Spurgeon, Charles Haddon - Der große Geburtstag.
Gehalten am Sonntagmorgen, den 24. Dezember 1876.
„Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht; siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.„
Luk. 2,10.
Es ist kein Grund in der Welt außer dem der kirchlichen Sitte, weshalb der 25. Dezember als der Geburtstag unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi betrachtet werden sollte, mehr als irgend ein anderer Tag vom 1. Januar bis zum letzten Tage des Jahres, und doch beobachten einige Leute Weihnachten mit viel tieferer Ehrfurcht als den Sonntag. Ihr hört oft die Behauptung: „Die Bibel und die Bibel allein ist die Religion der Protestanten“, aber es ist nicht so. Es gibt Protestanten, die sehr Vieles neben der Bibel in ihre Religion hineingezogen haben, und unter Anderem haben sie die Autorität von dem, was sie „die Kirche“ nennen, angenommen und durch diese Tür sind alle Arten von Aberglauben eingedrungen. Es ist keinerlei Autorität in dem Wort Gottes für die Feier des Weihnachtfestes überhaupt, und kein Grund dafür, es gerade jetzt zu feiern, als dass der abergläubigste Teil der Christenheit es zur Regel gemacht hat, der 25. Dezember solle als der Geburtstag des Herrn gefeiert werden, und die Kirche, welche durch das Gesetz in diesem Land errichtet ist, ist darin übereingekommen, derselben Spur zu folgen. Wir sind unter keinerlei Verpflichtung, dieser Anordnung zu folgen. Wir sind den kirchlichen Gewalten, die einen Beschluss in dieser Sache gefasst haben, keinen Gehorsam schuldig, denn wir gehören zu einer altmodischen Kirche, die nicht wagt, Gesetze zu machen, sondern zufrieden ist, ihnen zu gehorchen. Indessen ist der Tag nicht schlechter, als ein anderer, und wenn ihrs vorzieht, ihn zu feiern und ihn dem Herrn zu feiern, so zweifle ich nicht, er wird eure Feier annehmen; während, wenn ihr nicht feiert um des Herrn willen, aus Furcht, Aberglaube und eigenwilligen Gottesdienst zu fördern, so zweifle ich nicht, ihr werdet ebenso in dem Nichtfeiern als im Feiern desselben angenommen werden. Doch, da die Gedanken vieler Christen in dieser Zeit sich auf die Geburt Christi richten werden, und dies nicht unrecht sein kann, so hielt ich es für passend, dass wir uns dem allgemeinen Strom anschließen und in dieser Richtung der Gedanken hinunter gleiten. Unser Denken wird diesen Weg nehmen, weil so viele um uns her Gebräuche mitmachen, die daran erinnern, deshalb lasst uns uns diese Gelegenheit zu Nutze machen, so gut wir können. Es kann keine Ursache geben, warum wir nicht die Geburt unseres Herrn Jesu betrachten sollten, und es mag uns dienlich sein, wenn wir es tun. Wir wollen freiwillig tun, was wir uns weigern würden, als eine Pflicht zu tun; wir wollen tun einfach, weil es uns passt, was uns nicht einfallen würde zu tun, weil es von einer Autorität befohlen oder vom Aberglauben verlangt würde.
Die Hirten hüteten ihre Herden des Nachts; wahrscheinlich eine ruhige, friedliche Nacht, worin sie es wie gewöhnlich schwer fanden, ihre müden Augenlider offen zu halten, wenn der Schlaf seinen Zoll von ihnen verlangte. Plötzlich erleuchtete zu ihrem Erstaunen ein großes Licht die Himmel und wandelte Mitternacht in Mittag. Die Klarheit des Herrn, womit nach der eigentümlichen Mundart des Neuen Testaments die größte denkbare Klarheit sowohl als eine göttliche Klarheit gemeint ist, umgab und erschreckte sie, in der Mitte derselben sahen sie einen glänzenden Geist, eine Gestalt, wie sie nie zuvor ihres Gleichen geschaut, aber von der sie ihre Väter hatten sprechen hören und von welcher sie in den Büchern der Propheten gelesen, so dass sie wussten, es sei ein Engel. Es war in der Tat kein gewöhnlicher Bote vom Himmel, sondern „der Engel des Herrn,“ jener auserwählte Engel der Gegenwart Gottes, dessen Vorrecht es ist, der göttlichen Majestät am nächsten zu stehen, „unter den Glänzenden doppelt glänzend,“ und mit den wichtigsten Botschaften von dem himmlischen Thron beauftragt zu werden. „Der Engel des Herrn trat zu ihnen.“ Wundert ihr euch, dass sie zuerst sich fürchteten? Würdet ihr nicht erschrecken, wenn euch so etwas geschähe? Die Stille der Nacht, das Plötzliche des Anblickes, der außergewöhnliche Glanz des Lichtes, die übernatürliche Erscheinung des Engels - alles musste sie in Staunen setzen, dass sie in ehrfurchtsvollem Schauer erbebten; denn ich zweifle nicht, es war eine Mischung von Ehrfurcht und Furcht in dem Gefühl, was mit den Worten beschrieben ist: „und sie fürchteten sich sehr.“ Sie wären auf ihr Angesicht zur Erde gefallen, wäre nicht aus dieser „Klarheit des Herrn“ heraus eine sanfte Stimme ertönt, die sprach: „Fürchtet euch nicht.“ Sie wurden durch diesen süßen Trost beruhigt, und fähig, die Ankündigung zu vernehmen, welche folgte. Dann fuhr diese Stimme in Tönen, lieblich wie die einer silbernen Glocke, fort zu sprechen: „Sieh, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird! Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ Ihnen ward geheißen, alle furchtsamen Gedanken abzuschütteln und sich der Freude zu überlassen. Ohne Zweifel taten sie dies, und unter allen Menschen waren keine so froh in jener Mitternacht, wie diese Hirten, die einen wunderbaren Anblick gehabt, den sie nimmer vergessen konnten, und nun sich berieten, ob sie nicht hinweg eilen sollten, um etwas zu schauen, was noch wonnevoller sei, nämlich das Kindlein, von dem die Engel gesprochen.
