Spener, Philipp Jakob - Die andere Predigt von der Seligkeit der Christen im Reich der Gnaden.
Text: Tit. 3,5.
(Die Seligkeit der Kinder Gottes. Frankf. a. M. 1692. S. 49.)
Eingang
Nachdem ich mir in der Furcht des Herrn vorgenommen, der christlichen Gemeinde die Lehre von der Seligkeit der wahren Gläubigen bereits in diesem Leben oder in dem Reich der Gnaden, welche in’sgemein weniger bekannt ist, als ich wünschte, vorzutragen und also die Gelegenheit des vergangenen Sonntagsevangeliums dazu genommen, so habe ich die Güter solcher Seligkeit in vier abgetheilt, da uns aber damals die Zeit allein das erste, nämlich die Kindschaft Gottes, zu betrachten zugelassen, das Uebrige aber habe auf diesen Tag versparet. Wiewohl weil noch von 3 Hauptgütern zu handeln ist, und die Zeit also auch nicht zugiebt, sie in dieser Stunde zu betrachten, so bleiben wir allein bei dem andern Hauptgut unsrer Seligkeit, welches ist die Gemeinschaft mit Christo, oder dass derselbe uns mit allen seinen Gütern geschenkt ist. Was aber anlangt die Schenkung des heiligen Geistes und das ewige Erbe, bleibet solche zu erwägen dennoch ausgesetzt.
Erklärung des Textes.
Ehe wir aber solches Gut der Seligkeit betrachten, wollen wir erstlich den Grund der ganzen Materie von der Seligkeit in diesem Leben legen aus den Worten Pauli, die wir zwar dieses Mal nicht völlig handeln wollen, als wobei uns zu unsrer vornehmsten Absicht nichts mehr von Zeit überbleiben würde, sondern wir versparen die eigentliche Ausführung dieses Textes in die Predigten von der Wiedergeburt, da er zu etlichen Malen wird vorkommen müssen. Dieses Mal nach unsrer Absicht erwägen wir allein diese beiden stücke. I. Wann die Gläubigen selig werden. II. Worin ihre Seligkeit bestehe. Der Herr, der uns selig gemacht und ferner gern selig machen will, lehre uns seine Wohlthat recht erkennen und dafür thätlich dankbar werden. Amen.
I.
Was also anlangt, wann die Gläubigen selig werden? Wo man diese Frage den Leuten vorlegte, wird fast in’sgemein Jedermann antworten, sie würden selig, wenn sie aus diesem Leben, da sie bis an das Ende in dem Glauben beharret, in die ewige Herrlichkeit versetzet würden; dass also die Meisten von keiner andern Seligkeit wissen, als die nach dem Tode folget. Wie man dann die Todten pflegt selig zu nennen, obwohl leider besorglich den Meisten mit solchem Namen mag Unrecht geschehen; denn weil wir Gottes Wort zu glauben haben, dass Wenige, gegen die Verlornen zu rechnen, selig werden, und man aber aus Gewohnheit alle Todten selig zu nennen pflegt (welcher Gewohnheit ich gern gesteuert zu werden wünschte, wie es aber anzugreifen, genugsamen Rath nicht sehe), so wird ja auch der Name selig in der Welt Manchem nachgesprochen, dessen Seele wohl bereits jene Flamme fühlet. Hingegen wird’s Jedermann fast ganz seltsam vorkommen, dass man schon hier in dem Leben selig sein oder werden könnte. Aber wir haben vor uns Paulum, der also redet. Gott macht uns selig durch das Bad der Wiedergeburt; also müssen wir die Seligkeit empfangen um die Zeit, wenn wir die Wiedergeburt erlangen, diese aber widerfährt uns nicht erst in jener Ewigkeit, sondern in dieser Welt, so muss denn auch die Seligkeit von diesem Leben gesagt werden können. Ja gar in dem Griechischen heisst es nicht: Er macht uns selig, sondern gar: Er hat uns selig gemacht, dass er daher als von einer Sache, die bereits eine Zeit lang vorbei sei, redet. Also brauchte er auch gleiche Redensarten anderwärts, Röm. 8,24. Wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. wo dieses Letztere das Erste oder dessen Kraft nicht aufheben muss, dass man es also verstehen wollte, wir sind wohl selig, aber noch nicht wahrhaftig, sondern nur also, dass wir die Seligkeit dermaleinst zu erlangen erst hoffen, sondern dieses ist die Kraft der Worte, wir sind schon selig gegenwärtig in der That und in der Wahrheit, aber in der Hoffnung, weil wir die Güter unsrer Seligkeit zum Theil noch nicht recht verstehen, zum Theil auch nicht