Spurgeon, Charles Haddon - Galaterbrief (Andachten)

Spurgeon, Charles Haddon - Galaterbrief (Andachten)

Galater 2,10

„Dass wir der Armen gedächten.“

Warum gibt Gott zu, dass so viele seiner Kinder arm sind? Er könnte sie wohl reich machen, wenn es also wohlgefällig wäre vor Ihm; Er könnte ihnen goldgefüllte Beutel auf die Schwelle legen; Er könnte ihnen ein großes Jahreseinkommen zufließen lassen, oder Er könnte rings um ihre Häuser her den reichsten Segen an Früchten und Vorräten aller Art ausschütten, wie Er einst verschafft hatte, dass die Wachteln zu Haufen lagen rings um das Lager Israels, und ihnen ließ Brot vom Himmel regnen zur Speise. „Alle Tiere im Walde sind sein, und das Vieh auf den Bergen, da sie bei Tausenden gehen;“ das könnte Er ihnen wohl schenken; Er könnte machen, dass die Reichsten, Größten, Mächtigsten herbeikämen und legten all ihre Macht und alle ihre Schätze seinen Kindern zu Füßen, denn Er leitet der Menschen Herzen wie Wasserbäche. Aber es ist ihm nicht wohlgefällig, also zu handeln; Er lässt sie Mangel leiden, Er lässt sie in Verachtung und Elend schmachten. Warum tut Er das? Der Gründe sind gar mancherlei; einer derselben ist der, dass Er uns, die Er mit allem in Fülle versehen hat, will Gelegenheit geben, unsre Liebe zum Heiland zu offenbaren. Wir beweisen unsre Liebe zu Christo, wenn wir Ihm lobsingen und wenn wir zu Ihm beten; wenn es aber keine Kinder der Armut in der Welt gäbe, so verlören wir das köstliche Vorrecht, unsre Liebe an den Tag legen zu dürfen durch Wohltun und Mitteilen und durch dienende Barmherzigkeit an seinen armen Brüdern; Er hat es also geordnet, damit wir hierin beweisen sollten, dass unsre Liebe nicht allein bestehe in Worten, sondern in der Tat und in der Wahrheit. Wenn wir den Herrn Jesum wahrhaft lieben, so sorgen wir auch für die, die von Ihm geliebt sind. Wer Ihm teuer ist, soll auch uns teuer sein. Darum wollen wir diese tätige Liebe nicht ansehen als eine Pflicht, sondern als ein Vorrecht, und wollen die Armen in der Herde des Herrn aufrichten, eingedenk der Worte unsres Herrn und Heilandes: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Wahrlich, diese Versicherung ist lieblich genug, und dieser Grund ist kräftig genug, um uns dazu zu bewegen, dass wir andern mit offener Hand und liebendem Herzen entgegenkommen, allezeit dessen eingedenk, dass alles, was wir an den Seinen tun, von Christo angesehen und anerkannt wird, als sei es Ihm getan.

