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Spurgeon, Charles Haddon - Der Gebrauch des Bogens.
„Und David klagte diese Klage über Saul und Jonatan, seinen Sohn. Und befahl, man sollte die Kinder Judas den Bogen lehren (n. d. engl. Üb. „den Gebrauch des Bogens„). Sieh, es stehet geschrieben im Buch der Redlichen.“
2 Sam. 1. 17. 18.
Die Übersetzer haben ganz recht getan, als sie die Worte „den Gebrauch des„ hineinschoben, denn dies ist es, was die Stelle bedeutet; aber wenn man sie ohne diese Worte liest, ist der Sinn doch derselbe: „er befahl, man sollte die Kinder Judas den Bogen lehren,“ das heißt, den Bogen zu gebrauchen.
In neueren Zeiten haben Kritiker gesagt, unter dem Ausdruck „Bogen„ sei das Lied gemeint, das David verfasste; und um ihre Meinung zu unterstützen, führen sie den Koran des Mohammed an, in dem, wie sie uns sagen, ein gewisses Kapitel „die Kuh“ genannt sei, und ebenso hätte David sein Lied den „Bogen„ genannt, als wenn ein so spätes Beispiel orientalischer Sitte überhaupt zur Sache gehörte. Ich bin der Ansicht, dass durchaus nichts in der Schrift ist, was die Behauptung rechtfertigt, dass die Worte „der Bogen“ auf Davids Klage sich beziehen können. Ohne Zweifel hatte man einigen der Psalmen Titel gegeben; aber es ist kein Beispiel davon vorhanden, dass ein Psalm mit seinem Titel angeführt wird. Er wird mit seiner Nummer angeführt, niemals mit seinem Namen. Ich nehme die Stelle, wie unsre Übersetzer sie verstanden: David befahl, man sollte die Kinder Judas den Bogen lehren. Wenn jemand fragt: „Was ist denn der Zusammenhang? Warum wollte David das Volk den Gebrauch des Bogens lehren, weil Saul und Jonatan erschlagen waren? Warum ist hier der militärische Befehl in betreff des Gebrauchs einer gewissen Kriegswaffe eingeschaltet, da die Stelle voller Klage ist?„ so antworte ich: höchst passend, wie ich euch zu zeigen Gelegenheit haben werde. Es war das Beste Erinnerungszeichen an jenen geübten Schützen, Jonatan und an die andren Fürsten, die durch die Pfeile der Philister gefallen waren, dass von dem traurigen Tage ihres Falls an David seinen eignen Stamm, über den er die Hauptmacht hatte, den Gebrauch dieser besonderen Kriegswaffe lehren ließ.
I.
Aber nun zu unsrem Werk. Aus meinem Text will ich ein paar nützliche Ähren entnehmen. Die erste ist diese: Tätigkeit ist ein wertvoller Trost im Leiden. Das Volk war sehr betrübt, denn Saul und Jonatan, der König und der Kronprinz, waren erschlagen. David lässt den Schmerz gewähren: er schreibt ein Klagelied, das die Töchter Israels singen können. Aber um ihr Gemüt zu gleicher Zeit von ihrem Kummer abzuziehen, gibt er den Befehl, die Kinder Judas den Gebrauch des Bogens zu lehren, denn Tätigkeit ist ein wirksames Mittel in Zeiten des Leides. Gewiss, das Gegenteil derselben würde zu schierer Verzweiflung führen. Haben einige von euch großes Herzeleid? Habt ihr einen schweren Verlust erlitten? Geratet nicht in die Versuchung, über euren Schmerz zu brüten und zu meinen, dass ihr von fernerem Dienste freigesprochen werden müsstet. Schließt euch nicht ab, um über das große Übel nachzusinnen, das über euch gekommen ist, und euren Zorn wider Gott zu nähren: das kann euch niemals gut tun. Ahmt lieber den David nach, der, als sein Kind krank war, fastete und betete, aber als es tot war, in das Haus ging und Brot aß, denn er sprach: „Kann ich es auch wiederum holen? Ich werde wohl zu ihm fahren; es kommt aber nicht wieder zu mir.“
Ich bitte euch, geht nicht der Versuchung Satans nach, von euren täglichen Geschäften abzulassen und besonders von irgend einem heiligen Dienst, den ihr für Christum übernommen habt. Es mag sein, dass euer Leid kein Todesfall ist, sondern Enttäuschung in eurem Werk. Ihr habt jene Seelen nicht gewonnen, die ihr zu gewinnen suchtet, und einige, die ihr für bekehrt hieltet, sind zurückgegangen; und nun versucht der Satan euch, nichts mehr zu tun — nie das Netz wieder auszuwerfen, denn ihr habt die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen — nie wieder zu säen, denn ihr habt euren Samen auf dem Wege vergeudet, und die Vögel haben ihn gefressen. Dies ist eine Eingebung des Bösen. Es wird euch in tiefere Pein hineinführen. Ich möchte dir, o Trauernder, sagen, steh' auf vom Lager der Gemächlichkeit! Schüttle den Staub von dir ab, o Jungfrau, Tochter Zion! Sitze nicht auf dem Dunghaufen in deinem Kummer, sondern raffe dich auf, damit du nicht in dunkleres Weh versinkest und deine Bitterkeit wie Wermut und Galle wird.
