Spitta, Carl Johann Philipp - Prüfet alles, und das Gute behaltet.
Das Wort Gottes ist ein Richter der Gedanken und Sinnen des Herzens (Hebr. 4,12.). Es ist die rechte Lehre (Ps. 93, 5.); denn es ist das Wort der Wahrheit, und nichts denn Wahrheit (Ps. 119, 33. 160.). Dieses Wort sollen wir mit Sanftmuth annehmen (Jacob. 1, 21.), nicht als Menschen Wort, sondern, wie es denn wahrhaftig ist, als Gottes Wort (1 Thess. 2, 13.). Dieses Wort ist uns nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung und Züchtigung in der Gerechtigkeit. Aus diesem Worte lernen wir die Wahrheit zur Gottseligkeit auf Hoffnung des ewigen Lebens. Was Gott durch sein Wort zu uns redet, das sollen wir ohne Widerrede annehmen, glauben und befolgen; nichts davon und nichts dazu thun; es weder verkürzen noch verfälschen, sondern wie es geschrieben steht, ganz, lauter und rein bewahren. Dagegen aber was Menschen setzen und sagen, das sollen wir prüfen: ob es wahr, ob es ganz wahr, oder halb wahr, oder unwahr sei. Denn Menschen fehlen mannigfaltig. Irren ist menschlich. In der Menschen Gedanken, Sinne, Reden, Schriften und Bücher schleicht sich gar leicht die Weisheit ein, die nicht von oben herab kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch ist. Als Petrus im besten menschlichen Wohlmeinen dem Herrn ernstlich zuredete, sein selbst zu schonen, sprach der Herr zu ihm: „Hebe dich, Satan, von mir! du bist mir ärgerlich; denn du meinest nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ Wenn sich's aber so verhält, wäre es dann nicht am Besten für den Christen, daß er sich lediglich an Gottes Wort hielte, und alles, was Menschen setzen und sagen, schreiben und drucken, ungehört, unbeachtet und ungelesen ließe? Nicht so. Da würden wir viel Gutes und Nützliches, was der Geber aller guten Gabe uns durch Menschen zuwendet, verschmähen, und Gottes Gabe verachten. Unter den Christen zu Thessalonich hatten etliche die Gabe der Weissagung. Davon schrieb ihnen der Apostel 1 Thess. 5, 20: „Die Weissagung verachtet nicht.“ Aber weil sich in solche Weissagungen leicht etwas Menschliches einmischen konnte, so stellte er ihnen sogleich 1 Thess. 5, 21. eine Warnungstafel dabei mit den Worten: „Prüfet alles und das Gute behaltet.“ Prüfet alles an dem Prüfstein der Wahrheit, an dem Worte Gottes, und was diese Probe aushält, was der heilsamen Lehre nicht zuwider, sondern ihr gemäß ist, das ist etwas Gutes, das verachtet nicht, das werfet nicht weg, sondern beachtet und behaltet es. So werden wir gewarnt, sowohl vor Verachtung, als vor ungebührlicher Hochachtung menschlicher Worte, Reden, Schriften und Bücher. Sollen wir einander dienen mit der Gabe, die wir empfangen haben, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes, so ist es auch der göttlichen Ordnung gemäß, daß wir, was uns von anderen Gutes in Rath, Lehre und Anweisung geboten wird, nicht verachten noch verschmähen. Aber weil wir wissen, daß viele falsche Geister ausgegangen find in die Welt, die mit erdichteten Worten handthieren und in Gleißnerei Lügenredner sind; weil der Geist deutlich sagt, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abtreten und anhangen den verführerischen Geistern und Lehren der Teufel; oder schon darum, weil wir wissen, wie mannigfaltig wir alle fehlen: sollen wir ja menschliches Wort stets nach göttlichem Worte prüfen, und durch dieses geübte Sinne uns erwerben zum Unterschiede des Guten und Bösen.