Möge große Freude auch bei uns sein, während wir darüber nachdenken wollen, dass die Geburt Christi die Ursache hoher Freude ist. Wenn wir davon geredet haben, wollen wir fragen, wem diese Freude gehört; und drittens wollen wir betrachten, wie die, welche in dieser Freude stehen, sie ausdrücken sollen. Möge der Heilige Geist nun den Herrn Jesum uns offenbaren und uns bereiten, uns in ihm zu freuen.
1. Die Geburt Christi sollte der Gegenstand hoher Freude sein.
Mit Recht so. Die Engel selber freuten sich, dass Christus geboren war. Es ist eine Wahrheit, so voll von Freude, dass sie den Engel, der sie anzukündigen kam, mit Freude erfüllte. Er hatte wenig mit der Tatsache zu tun, denn Christus nahm nicht die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams nahm er an sich; aber ich glaube, der bloße Gedanke, dass der Schöpfer mit dem Geschöpfe verkettet ward, dass der große Unsichtbare und Allmächtige sich vereinigte mit dem, was er selbst geschaffen, ließ den Engel, als einen Erschaffenen, fühlen, dass alles Erschaffene erhöht sei und dies machte ihn froh. Außerdem war ein liebliches Wohlwollen in des Engels Busen, das ihn glücklich machte, weil er solche frohe Botschaft den gefallenen Menschenkindern zu bringen hatte. Obgleich sie nicht unsere Brüder sind, so nehmen doch die Engel liebevollen Anteil an allen unseren Angelegenheiten. Sie freuen sich über uns, wenn wir Buße tun, sie sind dienstbare Geister, wenn wir errettet sind, und sie tragen uns hinauf, wenn wir abscheiden; und wir sind gewiss, dass sie niemals unwillige Diener ihres Herrn sein werden oder lästige Helfer derer, die er lieb hat. Sie sind Freunde des Bräutigams und freuen sich über eine Freude; sie sind Diener in dem Haushalt der Liebe und dienen uns mit fleißigem Eifer, der die zärtliche Liebe bekundet, die sie für des Königs Kinder hegen. Deshalb brachte der Engel fröhlich seine Botschaft, wie es sich ziemte für den Ort, von dem er kam, für die Veranlassung, die ihn hinabführte und seine eigene Teilnahme daran. Er sprach: „ich verkündige euch große Freude,“ und wir sind überzeugt, dass er im Ton des Entzückens redete. Ja, so froh waren die Engel über dieses Evangelium, dass als die Predigt vorbei war, der eine Engel als Evangelist das Evangelium des Tages angekündigt hatte, plötzlich eine Schar Chorsänger erschien und einen lauten, lieblichen Chorgesang sang, damit ein voller Gottesdienst bei der großen Verkündigung der frohen Botschaft großer Freude sei. Eine Menge der himmlischen Heerscharen hatte gehört, dass ein erwählter Bote gesandt sei, den neugeborenen König zu verkünden und, von heiliger Freude und Anbetung erfüllt, spannten sie alle ihre Kräfte an, um ihm zu folgen, denn sie konnten ihn nicht mit solch einer Botschaft allein auf die Erde gehen lassen. Sie holten ihn ein, gerade als er das letzte Wort seiner Rede gesprochen und da brachen sie in jenen denkwürdigen Lobgesang aus, den einzigen von Engeln gesungenen, der je von menschlichen Ohren hienieden gehört ward. „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ So, sage ich, hatten sie vollständigen Gottesdienst; da war evangelisches Predigtamt in einer reichen Predigt über Christum und da war herzliches und andächtiges Lob von einer Menge, die ganz voll himmlischer Freude war. Es war eine so frohe Botschaft, dass sie dieselbe nicht nur von einer einzelnen Stimme sprechen lassen konnten, ob es gleich eines Engels Stimme war, sondern sie mussten einen frohen Lobgesang anstimmen und dem Herrn ein neues Lied singen. Brüder, wenn die Geburt Jesu so freudenreich für unsere Vettern, die Engel, war, was sollte sie für uns sein? Wenn sie unsere Nachbarn singen machte, die einen verhältnismäßig so kleinen Anteil daran hatten, sollte sie uns nicht vor Freuden hüpfen machen? O, wenn sie den Himmel auf die Erbe niederbrachte, sollte nicht unser Gesang auf zum Himmel gehen? Wenn des Himmels Perlentor weit offen stand und ein Strom der lichten Geister herabkam zu den niederen Himmeln, ein Vorbild der Zeit, wenn sie alle in großer Pracht herabsteigen sollen bei der herrlichen Zukunft des großen Königs; wenn sie den Himmel leer machte auf eine Weile, um die Erde froh zu machen, sollte nicht unser Danken und Preisen und all' unser Lieben hinauf zu dem ewigen Tor strömen, und die Erde auf eine Weile verlassen, dass wir den Himmel mit den Gesängen sterblicher Menschen füllen möchten? Ja, wahrlich, so lasst es sein.
