Tholuck, August - Predigt am Jahresfeste der Reformation und des Gustav-Adolphvereins am 26. Oktober 1836 zu Hamburg gehalten.
Evangelische Gemeinde! Auf das Jahresfest ihrer Reformation hat die Hamburgische Kirche auch das Jahresfest ihres Gustav Adolphvereins verlegt. Wohl hat sie das mit Recht getan, denn das ists, wovon ich euch heut predigen will, dass der kein wahrer Jünger der Reformation sein kann, dem das Herz fehlt für die Sache, die wir heut vertreten, für den Gustav-Adolphverein.
Das Wort der Schrift, auf dessen Grund wir uns aufs neue diesen Eindruck verschaffen wollen, ist das Wort des Apostels Kol. 2,6-9. „Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christum Jesum, so wandelt in ihm; Und seid gewurzelt und erbaut in ihm, und seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid, und seid in demselbigen reichlich dankbar. Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre, und nach der Welt Satzungen, und nicht nach Christo. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“
Ich sage, dass der kein wahrer Jünger der Reformation sein kann, der kein Herz hat für die Sache des Gustav-Adolph Vereins. So lasst uns denn sehen, was dazu gehört, ein wahrer Jünger der Reformation zu sein, und ferner, warum der kein wahrer Jünger der Reformation ist, der kein Herz hat für die Gustav-Adolphssache.
Was der Apostel in diesen Worten von der apostolischen Predigt zur Gemeinde spricht, das - darf ich es nicht sagen? - gilt auch von der Predigt, durch die unter uns die reformatorische Lehre begründet worden. Was anders ist unser Evangelium als die wiederhergestellte reine Predigt der Apostel? So rufe ich denn euch zu, was der Apostel spricht: „Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Jesum, so wandelt in ihm.“ Ferner: „Seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid.“ Das Erste also, was zu einem wahren Jünger der Reformation gehört, das ist eine Treue der Pietät gegen die Lehre, die uns überliefert worden. „Seht zu, dass euch Niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschenlehre“ rufe ich mit dem Apostel. Das andere aber, was zu einem wahren Jünger der Reformation gehört, ist die Treue gegen die Reformation aus Erkenntnis der Unvergleichlichkeit ihrer Lehre gegenüber aller Menschenlehre und Weltsatzung. „Seid gewurzelt und erbaut in Jesu Christo,“ spricht der Apostel zum Dritten und gibt damit zu erkennen, dass nur der ein wahrer Jünger der Reformation ist, der auf dem Grunde dieser unvergleichlichen Lehre auch immer tiefer zu wurzeln und immer mehr sich erbauen zu lassen trachtet.
„Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Jesum, so wandelt in ihm. Seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid.“ Treue verlangt der Apostel, Treue gegen das, was überliefert ist, weil es von treuen Lehrern überliefert ist. So macht er diese Treue zu einer Pietätspflicht. Ihr Einwohner Hamburgs, seid treu gegen den evangelischen Glauben, den ihr gelehrt worden! Eine Pietätspflicht ist sie diese Treue gegen den Glauben, zu dem einst die teuren Männer Gottes, ein Zegenhagen, ein Bugenhagen, unter euch den Grund gelegt. Eine Pietätspflicht ist diese Treue, denn was hat nicht auch Hamburg die 300 Jahre, die es unter dem Segen des gereinigten Evangeliums steht, demselben zu danken! Unter dem Schutze der geistigen Freiheit, welche das gereinigte Evangelium euch gegeben, ist Hamburg zu einem bürgerlich freien, zu einem an irdischen und geistigen Gütern reichen Staate herangewachsen, unter dem erleuchtenden und erwärmenden Einflusse dieses Glaubens ist es mit seinen Lehranstalten und Wohltätigkeitsanstalten einst ein Vorbild für das übrige Deutschland geworden, in Zeiten wie die des 30-jährigen Krieges ein Asyl der verfolgten Glaubensbrüder. Von wie manchem eurer treuen Prediger lebt das Gedächtnis seines Worts, seines Liedes und seines Wandels noch jetzt in dankbaren Herzen. Wenn hier noch solche sind, welchen eine fromme Mutter zuerst die Hände zum Gebet gefaltet, die der gläubige Segen eines sterbenden Vaters durchs ganze Leben begleitete: aus dem Evangelium sind diese Segnungen geflossen, denn das hat eure Mütter beten und eure Väter euch im Glauben segnen gelehrt. Und ihr solltet nicht mit Pietät Treue halten dem Evangelium, das seit den Tagen der Reformation unter euch gepredigt worden?