Galater 2,19

„Ich bin mit Christo gekreuzigt.“

Der Herr Jesus Christus handelte in allem, was Er tat, als ein großer, öffentlicher Stellvertreter, und sein Tod am Kreuze war nach der Wirkung ein Sterben seines ganzen Volkes. Darum haben in Ihm alle seine Heiligen der Gerechtigkeit alle schuldige Genüge geleistet, und der göttlichen Rache für alle ihre Sünden die Sühne dargebracht. Der Apostel der Heiden fühlte sich selig in dem Gedanken, dass er als einer aus der auserwählten Schar Christi in Christo am Kreuze starb. Das war bei ihm kein bloßer Glaubenssatz, sondern er setzte sein ganzes Vertrauen darein und ruhte mit seiner Hoffnung darauf. Er glaubte, dass er durch das Verdienst des Todes Christi der göttlichen Gerechtigkeit volle Genüge geleistet und die Versöhnung mit Gott gefunden habe. Geliebte, wie ist es doch etwas Köstliches, wenn sich die Seele gleichsam aufs Kreuz Christi ausstrecken und sagen darf: „Ich bin tot, das Gesetz hat mich getötet, und darum bin ich nun von seiner Macht erlöst, weil ich in meinem Bürgen den Fluch getragen habe, und weil in der Person meines Stellvertreters alles, was das Gesetz an mir zu fordern hatte und wodurch ich der Verdammnis verfallen war, an mir erfüllt wurde, denn „ich bin mit Christo gekreuzigt.“ Aber der Apostel Paulus meinte mehr als das. Er glaubte nicht nur an Christi Tod und baute darauf, sondern er fühlte seines Todes Macht an ihm selber darin, dass zugleich seine alte sündliche Natur mit gekreuzigt wurde. Wenn er die Lust der Sünde betrachtete, sprach er: „Ich kann sie nicht genießen, ich bin ihr abgestorben.“ Das ist die Erfahrung jedes wahren Christen. Wenn er Christum in sich aufgenommen hat, so ist er für diese Welt gänzlich abgestorben. Aber obgleich er weiß, dass er für diese Welt tot ist, kann er doch mit dem Apostel ausrufen: „Ich lebe aber.“ Er ist voller Leben für Gott und aus Gott. Des Christen Leben ist ein unvergleichliches Rätsel. Kein Weltkind kann es begreifen; sogar der Gläubige selber kann es nicht fassen. Tot, und doch lebendig! Mit Christo gekreuzigt, und dennoch zugleich auferstanden mit Christo zur Verneuerung des Lebens! Eins mit dem leidenden, blutenden Christus, und tot für Welt und Sünde, das sind köstliche Dinge. Ach, dass ich sie noch lebhafter und tiefer empfände!

Galater 2,20

„Was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes.“

Als der Herr in seiner Barmherzigkeit vorüberging, und uns liegen sah in unserem Blut, da sprach Er vor allem: „Lebe;“ und das tat Er zuerst, weil im Geistlichen das Leben eines der unerlässlichsten und ersten Erfordernisse ist; und bevor es uns verliehen ist, sind wir untüchtig, teilzuhaben an den Gütern des Königreichs. Das Leben aber, das die Gnade den Heiligen in dem Augenblick schenkt, wo sie zu einem neuen Dasein erweckt werden, ist kein andres als das Leben Christi, welches uns aus Ihm zuströmt wie der Saft des Stammes den Zweigen, und unsre Seele in eine lebendige Verbindung und Wechselwirkung mit Jesu bringt. Der Glaube ist die Gnade, welche diese Vereinigung bewirkt, denn sie ist von ihm ausgegangen als seine Erstlingsfrucht. Er ist der Hals, welcher den Leib der Gemeinde mit ihrem herrlich strahlenden Haupte verbindet.

„O, mein Erbarmer, Du mein Ruhm,
Den Erd‘ und Himmel ehret:
Bekehre mich, Dein Eigentum,
So werd‘ ich recht bekehrt!
Ja, nimm Dich meiner herzlich an,
Denn Du bist es nur, der helfen kann!
Dann ist mir recht geholfen.“

Der Glaube hält fest am Herrn Jesu mit inniger und unerschrockener Liebe. Er kennt seine Würde und seinen Wert, seine Vortrefflichkeit und seine Herrlichkeit, und keine Versuchung vermag ihn dahin zu bringen, dass er sein Vertrauen auf etwas andres setze; und der Herr Jesus findet so großes Gefallen an dieser himmelentstammten Gnade, dass Er nimmer aufhört, dieselbe zu stärken und zu erhalten mit der liebenden Umarmung und der allgenugsamen Kraft seiner ewigen Arme. Darum ist hier eine lebendige, fühlbare und wonnevolle Vereinigung, welche Ströme der Liebe, des Vertrauens, der Teilnahme, der Gütigkeit und der Freude spendet, aus denen beide, der Bräutigam und die Braut, so gern trinken. Wenn die Seele sichtbar diese Übereinstimmung mit Christo an sich wahrnimmt, dann schlägt derselbe Puls in beider Herzen, und ein Blut strömt durch beider Adern. Dann ist das Herz dem Himmel so nahe, als es nur je auf Erden sein kann, und ist zubereitet zum Genuss der erhabensten und geistigsten Liebesgemeinschaft.

