Spurgeon, Charles Haddon - Das 2. Wort: Errettung
Der andere Übeltäter sprach: „Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ und Jesus sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“
Luk. 23,24f.
Die Errettung des Verbrechers am Kreuz ist ein stehendes Beispiel dafür, wie Christus retten kann und wie sehr er bereit ist, alle anzunehmen, die zu ihm kommen, gleich in welcher Lage sie sich befinden. Ich kann diesen Akt der Gnade nicht für einen einmaligen Vorfall halten, so wenig wie die Errettung des Zachäus, die Wiederannahme des Petrus oder die Berufung des Saulus. Jede Bekehrung ist in gewissem Sinne einmalig; nicht zwei gleichen einander genau, und doch ist jede Bekehrung vorbildlich für wieder andere. Die Bekehrung des Schächers am Kreuz gleicht der unsrigen mehr, als sie sich von ihr unterscheidet. Man kann sie eher für typisch ansehen als für einen einmaligen, nicht wiederholbaren Vorfall.
Beachte, dass unser Herr Jesus sich auf dem Tiefpunkt seines Lebens befand, als er den Übeltäter errettete. Schon in Gethsemane, vor Kaiphas, Herodes und Pilatus, war sein Ruhm fast verebbt, aber nun hatte er den niedrigsten Stand erreicht. Seiner Kleider beraubt, mit Nägeln ans Kreuz geschlagen, wurde unser Herr verspottet von einer respektlosen Menge, hing er da im Todeskampf. Da galt von ihm: „Er ist unter die Übeltäter gerechnet“ (Mk. 15,28; vgl. Jes. 53,12). Er war zum Abschaum der Menschheit geworden. Dennoch und ausgerechnet in dieser Lage vollbrachte er die erstaunliche Tat der Gnade. Schau dir dieses Wunder an, das der Heiland zuwege brachte, beraubt all seiner Herrlichkeit und an der Schwelle des Todes da hängend als ein Schauspiel der Schande! Um so gewisser ist es, dass er jetzt große Wunder tun kann, nachdem er in seine Herrlichkeit zurückgekehrt ist und auf dem Thron des Lichtes sitzt. „Daher kann er auch auf ewig selig machen, die durch ihn zu Gott kommen; denn er lebt immerdar und bittet für sie“ (Heb. 7,25). Wenn ein sterbender Heiland einen Verbrecher retten konnte, dann darf ich annehmen, dass er jetzt noch Größeres tun kann, wo er lebt und regiert. Alle Gewalt ist ihm gegeben im Himmel und auf Erden - kann es etwas geben, das die Kraft seiner Gnade übersteigt?
Es ist nicht nur die Schwäche unseres Herrn, die die Errettung des bußfertigen Mörders so bemerkenswert machte, sondern vielmehr die Tatsache, dass der sterbende Übeltäter es mit eigenen Augen sah. Kannst du dich an seine Stelle versetzen und dir vorstellen, wie du deine Blicke auf den Einen heftest, der im Todeskampf am Kreuz hängt? Wäre es dir unter diesen Umständen möglich zu glauben, dass er der Herr der Herrlichkeit ist, der demnächst sein Reich einnimmt? Ein Glaube, der Jesus in einem solchen Moment für den Herrn und König halten konnte, war kein geringer Glaube. Wenn der Apostel Paulus hier wäre und dem elften Kapitel des Hebräer - Briefes ein weiteres hinzufügen wollte, dann würde er die Liste der Beispiele für bemerkenswerten Glauben sicherlich mit diesem Verbrecher beginnen, der an einen gekreuzigten, verspotteten und sterbenden Christus glaubte und ihn um Hilfe bat, in der Voraussicht, dass er seine Herrschaft bald antreten würde. Der Glaube des Verbrechers am Kreuz war umso erstaunlicher, als derselbe große Schmerzen erlitt und den nahen Tod vor Augen hatte. Es ist nicht leicht, Vertrauen zu bewahren, wenn Todesangst uns quält. Gelegentlich erlebten wir es selbst, dass körperliche Schmerzen unser Denken verdunkelten. Wenn wir akuten Schmerzen unterworfen sind, fällt es uns schwer, den Glauben zu beweisen, den wir sonst zu haben meinen. Doch dieser Mann am Kreuz glaubte an das ewige Leben, obwohl er litt und sah, in welch erbärmlichem Zustand der Heiland war. Darin zeigte sich ein Glaube, wie man ihn selten erlebt.
Denke daran, dass unser Herr von Spöttern umgeben war. Es ist leicht, mit dem Strom zu schwimmen, aber schwer, dagegen anzugehen. Der Verbrecher am Kreuz hörte mit an, wie die Priester in ihrem Hochmut den Herrn verlachten, und sah, wie die Volksmenge bereitwillig mit einstimmte. Sein Gefährte, der neben ihm am Kreuz hing, ließ sich vom Geist dieser Stunde anstecken und höhnte ebenfalls, und vielleicht tat unser Freund zunächst nichts anderes. Aber durch die Gnade Gottes wurde er verwandelt. Im Rachen des Todes und der Verachtung glaubte er an den Herrn Jesus. Sein Glaube hing nicht von den Umständen ab; er, der sterbende Verbrecher, machte sein Vertrauen fest. Wie ein hochaufragender Fels im tosenden Wasser bezeugte er die Unschuld des Christus, den andere verlästerten. Sein Glaube ist es wert, dass wir ihn nachahmen. Der Verbrecher konnte kein Glied frei bewegen außer seiner Zunge. Er gebrauchte dieses Glied mit Bedacht, um seinen Gefährten zurechtzuweisen und seinen Herrn zu verteidigen. Im Glauben brachte er es zu einem tapferen Zeugnis und kühnen Bekenntnis. Mir geht es jetzt nicht darum, den Verbrecher oder seinen Glauben zu loben; ich möchte die Herrlichkeit der göttlichen Gnade herausstellen, die dem Verbrecher solchen Glauben gab und ihn aus freien Stücken errettete. Mir liegt daran zu zeigen, wie herrlich der Heiland ist, der für alle Zeiten errettet; der einen solchen Menschen in einem solchen Augenblick retten, ihm einen solchen Glauben geben und ihn vollkommen und ohne Verzug vorbereiten konnte für das ewige Heil. Schau dir die Kraft des Geistes Gottes an, der aus einem so ungeeigneten Boden und bei einem so unzuträglichen Klima einen solchen Glauben hervorbringen kann!
