lieblichen Worten geschrieben, was von keinem anderen: „Er wird nicht zanken, noch schreien, und man wird sein Geschrei nicht hören auf den Gassen. Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen.“ So hat Jesaias von ihm geweissagt, und wisst ihr lieblichere und treffendere Farben, mit denen ihr ihn abmalen könntet? O ihr glimmenden Dochte, ihr sollt nicht ganz auslöschen, o du zerknicktes Rohr, du sollst nicht ganz zerbrochen werden, denn: nicht im Ungewitter ist der Herr unter uns gewandelt, sondern als ein sanftes, stilles Säuseln.

Wir haben nur von dem Donner und Blitz gesprochen, der aus seiner Predigt hätte schallen können; er trägt aber auch diese Gewalt über Donner und Blitz in seinem wundertätigen Wort. Der, welcher den Blinden die Hand auflegen kann, und sie sehen, kann auch winken, dass der Sehende erblinde; der zum Aussätzigen sprechen kann: „werde rein!“ kann den Reinen mit dem Aussatz bedecken; der zu dem Toten sagen kann: „stehe auf!“ kann den Lebendigen in Todesschlummer legen durch seinen bloßen Willen; dem, auf dessen Wink der Sturm gehorsam schweigt, muss er auch gehorchen, wenn er ihn aufruft aus dem Abgrunde, um den Übertreter zu vernichten. Der Anschauung von Christi Werk und Wandel verdankt ihr es, dass, wenn von Wunderkraft die Rede ist, ihr nur an eine Wunderkraft denkt, die da segnet; aber von einer Wunderkraft redet uns auch die Schrift, die da straft, und wiederum ist es der Alte Bund, in dem wir vorzugsweise ihre Äußerung erblicken, wie wenn Mose spricht gegen Kohrahs Rotte, und es heißt: „Als er diese Worte alle hatte ausgeredet, zerriss die Erde unter ihnen, und tat ihren Mund auf, und verschlang sie, und fuhren hinunter lebendig in die Hölle mit Allem, was sie hatten, und - die Erde deckte sie zu.“ Wie aber auch im Neuen Bund Petrus zu Ananias spricht: „Du hast nicht Menschen, sondern Gott belogen.“ „Da aber Ananias diese Worte hörte, fiel er nieder, und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über Alle, die das hörten.“ Seht, so hätte nun euer Heiland durch die Menschenwelt gehen können mit aufgehobener Hand gegen jeden Frevler, den Sturm des Abgrundes oder den Donner des Himmels beschwörend, ein Rächer jedes Frevels. Aber des Menschen Sohn, heißt es, ist nicht gekommen, zu richten, sondern selig zu machen, der Herr ist nicht im Sturm und Ungewitter, sondern im sanften, stillen Säuseln. Um die geistige Bedeutung seiner Erscheinung auf Erden uns kund zu tun, sind alle seine Wunder Wunder der Errettung und Güte: ja mit innerer Wahrheit wendet der Evangelist da, wo er die Krankenheilung erzählt, das prophetische Wort auf Jesum an: „Er trug unsere Krankheit,“ denn war es nicht auch ein Tragen unserer Krankheit, hat er sie nicht fürwahr in sein fühlendes Herz aufgenommen und getragen, wenn er vom Morgen bis zum Abend mit Gebrechlichen und Elenden sich umringt sieht, denen er hilft?

Wie sein Eintritt in die Welt, so war sein Austritt. Was sein Eintritt in die Welt und sein Durchgang durch die Welt predigt, dasselbige auch sein Austritt. Wie hätte er austreten können? Wenn der Herr der Herrlichkeit, den sie ans Kreuz geschlagen hatten, nachdem der Tod ihn nicht halten konnte, als der Auferstandene und himmlisch Verklärte auf den Ort seiner Schmerzen, auf den Ölberg, hingetreten wäre, und hätte hier seine Siegesfahne geschwungen vor aller Welt - nur eines Winkes hätte er bedurft, und die Stadt, welche über ihn gerufen hatte: „Weg mit Jesum, gib uns Barrabbam los,“ wäre wie Sodom und Gomorrha in die Tiefe gesunken, das Volk, welches gerufen hatte: „Sem Blut komme über uns und unsre Kinder!“ hätte schreien müssen: „Ihr Berge, deckt uns, und ihr Hügel, fallt über uns!“ Aber auch hier war der Herr nicht im Sturm und Ungewitter, sondern im sanften Säuseln. Am frühen Morgen hatte er noch einmal die Seinigen in Jerusalem versammelt; noch liegt Dunkel über ihren Gassen, da wandelt er in der Stille der Morgendämmerung mit den Elf nach dem Berg, der seinen blutigen Schweiß gesehen hatte in der Nacht der Leiden; die ersten Morgenstrahlen durchleuchten das Gewölk - da, sagt uns die Geschichte: „hebt er die Hände auf und segnet sie, und eine Wolke nimmt ihn hinweg von der Erde. Im nächtlichen Schatten war er gekommen, in der Morgenröte war er geschieden: ewig, ewig sollst du vor unserer Seele stehen, verklärter Heiland, in der Gestalt, wie du geschieden bist, mit den segnenden Händen über den Deinigen! Ja, der Herr ist nicht im Ungewitter, sondern im sanften, linden Säuseln.

O Geliebte, wer von euch ist so unempfänglich, dass solche Liebe ihn nicht zu locken vermag! Siehe, so lange es noch heute heißt, kommt dein Gott im stillen, sanften Säuseln. Nimm ihn auf, gib dein Herz gefangen! Einst kommt er im Sturm, der Himmel und Erde hinwegnehmen wird, dann wird er dich nicht mehr bitten, sondern wird dich richten. O „heute, so ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!“

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