Galater 3,26

„Ihr seid alle Gottes Kinder, durch den Glauben an Christum Jesum.“

Die Gotteskindschaft ist das gemeinschaftliche Vorrecht aller Erlösten, O Kleinglaube, wie oft hast du geklagt: „Wenn ich doch nur auch den Heldenmut eines Muterz hätte, wenn ich nur auch sein Schwert zu schwingen und seinen Schild zu regieren vermöchte! Aber ach! ich strauchle über jeden Strohhalm, und jeder Schatten schreckt mich.“ Sei ruhig, Kleinglaube. Muterz ist Gottes Kind, und Gottes Kind bist auch du; und Muterz ist auch nicht um ein Haar breit mehr Gottes Kind als du. Petrus und Paulus, die hochbevorzugten Apostel, gehörten zur Familie des Höchsten, und du nicht minder; der Schwachgläubige ist so gut ein Kind Gottes wie der Glaubensheld.

„Das ist mein Ruhm und Segen,
Mein seliger Gewinn,
Dass ich kann Glauben hegen,
Ob groß, ob klein ich bin.“

Alle Namen stehen im gleichen Familienregister verzeichnet. Einer kann größere Gnade empfangen haben als ein andrer, aber Gott, unser himmlischer Vater, hat das gleiche liebevolle Herz für alle. Der eine mag größere Taten verrichten, und seinem Vater mehr Ehre einbringen; aber der, dessen Name der geringste ist im Himmelreich, ist so gut Gottes Kind als der, der unter den Gewaltigen des himmlischen Vaters steht. Das tröste uns und richte uns auf und erquicke uns, wenn wir zu Gott nahen und sagen: „Unser Vater.“

Aber obgleich wir das zu unserem Trost erkannt und erfasst haben, so wollen wir dennoch uns nicht begnügen mit einem schwachen Glauben, sondern wir bitten wie der Apostel um Mehrung und Stärkung des Glaubens! Wie schwach auch unser Glaube sei, wenn es nur ein wahrhafter, echter Glaube an Jesum Christum ist, so werden wir zuletzt doch in den Himmel kommen; freilich werden wir dann mit unserem schwachen Glauben unserem Herrn und Meister in unserer Pilgrimschaft nicht viel Ehre machen, noch werden wir hienieden überschwänglichen Frieden und Freude zu genießen haben. Wenn du aber zur Ehre Christi leben willst, wenn du dich selig und glücklich fühlen willst in seinem Dienst, so trachte danach, dass du je mehr und mehr erfüllet werdest mit dem Geist der Kindschaft, bis dass die völlige Liebe die Furcht austreibt.