völlig besitzen, dass wir hoffen sowohl die völlige Offenbarung, als auch die Ausantwortung der übrigen Güter zu freiem Genuss. Dieses ist, worauf die Hoffnung siehet, nicht auf die Seligkeit selbst. Also spricht er auch Eph. 2,8: Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben. Da die Seligkeit abermal vorgestellt wird als etwas nicht Künftiges, sondern bereits Empfangenes, und das wir durch den Glauben empfangen. Gleiche Redensart mit Paulo brauchet auch der Apostel Petrus 1,3.21: Welches (nämlich das Wasser) nun auch uns selig macht in der Taufe. Hier hören wir, die Taufe mache selig, diese aber empfangen wir ja in diesem leben. Und diesen Allen ist vorgegangen unser Heiland selbst und hat also geredet, als Matth. 5,3: Selig sind, die geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. Er sagt nicht: Sie werden ein Mal selig werden, sondern: Sie sind bereits selig; nicht, das Himmelreich solle ein Mal ihr werden, sondern es ist wirklich ihr; und so in den übrigen Reden allen. Daher, nachdem diese Rede (von dem alten Testament zu geschweigen, da sie auch in der Grundsprache oft vorkommt, obwohl in dem Deutschen andre Wörter stehen) unsrem Heiland und seinen Aposteln beliebet hat, haben wir sie nicht für irrig oder verdächtig zu halten, wo sie noch von christlichen Lehrern gebraucht wird, dass man nämlich bereits in diesem Leben selig sein müsse und könne, und solle sich billig unsre gemeine Redensart, nach der Redensart des heiligen Geistes richten, und diese uns Allen mehr und mehr bekannt werden und in den Schwang kommen.
Weil aber, dass man insgemein gedachter Maassen die Seligkeit erst in jenem Leben erwartet, Ursach ist, weil man das Wort Seligkeit nur braucht von dem Ansehen Gottes und der Herrlichkeit droben im Himmel, so haben wir II. zu sehen, was hingegen die Schrift für die Seligkeit achte, und was für Güter sie unter solchem Wort verstehe; da werden wir finden, dass dieselbe mit solchem Wort begreife alle die theuren Güter, darin wir Gottes, der die wesentliche Seligkeit und höchstes Gut in sich selbst ist, geniessen. Und also wer diese hat, Der ist selig in diesem und jenem Leben. Wir können aber sehen, dass eben diese vier Hauptgüter der Seligkeit, welche Sonntags erzählet worden, von dem Apostel auch mit darunter gezogen werden:
1.Die Kindschaft Gottes stecket darin. Wenn stehet von der Wiedergeburt, dass Gott uns wiedergeboren habe, so sind wir ja seine Kinder; welches auch aus Dem folget, wenn darnach des Erbes Meldung geschieht, so die Kindschaft voraussetzet. 2. Die Gemeinschaft Jesu Christi wird darin ausgedrückt, wenn es heisst, dass durch Jesum Christum unsern Heiland uns die Gnade widerfahren sei, und wir dadurch gerecht worden. Da gründet sich nun unsre Rechtfertigung auf das Verdienst und Genugthuung unsres liebsten Heilandes, sodann die Ausgiessung seines Geistes, der der Apostel auch gedenkt, auf seine Auferstehung und Sitzen zur Rechten; und wird damit gezeiget, dass also Christus sich den Gläubigen ganz geben, nach Allem, was ihm zukommt in dem Stande der Erniedrigung und Erhöhung. 3. Was anlangt die Schenkung des heiligen Geistes, stehet sie mit klaren Worten von dem Apostel ausgedrückt, wie auch dessen Wirkungen, die da bestehen in der Wiedergeburt und Erneuerung. 4. Endlich das Erbe des ewigen Lebens wird auch ausgedrückt, und zwar dass wir nicht erst Erben werden sollen, sondern solches bereits sind, obwohl nach der Hoffnung. Dass wir also den Genuss solches Erbes nach den meisten Stücken allein in Hoffnung haben. Also sehen wir, dass Paulus erstlich insgemein sagt, dass wir bereits von Gott selig gemacht seien, und also die Seligkeit auch in dieses Leben gehöre, nachmals, was dieselbe in sich fasse, erläutere, also dass es eben die Stücke seien, welche nächst erzählet worden, und wir in der Betrachtung derselben noch stehen. Ich hoffe auch durch diesen einfältigen Vortrag solle Alles so deutlich sein, dass E. Chr. L. sich wohl darein richten könne:
Lehrpunkte.