„Lobt Gott, ihr Christen, allzugleich,
Vor seiner Gnade Thron,
Er schleußt uns auf das Himmelreich
Und schenkt uns seinen Sohn.“
Denn zuerst, die Geburt Christi war die Menschwerdung Gottes: es war Gott, der die menschliche Natur annahm - ein Geheimnis, ein wunderbares Geheimnis, das mehr geglaubt, als erklärt werden soll. Doch so war es, dass in der Krippe ein Kind lag, das zugleich unendlich war, ein schwaches Knäblein, das zugleich der Schöpfer Himmels und der Erden war. Wie dies sein konnte, wissen wir nicht, aber dass es so war, glauben wir fest und freuen uns darin; denn wenn Gott die menschliche Natur an sich nimmt, dann ist die Mehrheit nicht verlassen und als hoffnungslos aufgegeben. Als der Mensch die Bande des Bundes gebrochen und von dem Einen vorenthaltenem Baum die verbotene Frucht gepflückt, da hätte Gott sagen können: „Ich gebe dich auf, Adam, und verwerfe dein Geschlecht. Wie ich Luzifer und sein ganzes Heer aufgab, so lasse ich dich dahin fahren, um dem selbsterwählten Weg der Empörung zu folgen!“ Aber wir haben keine Furcht, dass der Herr dies getan habe, denn Gott hat sich mit der Menschheit vermählt und sie in die Einheit mit ihm selber aufgenommen. Nun ist die Menschheit nicht als etwas ganz unter dem Fluch Liegendes bei Seite geworfen, um Ihm auf immer ein Gräuel zu sein, denn Jesus, der Sohn Gottes, ist von einer Jungfrau geboren. Gott würde die Menschheit nicht so in Vereinigung mit sich selber hineinziehen, wenn er nicht gesprochen hätte: „Verdirb es nicht, denn es ist ein Segen darin.“ Ich weiß, der Fluch ist auf die Menschen gefallen, weil sie gesündigt haben, aber augenscheinlich nicht auf die Menschheit in abstracto, sonst wäre Christus nicht gekommen, die Gestalt eines Menschen anzunehmen und vom Weibe geboren zu werden. Das fleischgewordene Wort bedeutet Hoffnung für die Menschheit trotz ihres Falles. Das ganze Geschlecht soll nicht geächtet, mit dem Brandmal des Todes und der Hölle bezeichnet und gänzlich dem Verderben anheim gegeben werden, denn siehe, der Herr hat sich diesem Geschlecht vermählt und der Sohn Gottes ist der Menschensohn geworden. Dies ist genug, alles, was in uns ist, vor Freude singen zu machen.
Dann ferner, wenn Gott sich mit der Menschheit vereinigt hat, so liebt er den Menschen und will das Wohl des Menschen. Seht, welch eine Liebe hat Gott uns erzeigt, dass er sich mit unserer Natur verbunden hat! Denn Gott hat sich nie vorher mit irgend einem Erschaffenen so vereinigt. Seine milde Barmherzigkeit war über all' seinen Werken gewesen, aber sie waren doch so von ihm selber unterschieden, dass eine große Kluft befestigt war zwischen dem Schöpfer und den Geschöpfen, soweit es Dasein und Verwandtschaft betraf. Der Herr hatte manche hohe Geister, Fürstentümer und Gewalten geschaffen, von denen wir wenig wissen; wir wissen nicht einmal, was jene vier lebendigen Geschöpfe sein mögen, die am nächsten um den Ewigen stehen; aber Gott hat niemals die Natur eines von ihnen angenommen, noch sich mit ihnen durch eine wirkliche Vereinigung mit seiner Person verbunden. Aber, siehe, er hat sich mit dem Menschen verbunden, jenem Geschöpf, das ein wenig niedriger als die Engel ist, jenem Geschöpf, das um der Sünde willen den Tod leidet; Gott hat sich mit dem Menschen vereinigt und deshalb liebt er ihn sicher ganz unaussprechlich und hat große Gedanken des Guten über ihn. Wenn eines Königs Sohn eine Rebellin heiratet, dann sind für dieses rebellische Geschlecht Aussichten da auf Versöhnung, Vergebung und Wiederannahme. Es müssen in dem großen Herzen der Gottheit wunderbare Gedanken des Mitleids und der herablassenden Liebe sein, wenn er die menschliche Natur würdigt, sie in Einheit mit ihm selber aufzunehmen. Freude, Freude auf ewig, lasst uns die lauten Cymbeln der Wonne ertönen lassen, denn die Menschwerdung bedeutet Gutes für unser Geschlecht! Wenn Gott sich mit der Menschheit vereinigt, dann wird Gott für den Menschen fühlen, er wird Mitleid mit ihm haben, er wird daran gedenken, dass er Staub ist, er wird Erbarmen mit seinen Schwachheiten und Krankheiten haben. Ihr wisst, Geliebte, wie sehr es sich so verhält, denn derselbe Jesus, der von einem Weib zu Bethlehem geboren ward, hat Mitleiden mit unserer Schwachheit, weil er versucht ist allenthalben gleich wie wir. Solches vertrauliche, wirkliche Mitgefühl hätte unserem Hohenpriester nicht eigen sein können, wenn er nicht Mensch geworden wäre. Nicht einmal dadurch, dass er göttlich ist, hätte er so vollkommene Teilnahme für uns zu haben vermocht, wenn er nicht auch Bein von unserem Bein und Fleisch von unserem Fleisch geworden wäre. Der Herzog unserer Seligkeit konnte nur durch Leiden vollkommen gemacht werden; es war notwendig, dass „nachdem die Kinder Fleisch und Blut haben,“ er dessen gleichermaßen teilhaftig ward. Hierfür können wiederum die Silberglocken ertönen lassen, dass der Sohn nun tiefes Mitgefühl mit dem Menschen hat, weil er in allen Dingen seinen Brüdern gleich gemacht ist.
Ferner, es ist klar, dass wenn Gott sich herablässt, so innig mit der Menschheit verbunden zu sein, er beabsichtigt, den Menschen zu erlösen und ihn zu segnen. Die Menschwerdung weissagt die Errettung. O, gläubige Seele, dein Gott kann nicht meinen, dich zu verfluchen. Blick auf den menschgewordenen Gott! Was liest du da anders als Heil? Gott im menschlichen Fleisch muss bedeuten, dass Gott beabsichtigt, den Menschen über alle Werte seiner Hand zu setzen und ihm die Herrschaft zu geben, wie es seine ursprüngliche Absicht war, über „Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Tiere; die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und was im Meer geht;“ ja, es muss bedeuten, dass ein Mensch kommen soll, unter dessen Füße alle Dinge getan werden sollen, so dass der Tod selber ihm unterworfen ist. Wenn Gott sich zum Menschen herabbeugt, so muss das bedeuten, dass der Mensch zu Gott erhoben werden soll. Welche Freude ist hierin! O, dass unsere Herzen die Menschwerdung nur halb wenigstens fühlten! O, dass wir den tausendsten Teil der unaussprechlichen Wonne kennten, die in diesem Gedanken verborgen liegt, dass der Sohn Gottes als Mensch zu Bethlehem geboren ward! So seht ihr, dass überfließende Ursache zur Freude in der Geburt Christi liegt, weil sie die Menschwerdung der Gottheit war.