Was den großen Haufen treu macht in diesen wie in andern evangelischen Ländern, zu fremder Religion nicht abzufallen, es ist nun auch nichts anders als diese Pietät, welche dem Glauben nicht den Rücken wenden kann, der mit den Schicksalen und Erinnerungen einer ganzen Stadt, eines ganzen Volks aufs innigste verwachsen ist, der in guten und bösen Tagen der Trost der Väter gewesen. Aber, evangelische Gemeinde, wie schön und wohltuend auch ein solcher Glaube aus Pietät für das Gefühl sein mag, der rechte und eigentliche Glaube ist es doch nicht. Und legt nicht unsere Reformation selbst davon tatsächliches Zeugnis ab, dass, wie hoch auch die Pietät steht, doch ein noch höheres und heiligeres Gut ist die Wahrheit? Die Väter der Reformation, haben sie nicht - und o unter wie heißen Kämpfen und Gewissensängsten! - die Banden der Pietät gegen den Glauben ihrer Väter, in dem sie geboren und gelehrt worden, kühn gebrochen, sobald sie erkannt, dass er in der Wahrheit nicht gegründet gewesen? Ist Vater und Mutter hassen um Jesu, des Königs der Wahrheit, willen unser Gebot, wie sollte die Pflicht der Wahrheit nicht eine höhere sein als die der Pietät?
So ist es also auch die Treue gegen den Glauben, der uns gelehrt ist, an sich noch nicht, die zum wahren Jünger der Reformation macht, so lange nicht hinzu kommt die Erkenntnis der Unvergleichlichkeit desselben gegenüber aller Menschenlehre und Weltsatzung, wie der Apostel ruft: „Lasst euch nicht berauben durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschenlehre und Weltsatzung, nicht nach Christo.“ Nun aber ist jener apostolische Glaube, wie unsere Reformation ihn wieder in helles Licht gestellt hat, unvergleichlich höher als alle Weisheit der Menschenlehre und als alle Satzungen menschlicher Autoritäten. Die Zeit liegt noch nicht weit hinter uns, wo Philosophie und Demonstration, die ja gewiss gut sind, wo sie hingehören, auch da ausreichen sollten, wo sie nimmermehr ausreichen können - da nämlich, wo es sich darum handelt, wie ein Sünder eines gnädigen Gottes gewiss werden soll, wo es sich um ein versöhntes Gewissen oder einen festen Anker in der Todesstunde handelt. Einen Sturm hat Gott über unser Volk geschickt, wo viele haben erfahren müssen, dass die von Menschenweisheit geschmiedete Ankerkette, welche ausreichen mag, so lange Windstille ist, wie ein ohnmächtiger Faden zerreißt, wenn der Sturm erwacht. Seitdem hat ein anderer Ruf durch die Zeit zu gehen angefangen, in der Kirche wie im Staat, der Ruf nach Autorität, nach der Autorität einer unfehlbaren Kirche. Nun ist's ja gewiss wahr: die Wahrheit, die den Menschen trösten soll da wo keine Menschenhilfe ausreicht und die ihm Gewissheit geben soll in den Regionen, wo kein Menschenauge hinreicht, die muss aus höherer als aus Menschenhand sein, die muss auf Autorität ruhen. Aber nicht auf der Autorität einer nur nach Menschensatzung unfehlbaren Kirche, die doch wieder nur aus fehlbaren Menschen zusammengesetzt ist, auch nicht auf der Autorität von Menschenweisheit der großen Geister, deren Systeme sich selbst einander ablösen im Wechsel der Zeiten. Auf dem Felsengrunde des Wortes dessen muss sie ruhen, in welchem die ganze Fülle der Gottheit wohnt leibhaftig, auf der Autorität des Einzigen in der Menschengeschichte, der das Zeugnis von sich hat ablegen können: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“. Was damit dem Menschen gegeben ist, einen solchen Grund für seine Wahrheit gefunden zu haben - vielleicht hunderte von euch werden es noch nicht verstehen, denn wie