Während Untätigkeit zu schierer Verzweiflung führen wird, bin ich gewiss, dass Arbeit das Gemüt von dem traurigen Punkte ablenkt, auf den es geneigt ist, sich zu richten. Nichts ist gesünder, als ein Werk zu tun zu haben. Ich habe Personen, die viel Muße hatten, sich beim Verlust ihrer Kinder furchtbar dem Schmerze hingeben sehen; während ich Leute der arbeitenden Klasse gekannt habe, die, wie ich glaube, ebenso viel Gefühl hatten und sich doch mutig dabei aufrecht hielten. Unter Gott, habe ich den Unterschied darauf geschoben, dass die arme Frau hingehen muss, ihr tägliches Brot zu verdienen oder ihre häuslichen Pflichten zu erfüllen, was sich auch ereignet, und dass der arme Mann an seine tägliche Arbeit gehen muss, sonst würden die Seinen in Not sein; so hat sich schwere Arbeit als eine gesegnete Notwendigkeit erwiesen, indem sie die Seele von dem Schmerz abzieht, den sie sich sonst hingegeben hätte. Ihr habt von Alexander Cruden gehört. Vielleicht wisst ihr nicht, dass er eine unglückliche Liebe hatte und von andren Leiden heimgesucht ward, die ihn fast wahnsinnig machten; und doch ward er nicht geisteskrank, denn er begab sich an das ungeheure Werk, eine Konkordanz der Heiligen Schrift auszuarbeiten, die das große Werkzeug gewesen ist, wodurch wir in dem Worte Gottes forschen. Diese Arbeit hielt ihn davon ab, ganz geisteskrank zu werden. Wenn ich einem kranken Gemüte etwas zu verordnen hätte, so würde ich sagen: „Fange ein gutes Werk an und bleibe dabei.„ Lieben Freunde, wenn ihr in Not seid und Satan euch versucht, euch einzuschließen und mit dem Werke des Herrn aufzuhören, widerstehet der schädlichen Eingebung. Gott der Heilige Geist wird euch am wahrscheinlichsten trösten und euch die köstlichen Verheißungen seines Wortes ins Herz drücken, wenn ihr eures Meisters Werk mit ganzer Seele treibt. Sorgt ihr für seine Sache, Er wird für die eure sorgen. Sagt armen Sündern von seinen Wunden, so wird Er die euren verbinden. Vergeht euer Kreuz in dem Seinigen. Vergesst eure Schmerzen in den Schmerzen der Menschenkinder, die aus Mangel an Kenntnis vom Evangelium umkommen; und ihr werdet das den schnellsten Weg zum Troste finden.