Wir wollen uns dem eigentlichen Anliegen unserer Predigt zuwenden: Gib Acht auf den Mann, der der letzte Gefährte unseres Herrn auf Erden war; denke daran, dass dieser Mann auch der erste Gefährte unseres Herrn am Tor zum Paradiese war; höre, was unser Herr uns mit dieser Tat der Gnade sagen will.
Der Verbrecher am Kreuz war der letzte Gefährte unseres Herrn auf Erden
Was für eine armselige Begleitung suchte sich unser Herr auf Erden! Er wählte nicht die Gemeinschaft der frommen Pharisäer oder der klugen Sadduzäer, er war bekannt als der „Freund der Zöllner und Sünder“. Wie froh macht mich das! Das gibt mir die Gewissheit, dass er auch mir seine Gemeinschaft nicht verweigern wird. Wenn der Herr Jesus mich zu seinem Freunde macht, dann bringt ihm das sicherlich keine Anerkennung ein. Glaubst du, dass sein Prestige zunimmt, wenn er dich zu seinem Freund macht? Hat er jemals Vorteile durch uns gehabt? Nein, wenn Jesus sich nicht sehr tief herabgebeugt hätte, wäre er niemals zu mir gelangt, und wenn er sich nicht nach einem unwürdigen Menschen umgeschaut hätte, wäre er dir wohl nie begegnet. Denn das ist es, was du empfindest. Du bist dankbar dafür, dass er gekommen ist, „zu rufen die Sünder zur Buße und nicht die Gerechten“(Luk. 5,32). Als der große Arzt hielt sich unser Herr viel bei Kranken auf. Er ging dorthin, wo er die Möglichkeit hatte, zu heilen. Die Gesunden brauchen keinen Arzt; sie wissen ihn nicht zu schätzen und können ihm keine Gelegenheit zur Ausübung seiner Kunst geben. Darum hielt sich unser Herr nicht häufig in den Häusern Gesunder auf. Doch der Herr war wohlberaten, als er dich und mich errettete, denn wir boten ihm unermesslichen Raum für sein Erbarmen und seine Gnade. Bei uns fand seine Liebe genügend Platz, um in der schrecklichen Leere unserer Bedürftigkeit und Sünden sein Werk zu tun; und darin tat er große Dinge für uns. Darüber sind wir froh.
Damit keiner verzweifelt und sagt: „Ich verdiene keinen einzigen Blick!“ möchte ich darauf hinweisen, dass der letzte Gefährte Christi auf Erden ein Sünder war, und zwar kein gewöhnlicher. Er hatte die Gesetze der Menschen gebrochen; er war ein Räuber. Manche halten ihn für einen Aufrührer, und ich nehme an, dass er tatsächlich so etwas gewesen ist. Die Rebellen damals verbanden Mord und Raub miteinander. Wahrscheinlich war er ein Freibeuter gewesen, der die Waffen gegen die römische Regierung erhob und Rebellion zum Vorwand für Mord und Plünderei nahm. Schließlich nahm man ihn fest und verurteilte ihn vor einem römischen Gericht zum Tode, das im Allgemeinen gerecht war, bestimmt in diesem Fall. Denn der Rebell gab selber zu, dass man ihn zu Recht verurteilte. Dieser Mann also, der am Kreuze hing und glaubte, war ein überführter Verbrecher, der, nachdem er in der Todeszelle gelegen hatte, nun für seine Verbrechen hingerichtet wurde. Der Mensch, dem sich unser Herr zuletzt auf Erden beigesellte, war ein vom Gesetz überführter Missetäter. Wie sehr liebte der Herr die schuldigen Menschen! Wie sehr beugte er sich zu dem Allergeringsten herab!
An diesen unwürdigen Menschen richtete der Herr der Herrlichkeit unübertreffliche Worte der Gnade, bevor er aus dem Leben schied; wundervolle Worte, die nicht überboten werden können, selbst wenn du die ganze Schrift durchforschst: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein!“ Ich nehme nicht an, dass einer der Leser rechtsgültig verurteilt ist oder unter Anklage steht, weil er sich gegen Recht und Sitte vergangen hat. Wenn es doch der Fall sein sollte, so möchte ich ihn hiermit einladen, Vergebung und Erneuerung des Herzens bei unserem Herrn Jesus Christus zu suchen. Du darfst zu ihm kommen, wer du auch bist. Der Verbrecher am Kreuz tat es. Er hatte größte Schuld auf sich geladen und gab es zu. Er machte keine Ausflüchte; er suchte kein Mäntelchen, um seine Sünde damit zu verbergen. Er befand sich in der Hand der Gerechtigkeit; ihn erwartete der Tod, und doch glaubte er an Jesus, schickte er ein demütiges Gebet zu ihm hinüber und wurde auf der Stelle gerettet. Wie damals, so auch heute! Jesus rettet noch andere Menschen dieses Typs. Darum lass es mich ganz deutlich machen, damit niemand sich versieht: Keiner ist ausgeschlossen von der grenzenlosen Barmherzigkeit Christi; die Größe der Schuld spielt keine Rolle. Wenn du an Jesus glaubst, wird er dich retten.