Weiter aber, der Engel gab uns die Ursache zur Freude an, indem er sagte: dass der, welcher geboren war, uns ein Heiland wäre. „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Brüder und Schwestern, ich weiß, wer heute am frohesten sein wird bei dem Gedanken, dass Christus als Heiland geboren ward. Es werden diejenigen sein, die sich am meisten ihrer Sündhaftigkeit bewusst sind. Wenn ihr Musik aus dieser Harfe mit zehn Saiten, dem Wort „Heiland“ haben wollt, so gebt sie einem Sünder. „Heiland“ ist die Harfe, aber „Sünder“ ist der Finger, der die Saiten rühren und die Töne herauslocken muss. Wenn du dich als verloren von Natur, sowohl als durch dein Handeln, erkennst, wenn du die Sünde wie eine Plage an deinem Herzen fühlst, wenn das Böse dich müde und matt macht, wenn du die Last und die Schande der Missetaten gekannt hast, dann wird es die Seligkeit sein, von dem Heiland zu hören, den der Herr versehen hat. Selbst als ein Kindlein wird Jesus, der Heiland, dir köstlich erscheinen, aber am allermeisten, weil er jetzt das ganze Werk deines Heils vollendet hat. Du wirst auf den Anfang dieses Werkes schauen und es dann bis zu seinem Schluss überblicken und den Namen des Herrn preisen und erhöhen. Euch, und ihr, die ihr die Vornehmsten unter den Sündern seid, selbst euch, die ihr euch der Schuld bewusst seid, ist ein Heiland geboren. Er ist ein Heiland durch seine Geburt; zu diesem Zweck ist er geboren. Sünder selig zu machen, ist sein Geburtsrecht und Amt. Es ist fortan eine Anordnung der göttlichen Regierung und ein Amt der göttlichen Natur, die Verlorenen selig zu machen. Fortan hat Gott „die Hilfe auf Einen gelegt, der nötig ist und Einen, der aus dem Volk erwählt ist, erhöht,“ dass er suche und selig mache, was verloren ist. Ist hierin nicht Freude? Wo sonst ist Freude, wenn nicht hier?
Danach sagt der Engel uns, dass dieser Heiland Christus der Herr ist, und es ist viel Freude in dieser Tatsache. Christus bedeutet „gesalbt.“ Nun, wenn wir wissen, dass der Herr Jesus Christus kam, um selig zu machen, so ist es sehr gut, auch wahrzunehmen, dass der Vater ihn nicht ohne die nötige Befähigung seine Aufgabe beginnen lässt. Er ist von dem Höchsten gesalbt, damit er die Ämter verwalte, die er übernommen; der Geist Gottes ruhte auf ihm ohne Maß. Unser Herr ist einer dreifachen Eigenschaft gesalbt, als Prophet, Priester und König. Es ist mit Recht bemerkt, dass diese Salbung in ihrer dreifachen Kraft niemals auf einem andern Menschen ruhte. Es hat königliche Propheten gegeben, David z. B.; es war ein königlicher Priester: Melchisedek; und es hat auch priesterliche Propheten gegeben, wie Samuel. So ist es geschehen, dass zwei der Ämter in Einem Mann vereinigt gewesen, aber alle drei, - Prophet, Priester, König, trafen nie in einem dreimal Gesalbten zusammen, bis Jesus kam. Wir haben die völligste Salbung, die sich denken lässt, bei Christo, der „gesalbt ist mit Freudenöl, mehr denn seine Gesellen“ und ist als der Messias, der Gesandte Gottes, vollkommen bereitet und befähigt für das Werk unserer Errettung. Lasst unsere Herzen fröhlich sein. Wir haben nicht einen Heiland, bloß dem Namen nach, sondern einen völlig ausgerüsteten Heiland; einen, der uns in allen Dingen gleich ist, denn er ist Mensch, aber in allen Dingen fähig, der Schwachheit zu helfen, die er angenommen hat, denn er ist der gesalbte Mensch. Seht, was für eine innige Vermischung des Göttlichen und des Menschlichen in dem Gesang der Engel sich findet. Sie singen von ihm als einem „Heiland“ und ein Heiland muss notwendigerweise göttlich sein, um von Tod und Hölle zu retten; und doch ist der Name von dem hergenommen, was er an den Menschen tut. Dann singen sie von ihm als „Christus,“ und das muss menschlich sein, denn nur ein Mensch kann gesalbt sein, doch diese Salbung kommt von der Gottheit. Blast die Jubelposaunen für diesen wunderbaren Gesalbten, und freut euch in ihm, der euer Priester ist, euch zu reinigen, euer Prophet, euch zu unterweisen und euer König, euch zu befreien. Die Engel sangen von ihm als von dem „Herrn“, und doch als geboren; so ist hier wieder das Göttliche in der Herrschaft vereint mit dem Menschlichen in der Geburt. Wie gut stimmen die Worte und der Sinn überein.