Ein wertvoller Trost im Schmerz ist Tätigkeit, besonders, meine ich, die in einer neuen Arbeit. Es wird euch sehr helfen, wenn ein neues Leid euch ein neues Werk eingibt. Alte Arbeit zieht nicht immer das Gemüt von seinen Kümmernissen ab, denn wir sind geneigt, sie mechanisch zu tun, und als eine Sache der Gewohnheit; aber etwas ganz Frisches wird uns beistehen, unsre Trübsal zu vergessen. O, einen neuen Pfad einschlagen! Neue Ehre für Jesum erfinden, neue Unternehmungen für sein Reich, neue Mittel, die Menschen zum Evangelium zu ziehen — dies wird euch helfen, euren Kummer hinwegzuzaubern. Für viele wird die Übernahme eines Dienstes für Christum etwas ganz und gar Neues sein. Es tut mir weh, dies sagen zu müssen. Diese Leute sind trüben Sinnes. Das tut mir nicht so sehr leid, denn wenn jemand nicht arbeiten will, so soll er auch nicht essen; und wenn ein Christ seinem Herrn nicht dienen will, so soll er nicht mit seines Herrn Freunden zu Tische sitzen. O, wie vieler Freude gehen manche von euch verlustig, weil sie nichts mehr für die Armen, für die Unwissenden, für Christus tun! Ein Dichter erzählt uns von einem reichen Mann in Venedig, der sich der Verzweiflung hingab und so trübsinnig ward, dass er zum Kanal hinabging, um sich zu ertränken: aber unterwegs begegnete ihm ein armer kleiner Knabe, der ihn beim Rocke zupfte und um Brot bettelte. Als der reiche Mann ihn einen Betrüger nannte, bat der Knabe ihn, mit ihm zu kommen und seinen Vater und seine Mutter zu besuchen, die vor Hunger stürben. Er ging in das Zimmer hinauf und fand die Familie buchstäblich aus Mangel an Nahrung dem Tode nahe. Er verwandte das Geld, das er in der Tasche hatte, dazu, sie alle mit einer guten Mahlzeit zu erfreuen, und sagte dann zu sich selbst, dass es im Grunde noch etwas gäbe, für das es der Mühe wert sei, zu leben. Er hatte einen neuen Genuss gefunden, der ihm frischen Trieb zum Leben gab. Ich möchte euch, die ihr einen großen Kummer erlitten habt, fragen, ob der Herr euch nicht durch dieses Mittel auf einen neuen Pfad der Freude treibt, euch auf eine neue Art hinweist, Gott zu verherrlichen und euren Nebenmenschen Gutes zu tun. Ich will euch ein Lied singen, wenn ihrs wünscht, so traurig wie Davids Klage; aber ich möchte euch lieber den Gebrauch des Bogens lehren. Ich glaube, dass ich euch besseren Trost darreichen werde, wenn ich euch als Krieger in Christi Heer anwerbe, und euch lehre, seine Waffen zu gebrauchen, als wenn ich euch mit den traurigsten Klageliedern tröstete. Spreche ich zu einigen hier, die große irdische Trübsale zu erdulden haben, aber von geistlichen Dingen nichts wissen? Ist es nicht oft der Fall, dass Gott seine verirrten Kinder durch Leiden zu sich zurückführt? Die Art, wie ihr Trost finden sollt, lieben Freunde, ist nicht dadurch, dass ihr wieder in die Welt geht und dort Vergnügen sucht. Wenn Gott euch zu segnen beabsichtigt, so mag Er euch vielleicht so hungrig werden lassen, dass ihr begehrt, euren Bauch mit Trebern zu füllen. Ihr habt euer Gut umgebracht mit Prassen und nun seid ihr dem Verzweifeln nahe. Um jene dunkle Ecke der Verzweiflung herum mag der Weg zu eures Vaters Hause gehen. Um euren jetzigen zeitlichen Schmerz auszutreiben, habt ihr einen geistlichen Schmerz über die Sünde nötig. Wenn ihr von Jesu in dieser Stunde lernt, die Sünde zu bereuen, und euer Vertrauen auf Ihn zu setzen, so wird eure Seele sprechen: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen,“ und dann werdet ihr euren Hunger stillen und den Schweinetrog vergessen. Wo? Nun bei dem Singen und dem Reigen in eures Vaters Hause, und in der Freude, ihn sagen zu hören: „Lasst uns essen und fröhlich sein; denn dieser mein Sohn war tot, und ist wieder lebendig geworden; er war verloren, und ist gefunden worden.„
Ja, David hatte recht. Das Mittel, das Volk aus seiner Traurigkeit zu reißen, war, sie den Gebrauch des Bogens zu lehren; ihre eignen Pfeile sollten ihre Schmerzen töten: und das Mittel, euch Trauernde aus eurem Kummer zu erheben, ist, euch jene heilige Tätigkeit zu lehren, durch die eine Seele Christo vertraut und Errettung zu seinen Füßen findet. Das ist die erste Lehre, die, wie ich meine, der Text uns in lieblicher Weise gibt.
II.
Eine zweite Lehre ist die, dass es eine treffliche Benutzung eines Unglücks ist, etwas daraus zu lernen. Was war das Unglück?