Der Mann am Kreuz war nicht nur ein Sünder, er war ein Mensch, der sich dessen eben erst bewusst wurde. Ich nehme an, dass er vorher niemals ernstlich an den Herrn Jesus gedacht hatte. Nach den Berichten der anderen Evangelisten scheint er mit seinen Gefährten den Herrn verspottet zu haben. Falls er selber keine Schmähworte gebrauchte, war er doch so sehr damit einverstanden, dass der Evangelist ihm nicht unrecht tut, wenn er berichtet: „Desgleichen schmähten ihn auch die Mörder, die mit ihm gekreuzigt waren “(Mat. 27,44). Doch nun, urplötzlich, wacht er auf zu der Überzeugung, dass der Mensch, der neben ihm auf den Tod wartet, mehr ist als ein Mensch. Er liest die Tafel über dem Haupt des andern und glaubt, dass es stimmt: „Dies ist der Juden König“ (Luk 23,38). Vertrauensvoll wendet er sich an den Messias, den er eben erst entdeckt hat, und liefert sich ihm völlig aus. Lieber Leser, begreifst du jetzt, dass man in demselben Augenblick, wo man in Jesus den Christus Gottes erkennt, getrost sein Vertrauen auf ihn setzen und gerettet werden kann?
Ein Prediger, dessen Verkündigung theologisch nicht eindeutig war, fragte: „Glaubst du, nachdem du fünfzig Jahre lang in Sünden gelebt hast, wirklich, dass du im Augenblick gereinigt werden kannst durch das Blut Jesu?“ Meine Antwort lautet: „Jawohl, wir glauben fest daran, dass die schwärzeste Seele in einem einzigen Augenblick weiß gemacht werden kann durch das kostbare Blut Jesu. Wir glauben, dass die Sünden von sechzig oder siebzig Jahren in einem Bruchteil der Zeit vergeben werden können; dass unsere alte Natur, die immer mehr verdarb, in einem winzigen Augenblick ihre Todeswunde empfangen kann, während ewiges Leben in unsere Seele eingepflanzt wird.“ So war es auch mit dem Verbrecher am Kreuz. Er war an das Ende seiner Möglichkeiten gelangt. Doch plötzlich erwachte er zu der unerschütterlichen Gewissheit, dass der Messias an seiner Seite war; im Glauben schaute er ihn an und lebte.
Darum, meine Brüder, wenn ihr niemals eine religiöse Überzeugung hattet, wenn ihr bis zu diesem Augenblick ein gottloses Leben lebtet, ihr könnt doch auf der Stelle gerettet werden, wenn ihr glaubt, dass Gottes lieber Sohn in diese Welt gekommen ist, um Menschen von der Sünde zu erlösen; wenn ihr ehrlich eure Sünden bekennt und ihm Vertrauen schenkt. Während ihr diese Zeilen lest, kann der Eine und Herrliche, der zum Himmel aufgefahren ist und unbegrenzte Macht hat, die Tat der Gnade tun.
Ich möchte es ganz klar machen: Der Mann, der Christi letzter Gefährte auf Erden war, war ein ganz erbärmlicher Sünder. Seine Sünden hatten ihn eingeholt, nun empfing er den Lohn für seine Taten. Immer wieder begegne ich Menschen, denen es ebenso geht: Sie lebten bisher zügellos, ausschweifend und in den Tag hinein. Nun beginnen sie zu spüren, wie die Feuerflammen des Gerichts ihrem Körper zusetzen. Sie haben bereits die Hölle auf Erden, den Vorgeschmack des ewigen Gerichts. Gewissensbisse peinigen sie wie Schlangenbisse, und ihr Puls jagt wie im Fieber. Sie finden keine Ruhe; Tag und Nacht ängstigen und quälen sie sich. Die Sünde hat sie eingeholt und gestellt; sie spüren den festen Griff, der sie überführt. Der Mann am Kreuz befand sich in einer schrecklichen Lage; mit ihm war es zum Äußersten gekommen; er hatte nicht mehr lange zu leben; die Kreuzigung musste zum Tode führen; nicht mehr lange, so würde man ihm die Beine brechen, um seiner kümmerlichen Existenz ein Ende zu bereiten.
Der Ärmste! Er hatte nur noch wenige Augenblicke zu leben - den kleinen Zeitraum zwischen Nachmittag und Sonnenuntergang. Aber es war Zeit genug für den Heiland, der Macht hat, jederzeit zu erretten. Manche von uns werden befürchten, dass der eine oder andere seine Entscheidung für Christus aufschiebt, wenn wir dies allzu sehr betonen. Ich kann es nicht ändern, wenn törichte Menschen leichtfertig mit der Wahrheit umspringen. Ich will trotzdem feststellen: Wenn du in diesem Augenblick mit dem Tode ringst, glaube an den Herrn Jesus Christus, und du wirst gerettet werden. Selbst für den Fall, dass du plötzlich tot umfallen solltest, wenn du jetzt an den Herrn Jesus Christus glaubst, wirst du gerettet werden. Jetzt, auf der Stelle! Während du auf Jesus blickst und ihm vertraust, wird er dir ein neues Herz und einen neuen Geist geben und deine Sünden auslöschen. Das ist die Herrlichkeit und der Ruhm der Gnade Christi. Wie sehr wünsche ich, dass ich sie recht verkündigen kann! Zuletzt sah man unseren Herrn in der Gemeinschaft eines überführten Verbrechers. An ihn richtete er die gütigsten Worte. Kommt doch, die ihr schuldig geworden seid, er wird euch in Gnaden annehmen!
Noch einmal: Der Mann, den Christus zuletzt noch errettete, konnte keine guten Werke mehr tun. Wäre die Errettung davon abhängig gewesen, so hätte ihn nichts mehr retten können; mit Händen und Füßen war er gebunden an den Todespfahl. Es war zu spät für eine gute Tat. Er konnte gerade noch ein oder zwei gute Worte hervorbringen; das war alles. Er konnte keine Tat mehr tun. Wäre die Rettung abhängig gewesen von einem tätigen und nützlichen Leben, so wäre er niemals gerettet worden. Außerdem war er ein Sünder, der sich keiner langen Buße unterziehen konnte; denn er hatte ja nur noch kurze Zeit zu leben. Er konnte sich keiner bitteren Reue über Monate und Jahre mehr hingeben, denn seine Zeit war bemessen nach kurzen Augenblicken; er stand bereits am Rande des Grabes. Sein Ende war ihm schrecklich nahe, und doch konnte der Heiland ihn retten. Christus rettete ihn so vollkommen, dass er mit ihm im Paradiese war, bevor die Sonne unterging.
