Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 91. Psalm.
1. Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt, und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, 2. Der spricht zu dem HErrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein GOtt, auf den ich hoffe. 3. Denn Er errettet mich vom Strick des Jägers, und von der schädlichen Pestilenz. 4. Er wird dich mit seinen Fittigen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, 5. Dass du nicht erschrecken müsstest vor dem Grauen des Nachts, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, 6. Vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittag verdirbt. 7. Ob tausend fallen zu deiner Seite, und zehn tausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen. 8. Ja, du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen, und schauen, wie es den Gottlosen vergolten wird. 9. Denn der HErr ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht. 10. Es wird dir kein Übels begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen. 11. Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, 12. Dass sie dich auf den Händen tragen, und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt. 13. Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen, und treten auf den jungen Löwen und Drachen. 14. Er begehrt meiner, so will ich ihm aushelfen; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen. 15. Er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn heraus reißen, und zu Ehren machen; 16. Ich will ihn sättigen mit langem Leben, und will ihm zeigen mein Heil.
Der 91. Psalm hat keine Überschrift, daher ihn einige in genauer Verbindung mit dem Vorigen nehmen, und ihn auch dem Moses zuschreiben. Es könnte aber auch sein, dass ihn David gemacht, aus Gelegenheit der Pestilenz, in welcher Tausende hingerissen worden, die aber auf Davids Gebet und Opfer nicht an Jerusalem reichen durfte. Dem Inhalt nach ist er eine Aufmunterung zum Vertrauen auf GOtt, in Allem, besonders aber in Sterbens-Nöten. Die Einteilung des Psalms kann man sich merken; 1) wird der Hauptgrund gelegt, wie man bei einem rechtschaffenen Vertrauen auf GOtt so wohl beraten sei, V. 1.2. 2) und das wird nun bewiesen, teils aus dem, was GOtt an einem tut, V. 3-13., teils aus dem, was er einem selbst Tröstliches zuspricht, V. 14-16. Ein gottseliger Bürger in einer Reichsstadt hat in seinem selbst verfassten Lebenslauf mit Dank vor GOtt erkannt, dass er keine besondere Landplage erlebt habe. Wir hätten auch Ursache zu einer solchen Danksagung. Wenigstens hat Niemand von uns eine Pest erlebt. Wir wissen aber nicht, was für Jammer noch zu unseren Lebzeiten kommen kann. Wie nötig ist es also, sich der Gnade GOttes, und Seines väterlichen Schutzes in der Wahrheit zu versichern. Im Psalm kommen nun weiter Spuren vor, wie sich GOtt des Dienstes guter und böser Engel, bei der Plage und beim Schutz bediene, wie besonders der Jäger, V. 3., eine Macht aus dem Reich der Finsternis sein mag. Unter die Vorboten, oder mit dareinschlagende Nebenumstände gehört auch vorzüglich der Schrecken des Nachts, V. 5. Denn man kann die Furcht, Schrecken und Kleinmütigkeit der Menschen beim Einbrechen solcher Gerichte nicht genug beschreiben, wofür auch keine menschliche Hilfe zu finden. Alle menschlichen Anstalten, so man um solche Zeit macht, helfen vielmehr dazu, dass der Aufzug desto fürchterlicher heraus kommt; wie überhaupt die Menschen nichts besser können, als einander Angst machen. Wer einen gnädigen GOtt und Vater in Christo JEsu, den Heiligen Geist im Herzen und ein gutes Gebet im Vorrat, auch einen ordentlichen Beruf im Gewissen hat, und an demselben bleibt, der hat ein starkes Geleit.