Nunmehr gehen wir dann zu unserm Vorhaben, dass wir das andre Hauptgut, welches die Absicht auf die andre Person der Gottheit, den Sohn unsern Heiland Jesum Christum hat, mit einander besehen, und bestehet in der Gemeinschaft, die wir mit Christo Jesu haben, oder vielmehr, dass derselbige von dem himmlischen Vater seinen Kindern mit all’ Demjenigen, was an ihm ist, und also mit all’ seinem Verdienst, Leiden, Sterben und Auferstehung, Herrlichkeit, zu eigen geschenkt ist. Das heisst ja den Sohn Gottes selbst zu seinem Eigenthum haben. Es heisst Joh. 3,16, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gab, zwar zum Allerersten für uns in sein Leiden und Tod, aber damit auch uns selbst, dass er unser würde. Dass Solches mit in dieser Redensart stecke, sehen wir Röm. 8,32: Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschonet, sondern hat ihn für uns Alle dahin gegeben. Da steht zwar auch nur noch von einem Geben für uns, es stehet aber gleich dabei: Wie sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken? So muss er denn auch selbst uns geschenkt sein, weil Anderes mit ihm geschenkt werden solle; und steckt demnach das Geben an uns mit unter dem Geben für uns. Daher wo von Christo auch stehet (Gal. 2,20): Der Sohn Gottes hat mich geliebt und sich selbst für mich dargegeben; (Eph. 5,2); Christus hat sich selbst dargegeben für uns, zur Gabe und Opfer, Gott zu einem süssen Geruch: so steckt denn auch eben sowohl Dieses darin, dass er sich auch uns selbst geschenket habe. So spricht auch der Apostel 1. Cor. 1,30: er sei uns gemacht von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. Wie nun aber der himmlische Vater und er selbst sich uns gegeben, so haben wir ihn auch angenommen und empfangen; wie es heisst, dass wir ihn in der Taufe angezogen haben. Gal. 3,27.
Zu diesem Hauptgut nun gehören und sind gleichsam dessen absonderliche Stücke die folgenden Güter: 1. Die vollkommene Vergebung der Sünden; nämlich weil die Gläubigen durch den Glauben Christi sind theilhaftig worden, und aber durch desselben Gehorsam, Leiden und Tod der göttlichen Gerechtigkeit für alle Sünden vollkommene Gnüge geschehen, und folglich derselben Vergebung allerdings erlangt worden ist, dass Christen in und von Christo, sobald sie durch den Glauben mit ihm vereinigt worden sind, eine völlige Vergebung aller ihrer Sünden bekommen, dass sie so wahrhaftig vor Gottes Gericht getilgt und verziehen worden, als wären sie nie von uns begangen worden. Denn wie Christus an unsre Stelle sich vor das göttliche Gericht gestellt hat und sich lassen zur sünde für uns machen, daher für uns dieselbe gebüsset hat, so geschieht, sobald wir nun mit Christo vereinigt sind, dass wir vor Gottes Gericht angesehen werden nicht anders, als hätten wir selbst für unsre Sünde und zu derselben Aussöhnung alles Dasjenige gethan, was Christus gethan hat. Wie nun unsre Sünden würden getilget sein, wenn wir unser Urtheil darüber ausgestanden hätten, so sind sie auch nunmehr vor Gott getilget, sobald wir mit Christo vereinigt sind und an seine Stelle treten. Darum heisst es: Wir werden auf seinen Tod getauft, Röm. 6,3; wenn wir getauft werden, solle es so Viel sein, als wären wir für unsre Sünde selbst gestorben. Diese Vergebung unserer Sünde geschieht also durch die Anrechnung der Genugthuung Christi. Und zwar ist’s eine Vergebung aller Sünden, es seien ihrer so viel es wollen, nachdem der Herr alle versöhnet hat, daher wir von der Vergebung nicht ausschliessen dürfen auch die schwersten, welche von einigen Menschen begangen werden könnten. Und ferner ist’s eine Vergebung nicht nur auf eine gewisse Zeit, sondern die ewig währen solle. Da heisst es Eph.. 1,7, col. 1,14: An welchen wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichthum seiner Gnade. Welcherlei Ort und Sprüche das ganze neue Testament voll ist.