Dieser Sünder, den ich dir mit düsteren Farben vor Augen gemalt habe, glaubte an Jesus und bekannte seinen Glauben. Er vertraute dem Herrn ohne Einschränkung. Jesus war ein Mensch, und der Räuber rief ihn als Menschen an, aber er wusste zugleich, dass er der Herr war, und er redete ihn darum an: „Herr, gedenke an mich!“ Er hatte so großes Vertrauen zu Jesus, dass er nur den einen Wunsch hatte, Jesus möge an ihn denken und sich seiner erinnern, sobald er in sein Königreich käme. Meine lieben Leser, das ist ja die Not vieler von euch, dass ihr zwar alles mögliche über den Herrn wisst und ihm doch nicht vertraut. Vertrauen bedeutet Rettung! Schon vor Jahren wart ihr bereit, Jesus euer Vertrauen zu schenken, und jetzt seid ihr immer noch nicht so weit. Der Verbrecher zögerte keinen Augenblick. Er ergriff. die einzige Hoffnung, die sich ihm bot. Er behielt die Erkenntnis, dass der Mann neben ihm der Messias sei, nicht für sich wie einen trockenen, toten Glauben, sondern verwandelte sie in Vertrauen und Gebet: „(Herr) Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ Dass doch mit Hilfe seiner unerschöpflichen Gnade viele von euch in diesem Augenblick dem Herrn ihr Vertrauen schenkten! Du wirst gerettet werden, ich weiß es. Wenn du nicht gerettet wirst, obwohl du vertraut hast, dann muss auch ich alle Hoffnung aufgeben. Dies ist alles, was wir taten: Wir schauten und wir lebten. Wir leben weiter, weil wir auf den lebendigen Heiland schauen. Schau doch auf Jesus, sobald du dir deiner Sünden bewusst wirst; vertraue ihm und finde Worte des Vertrauens! Weil er der Herr ist zur Ehre Gottes des Vaters, musst und wirst du gerettet werden.
Weil der Ärmste am Kreuz einen rettenden Glauben hatte, konnte er auch das demütige, aber zutreffende Gebet sprechen: „(Herr) Jesus, gedenke an mich!“ Das scheint keine große Bitte zu sein. Aber so, wie er sie verstand, waren darin alle Wünsche seines geängsteten Herzens beschlossen. Als er an das Reich Gottes dachte, gewann er so klare Vorstellungen von der Herrlichkeit des Retters, dass er spürte: Wenn der Herr nur an mich denken wollte, so würde ich in Ewigkeit gerettet sein! Joseph bat den Oberbäcker im Gefängnis, er möge seiner gedenken, wenn er wieder in Amt und Würden war; aber der Bäcker vergaß ihn. Unser Herr dagegen vergisst niemals einen Sünder, der ihn aus dem finstersten Verlies um Hilfe anrief. Selbst in seinem Königreich erinnerte er sich des Stöhnens und Ächzens der Sünder, die unter der Last ihrer Sünden seufzen. Möchtest du nicht jetzt beten und dir einen Platz im Gedächtnis des Herrn Jesus sicheren?
Ich habe versucht, diesen Mann zu beschreiben. Wenn ich mir auch Mühe gegeben habe, so erreiche ich doch mein Ziel nicht, wenn es mir nicht gelingt, dir die Augen dafür zu öffnen, dass du dich in diesem Verbrecher wiedererkennst. Vor allem dann, wenn du ein großer Sünder warst, ein Rechtsbrecher und Beleidiger, und wenn du dich zeitlebens nicht um die ewigen Dinge gekümmert hast, gleichst du dem Übeltäter am Kreuz. Und doch darfst gerade du tun, was jener tat: glauben, dass Jesus der Christus ist. Lege deine Seele in seine Hände! Er wird dich so sicher und so gewiss erretten, wie er jenen Verbrecher am Kreuz errettete. Jesus spricht dir gnädig zu: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Joh 6,37). Wer du auch seist, wenn du zu ihm kommst und ihm vertraust, wird er dich auf keinen Fall und unter keinen Umständen von sich weisen. Verstehst du das? Fühlst du, dass es dir gilt und dass du ewiges Leben erlangst, wenn du zu ihm kommst? Wie froh bin ich, wenn du die Wahrheit so weit erfasst hast!
Nur wenige Menschen haben so viel Kontakt mit verzweifelnden und mutlosen Menschen wie ich. Ständig schreiben Leute an mich, die völlig am Boden liegen. Ich weiß nicht recht warum. Ich bin nicht besonders begabt zu trösten, aber ich stelle mich gerne auf die Trostsuchenden ein, und sie scheinen es zu wissen. Wie froh bin ich, wenn ich miterleben kann, wie ein verzweifelter Mensch Frieden findet! Wie sehr wünsche ich, dass jeder von euch, der verzweifelt ist, weil er keine Vergebung erlangt, zu meinem Herrn kommt, ihm vertraut und still wird! Hat Jesus nicht gesagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken“ (Mat 11,28)? Komm nur, versuche es, und alles wird gut sein!