viele sind denn unter den mehr als 100.000 der Einwohner dieser Stadt, für welche die Pilatusfrage: was ist Wahrheit? eine wirkliche Frage des Herzens geworden ist? Wie viel Tausende, bei denen sie nichts andres ist, als bei jenem Heiden - der achselzuckende Ausruf der Gleichgültigkeit gegen die Existenz der Wahrheit! Ihr wahrheitsdürstenden Gemüter aber, ihr würdigt es, eine Wahrheit zu haben, die auf der Autorität dessen ruht, der da sprechen konnte: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“ - Und auch meine Gewissheit von dem was mir als Wahrheit gilt, meine eigene Gewissheit von dieser göttlichen Autorität darf nicht ruhen weder auf scharfsinnigen Demonstrationen, von denen auch die scharfsinnigste wieder unterliegt, wenn ein noch größerer Scharfsinn darüberkommt, noch auf den äußerlichen Zeugnissen und Gewährleistungen einer menschlichen Kirche: auf einem Zeugnisse muss sie ruhen, das mit dem innersten Leben des Menschen selbst zusammengewachsen ist, das mit dem Menschen lebt und mit ihm zu Grabe geht, mit dem Gott selbst in unserem Innern die Wahrheit seines Wortes bezeugt, wie geschrieben steht: „der Geist zeugt dass der Geist Wahrheit ist“ und wie Paulus von seiner Predigt spricht: „Und mein Wort war nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube bestehe nicht in Menschenweisheit, sondern in Gottes Kraft.“ Aus diesen Grund der Wahrheit und auf diesen Grund der Gewissheit hat nun die Reformation unsern Glauben gegründet. Dass kein Fleisch vor Gott bestehen kann nach seinen Werken, dass aber „Christus für uns gegeben ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung.“ dieser Hauptartikel der heiligen Schrift war vom heiligen Geiste unserm Luther im tiefsten Lebensgrunde seines Gemüts als wahr bezeugt worden, als die gewisseste Tatsache seines Lebens hatte er ihn erfahren. In der Stunde als Gottes Wort in der Schrift und Gottes Wort in seinem Herzen wunderbar zusammenklangen, in der Stunde wurden die zwei Grundartikel der protestantischen Kirche aus seiner Seele geboren: keine Autorität als die heilige Schrift und kein höherer Beweis für dieselbe als das Zeugnis Gottes im Lebensgrunde des eigenen Gemüts. So ist denn nun auch ein wahrer Jünger der Reformation nur derjenige, der, erlöst von Menschenweisheit und Weltsatzung, rufen kann: Gott sei ewig Dank, meine Seele hat die Genüge gefunden, denn der Grund meiner Wahrheit und mein Zeugnis für sie sind aus Gott!
„Seid gewurzelt und erbaut in Christo Jesu“ spricht der Apostel zum Dritten und erklärt damit, dass auch nur derjenige ein wahrer Jünger der Reformation ist, der auf dem Grunde dieses als unvergleichlich erkannten Glaubens sich auch täglich neu zu erbauen sucht. Etwas schlechthin Fertiges nämlich, das ein für allemal erworben werden könnte, ist diese Gewissheit des Glaubens nicht. Tot und fertig ist jene Gewissheit, welche die Kirche Roms darbietet. Da mag's genug sein, unter ein Dekret des Papstes, der da spricht: so ists und nicht anders! ein für allemal sich zu beugen. Das aber ist das wunderbare dieses unseres Glaubens, dass er sich in ein erwachtes Gewissen hineinstellt, dass er ruft: ich lasse nicht von dir, auch wenn du von mir lassen willst! und dass dann doch wieder der Mensch in täglichem Ringen und Beten und vor allem in der Leidens - und Anfechtungsschule sich ihn erkämpfen muss. So ist denn endlich ein wahrer Jünger der Reformation auch nur derjenige, der nach der Mahnung des Apostels sich täglich mehr aufzubauen sucht auf dem Grunde der gelegt ist, um darin zu wurzeln.