Der Engel ging dann weiter und gab diesen Hirten Grund zur Freude, indem er ihnen sagte, dass, obwohl ihr Heiland geboren wäre, um der Herr zu sein, er doch in solcher Niedrigkeit geboren wäre, dass sie ihn als Kindlein, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend, finden würden. Ist hier Ursache zur Freude? Ich sage, ja, in der Tat, denn es ist der Schrecken der Gottheit, der die Sünder oft von der Versöhnung zurückhält; aber seht, wie die Gottheit sich gnädig in einem Kindlein verborgen hat, ein kleines Kindlein, ein Kindchen, das in Windeln gewickelt werden musste, wie jedes andere neugeborene Kind. Wer fürchtet sich, ihm zu nahen? Wer hörte je von Zittern in der Gegenwart eines Kindleins? Dennoch ist die Gottheit da. Meine Seele, wenn du vor lauter Entsetzen nicht stehen kannst an dem „gläsernen Meer, mit Feuer gemengt,“ wenn die göttliche Herrlichkeit dir wie ein verzehrendes Feuer ist, und die heilige Majestät des Himmels dich ganz und gar überwältigt, dann komme zu diesem Kindlein und sprich: „Doch ist Gott hier und hier kann ich ihm nahen in der Person seines lieben Sohnes, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt.“ O, welche Seligkeit ist in der Menschwerdung, wenn wir bedenken, dass Gottes Allmacht darin zu des Menschen Schwäche herunter kommt, und die unendliche Majestät sich zu der menschlichen Gebrechlichkeit niederbeugt.
Nun merkt, die Hirten sollten dieses Kindlein nicht in Tyrischen Purpur1) gewickelt finden oder in Windeln von dem feinsten Stoff aus fernen Landen.
„Nicht Perlen, Gold und Edelstein,
Nicht Kronen zier'n die Stirne dein.“
Ebenso wenig sollten sie ihn in den Marmorhallen der Fürsten entdecken, bewacht von Prätorianern oder bedient von Herrschern, als seinen Vasallen, sondern sie sollten ihn als das Kind eines Bürgerweibes finden, von fürstlicher Abkunft zwar, aber von einer Familie, deren Stamm vertrocknet und vergessen war. Das Kind ward für den Sohn eines Zimmermanns gehalten. Wenn ihr auf die niederen Eltern geblickt und auf das armselige Bett, das sie aufgemacht hatten, wo früher die Ochsen gefüttert waren, so hättet ihr gesagt: „Dies ist wahrlich Herablassung!“ O, ihr Armen, seid froh, denn Jesus ist in Armut geboren und in einer Krippe gewiegt. O, ihr Söhne der harten Arbeit, freut euch, denn der Heiland ist von einer niedrigen Jungfrau geboren und ein Zimmermann ist sein Pflegevater. O, du oft verachtetes und niedergetretenes Volk, der Fürst der Demokratie ist geboren, Einer, der aus dem Volk erwählt ist, ist auf den Thron erhöht. O ihr, die ihr euch die Aristokratie nennt, seht hier den Fürsten der Könige auf Erden, dessen Herkunft göttlich ist, und doch ist kein Raum für ihn in der Herberge. Schaut, O Menschen, den Sohn Gottes, der Bein von eurem Bein ist, bekannt mit all' euren Leiden, der im späteren Leben hungerte, wie ihr hungert, müde war, wie ihr müde seid, und geringe Kleider trug, wie eure eigenen; ja, der schlimmere Armut litt, als ihr, denn er hatte nicht, da er sein Haupt hinlegte. Lasst Himmel und Erde froh sein, dass Gott so völlig, so wahrhaft zum Menschen herniedergekommen ist.
Dies ist aber nicht alles. Der Engel rief zur Freude auf, und ich fordere auch dazu auf aus diesem Grund, dass die Geburt dieses Kindes Gott in der Höhe Ehre bringen sollte, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Die Geburt Christi hatte Gott solche Ehre gegeben, wie er sie, meine ich, durch nichts Anderes hier hätte haben können. Wir müssen immer in sanften und leisen Tönen reden, wenn wir von Gottes Ehre sprechen; in sich selber muss sie immer unendlich sein und nicht für uns begreifbar, und doch, dürfen wir nicht wagen zu sagen, dass alle Werke der Hände Gottes ihm nicht solche Ehre bringen, als die Gaben seines lieben Sohnes, dass alle Schöpfung und Vorsehung nicht so sehr das Herz der Gottheit entfaltet, als wenn er seinen Eingeborenen gibt und ihn in die Welt sendet, dass die Menschen durch ihn leben mögen? Welche Weisheit tut sich kund in dem Erlösungsplan, dessen Mittelpunkt der menschgewordene Gott ist! Welche Liebe ist da geoffenbart! Welche Macht ist das, die den Göttlichen hinunter von der Herrlichkeit in die Krippe brachte, nur die Allmacht konnte ein so großes Wunder wirken! Welche Treue gegen alte Verheißungen! Welche Wahrhaftigkeit im Halten des Bundes! Welche Gnade und doch welche Gerechtigkeit! Denn es war in der Person dieses neugeborenen Kindes, dass das Gesetz erfüllt werden sollte und an seinem teuren Leib musste die Rache Genugtuung haben für die Beleidigungen, die der göttlichen Gerechtigkeit angetan waren. Alle Eigenschaften Gottes waren in diesem kleinen Kind höchst wunderbar entfaltet und verhüllt. Denkt euch die ganze Sonne in einem einzigen Brennpunkt gesammelt und doch so sanft strahlend, dass das schwächste Auge sie ertragen kann, so ist der glorreiche Gott herabgekommen, dass der Mensch ihn als einen vom Weib Geborenen sieht. Denkt daran. Das Ebenbild Gottes in sterblichem Fleisch! Der Erbe aller Dinge in einer Krippe gewiegt! Wunderbar ist dies! Ehre sei Gott in der Höhe! Er hat sich zuvor offenbart, wie er sich jetzt in Jesu enthüllt!