Dieser Mensch war der erste Gefährte unseres Herrn an der Pforte des Paradieses
Ich habe nicht die Absicht, darüber zu spekulieren, wohin unser Herr ging, als er den Leib verließ. Nach bestimmten Schriftstellen scheint er in die unteren Orte der Erde hinabgestiegen zu sein, um alles zu erfüllen. Aber er durchquerte den Bereich des Todes sehr rasch. Wie wir wissen, starb er etwa eine oder zwei Stunden vor dem Verbrecher zu seiner Rechten. Während dieser kurzen Zeitspanne zuckte der Blitz der ewigen Herrlichkeit durch die Finsternis der Unterwelt und leuchtete genau in dem Augenblick vor dem Paradiese auf, als der Verbrecher, dem Vergebung geschenkt war, die ewige Welt betrat. Wer ist es, der das Perlentor im gleichen Augenblick betritt wie der König der Herrlichkeit? Wer ist dieser Lieblingsgefährte des Erlösers? Ist es ein hochgepriesener Märtyrer? Oder ein glaubensstarker Apostel? Handelt es sich um einen Patriarchen wie Abraham oder um einen König wie David? Nein, um keinen von diesen! Der gemeinsam mit dem König der Herrlichkeit durchs Tor des Paradieses schreitet, ist ein Verbrecher, der, schon im Bereich des Todes, gerettet wurde. Seine Errettung war keine Kleinigkeit. Seine Aufnahme in die Seligkeit war glänzend. Wahrhaftig, die Letzten werden die Ersten sein!
An diesem Punkt möchte ich dich darauf aufmerksam machen, wie sehr sich unser Herr bei seiner Wahl herabließ. Der Begleiter des Herrn der Herrlichkeit, dem der Cherub mit dem Flammenschwert den Weg ins Paradies freigibt, ist kein berühmter Mann, sondern ein jungbekehrter Übeltäter. Warum das? Ich glaube, der Heiland nahm ausgerechnet ihn mit sich, um anzuzeigen, was er vorhatte. Mir scheint, er wollte den himmlischen Mächten ankündigen: „Ich bringe einen Sünder mit, er ist ein Beispiel für alle übrigen.“
Hast du schon einmal die Geschichte von dem Mann gehört, der sich im Traum draußen vor dem Tor des Himmels befand und sah, wie eine Gruppe ehrwürdiger Menschen sich unter den Klängen festlicher Musik auf dem Weg zur Verherrlichung befand? Sie durchschritten das Himmelsportal, und dort empfingen sie lauter Jubel und Hochrufe. Auf seine Frage: „Wer sind diese?“ wurde ihm bedeutet, es handele sich um die frommen Begleiter der Propheten. Da seufzte der Träumende: „O weh! Ich gehöre nicht zu ihnen.“ Er wartete eine Weile, und eine andere Gruppe leuchtender Gestalten näherte sich, die ebenfalls unter lauten Halleluja - Rufen den Himmel betrat. Als der Mann vor dem Tor fragte: „Wer sind diese, woher kommen sie?“, lautete die Antwort: „Das sind die ruhmreichen Begleiter der Apostel.“ Wieder seufzte er und sagte: „Ich kann mich ihnen nicht anschließen. „Dann kam eine neue Gruppe von Menschen in weißen Kleidern, die Palmen in ihren Händen trugen und unter großem Beifall in die goldene Stadt einzogen. Der Mann erfuhr nun, dass es sich um die edle Schar der Märtyrer handelte. Wiederum weinte und klagte: „Ich kann mich ihnen nicht anschließen.“ Schließlich hörte er lautes Stimmengewirr. Er sah eine große Menge Menschen herannahen, und darunter entdeckte er Rahab und Maria Magdalena, David und Petrus, Manasse und Saul von Tarsus - und vor allem den Verbrecher, der zur rechten Hand Jesu am Kreuz gestorben war. Diese alle betraten nun die Himmelspforte - eine seltsam bunte Schar! Eifrig erkundigte sich der Mann: „Wer sind diese?“ Man antwortete ihm: „Das ist die große Schar der Sünder, die aus Gnaden gerettet wurden.“ da wurde er über die Maßen froh und rief aus: „Ihnen darf ich mich anschließen.“ Immerhin, er glaubte nicht, dass Hochrufe sie empfangen würden und dass sie den Himmel unter Gesang betreten dürften. Statt dessen erhob sich ein siebenfaches Halleluja zum Preise des Herrn der Liebe. Denn es herrscht „Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut“ (Luk 15,10).
Ich lade jeden ein, der keine Möglichkeit hat, Christus zu dienen oder für ihn zu leiden, trotzdem heranzutreten mit den anderen gläubigen Sündern; Jesus öffnet uns die Tür.
Beachte, wie gesegnet der Ort ist, zu dem der Herr die Bußfertigen ruft. Jesus sprach zu ihm: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Paradies bedeutet Garten, ein wunderschöner Garten voller Wohlgerüche. Der Garten Eden ist ein Vorbild für den Himmel. Wir wissen, dass hier mit dem Paradies der Himmel gemeint ist. Der Apostel Paulus spricht einmal von einem Menschen, der ins Paradies entrückt wurde, und bezeichnet es kurz vorher als den dritten Himmel (vgl. 2. Kor. 12,4.2). Unser Heiland nahm den sterbenden Verbrecher mit sich in das Paradies unerschöpflicher Köstlichkeiten. Das ist der Ort, wohin er alle Sünder, die an ihn glauben, führen möchte. Wenn wir ihm vertrauen, werden wir einmal mit ihm im Paradiese sein.
Die nächste Aussage ist noch köstlicher. Was ist das für eine erlauchte Gesellschaft, in die dieser Sünder eingeführt wird! „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Falls der Herr gesagt hätte: „Heute wirst du bei mir sein“, hätte es keines weiteren Wortes bedurft; denn wo der Herr ist, da ist für uns Himmel. Er fügte das Wort „Paradies“ hinzu, weil niemand sich denken konnte, wohin er ging. Denke daran, du verunstaltete Seele, du sollst für alle Zeiten bei dem wohnen, der der Inbegriff aller Schönheit ist. Du Armer und Bedürftiger, du sollst bei ihm sein in seiner Herrlichkeit, in seiner Seligkeit, in seiner Vollkommenheit. Wo er ist und wie er ist, sollst du sein. Der Herr sieht deine Tränen und ruft dir Zu: „Sünder, du sollst eines Tages bei mir sein.“ Ich denke, du wirst Antworten: „Herr, das ist zu viel Seligkeit für einen Sünder wie mich.“ Er aber antwortet: „Ich habe dich je und je geliebt; darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte“ (Jer 31,3).