Nun aber spreche ich: so viele ihrer von euch solche Jünger der Reformation sind, die müssen auch ein Herz haben für den Gustav-Adolph-Verein. „Und seid in diesem Glauben reichlich dankbar“ ruft der Apostel. Zu diesen Pflichten der Dankbarkeit gehört allerdings vieles was ich nicht aufzählen kann und will. Wenn aber - dass ich etliches nenne - zu dieser Dankbarkeit gehört, dass wir das ererbte und in seiner Unvergleichlichkeit erkannte Glaubensgut festhalten ohne Buhlen und Liebäugeln mit römischer Lehre, wie dasselbe heut zu Tage wieder im Schwange geht, wenn dazu gehört, dass wir die Kirche, der Luther das reine apostolische Wort wiedererobert hat, auch diesem apostolischen Worte gemäß gestalten in Verfassung, im Kultus, in Zucht und in Sitte, so gehört wesentlich auch dazu, dass wir unserer Kirche erhalten, was verloren gehen will, und gerade das ist die Aufgabe, die der Gustav-Adolphverein sich gestellt hat, die Aufgabe, zu welcher die Geschichte vergangener Tage wie die unserer Gegenwart aufs dringendste auffordert. Denn wie erschreckend es auch lauten mag: seit den Tagen ihrer Blüte hat die Reformation von Jahrhundert zu Jahrhundert bis auf unsere Tage mehr und mehr an Boden und an Seelen verloren. Blickt auf die Geschichte vergangener Tage. Die Tage jener ersten Morgenröte der Reformation, was für eine fröhliche Frühlingszeit, als aus dem Herzen Deutschlands heraus die Posaune des Evangeliums zuerst erschallte und als die Totengebeine überall sich zu regen begannen, als Frankreich aus dem blutgedüngten Boden seiner Märtyrerscharen eine Siegesernte erwachsen sieht, die einen großen Teil des großen schönen Reiches umfasst, als jede neue Post aus Italien zu Luthers und Melanchthons Ohren Kunde bringt, wie unter den Augen des römischen Kirchenhauptes in den vornehmsten Städten sich evangelische Gemeinden bilden in Venedig, in Neapel, in Lucca, in Ferrara, in Siena und wie sie weiter heißen, als selbst aus dem fernen Spanien die Kunde von lutherischen Märtyrern dringt, von Granden und Bischöfen des Reichs, welche Kerker und Scheiterhaufen nicht scheuen, sondern Freiheit und Leben dem neuen Glauben zum Opfer bringen, als Böhmen und bald auch Polen, Ungarn sich für das Evangelium erhebt, als in Deutschland selbst Wien ein Mittelpunkt evangelischer Lehre wird, die Mehrzahl des österreichischen Ritterstandes der reinen Lehre zufällt, als eine Zeitlang es den Anschein bekommt, als sollte die deutsche Kaiserkrone fortan von einem evangelischen Haupte getragen werden! Und diese glorreichen Anfänge, was ist aus ihnen geworden? Hundert, ja fünfzig Jahr später die Herrschaft Roms aufs Neue begründet in den meisten dieser Völker und Länder durch Schwert und Kerker und Verbannung, durch die Künste jenes eroberungsmächtigen Ordens, welcher gegen unsere Kirche den Kampf auf Tod und Leben kämpft. O dass keiner durch den Trost sich sicher machen lasse: „die Wahrheit muss doch siegen.“ - Zeitlich kann sie tausendmal unterliegen, wo List und Gewalt sich zu ihrem Untergange verbinden, nur ewig wird sie siegen. Und diese Geschichte vergangener Tage sollte nicht die stärkste Aufforderung enthalten, gerade dadurch die Dankbarkeit gegen unsern evangelischen Glauben zu bewähren, dass wir der evangelischen Kirche zu erhalten suchen, was verloren gehen will? - Und, wenn wir auch nur auf die Geschichte unserer Gegenwart blicken - wir nehmen Frankreich, Piemont, vielleicht auch Irland aus - wo ist nicht sonst die Propaganda Roms im Fortschritte? Auf den Inseln Australiens unter den von evangelischen Missionaren neubekehrten Insulanern wie im fernen Orient unter Armeniern und Jakobiten, in