Saul und Jonatan waren von den Pfeilen der Schützen getroffen. Die Philister waren augenscheinlich stark im Gebrauch des Bogens; aber Sauls Heer mangelte es an Schützen, und deshalb war es nicht imstande, die Philister in der Entfernung zu treffen. Ehe sie noch handgemein wurden, wo Israel es hätte mit Philistäa aufnehmen können, hatten die Philister ihren König erreicht. Hätten sie den Bogen zu gebrauchen verstanden, so wären sie vielleicht die Sieger gewesen; und darum beeilt sich David, die Männer Judas den Bogen zu lehren.
Geliebte Freunde, ich will annehmen, dass euch Missgeschicke betroffen haben: ich meine, besondere Unglücksfälle. Was sollt ihr tun? Niedersitzen, euch härmen und quälen und in Verzweiflung alles aufgeben? Gott verhüte. Wie die Männer Judas den Gebrauch des Bogens lernten, weil sie durch den Bogen geschlagen waren, so lernt auch ihre Weisheit von dem, was euch überfällt. Seid ihr vor eurem Gegner geflohen? Dann findet heraus, wo eure Schwäche ist. Forschet und sehet. Ist es eine Sünde, der ihr nachgebt? Ist es irgend ein Punkt, in dem ihr behutsam sein solltet, aber nicht acht gehabt habt? Ist es Schwäche im Gebet? Ist es Vernachlässigung des Wortes Gottes? Ist es Gleichgültigkeit gegen göttliche Wahrheit? Ist es Kälte des Herzens? Oder was ist es? Wenn ihr eine Niederlage erlitten habt, so ist eine Ursache dafür da. Wenn ihr niedergeschlagen und in Not seid, sagt zu Gott: „Zeige mir, warum Du mit mir haderst.“ Hat der Herr etwas wider dich? Sei nicht zufrieden, bis du der Sache auf den Grund gekommen, und die Wurzel herausgefunden, die so viel Galle und Wermut trägt. Ist dies nicht die Art der Weisheit? Kann es nicht sein, dass die Ursache des Unglücks die ist, dass Gott nicht mit dir ist? Wie, wenn dir nichts glückt? Wenn es umsonst für dich ist, früh aufzustehen und spät aufzusitzen, und das Brot der Sorge zu essen, da Gottes Hand gegen dich ist? Wie, wenn du keine Freude an Dingen hast, die dir einst Befriedigung gewährten, weil Gott dich als Ziel für seine Pfeile gesetzt und sie im Zorn auf dich richtet? Es mag so sein. Oder vielleicht bist du überhaupt noch keins von seinen Kindern, und Er mag dich hin- und herwerfen wie einen Ball, dass du niemals Ruhe findest, bis du demütig kommst, zu Christo schreist und Barmherzigkeit von seiner Hand suchst. Forsche und siehe zu, ob es so ist. Es nützt nichts, dich über das Missgeschick zu quälen; ergründe die Ursache desselben. Strebe die Lektion zu lernen, die es dich lehren soll. Ist irgend eine geheime Sünde an dir?
Vielleicht mögt ihr, wenn ihr auf die Niederlage blickt, den Weg zum Siege lernen. David war der Meinung, wenn sie durch den Bogen geschlagen wären, könnten sie noch durch den Bogen gewinnen. Es ist recht, von unsren Gegnern zu lernen. Man kann etwas vom Satan lernen. Wenn er umhergeht, lasst uns fleißig sein; wenn er sucht, welchen er verschlinget, lasst uns suchen, welchen wir erretten können; und wenn er sorgfältig wacht, unsre schwachen Seiten aufzuspüren, lasst uns die beobachten, denen wir zum Segen werden möchten, um herauszufinden, wie wir am besten ihre Herzen erreichen können. Mancher ist durch Armut reich geworden, durch Krankheit gesund und durch Erweckung des Sündenbewusstseins heilig. Als er niedergeworfen war, schrie er zu Gott, und Gott richtete ihn auf. Wehe dem Mann, der „die Rute nicht hört, und Den, der sie verordnet hat.„ (Micha 6, 9 n. der engl. Üb.)