Galater 5,1

„So bestehet nun in der Freiheit, damit uns Christus befreiet hat.“

Diese „Freiheit“ macht uns frei zur Aneignung der himmlischen Botschaft in Gottes Wort. Hier, liebe gläubige Seele, ist eine köstliche Schriftstelle für dich: „So du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein.“ Das ist dir frei geschenkt. Hier eine andre: „Es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen; aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer;“ auch das ist dir frei geschenkt. Du bist ein willkommener Gast bei dem Abendmahl der Verheißungen. Die Heilige Schrift ist eine unerschöpfliche Schatzkammer, gefüllt mit unabsehbaren Reichtümern der Gnade. Sie ist die Wechselbank des Himmels, du kannst Wechsel auf dieselbe ziehen, so viel und so hoch du nur immer willst, es wird dir alles ohne Abzug oder Einsprache ausbezahlt. Komm nur im Glauben, so bist du willkommen geheißen zum Empfang jeder Bundesgnade. Es gibt keine Verheißung im Wort, deren Erfüllung dir verweigert würde. In den tiefsten Trübsalen kann solche Freiheit dich aufrichten; inmitten der Wogen der Traurigkeit kann sie dich erquicken; wenn dich Pfeile umschwärmen, sei sie dein Trost. Sie ist deines Vaters Liebeszeichen; dir steht alles zu jeder Zeit offen. Du hast auch freien Zugang zum Gnadenthron. Welches auch unsre Wünsche, unsre Nöte seien, so dürfen wir alles offen vor Ihm darlegen. Es ist einerlei, wie viel oder wie schwer wir gesündigt haben, so dürfen wir dennoch stets um Vergebung flehen und darauf zählen, dass sie uns zuteil wird. Es hat nichts zu sagen, wie arm wir seien, wir dürfen uns auf seine Verheißung berufen, dass Er in allem Nötigen für uns sorgen will. Wir haben Erlaubnis, zu jeder Zeit und Stunde zu seinem Gnadenstuhl hinzutreten, es sei in der dunkeln, mitternächtigen Stunde oder in des Mittags brennender Schwüle. Brauche dein Recht, gläubiger Christ, und lebe auf der Höhe deiner Freiheit. Du hast freien Anteil an allem, was in Christo von Schätzen angesammelt ist: Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Es kommt nicht darauf an, was du bedarfst, denn in Christo ist Fülle die Genüge, und sie ist in Ihm für dich vorhanden. O, welch eine Freiheit ist dir geschenkt! Freiheit von der Verdammnis, Freiheit zur Aneignung aller Verheißungen, freier Zugang zum Thron der Gnade, und endlich Freiheit, den Himmel zu ererben!

Galater 5,17

„Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch.“

In jeder gläubigen Seele ist ein beständiger Kampf zwischen dem alten und neuen Menschen. Der alte Mensch ist gar rührig und nimmt jede Gelegenheit wahr, wo er mit den tödlichen Waffen seiner furchtbaren Rüstung gegen die neugeborne Gnade zu Felde ziehen kann, während auf der andren Seite der neue Mensch stets auf der Hut ist, wie er seinem Feinde kräftigen Widerstand zu leisten und ihn zu vernichten vermöchte. Die Gnade in uns ficht mit den Waffen des Gebets, des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, um das Böse niederzuwerfen; sie ergreift den „Harnisch Gottes“ und ringt aus aller Kraft. Diese beiden feindseligen Naturen hören nicht auf, miteinander zu kriegen, solange wir in der Welt leben.

Der Kampf des Pilgers „Christ“ mit dem Riesen „Apollyon“ dauerte drei Stunden, aber der Kampf des Christen mit sich selber währt die ganze Reise hindurch von der „engen Pforte“ an bis zum Jordanstrom. Der Feind hat sich in uns so fest verschanzt, dass er nicht kann vertrieben werden, solange wir im Leibe sind; aber obgleich wir eng eingeschlossen sind, und häufig in schwere Kämpfe verwickelt werden, so haben wir doch einen allmächtigen Helfer und Heiland, Jesum, den Herzog unserer Seligkeit, welcher allezeit bei uns ist und uns die Versicherung gibt, dass wir in dem allen weit überwinden um seinetwillen. Mit einem solchen Verbündeten ist die neugeborne Natur ihren Feinden weit überlegen. Kämpfst du heute mit deinem Widersacher? Stehen Satan, Welt und Fleisch gegen dich? Werde nicht matt noch mutlos! Kämpfe fort! denn Gott selbst stehet dir bei: Jehovah Rissi ist dein Panier, und Jehovah Rophi ist der Herr, dein Arzt, der Heiler deiner Wunden. Fürchte dich nicht, du musst überwinden; denn wer kann wider den Allmächtigen bestehen? Kämpfe fort, im „Aufsehen auf Jesum“; und sei der Streit auch lang und hart, siehe, so wird dein Sieg herrlich, und dein Verheißungslohn lieblich sein.

