Spitta, Carl Johann Philipp - Gebt unserm Herrn allein die Ehre!
Was Moses, der Mann Gottes, 5 Mos. 32, 3. sagt: „Gebt unserm Gott allein die Ehre!“ wie häufig wird uns das im Worte Gottes gesagt! Denn Gott will seine Ehre keinem andern geben. Er will als Gott allein die Ehre haben. Er spricht selbst: „Bin ich Vater, wo ist meine Ehre? Bin ich Herr, wo fürchtet man mich? Es ist ein Zeugniß wider uns Menschen, daß wir so oft aufgefordert werden, Gott die Ehre zu geben; ein Zeugniß, daß wir ihm das Seine vorenthalten, indem wir uns zum Verdienst und zur Ehre anrechnen, was wir doch allein ihm und seiner Gnade verdanken. Was nun Moses von dem Menschen fordert, dazu macht das Evangelium den Menschen tüchtig, insonderheit seine Gnadenlehre: daß der Mensch gerecht werde aus Gottes Gnade durch den Glauben. Wer sich solche Rechtfertigung gefallen läßt, dem bleibt nichts übrig, als sich des Herrn zu rühmen, ja der giebt willig und mit Freuden Gott, und zwar Gott allein die Ehre. O ihr aus Gnaden Gerechten, thut, was ihr könnt! Gebt Gott die Ehre, und namentlich in eurem Herzen, durch die Demuth, die, hineinschauend in die Tiefe des menschlichen Elendes, der menschlichen Rathlosigkeit und Hülfslosigkeit, allen Stolz und alles Vertrauen auf eigenes Verdienst und eigene Gerechtigkeit als schädlichen Selbstbetrug fahren läßt, aber in seliger Betrachtung der Gnade und Erbarmung Gottes sich von Gott geliebt weiß und gesegnet mit überschwänglichem Segen in himmlischen Gütern; die alles Gute im Leiblichen und Geistlichen als unverdientes Geschenk, als gute und vollkommene Gabe von oben herab, dankbar empfängt, gebraucht und genießt; aber auch alles Leid und Ungemach ohne Befremdung und Murren als wohlverdiente und zuträgliche Züchtigung von Gott annimmt. Ja, ein Herz, das im Glück denkt: „Herr, ich bin viel zu geringe aller Güte und Treue, die du an mir thust!“ und im Unglück: „Haben wir Gutes empfangen von Gott, und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ ein solches Herz, das sich gleich tief unter die segnende, wie unter die züchtigende Hand Gottes demüthigt, das giebt ihm die Ehre. Gebt Gott aber auch die Ehre mit eurem Munde! Bringet ihm dar das Lobopfer allezeit, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. In einer Welt und Zeit, wo man Gott die Ehre nicht giebt, ja vielmehr wo viele ihre Ehre in der Schande suchen, unehrerbietig von Gott, Gottes Wort und Werk zu reden und zu schreiben, da ist es besonders Pflicht derer, die eines andern Sinnes sind, Gott die Ehre zu geben durch ein aufrichtiges Bekenntniß, daß wir an ihn, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist glauben, daß uns die Bibel wahrhaftig Gottes Wort, und die heilige Schrift ist, welche nicht gebrochen werden kann, und daß wir diesem Worte recht geben in allem, was es lehrt und gebietet, verheißet und drohet. Insbesondere aber ist es an der Zeit, Gott die Ehre zu geben durch ein dankbares Bekenntniß seiner Gnade, die er uns Unwürdigen erwiesen hat und noch erweiset, daß er uns durch den Glauben an Christum gerecht, ja zu seinen Kindern und Erben macht. Aber nicht blos mit Herz und Mund, sondern auch mit der That gebet Gott allein die Ehre. Alles was ihr thut, das thut zur Ehre Gottes, auf daß in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesum Christ; denn wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat, daß wir darinnen wandeln sollen. Nach des Vaters Wohlgefallen in den Fußstapfen Jesu Christi, aus Trieb des heiligen Geistes und nach der Vorschrift des Wortes Gottes handeln und wandeln, das heißt Frucht bringen, wodurch der Vater geehrt wird von seinen Kindern, der Erlöser von seinen Erlöseten und der Geist von seinen Heiligen. So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr's thut. Denn es spricht der Herr: „Wer mich ehret, den will ich auch ehren; wer aber mich verachtet, der soll wieder verachtet werden“ (1 Sam. 2, 30.).