Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Gewinn und Verlust
oder: Die Seele für eine halbe Krone verkaufen
Es ist erstaunlich, für welch geringen Preis ein Mensch seine Seele verkauft, und da fällt mir gerade eine Anekdote ein, von der ich eigentlich wünsche, dass sie wahr wäre, wie ich auch glaube, dass sie es ist. Ein Geistlicher, der über Feld ging, begegnete einem Landmann, den er mit den Worten begrüßte: „Es ist heute so schönes Wetter.“ Der Landmann bestätigte dies und nachdem sie nun noch etwas über die Schönheiten der Natur geredet hatten, meinte der Geistliche wieder: „Man könne doch überall sehen, wieviel Dank wir für Gottes Güte schuldig seien. Ich hoffe,“ sprach er hierbei, „Sie gehen niemals aus, ohne diesen Dank darzubringen.“ „Bitte, Herr! Ich bete niemals; ich wüsste gar keinen Grund, weshalb ich das tun sollte!“ „Da sind Sie ja ein wunderbarer Mann! Betet Ihre Frau denn auch niemals?“ Der Geistliche sah bei diesen Worten den Landmann befremdet an, und dieser entgegnete gleichgültig: Meine Frau mag beten, wenn sie Lust dazu hat,“ und auf die Frage, ob seine Kinder denn nicht beteten, gab er dieselbe Antwort. „Wohlan,“ sprach darum der Geistliche nach einigem Sinnen und indem er den geistig Erstorbenen mitleidig anblickte, „ich sehe also, dass Sie gar nicht beten, und ich biete Ihnen hier eine halbe Krone an für das Versprechen, dass Sie dies niemals in Ihrem Leben tun wollen.“ „Wohlan, darauf will ich eingehen, denn ich wüsste gar nicht, was mir zu teil werden sollte, um mich zum Beten zu bringen.“ Hierbei nahm der innerlich Erstorbene die halbe Krone und ging heim. Doch war er noch nicht zu Hause angekommen, als ihn plötzlich der Gedanke erfasste, was er mit jenem Versprechen begangen habe. Es war ihm, als ob er eine Stimme vernähme, die mahnend rief: „John, was hast du gemacht? Bald wirst du sterben und dann wirst du nötig haben zu beten, bald wirst du vor dem Richter stehen, und da wird es ein übles Ding sein, wenn du nicht gebetet hast.“ Die Gedanken drängten sich immer mehr, und der sonst so gleichgültige Mann fühlte sich immer unbehaglicher. Je mehr er kann, je elender wurde er, bis seine Frau in ihn drang, ihr den Grund seiner Missstimmung zu offenbaren. Er sträubte sich zuerst dies zu tun, doch ging es zuletzt nicht anders, und so gestand er, er habe für eine halbe Krone das Versprechen gegeben, niemals zu beten, und dieses Versprechen laste jetzt schwer auf seinem Gemüte.
Es war dem armen Manne, als ob er den Teufel leibhaftig gesehen hätte, und als er dies seiner Frau sagte, da meinte sie: „Ei, John, das ist auch ganz gewiss, dass es der Teufel war, den du gesehen hast, und nun hast du ihm deine Seele für eine halbe Krone verkauft.“ Mehrere Tage konnte der geängstigte Mann jetzt nicht arbeiten, denn die Überzeugung, dass er sich dem Teufel verkauft habe, raubte ihm alle Kraft. Indessen, der Prediger wusste sehr gut, was er zu tun hatte, und da sich in der Nähe eine Scheune befand, so schickte er sich an, in derselben einen Gottesdienst zu halten, weil er wohl annahm, dass der Landmann dann auch kommen würde, um die Predigt zu hören. Er hatte sich nicht geirrt, und der Erwartete hörte nun zu seinem größten Erstaunen, wie derselbe Mann, der ihm die halbe Krone gegeben hatte, mit deutlicher Stimme den Text verlas: „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Da sprang der Landmann auf und aus gepresstem Herzen klang der Ruf: „Herr, nehmt sie! Nehmt sie zurück!“ Und der Prediger entgegnete gelassen: „Was soll ich zurück nehmen? Du sagtest ja, du brauchtest nicht zu beten, und die halbe Krone könntest du ganz gut gebrauchen.“ „Aber, Herr, ich muss jetzt beten, und wenn Sie nicht für mich beten, so bin ich verloren.“ Bald war die halbe Krone in des Predigers Hand, und der Landmann lag auf seinen Knien, um zu Gott zu schreien. Die merkwürdige Begebenheit wurde das Mittel zur Rettung seiner Seele, und bald war er ein neuer Mensch.