Ich bete, dass ihr fleißig die Lektion lernet, die jedes Missgeschick lehren will. Kann ein Unglück, das eine Gemeinde und christliche Leute trifft, nicht ein Ruf zum Handeln — zum allgemeinen Handeln für sie sein? Saul hatte ein kleines stehendes Heer und übte nicht das ganze Volk zum Krieg ein; aber David sagt: „ich will meinen ganzen eignen Stamm den Gebrauch des Bogens lehren.“ Nun, wann immer eine Gemeinde träge, matt, stumpf zu werden beginnt — und viele Gemeinden neigen sich nach dieser Richtung hin — wenn jedermann zu schlafen scheint und des Pastoren Predigt eine Art geheiligten Schnarchens ist und der ganze Gottesdienst in Schlummer getaucht, was ist dann zu tun? Dann ist die Zeit, die Kinder Judas den Bogen zu lehren und sie alle zu heiligen Unternehmungen aufzuwecken. Sagt ihnen: „Ihr müht nicht einige wenige das Werk tun lassen, sondern alle müssen es tun. Ihr müsst alle den Gebrauch des Bogens lernen.„ Es war der Ruhm der mährischen Brüder, dass alle ihre Mitglieder Missionare waren; und das sollte der Ruhm jeder Gemeinde sein: jeder Mann, jede Frau, jedes Kind sollte Anteil nehmen an dem Kampf für Jesum. Dies ist mit Gottes Gnade die Heilung für geistliche Schwäche: lehrt das Volk den Gebrauch des Bogens.
Lasst uns Lehren aus unserer Niederlage entnehmen. Lasst uns von der Sünde, die uns niedergeworfen, lernen, zu Gott, dem Mächtigen, zu schreien, dass Er uns aufrecht halte. Wenn uns zu dieser Zeit gerade etwas Großes misslungen ist, so lasst uns größere Sorgfalt lernen: wenn wir geirrt haben, lasst uns lernen zu wachen. Bekennt nicht mürrisch: „Ich habe Unrecht getan;“ sondern bereut es und bittet Gott um Gnade, dass ihr in Zukunft aufrecht gehalten werden möget, wie Petrus, der nach seinem Fall stärker war, als vorher, und seine Brüder stärken sollte. Was getan ist, kann nicht ungetan gemacht werden, aber wir können so davon lernen, dass wir niemals wieder etwas Ähnliches tun. Gebe Gott, dass dies der Fall sei. Wenn es sich geziemte, könnte ich euch, heute abend ein Klagelied über die Missgeschicke einer Seele oder einer Gemeinde singen; aber ich glaube, ich würde nicht halb so viel Gutes dadurch tun, als wenn ich euch antreibe, den Bogen zu lernen, d. h. eure Irrtümer zu berichtigen und eure Mängel zu ergänzen.
III.
Nun noch eine dritte Lehre. Ein edles Denkmal für einen Freund ist es, seine Tugenden nachzuahmen. Wie erhellt das aus dem Text? Nun, so: Als Jonatan und David eine Zusammenkunft hatten, wurde bestimmt, dass Jonatan gewisse Pfeile schießen sollte; es ist klar, dass Jonatan ein Mann war, der den Gebrauch des Bogens liebte; und obgleich sein Vater ihn nicht in weiterem Umfang bei dem Heer einführte, so war doch Jonatan sehr geübt darin. „Wohlan,„ spricht David, „zum Andenken an Jonatan wollen wir, anstatt ein großes Denkmal aufzurichten, die Kinder Judas den Bogen lehren.“ Kommt, Brüder, lasst dies euer Denkmal für euren teuren Vater sein, — wenn er ein Kind Gottes war, seid ihm gleich. Wenn ihr das Gedächtnis eurer geliebten Mutter ehren wollt, zeigt die Tugenden, die in ihr glänzten. Jenes liebliche Kind ist zum Himmel gegangen und kann nie vergessen werden, und sein Bild hängt überm Sofa. Ich meine jenes teure Kindchen, das von Jesu sang, als es starb: wenn ihr die Erinnerung daran über alles Vergessen hinaus bewahren wollt, dann liebt seinen Heiland und geht dorthin, wo es hingegangen ist. Kein Andenken ist passender als Nachahmung: seid selbst das Denkmal, indem ihr alles, was gut in dem Abgeschiedenen war, an euch selber darstellt.