„Auf denn, Gottesstreiter, geht
Mutig durch die kurze Wüste!
Seht auf Jesum, wacht und fleht,
Dass Gott selbst zum Kampf euch rüste!
Der in Schwachen mächtig ist,
Gibt uns Sieg durch Jesum Christ!“

Galater 5, 18

„Regiert euch aber der Geist, so seid ihr nicht unter dem Gesetz.“

Wer aus einem gesetzlichen Standpunkte auf seinen Gemütszustand und seine geistliche Stellung blickt, muss sich nicht entsetzen, wenn er an den Schluss seiner Abrechnung kommt, sondern wenn ihm nicht Weisheit mangelt, so erschrickt er schon im Anfang; denn wenn wir sollten gerichtet werden nach dem Maßstab des Gesetzes, so würde kein lebendiges Fleisch gerecht. Wie köstlich darum, dass wir wissen, wir wohnen im Reiche der Gnade und nicht des Gesetzes! Wenn ich vor Gott meines Zustandes eingedenk bin, so lautet die Frage nicht: „Bin ich in mir selber vollkommen vor dem Gesetz?“ sondern: „Bin ich ein vollkommener Mensch in Christo Jesu?“ Das ist ein sehr großer Unterschied. Wir brauchen nicht zu fragen: „Bin ich von Natur sündlos?“ sondern: „Bin ich abgewaschen in dem Born, der uns geöffnet ist wider die Sünde und Unreinigkeit?“ Es heißt nicht: „Bin ich aus eigenem Verdienst Gott angenehm?“ sondern: „Bin ich angenehm gemacht in dem Geliebten?“ Der Christ betrachtet vielleicht die Gründe für seine Seligkeit vom Gipfel des Berges Sinai herab und wird bange für seine Erlösung; es wäre besser, wenn er seine Heilsversicherung unter dem Strahl des Kreuzes läse. „Sieh,“ spricht er, „mein Glaube ist mit Zweifeln vermischt, er kann mich unmöglich erretten.“ Hätte er aber statt seines Glaubens den Gegenstand seines Glaubens ins Auge gefasst, so würde er gesagt haben: „Es ist kein Tadel an Ihm, und darum bin ich wohl geborgen.“ Er seufzt über seine Hoffnung: „Ach, meine Hoffnung ist befleckt und verdüstert von einer ängstlichen Sorge um das Zeitliche; wie kann ich angenehm sein?“ Hätte er auf den Grund seiner Hoffnung geblickt, so hätte er gesehen, dass Gottes Verheißung fest steht, und dass trotz aller unserer Zweifel sein Eid und seine Zusage nimmer ausbleiben. Ach, gläubige Seele, es ist für dich immer besser, wenn du vom Heiligen Geist zur evangelischen Freiheit geführt wirst, als wenn du die Fesseln des Gesetzes trägst. Halte dich an das, was Christus ist, und nicht an das, was du bist. Der Satan möchte gern deinen Frieden zerstören und erinnert dich an deine Sünden und Mängel; du kannst seinen Anklagen nichts andres entgegenhalten, als dass du treu festhältst am Evangelium.