2.Hierzu gehört und steckt in gewissem Maass bereits in der ersten Wohlthat noch diese, wie uns um Christi willen die Sünden, für die er gebüsset hat, vergeben werden, nicht anders, als hätten wir selbst dafür gebüsst, dass hingegen abermal die ganze Gerechtigkeit Christi in seinem vollkommenen Gehorsam gegen seinen himmlischen Vater uns auch vor dessen Gericht zugerechnet wird, gleich als hätten wir Alles also gethan, wie und was er in dem Gehorsam des Gesetzes Gutes gethan hat. Also wird die Gerechtigkeit Jesu Christi den Gläubigen dermaassen geschenkt, dass die für sich keine eigene Gerechtigkeit hätten, in der geschenkten und zugerechneten Gerechtigkeit Christi vor Gott dermaassen leuchten, nicht anders als in ihrer eigenen und also eine Gerechtigkeit haben, die herrlicher ist, als die Gerechtigkeit einiger Creatur, denn sie ist eine Gerechtigkeit des Sohnes Gottes; und heisst die gedachte Vergebung der Sünden, sammt jetzt gemeldeter zugerechneter Gerechtigkeit, die Rechtfertigung. Davon heisst es 2. Cor. 5,21: Er hat Den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Daher hat es bereits geheissen in dem alten Testament Jer. 23,6: Und dies wird sein Name sein, dass man ihn nennen wird Herr, der unsere Gerechtigkeit ist. Es stehet auch davon Röm. 5, 18, 19: Wie durch Eines Sünde die Verdammniss über alle Menschen kommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen kommen. Denn wie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden viel Gerechte.
3.Hieraus kommt ferner, weil rechtschaffenen Christen das ganze Verdienst Christi geschenkt ist, dass ihnen nur nicht allein diejenigen Sünden, welche sie vorher begangen haben, wahrhaftig vergeben werden, sondern auch dass diejenigen sündlichen Schwachheiten, die sie noch wider ihren Willen an sich tragen und sich derselben noch nicht, so lange sie noch in dem Fleische leben, ganz entschütten können, hingegen ernstlich dawider streiten, und doch ausser Christo um derselben willen verdammt werden müssen, ihnen nicht zugerechnet werden, sondern so lange sie in dem wahren Glauben stehen, durch die Kraft des Blutes Christi vor Gottes Gericht also bedeckt werden, als wären sie nicht da. Welches der grösste Trost ist, und wir sonst der vorigen Sünden Vergebung wenig Nutzen haben würden, wenn uns zwar die vorigen Sünden, die wir begangen haben, und die ganz vorbei sind, vergeben worden wären, da wir hingegen gleichwohl in das göttliche Gericht noch geführt werden müssen wegen derjenigen Schwachheit, so wir noch an uns tragen, und derselben, so lange wir noch in diesem Fleische sind, niemals vollkommen los werden könnten. Aber so lautet der herrliche Trost Röm. 8,1: So ist nun nichts Verdammliches an Denen, die und dieweil sie in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch, welches sie doch an sich tragen, und dasselbe vor sich selbst sammt seinen Lüsten, deren Regung nicht genug verwehret werden kann, verdammlich sein würde, wandeln, sondern nach dem Geist. Also verdammt uns diejenige Sünde nicht mehr vor Gott, da wir in Christo sind, welcher wir nicht selbst dienen.