Der Text legt Wert auf das Tempo dieses Vorgangs. „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Heute! Du sollst nicht endlose Zeiten im Fegefeuer verbringen oder jahrelang in der Vorhölle schlummern; du wirst sofort bereit sein für die Seligkeit, du sollst sogleich an ihrer Freude teilhaben. Der Sünder lag vor dem Tor der Hölle, aber die allmächtige Gnade hob ihn auf, und der Herr sprach: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Was für ein Wechsel vom Kreuz zur Krone, von der Angst und Pein Golgathas zur Herrlichkeit des neuen Jerusalems! In diesen wenigen Stunden wurde der Bettler aus dem Straßenkot unter die Prinzen versetzt. „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Kannst du eine so totale Verwandlung begreifen: Vom Ekel erregenden, schuldbeladenen Sünder, der sich in der Mittagssonne quälte, zu einem begnadigten Sünder im Paradiese Gottes, bekleidet mit einem fleckenlosen, weißen Gewand und angenommen im Namen des geliebten Sohnes, als die Sonne unterging? Herrlicher Retter, welche Wunder vollbringst du! Wie rasch tust du solches!
Ferner achte auf die majestätische Größe der Gnade des Herrn in unserem Abschnitt. Der Heiland sagte zu seinem Gefährten: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Unser Herr begründet die Rettung dieses Übeltäters mit seinem eigenen Willen. „Ich sage!“ Es ist der, der ein Recht hat, so zu sprechen. Es ist der, der Erbarmen und Mitleid hat, mit wem er will. Wie ein König spricht er: „Wahrlich, ich sage dir.“ Sind das nicht königliche Worte? Der Herr ist ein König, dessen Worte etwas gelten. Keiner kann ihm widersprechen. Er, der die Schlüssel der Hölle und des Todes in der Hand hält, spricht: „Ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Wer wird sich der Erfüllung seines Wortes widersetzen können?
Achte auf die Gewissheit der Zusage. Er sagt: „Wahrlich.“ Unser hochgelobter Herr nahm in diesem Augenblick, als er sein Angesicht unter Schmerzen dem Bekehrten zuwandte, wieder die majestätische Art an, für die er bekannt war. Er pflegte seine Reden und Predigten mit einem „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir“ einzuleiten, und nun, da er starb, gebrauchte er wiederum die von ihm bevorzugte Redewendung und sprach: „Wahrlich.“ Unser Herr tat keinen Schwur, seine stärkste Zusage lautete: „Wahrlich, wahrlich.“ Um dem Bußfertigen völlige Gewissheit zu verschaffen, spricht Er: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ Damit hatte der Verbrecher am Kreuz die absolute und nicht wegzudiskutierende Versicherung, dass er, obwohl er sterben musste, dennoch leben und sich selbst wiederfinden würde im Paradies bei seinem Herrn.
Ich habe dir gezeigt, wie unser Herr das Perlentor in der Gemeinschaft dessen durchschritt, für den er sich selber verpfändet hatte. Warum sollten nicht auch du und ich, wenn unsere Zeit gekommen ist, das Perlentor passieren, angetan mit Christi Verdienst, gewaschen in Jesu Blut, geborgen in des Herrn Allmacht? Eines Tages werden Engel auch von uns sagen: „Wer ist die, die heraufsteigt von der Wüste und lehnt sich auf ihren Freund?“ (Hoh. 8,5). Die Engel in ihrem Glanz werden erstaunt sein, wenn sie uns kommen sehen. Wenn du bis zu diesem Augenblick ein Leben der Sünde geführt hast und nun bereust und zum Himmel eingehst, wie wird man dann in allen goldenen Gassen staunen, dass du überhaupt gekommen bist! In der alten Kirche der ersten Jahrhunderte geschah es, dass ein gewisser Marcus Gaius Victorinus sich bekehrte. Weil er in Sünden alt geworden war, glaubten der Gemeindeleiter und die Gemeinde nicht an die Echtheit der Umkehr. Doch der alte Mann stellte praktisch unter Beweis, dass er durch Gottes Gnade ein neuer Mensch geworden war. Da freute sich die Gemeinde, und manch einer rief: „Victorinus ist ein Christ geworden!“ Dass doch auch einige von euch großen Sündern gerettet würden! Wie sehr würden wir uns darüber freuen. Warum auch nicht? Würde dadurch nicht Gott verherrlicht? Die Errettung des überführten Straßenräubers am Kreuz machte die Gnade des Herrn bis auf den heutigen Tag berühmt. Würde das in deinem Fall nicht auch so sein? Würden die Heiligen nicht rufen: „Halleluja, Halleluja!“, wenn sie hören, dass einige unter euch sich von der Finsternis zum wunderbaren Licht bekehrt haben? Glaube an Jesu, so geschiehts!
Was uns der Herr damit sagen möchte
Der Teufel will uns eine kleine Predigt halten. Er will die Kanzel besteigen und zu dir reden, aber es darf ihm nicht erlaubt werden. Hinweg, du Betrüger! Doch sollte es mich nicht wundern, wenn er nicht nach dem Gottesdienst einige von euch dazu brächte, seinen Einflüsterungen Gehör zu schenken: „Du siehst also, du kannst noch im allerletzten Augenblick gerettet werden. Wozu jetzt schon Reue und Glauben; dir kann ja noch auf dem Totenbett vergeben werden!“ Meine Damen und Herren, Sie wissen, wer Sie mit diesem Vorschlag vernichten möchte. Wehren Sie diese betrügerische Lehre ab! Seien Sie nicht undankbar, denn Gott ist gütig! Fordern Sie den Herrn nicht heraus, denn er ist geduldig! Solch ein Verhalten wäre würdelos und undankbar. Bruder, geh doch kein solches Risiko ein, bloß weil es einem gelang, im letzten Augenblick dem schrecklichen Verderben zu entrinnen. Der Herr nimmt alle an, die bereuen. Aber wie willst du wissen, dass du einmal bereust? Es stimmt, dass ein Verbrecher in letzter Minute gerettet wurde, aber der andere an seiner Seite ging verloren! Einer wurde gerettet; für uns bedeutet das Hoffnung. Der andere ging verloren; wir dürfen uns keinen falschen Hoffnungen hingeben. Ich vertraue darauf, dass du nicht so teuflisch bist, in der Sünde zu verharren unter Berufung auf die Gnade Gottes. Falls doch, so kann ich nur feststellen, dass dich das Todesurteil zu Recht treffen wird. Du wirst es selber verschuldet haben.