Galater 5,25

„So wir im Geiste leben, so lasst uns auch im Geiste wandeln.“

Das Allerwichtigste in unserem Christentum ist das Leben des Glaubens und der Wandel des Glaubens. Wer beides recht verstehen will, ist nicht weit davon, ein Meister in der Erfahrung über göttliche Dinge zu sein, denn es sind Lebensfragen für einen Christen. Du findest nie wahren Glauben ohne wahre Gottesfurcht; auf der andern Seite begegnest du nie einem wahrhaft heiligen Leben, das nicht in einem lebendigen Glauben an die vollkommene Gerechtigkeit Christi wurzelt. Wehe denen, die das eine suchen ohne das andre! Es gibt manche, die den Glauben bauen und die Heiligung vergessen; sie sind vielleicht in der richtigen Erkenntnis sehr weit gefördert, aber sie stecken tief in der Verdammnis, denn sie halten die Wahrheit auf in Ungerechtigkeit; und es gibt andre, die nach der Heiligkeit des Lebens trachten, aber den Glauben verleugnen, wie vorzeiten die Pharisäer, von denen der Herr sagt, sie wären „übertünchte Gräber“. Wir müssen Glauben haben, denn das ist der Grundstein; wir müssen ein heiliges Leben führen, denn das ist der Aufbau. Wozu nützt einem Menschen die bloße Grundfeste eines Hauses zur Zeit des Ungewitters? Kann er sich darin bergen? Er bedarf eines Hauses, das ihn deckt, gleichwie das Haus selber eines Grundes bedarf. Ebenso bedürfen wir den Oberbau des geistlichen Lebens, wenn wir in den Tagen des Zweifels wollen Trost und Ruhe finden. Aber sucht kein heiliges Leben ohne Glauben, denn das hieße ein Haus aufrichten, das keinen dauernden Schutz verleiht, weil es nicht auf den Fels gegründet ist. Lass Glauben und Leben zusammenwirken, so werden sie wie die beiden Widerlager eines Brückenbogens, unserer Frömmigkeit Festigkeit und Dauer gewähren. Gleichwie Licht und Wärme von derselben Sonne ausstrahlen, so sind beide, Glauben und Leben, gleich segensreich. Gleich den beiden Säulen des Tempels, Jachin und Boas, sind sie ein Schmuck der Herrlichkeit. Sie sind zwei Ströme, die dem Born der Gnade entspringen; zwei Lampen, mit dem Öl des Heiligtums gefüllt; zwei Ölbäume, vom Tau des Himmels befeuchtet. O Herr! schenke uns heute das innere verborgene Leben aus Dir, so wird es sich nach außen offenbaren zu Deiner Verherrlichung! Gib uns die Gnade, dass wir im Geiste leben, so werden wir auch im Geiste wandeln und Dir Früchte des Geistes tragen, als Reben an Dir, dem Weinstock!

Galater 6,8

Wer auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten.

Säen sieht aus wie ein Verlieren, denn wir legen gutes Korn in den Boden, um es niemals wiederzusehen. Säen auf den Geist scheint etwas sehr Phantastisches, Träumerisches, denn wir verleugnen uns selber und erhalten anscheinend nichts dafür. Doch, wenn wir auf den Geist säen, indem wir uns beeifern, für Gott zu leben, suchen dem Willen Gottes zu gehorchen und uns bemühen, Seine Ehre zu fördern, so werden wir nicht vergeblich säen. Das Leben, ja, das ewige Leben soll unser Lohn sein. Wir erfreuen uns dessen schon hier in der Erkenntnis Gottes, der Gemeinschaft mit Gott und dem Genuss Gottes. Dieses Leben fließt weiter wie ein stets tiefer, stets breiter werdender Fluss, bis es uns in den Ozean endloser Seligkeit trägt, wo das Leben Gottes auf ewig unser ist.

Lasst uns am heutigen Tage nicht auf unser Fleisch säen, denn die Ernte wird Verwesung sein, das Ende alles Fleisches, sondern mit heiliger Selbstüberwindung lasst uns für die höchsten, reinsten und heiligsten Zwecke leben und suchen, unsren hochheiligen Herrn zu ehren, indem wir seinem gnadenvollen Geist gehorchen. Was für eine Ernte wird es sein, wenn wir das ewige Leben ernten! Was für Garben endloser Seligkeit werden wir einheimsen! Was für ein Fest wird die Ernte sein! Herr, lass uns teilhaben an dieser Feier, um Deines Sohnes willen.

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