Dadurch, dass Jesus geboren ist, ist schon ein gewisses Maß Frieden auf Erden und grenzenloser Friede soll noch kommen. Schon sind die Zähne des Krieges etwas abgebrochen und Zeugnis wird abgelegt von den Treuen gegen dieses große Verbrechen. Die Religion Christi hebt ihren Schild über die Bedrückten auf und erklärt Tyrannei und Grausamkeit für einen Gräuel vor Gott. Wieviel Schimpf und Hohn auch auf einen wahren Prediger Christi gehäuft werden mag, er wird nie schweigen, so lange niedergetretene Nationalitäten und Rassen sein Fürwort nötig haben, auch werden Gottesdiener nirgends, wenn sie den Friedensfürsten treu sind, aufhören, den Frieden unter den Menschen zu erhalten bis zum Äußersten ihres Vermögens. Der Tag kommt, wo dies wachsende Zeugnis den Sieg davon tragen wird und die Völker den Krieg nicht mehr lernen werden. Der Friedensfürst wird den Speer des Krieges entzwei brechen. Er, der Herr über Alles, wird die Pfeile des Bogens brechen, Schild und Speer und Streit, und er wird das in seiner Wohnung, auf dem Berge Zion, tun, der herrlicher und mächtiger ist, denn alle Raubeberge. So gewiss wie Christus zu Bethlehem geboren ist, wird er alle Menschen zu Brüdern machen und ein allgemeines Friedensreich aufrichten, das kein Ende nehmen wird. So lasst uns singen, wenn wir die Ehre Gottes schätzen, denn das neugeborene Kind offenbart dieselbe; und lasst uns singen, wenn wir den Frieden auf Erden schätzen, denn er ist gekommen, ihn zu bringen. Ja, und wenn wir die Kette lieben, die den verklärten Himmel mit der versöhnten Erde verbindet das Wohlgefallen an den Menschen, das der Ewige hierin kund tut, so lasst uns ein drittes Mal unser Halleluja anstimmen und Immanuel, Gott mit uns, preisen und erhöhen, der all' dieses durch seine Geburt unter uns bewirkt hat. „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Ich denke, dass ich euch gezeigt habe, dass Grund genug zur Freude für die Hirten da war, aber ihr und ich, die wir in den letzten Tagen leben, sollten, wenn wir das ganze Werk des Heils verstehen, sogar noch fröhlicher sein, als sie, obgleich sie Gott lobten und priesen um alles, das sie gehört und gesehen hatten. Kommt, meine Brüder, lasst uns wenigstens so viel tun, wie diese einfachen Hirten und ihn von ganzer Seele erheben.
II. Zweitens, lasst uns betrachten, wem diese Freude gehört.
Mir war sehr schwer gestern zu Sinn, denn dies traurige Wetter drückt das Gemüt sehr darnieder.
„Und keine Lerche könnte singen
Zum Himmel, der so trüb' und grau.“
Aber ein Gedanke durchzuckte mich und erfüllte mich mit tiefer Freude. Ich will es euch sagen, nicht, weil es euch etwas Sonderliches scheinen wird, sondern weil es mich froh gemacht hat. Es ist etwas ganz Persönliches, nur in Parenthese2) gesagt; es ist dies, dass die Freude über die Geburt Christi zum Teil denen gehört, die sie verkünden, denn die Engel, welche die Botschaft brachten, waren außerordentlich froh, so froh, wie man nur sein kann. Ich dachte daran und flüsterte meinem Herzen zu: „da ich von Jesu reden soll, der auf der Erde für die Menschen geboren ist, so will ich mir auch Freiheit nehmen, froh zu sein, froh, wenn über nichts anderes, doch darüber, dass ich ihnen eine solche Botschaft zu bringen habe.“ Die Tränen kamen in mein Auge und stehen da selbst jetzt, denn ich denke, dass ich so begnadigt bin, meinen Mitmenschen sagen zu dürfen: „Gott hat sich herabgelassen, eure Natur anzunehmen, dass er euch retten möchte.“ Dies sind ebenso frohe und so erhabene Worte, wie jener mit dem goldenen Mund3) sie nur gesprochen haben kann. Und Cicero und Demosthenes, jene trefflichen Redner, hatten kein solches Thema für ihre Reden. Freude, Freude, Freude! Es ist in diese Welt hinein ein Mensch geboren worden, der auch Gott ist. Mein Herz tanzt, wie David vor der Lade Gottes tanzte.
Diese Freude war bestimmt nicht für die Verkünder der Botschaft, allein, sondern für alle, die sie hörten. Diese große Freude soll allem Volk widerfahren. Wohl, das bedeutete zunächst, dass es Freude für das ganze Volk der Juden war; aber es ist auch Freude für alles Volk auf dem ganzen Erdboden, dass Christus geboren ist. Es ist keine Nation unter dem Himmel, die nicht ein Recht hat, froh zu sein, dass Gott zu den Menschen herabgekommen ist. Singt alle, ihr verödeten Stätten in Jerusalem. Stimmt ein in das Lied, O, ihr Bewohner der Wüste und lasst die Menge der Inseln sich dessen freuen! Ihr, die ihr in der kalten Zone in Mark und Bein die Stärke von Gottes Nordwind fühlt, lasst eure Herzen in euch brennen bei dieser fröhlichen Wahrheit. Und ihr, deren Antlitz versengt wird von der dörrenden Sonne, lasst dies einen Brunnen des Wassers für euch sein. Erhebt und erhöht Jehova, dass sein Sohn, sein Eingeborener, auch Bruder der Menschheit ist.