Achte nun auf das, was unser Herr zu sagen hat; schau auf die Herrlichkeit Christi in der Errettung. Im allerletzten Augenblick ist er zu retten bereit. Er will schon seine Augen im Tode schließen, sein Fuß tritt bereits auf die Schwelle des Vaterhauses, da kommt dieser arme Sünder daher, ein letzter später Besuch in elfter Stunde: der Heiland lächelt und erklärt, dass er das Haus des Vaters nicht ohne den verspäteten Besucher betreten wird. Unmittelbar vor der Tür lässt er wissen, dass diese suchende Seele mit ihm eintreten soll. Dabei hatte der Wanderer Zeit gehabt, früher zu kommen. Nicht wahr, wie leicht geht es uns über die Lippen, wenn wir im Begriff sind fortzugehen und überraschend Besuch bekommen: „Sie haben bis zum letzten Augenblick gewartet, ich bin gerade dabei fortzugehen, ich kann mich Ihnen leider nicht mehr widmen. „Unser Herr litt bereits unter Todesschmerzen, und doch schenkt er dem sterbenden Verbrecher seine Aufmerksamkeit und erlaubt ihm, in seiner Gemeinschaft durch das Himmelsportal einzutreten. Jesus rettet diejenigen mühelos, für die er unter Qualen starb! Jesus möchte Sünder davor bewahren, in die Grube zu fahren. Du wirst sehr froh sein, wenn du gerettet bist, aber du wirst nicht halb so froh sein wie er, wenn er dich gerettet hat. Sieh doch, wie gütig er ist!
Er naht sich uns voller Güte, mit Tränen in den Augen, mit Erbarmen in seinen Händen, mit Liebe in seinem Herzen. Traue es ihm zu, dass er ein großartiger Erretter großer Sünder ist. Ich hörte von einem Mann, der viel Barmherzigkeit erfahren hatte und nun überall erklärte: „Er ist ein großer Sündenvergeber!“ Ich möchte, dass du dasselbe sagen kannst. Du wirst feststellen, dass deine Übertretungen hinweggenommen und deine Sünden ein für allemal vergeben sind, wenn du ihm jetzt vertraust.
Das nächste, was uns Christus mit dieser wunderbaren Begebenheit lehren will, ist der Glaube, der sich fest an ihn anlehnen darf. Der Verbrecher am Kreuz glaubte zunächst, dass Jesus der Christus sei. Daraufhin eignete er sich diesen Christus an. Er sagte: “(Herr) Jesus, gedenke an mich.“ Jesus hätte antworten können: „Was habe ich mit dir zu schaffen, und was gehe ich dich an? Was hat ein Dieb zu tun mit dem Vollkommenen? „Viele von euch, liebe Leute, wollen einen möglichst großen Abstand von Irrenden und Strauchelnden halten. Sie könnten ja eure Unschuld verderben!
Die bürgerliche Gesellschaft verlangt, dass wir nichts zu tun haben mit Gesetzesübertretern. Wir dürfen auf keinen Fall in ihrer Gemeinschaft gesehen werden, sonst leidet unser Ansehen darunter. Was für ein Unsinn! Gibt es denn überhaupt etwas, was Sünder wie uns in Misskredit bringen könnte? Wenn wir uns wirklich und vor Gott kennen, dann sind wir unwürdig genug. Kann es jemand geben, der schlimmer ist als wir selbst, wenn wir uns erst einmal im unbestechlichen Spiegel des Wortes gesehen haben? Sobald ein Mensch glaubt, dass Jesus der Christus ist, lass ihn sich an ihn klammern. Wenn du glaubst, dass Jesus der Erretter ist, so halte dich an ihm fest.
Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, nannte Augustinus den Verbrecher zur Rechten Christi am Kreuz einen Räuber, der zu preisen und zu bewundern ist, da er es wagte, den Retter für sich in Anspruch zu nehmen. Darin ist er vorbildlich. Nimm den Herrn für dich an, und du hast ihn. Jesus ist das gemeinsame Eigentum aller Sünder, die den Mut haben, ihn für sich in Anspruch zu nehmen. Jeder Sünder, der dazu bereit ist, kann den Herrn mit sich nach Hause nehmen. Er kam in diese Welt hinein, um Sünder zu erretten. Bemächtige dich seiner, wie Räuber ihre Beute ergreifen. Denn das Himmelreich erleidet Gewalt durch den Glauben, der etwas wagt (vgl. Matthäus 11,12). Nimm ihn, und er wird dich niemals verlassen. Wenn du ihm vertraust, muss er dich auch retten.
Achte darauf, wie der Glaube sich sofort kräftig auswirkt: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ In dem Augenblick, wo der Verbrecher zur Rechten Christi glaubte, bestätigte Christus auch schon seinen Glauben und versprach ihm seine immerwährende Gemeinschaft in der Herrlichkeit. Liebes Herz, wenn du glaubst, dann wirst du noch in diesem Augenblick gerettet werden. Gott gebe es, dass du durch seine reiche Gnade gerettet wirst, jetzt, auf der Stelle, hier!