England unter den Hohen in Kirche und Staat durch offenen Abfall, in deutschen Landen durch die stille aber unfehlbare Propaganda der gemischten Ehen - bei der sträflichen Indifferenz protestantischer Väter und unter der unfehlbaren Herrschaft des Beichtstuhls über schwache Mütter. Jenes ehemalige Bollwerk der protestantischen Kirche im Norden, Holland, bald zur Hälfte dem katholischen Bekenntnis angehörig, die Metropole der Reformation im Süden, Genf, bereits zur Hälfte dem römischen Bekenntnis anheimgefallen! „Sicher und unverwandt dem Ziele der Weltherrschaft zu!“ das ist die Losung der Kirche Roms, und welche Ereignisse der Zeiten, die ihr nach scheinbarem Unterliegen nicht wieder hätten zum Siege dienen müssen! Kaum hat im dreißigjährigen Kriege das Schwert zu Gunsten der protestantischen Kirche gesiegt, welche Siege der List von Seiten der jesuitischen Propaganda! Dass ich aus jener Zeit nur die Siegesbeute unter den Hohen erwähne: eine Königin, zwei Kurfürsten, zehn Prinzen, zwölf Herzoge, vier Markgrafen, von Andern zu schweigen. Und wo sind die Eroberungen der evangelischen Kirche? Ich sage weiter: welche von allen Parteien, die selbst aus dem Jahre des Umsturzes 1848 mit größeren Eroberungen hervorgegangen wäre als die Kirche Roms! - Und eine solche Zeit sollte nicht an die, die wissen was sie an ihrem evangelischen Glauben haben, die lauteste Predigt sein, ihre Dankbarkeit reichlich darin zu erweisen, dass sie der evangelischen Kirche wenigstens erhalten was sie noch hat, dass sie suchen was verloren ist, und verbinden was verwundet ist und sterben will? Gott sei Dank, ein neuer Odem ist ausgegangen in die evangelischen Lande, ein Hunger ist wieder erwacht nach Gottes Wort und Predigt, Gemeinden nah und fern strecken bittende Hände aus und vor allem die unter die Genossen fremden Glaubens Zerstreuten, und während die Kirche Roms über neue Eroberungen triumphiert, während sie ganze lutherische Lande wie das preußische Sachsenland von dem Fuße der Wartburg an mit ihren Kirchen und Kapellen übersät, sollen wir untätig zusehen, wie der evangelischen Kirche auch noch das verloren geht was sie hat?
Nein, es kann kein wahrer Jünger der Reformation sein, zumal in dieser Zeit, der nicht auch ein Herz hätte für den Gustav- Adolph-Verein, und reichlich seinen Dank an denselben erwiese für das, was ihm durch die Reformation geschenkt ist. Lange genug hat es unter uns Evangelischen an einem über die Schranken der Landeskirche hinausgehenden gemeinsamen Winken für die evangelischen Brüder gefehlt. Wir haben unserer spotten lassen müssen unseres Mangels an Einheit willen. So soll es nicht mehr sein. Können wir für jetzt noch nicht in andern Stücken ganz zusammengehen, darin können und wollen wir's, zu demselben Dankeswerke für unsern Glauben uns zu vereinigen. Und wo gemeinsame aufopfernde Liebe für des Glaubens Genossen, da muss ja gewiss auch noch etwas von Gemeinsamkeit des Glaubens sein.
Ihr Einwohner Hamburgs, ist's an diesem Tage aufs Neue an euer Herz gedrungen: ja es ist ein Glück ein evangelischer Christ zu sein! so geht hin und seid in diesem Glauben dankbar!
Liebe hast du es geboten,
Dass man Liebe üben soll,
O so mache auch die toten
Trägen Glieder lebensvoll!
Zünde an die Liebesflamme,
Dass ein jeder sehen kann:
Wir als die aus einem Stamme,
Stehen auch für einen Mann.
O du unser Hoherpriester, der du noch in deiner letzten Stunde der Glieder Einigkeit hast dein Gebet sein lassen, schließe an diesem Reformationsfeste auch diese Herzen zusammen in der Liebe, dass sie freudig und einmütig deine Kirche bauen helfen und retten, was verloren gehen will! Amen.