„Jauchzt, Himmel, die ihr ihn erfuhrt,
Den Tag der heiligsten Geburt,
Und Erde, die ihn heute sieht,
Sing' ihm, dem Herrn, ein neues Lied!“
Aber Brüder, nicht Alle freuen sich, nicht einmal Alle, die diese herrliche Wahrheit kennen, sie rührt die Herzen der halben Menschheit nicht. Für wen ist sie denn Freude? Ich antworte: für Alle, die sie glauben, und besonders für alle, die sie glauben wie die Hirten es taten, mit jenem Glauben, der nicht durch Unglauben wankend wird. Die Hirten hatten niemals einen Zweifel; das Licht, die Engel und der Gesang waren genug für sie; sie nahmen die frohe Botschaft ohne eine einzige Frage an. Hierin waren die Hirten ebenso wohl glücklich als weise, ja weiser, als die Weise-sein-Wollenden, deren Weisheit sich nur im Bekritteln zeigen kann. Dies gegenwärtige Zeitalter verachtet die Einfalt des kindlichen Glaubens, aber wie wunderbar verweist Gott ihm seinen Dünkel. Ich konnte nicht anders, als in der neulichen Entdeckung der berühmten griechischen Städte4) und der Gräber der Helden die gewaltige Rüge wahrnehmen, die der Zweifelgeist hier erhalten. Diese weisen Zweifler sind auf ihrem eigenen Boden angegriffen und in Verwirrung gebracht. Sie sagten uns, dass natürlich der alte Homer selber eine Mythe sei und das nach seinem Namen genannte Gedicht nur eine Sammlung unbegründeter Legenden und bloßer Sagen. Irgend ein alter Sänger wob seine Träume in Poesie ein und sie wurden untergeschoben als des blinden Dichters Gesang; es wären keine Tatsachen darin, sagten sie, wie überhaupt nicht in der allgemein angenommenen Geschichte, alles sei bloße Legende. Lange schon haben diese Herren uns erzählt, es habe keinen König Arthur gegeben, keinen Wilhelm Tell, überhaupt Niemanden. Eben wie sie alle heiligen Urkunden anzweifelten, so verdächtigten sie alles Übrige, was gewöhnliche Menschen glauben. Aber sieh, die Städte des Altertums reden, die Helden werden in ihren Gräbern gefunden; der Kinderglaube ist gerechtfertigt. Sie haben den „König der Menschen“ ausgegraben und dies und Anderes spricht in Donnertönen zu dem ungläubigen Ohr, und sagt: „Ihr Toren, die Einfältigen glaubten und waren weiser, als eure „Bildung“ euch machte. Eure endlosen Zweifel haben euch in Falschheit hineingeführt und nicht in die Wahrheit.“
Die Hirten glaubten und waren froh, so froh, wie man nur sein kann, aber wenn Professor - (sein Name tut nichts zur Sache) da gewesen wäre in dieser denkwürdigen Nacht, so hätte er gewiss mit dem Engel disputiert und geleugnet, dass überhaupt ein Heiland nötig sei. Er würde sich kaltblütig Notizen gemacht haben zu einer Vorlesung über die Natur des Lichtes und hätte eine Untersuchung angestellt über die Ursache gewisser merkwürdiger, nächtlicher Erscheinungen, welche auf den Feldern bei Bethlehem gesehen seien. Vor Allem würde er die Hirten versichert haben, dass irgendetwas Übermenschliches absolut nicht existiere. Haben nicht die Gelehrten unseres Zeitalters diese Unmöglichkeit hundert Mal bewiesen mit Beweisgründen, die genügen, einen hölzernen Pfosten zu überzeugen? Sie haben es so klar gemacht, als dass dreimal zwei achtzehn ist, dass es keinen Gott, noch Engel, noch Geist gibt. Sie haben es über jeden Zweifel erhoben, wenigstens in ihrer eigenen Meinung, dass Alles bezweifelt werden muss, was ganz sicher ist und dass überhaupt gar nichts zu glauben ist, ausgenommen die Unfehlbarkeit derer, die Anspruch auf Wissenschaftlichkeit machen. Aber diese Menschen finden keinen Trost, sind auch nicht so schwach, dessen zu bedürfen, sagen sie. Ihre Lehre ist keine frohe Botschaft, sondern eine trostlose Verneinung, ein tötender Frost, der alle edlen Hoffnungen im Keim zerstört und im Namen der Vernunft dem Menschen seine wahrste Glückseligkeit stiehlt. Lasst uns so philosophisch wie die Hirten sein, denn sie glaubten nicht zu viel, sondern einfach das, was wohl beglaubigt war und bei persönlicher Nachforschung fanden sie es wahr. Im Glauben liegt Freude. Wenn unser Glauben empfinden kann, so werden wir jetzt glücklich sein. Ich möchte diesen Morgen fühlen, als wenn ich die Klarheit des Herrn noch am Himmel scheinen sähe, denn sie ist da gewesen, obgleich ich sie nicht gesehen. Ich wünsche, ich könnte den Engel sehen und ihn sprechen hören; doch, obgleich ich dies nicht kann, weiß ich, dass er gesprochen hat, wenn ich ihn auch nicht hörte. Ich bin gewiss, dass diese Hirten keine Lügen erzählten, und dass der Heilige Geist uns nicht betrog, als er seinen Diener Lukas diesen Bericht niederschreiben hieß. Lasst uns den langen Zwischenraum vergessen und nur daran denken, dass es wirklich so war. Vergegenwärtigt euch, dass es wahrhaft eine Tatsache war, und ihr könnt fast den Engelschor droben in jenem Himmel noch singen hören: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Jedenfalls hört unser Herz den Lobgesang und wir fühlen die Freude desselben, indem wir einfach glauben, wie die Hirten es taten.
Merkt wohl, diese Hirten, die mit einfachem Gemüte glaubten, wünschten dem wunderbaren Kind näher zu kommen. Was taten sie, als ratschlagen und unter einander sprechen: „Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist?“
Geliebte, wenn ihr die Freude Christi haben wollt, kommt nahe zu ihm. Was ihr von ihm hört in seinen eigenen Buch, glaubt es; aber dann sprecht: „ich will gehen und ihn finden.“ Wenn ihr die Stimme des Herrn vom Sinai hört, kommt dem flammenden Berg nicht nahe, das Gesetz verdammt euch, die Gerechtigkeit Gottes überwältigt euch. Beugt euch in demütiger Entfernung und betet an mit feierlicher Ehrfurcht. Aber wenn ihr von Gott in Christo hört, eilt hierher. Eilt hierher mit voller Zuversicht, denn ihr seid nicht gekommen „zu dem Berg, den man anrühren konnte, und mit Feuer brannte,“ sondern zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet denn Abels. „Komm nah, komm näher, noch näher. Kommt her,“ ist sein eigenes Wort an die, welche mühselig und beladen sind und dasselbe Wort wird er am Ende an euch richten: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.“ Wenn ihr Freude in Christo wollt, kommt und findet sie an seiner Brust oder zu seinen Füßen. Da fanden Johannes und Daria sie lange zuvor.