Wie besonders wahr ist dies in Beziehung auf unsren göttlichen Herrn! Ich sehe die Romanisten beständig Kreuze an den Wegen aufstellen, und zuweilen sind an diesen hässliche Abbildungen eines Menschen, der den Tod der Kreuzigung erleidet, und es sind Nägel und Schwamm und Speer und ich weiß nicht was da. Dies entsteht aus einem natürlichen Wunsche, das Andenken des gekreuzigten Erlösers zu verewigen; aber du wirst viel besser tun, lieber Bruder, wenn du selbst mit Christo gekreuzigt wirst und in deiner eignen Person jene göttliche Selbstverleugnung, jene segensvolle Liebe, jene erhabene Heiligkeit darstellst, die in Ihm sich findet. Manche Leute bauen eine Kirche und wenden viel an Architektur. Ich will sie nicht verurteilen, denn ihre glänzende Freigebigkeit mag etwas von dem Geiste jenes Weibes an sich haben, das ein Glas mit köstlicher Narde zerbrach und des Heilandes Füße salbte; aber ich möchte daran erinnern, dass es ein besseres Denkmal ist, wenn wir in unsrem Innern durch die Kraft des Geistes Gottes einen Christus-ähnlichen Charakter aufbauen, als das Beste Stück der Baukunst, das je zusammengefügt ist, sein kann. Wie wenn ihr den größten Bildhauer arbeiten ließet, und er mit geschickter Hand den Marmor gestaltete, bis er mit dem Leben wetteiferte? Würde nicht das Denkmal hauptsächlich das Gedächtnis des Künstlers erhalten und die Leute mehr an die Köstlichkeit des Werkes, als an irgend etwas andres erinnern? Hingegen wenn ihr selbst, nicht in Marmor, sondern in lebendigem Fleisch das Bild Christi werdet, so werden die Menschen euch „wohl kennen, dass ihr mit Jesu gewesen seid„ und von Ihm gelernt habt, und dies wird Ihn am besten im Gedächtnis erhalten. Wenn wir tun, was Christus unter den Umständen getan haben würde, werden wir Ihm ein besseres Denkmal errichten, als Reichtümer je kaufen können. Als David diese Männer den Bogen lehrte, konnten sie jedesmal, wenn sie den Pfeil auflegten, Jonatans gedenken; und jedesmal, wenn ein Regiment Schützen durch die Straßen zum Schießplatz zog, brachten sie Jonatan dem Volk in Erinnerung. David führte diese Form der königlichen Artillerie ein, damit das Gedächtnis Jonatans erhalten bleibe. Und ihr, lieben Freunde, jedesmal wenn ihr gehorsam und eifrig im Dienste Gottes tätig seid, wie Jesus es war, erinnert ihr die Menschen an Jesum, und sie sprechen: „Gott hat diese Menschen in die Welt gesetzt, um Zeugen für Christus zu sein und seinen Namen auf der Erde lebendig zu erhalten. Sie sind ein Segen, weil Jesus sie gesegnet hat.“ Ich möchte so euch alle anspornen, alle Tage eures Lebens zu versuchen, so zu leben und Gott zu dienen, dass der Name Jesu Christi in dieser Nation lebendig bleibt und in der ganzen Welt.
IV.
Zuletzt, und nur auf einen Augenblick, ich denke, dass die Form, welche dieser Militärbefehl annahm, die Kinder Judas den Bogen zu lehren, heute abend allegorisch auf euch angewandt werden kann, lieben Freunde. Es ist ein großer Vorteil für Gläubige, den Gebrauch des Bogens im Geistlichen zu lernen. Es ist der Bogen des Gebetes da. Sein Gebrauch ist noch nicht veraltet; aber ich wünsche, wir alle verständen es viel besser, als wir es tun, die „Pfeile des Heils vom Herrn„ zu schießen. Vor alters suchten heilige Männer einen Pfeil aus, und wenn sie ihn gewählt, wussten sie ihn zu gebrauchen. Sie wussten, wessen sie bedurften und sie beteten darum. Sie passten den Pfeil der Sehne an, d. h., sie nahmen Gottes Verheißung, die Verheißung, die ihrem Wunsche entsprach, und indem sie beides einander anpassten, zielten sie gerade zum Himmel auf und beobachteten den Flug ihres Bittpfeils. Sie wussten, zu wem sie beteten und weshalb sie erwarteten, erhört zu werden; und deshalb spannten sie den Bogen des Gebetes mit all ihrer Kraft. Als der Mann Gottes auf des Karmels Spitze ging und dort seinen Bogen nahm und ihn spannte, war nicht zu befürchten, dass er sein Ziel verfehlen würde; oder wenn vielleicht der Pfeil nicht Kraft genug hatte, spannte er den Bogen ein zweites Mal, und ein drittes Mal, und ein viertes Mal, und ein siebentes Mal, bis er zuletzt das Ziel erreichte. Er wollte nicht von seinem Wachturm herabsteigen, bis er wusste, dass der Pfeil seines Gebetes in den Himmel gedrungen sei. In allen Zeiten der Trübsal ist das, was not tut, dass die Männer Judas den Bogen des Gebetes zu brauchen verstehen.