Das nächste, worauf wir achten, ist die Nähe der Ewigkeit. Denke einen Augenblick nach. Himmel und Hölle sind nicht fern. Du kannst im Himmel sein, bevor deine Uhr zum nächsten Mal tickt - so nah ist er. Könnten wir doch den Vorhang ein wenig heben, der uns von der unsichtbaren Welt trennt! Wie nah ist uns die jenseitige Welt! „Heute“, sagte der Herr - spätestens in drei Stunden - „wirst du mit mir im Paradiese sein.“ So nah! Ein Staatsmann prägte den Ausdruck „in messbarem Abstand“ oder wie wir sagen würden: in Reichweite. Wir alle sind in Reichweite, in messbarem Abstand von Himmel und Hölle. Falls es Schwierigkeiten machen sollte, den Abstand zu messen, so wegen seiner Kürze und nicht wegen seiner Länge!
Dass wir doch solche Dinge nicht auf die leichte Schulter nähmen, weil sie uns abwegig erscheinen. Wir sollten sie ernst nehmen, weil sie so überaus aktuell sind! In diesem Augenblick können wir den Realitäten von Himmel und Hölle begegnen. Es ist in unserer großen Gemeinde schon häufig vorgekommen, dass einer der Gottesdienstbesucher starb, bevor es wieder Sonntag war. Das kann auch in dieser Woche geschehen. Denke daran und stelle dich den ewigen Dingen, die so nahe sind.
Wisse ferner, du bist für den Himmel bereit, wenn du an Jesus glaubst. Vielleicht sollst du noch zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre auf Erden leben, um Christus zu verherrlichen. Dann sei dankbar dafür. Solltest du auch die nächste Stunde nicht mehr überleben, so ändert das nichts daran, dass der, der an den Sohn Gottes glaubt, in den Himmel eingeht. Falls der Glaube nicht genügt, um uns bereit zu machen für die Ewigkeit, hätte Gott den Mörder am Kreuz noch eine Weile länger auf Erden behalten. Aber nein, am Morgen des Hinrichtungstages befand er sich im Zustand des natürlichen Menschen, der verlorengeht, am Nachmittag ging er ein in den Stand der Gnade, und als die Sonne unterging, war er schon in der Herrlichkeit! Die Frage lautet niemals, ob Gott eine Bekehrung auf dem Totenbett anerkennt, falls sie aufrichtig ist; die Frage muss lauten: Ist sie aufrichtig? Ist das der Fall, so mag der Mensch fünf Minuten nach dem ersten Akt des Glaubens sterben, und er ist ebenso gerettet, als ob er dem Herrn fünfzig Jahre gedient hätte. Ist dein Glaube echt, so kannst du einen Moment, nachdem du an Christus gläubig geworden bist, sterben, und du wirst zum Paradies zugelassen; selbst dann, wenn es dir nicht vergönnt war, gute Werke zu tun oder andere Beweise der Gnade zu erbringen. Er, der in den Herzen zu lesen versteht, kann auch deinen Glauben lesen, der auf die fleischerne Tafel des Herzens geschrieben ist; er wird dich um Jesu Christi willen annehmen, auch wenn das menschliche Auge keinen Akt der Gnade wahrnimmt.
Ich schließe und wiederhole noch einmal: Dies ist kein Ausnahmefall! Mit dieser Feststellung begann ich, mit ihr möchte ich schließen. So mancher halbherzige Evangeliumsverkündiger hat eine schreckliche Angst davor, die freie Gnade allzusehr zu betonen. Ich las einmal, und ich meine, es stimmt, dass einige Prediger das Evangelium verkündigen, wie Esel Disteln essen, nämlich sehr, sehr vorsichtig. Ich dagegen will es kühn und geradeheraus verkündigen. Ich habe absolut keine Bedenken in dieser Hinsicht. Wenn einer von euch die Verkündigung der freien Gnade missbraucht, dann kann ich ihm nicht helfen. Wer verlorengehen will, kann sich ebenso gut durch Verdrehung des Evangeliums zugrunde richten als durch irgend etwas anderes. Ich kann nicht voraussehen, was niederträchtige Herzen alles erfinden können. Meine Aufgabe ist es, das Evangelium in der Fülle seiner Gnaden herauszustellen, und das tue ich auch.
Wenn der Verbrecher zur Rechten Christi ein Ausnahmefall gewesen wäre und wenn unser Herr nur dieses eine Mal so gehandelt hätte, wäre darauf ausdrücklich hingewiesen worden. Gott hätte diese Ausnahme von allen Regeln mit einem Zaun versehen. Hätte der Heiland dann dem sterbenden Verbrecher nicht leise zugeflüstert: „Du bist der Einzige, dem ich solches tue?“
Wenn ich jemand eine besondere Gunst erweisen will, muss ich ihm sagen: „Sprich nicht darüber!“, oder ich kann mich vor Bittstellern nicht retten. Falls der Heiland in diesem einen Fall eine Ausnahme hätte machen wollen, hätte er bestimmt geflüstert: „Lass es niemand wissen, aber heute noch sollst du mit mir in meinem Königreich sein.“ Doch im Gegenteil, unser Herr sprach ganz offen, und alle Menschen um ihn herum hörten, was er sagte. Außerdem wird es im Evangelium berichtet.
Handelte es sich um eine Ausnahme, so würde Gottes Wort es nicht berichten. Niemand wird über sein Vorhaben in der Zeitung berichten, wenn er befürchtet, dass die Notiz Erwartungen wecken könnte, die er doch nicht befriedigen kann. Der Heiland ließ über dieses Wunder in der Zeitung des Evangeliums berichten, weil er die Absicht hat, es täglich zu wiederholen. Das Beispiel soll gelten, darum macht er alle darauf aufmerksam. Er kann den Elendesten retten, denn er rettete den sterbenden Verbrecher am Kreuz. Dieser Fall würde gar nicht erst hervorgehoben werden, wenn damit Hoffnungen geweckt werden könnten, die er doch nicht erfüllen kann. Alles, was vor Zeiten niedergeschrieben wurde, ist geschrieben, damit wir daraus lernen, und nicht, damit wir enttäuscht werden. Darum bitte ich euch, sofern ihr dem Herrn Jesus noch kein Vertrauen geschenkt habt, kommt doch und vertraut ihm jetzt. Schenkt ihm euer ganzes Vertrauen! Vertraut nur ihm, vertraut ihm jetzt sofort!