Und dann, meine Brüder, tut, was die Hirten taten, als sie nahe kamen. Sie freuten sich, das Kindlein zu sehen, von dem ihnen gesagt war. Ihr könnt nicht mit dem leiblichen Auge sehen, aber ihr müsst nachsinnen und so mit dem geistigen Auge diese große, erhabene und herrliche Wahrheit schauen, dass dieses Wort Fleisch ward und unter uns wohnte. Dies ist der Weg, um heute Freude zu haben, Freude, wie sie passend vom Himmel herabkommt mit der Herabkunft des Königs der Himmel. Glaubt, kommt nahe und dann schaut ihn unverwandt an und werdet so gesegnet.
„Gelobt seist du, Jesus Christ,
Dass du Mensch geboren bist,
Von einer Jungfrau, das ist wahr;
Des freuet sich der Engel Schar. Halleluja.
Des ew'gen Vaters einig Kind
Jetzt man in der Krippe find't;
Ja, unser armes Fleisch und Blut
Verkleidet sich das ewig Gut. Halleluja.“
III. Wie die Freude sich kundtun soll.
Meine Zeit ist verflogen, sonst hätte ich gewünscht, euch drittens gezeigt zu haben, wie diese Freude sich kund tun solle. Ich will nur einen oder zwei Winke geben. Die Art, auf welche Viele, die an Weihnacht glauben, das Fest feiern, kennen wir nur zu gut. Dies ist ein christliches Land, nicht wahr? Ich habe das so oft gehört, dass ich denke, es muss wahr sein. Es ist ein christliches Land! Aber das Christentum ist von einer merkwürdigen Art! Nicht nur, dass in der alten Zeit „Christfest das mächtigste Bierfass anbohrt,“ sondern heutzutage müssen die Weihnachtfeiernden notwendig sich darin betrinken. Ich verleumde unsere Landsleute nicht, wenn ich sage, dass Trunkenheit einer der wesentlichsten Punkte in ihrer Christfestfreude ist. Wenn Bacchus zu dieser Zeit geboren wäre, so meine ich, England feiert den Geburtstag dieser verabscheuungswürdigen Gottheit höchst passend, aber sagt mir nicht, dass es die Geburt des heiligen Jesuskindes ist, die sie so sehr feiern. Wird er nicht von Neuem durch solche Lästerung gekreuzigt? Sicherlich, Jesus spricht zu den Gottlosen: „Was hast du meinen Geburtstag zu feiern und meinen Namen zu nennen in Verbindung mit deiner Schwelgerei und Trunkenheit?“ Schande, dass Grund zu solchen Worten vorhanden ist. Zehnfache Schande, dass so viel Grund da ist.
Ihr könnt diesen Geburtstag das ganze Jahr hindurch feiern, denn es wäre besser, zu sagen, dass er an jedem Tag des Jahres geboren wäre, als an einem bestimmten, denn in Wahrheit wird er in einem geistlichen Sinn an jedem Tag jeden Jahres in einigen Menschenherzen geboren, und das ist für uns ein viel wichtigerer Punkt als die Beobachtung heiliger Tage. Drückt eure Freude zuerst aus, wie die Engel taten, durch öffentlichen Dienst. Unserer Einige sind berufen, zu den Vielen zu reden. Lasst uns in der klarsten und ernstesten Weise den Heiland verkünden und seine Macht, die Menschen zu erretten. Andere von euch können nicht predigen, aber ihr könnt singen. Singt denn eure Lobgesänge, und preist Gott von ganzem Herzen. Seid nicht träge in dein andächtigen Gebrauch eurer Zungen, welche der Ruhm eures Leibes sind, sondern wieder und wieder und wieder erhebt eure Freudengesänge zu dem neugeborenen König. Andere von euch können weder predigen noch singen. Wohlan, dann müsst ihr tun, was die Hirten taten, und was taten sie? Es wird euch zweimal gesagt, dass sie das Wort ausbreiteten. Sobald sie das Kindlein gesehen, machten sie überall bekannt, was ihnen gesagt war und wie sie heimgingen, priesen sie Gott. Dies ist eine der praktischsten Weisen, eure Freude zu zeigen. Heiliges Gespräch ist eben so angenehm vor Gott als Predigten und Gesang. Es war auch Eine da, die wenig sprach, aber desto mehr dachte: „Maria aber behielt all diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“ Stille, glückliche Seele, erwäge in deinem Herzen die große Wahrheit, dass Jesus zu Bethlehem geboren ward. Immanuel, Gott mit uns; wäge es, wenn du kannst; blicke wieder und wieder darauf, prüfe die verschiedenen Seiten dieses unschätzbaren Diamanten, und lobe und bete an und liebe und staune und dann bete wieder an dies unvergleichliche Wunder der Liebe.
Zuletzt, geht und tut Anderen Gutes. Wie die Weisen, bringt eure Gaben und opfert dem neugeborenen Könige eures Herzens bestes Gold der Liebe, und Weihrauch des Preises und Myrrhen der Buße. Bringt all' das Beste eures Herzens und etwas von euren Gütern auch, denn dies ist ein Tag froher Botschaft und es wäre ungeziemend, leer vor dem Herrn zu erscheinen. Kommt, und verehrt Gott, geoffenbart im Fleisch, und werdet mit seinem Licht und seiner Lieblichkeit angefüllt durch die Kraft des Heiligen Geistes. Amen.