Ich habe mehr Glauben am Gebet, als an Polizei und Gefängnisse. In jeder Zeit öffentlichen Unglücks sind die Männer, welche das Volk retten, die Männer des Gebets. Was, nicht die weisen Staatsmänner? Gewiss, weise Staatsmänner, aber wer macht sie weise? Gott hat Macht über alle Gemüter, und in Erhörung der Gebete von der Kanzel mag Er das Gemüt der Staatsmänner lenken. Aus einer niederen Hütte mag ein Schrei zu Gott aufsteigen, der auf den Ministerpräsidenten herabkommt und seine Gedanken lenkt. Er innert euch daran, was die Königin Maria zu sagen pflegte, als sie das Papsttum wieder in Schottland einführen wollte. Sie sagte, sie fürchtete die Gebete des John Knox mehr als alle Armeen, welche die schottischen Großen zusammenbringen könnten. Sie hatte diesmal recht. Wenn die Menschen das Gebet übersehen, so übersehen sie die größte Wirkungskraft in menschlichen Angelegenheiten. Der geheimnisvolle Stab Gottes ist in der Hand manches Mose noch unter uns, ein Stab, der Israel Sieg und Amalek Niederlage bringt. Die Stärke der Gemeinde liegt nicht in der Beredsamkeit der Kanzel, sondern in der Beredsamkeit des Kämmerleins. Die Gemeinde Gottes, die am meisten für die Welt tun wird, ist die, die am meisten bei Gott tut. Der kann die Menschen für Gott regieren, der von Gott für die Menschen regiert wird: wer seine Seele Gott hingibt, damit Gott seinen Willen auf sein Leben schreibe, ist der mächtige Mann. Der, in dem der Wille Gottes durch den Heiligen Geist gewirkt ist, und der Ihn wiederum in brünstigem Gebet herausarbeitet, ist der Mann, der ob Fürsten und Machthaber es nicht wissen, doch dem Steuer der Angelegenheiten näher sitzt, als sie. Ich könnte einen Trauergesang über das Wehe Irlands schreiben und über die Sünden der Menschen und die Übel der Zeiten; aber ich möchte euch lieber den Bogen des Gebetes lehren; denn alsdann, wenn ihr euer Verlangen hinauf zum Herrn senden könntet, würde mancher Segen auf das Land kommen und die Gegner des Herrn würden entmutigt werden, und friedliche und glückliche Tage würden anbrechen.
Vielleicht spreche ich zu einigen hier, die nichts von Beten wissen. Ich glaube, der Bruder ist hier, der eine Predigt hörte, die, wie ich fürchte, eine etwas wilde war. In dieser Rede sagte der Prediger zu allen seinen Hörern, wenn sie zu Hause gingen und Gott um etwas bäten, würde der Herr es ihnen geben. Ich kann einer so milden Behauptung nicht beistimmen. Indes, dieser Mann meinte, da der Prediger es gesagt, sei es wahr, und da er nie zuvor im Leben gebetet hatte, stellte er die Probe in betreff eines gewissen Ereignisses an; und dieses kam, wie er es gewünscht. Da begann er zu zittern, denn er schloss daraus, dass es sicher einen Gott gibt. Nun, ich sage nicht zu euch, lieben Hörer, dass ihr alles empfangen werdet, was ihr im Gebet bittet. Ich wollte das nicht zu euch Ungöttlichen sagen. Aber ich sage, wenn ihr um Gnade und Errettung und ewiges Leben bittet und um irgend etwas, das gläubigen Sündern verheißen ist, so sollt ihr es haben. Ich wünsche, ihr machtet den Versuch, denn ihr würdet finden, dass der Herr nie eine Verheißung bricht. Wenn ihr eine Verheißung leset, die dem Sünder gegeben ist, so ist sie euch gegeben: geht hin, macht sie geltend, und der Herr wird sie erfüllen. Ich will Bürge für Ihn sein, dass Er sein Wort halten wird. Vertraut Ihm und versucht es, und lernet so den Gebrauch des Bogens.
Gott segne euch um Christi willen. Amen.