4.Es fliesst ferner hieraus, weil Christus nicht nur für die Sünde, sondern auch für die Strafe genug gethan, und uns hingegen sein ganzes Verdienst geschenket wird, dass also rechtschaffene Christen nicht nur Vergebung ihrer Sünden haben, sondern auch alle Strafen, die ihnen ihrer Sünden wegen gebührten, von ihnen weggenommen sind, dass sie weder zeitlich noch ewig, wo sie in dem Gnadenbund bleiben, Strafe ausstehen dürfen; und was sie noch hier in der Zeit zu leiden haben, ihnen in der That keine schädliche Strafe, sondern eine heilsame Züchtigung sei, welche beide nicht nur den Namen nach, sondern in der Sache selbst unterschiedne sind, weil durch die Strafe der Mensch der Gerechtigkeit genug thun muss und davon keinen Nutzen hat, welcher hingegen bei der Züchtigung gross ist 1. Cor. 11,32: Wo wir gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtiget, auf dass wir nicht mit der Welt verdammt werden.
5.Daraus entsteht auch, weil Christen Christi Verdienstes theilhaftig sind, und er sie aber von dem Fluch des Gesetzes erlöset hat, Gal. 3,13, dass gläubige Christen von der Zeit an, als sie wahrhaftig gläubig worden sind, ganz von dem Gesetz, was dessen Fluch anlanget, frei sind, auch nicht mehr bedürfen, aus demselben selig zu werden, weil sie alle ihre Seligkeit von ihrem Seligmacher Christi herhaben, daher ob sie schon das Gesetz nicht vollkommen halten können, kann es sie doch nicht verfluchen. Sie sind damit auch frei von dem bösen Gewissen ihrer Sünden halber, weil sie derselben Vergebung haben, und dürfen sich also nicht vor Gott als einen Feind oder erzürnten Richter auf knechtische Art, wie andere ausser Christo, fürchten. Daher heisst es, dass wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind. Röm. 6,14, Gal. 5,18, Christus habe Die, so unter dem Gesetz waren, erlöset, Gal. 4,4, also auch Hebr. 9,14, Christi Blut reinige unser Gewissen von den todten Werken, und Hebr. 2,15, Christus habe Die erlöset, so durch Furcht des Todes in ihrem ganzen Leben Knechte sein mussten.
6.Damit kommt überein, dass gläubige Christen in Christo auch von Gottes Zorn, Tod und Hölle frei sind. Denn wo Vergebung der Sünden ist, da hat Zorn, Hölle und Tod keinen Platz mehr. 2. tim. 1,10: Christus hat dem Tode die Macht genommen und das leben, und ein unvergängliches Wesen an’s Licht gebracht durch das Evangelium; und 1. Thess. 1,10: Jesus hat uns von dem zukünftigen Zorn erlöset.
7.Weil nun alle Macht des Teufels an uns in der Sünde besteht und Christen von derselben durch Christum erlöset sind, sind sie auch so frei von dem Teufel, dass derselbe kein Recht und Anspruch an sie hat, sie mit Nachdruck nicht mehr verklagen kann, auch so mächtig nicht mehr ist, sie zu überwinden, wo sie an Christum sich halten. Daher heisst es von den Jünglingen 1. Joh. 2, 13: Ihr habt den Bösewicht überwunden. So beschreibt desswegen Paulus Eph. 6 die ganze geistliche Kriegsrüstung der Gläubigen, damit sie gewiss in Christo alle Fürsten der Finsterniss zu überwinden vermögen.
8.Zu Allem kommt, dass Christen mit Christo, ja mit der ganzen heiligen Dreifaltigkeit also vereinigt werden, dass nicht nur solche wahrhaftig in ihnen wohnet, als in einem Tempel, sondern sich gar mit denselben vereiniget. Sonderlich dass ein Christ an Christo als an seinem Haupt ein wahrhaftiges Glied wird. Da heisst es Joh. 17,20: Auf dass sie Alle eins seien, gleichwie du Vater in mir, und ich in dir, dass sie auch in uns eins seien. Eph. 5,20. Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebein. Davon auch Eph. 4,15.16. bezeuget wird.
9.Daraus kommt ferner, dass Christus eine göttliche lebendige Kraft den Christen als seinen Gliedern mittheilt, daraus sie alles ihr Gutes verrichten; und er also selbst in ihnen lebet. Wie es heisst Gal. 2,30: Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Daher die Worte Christi kommen Joh. 15,4 u.f.: Bleibet in mir, und ich in euch. Gleich wie der Rebe kann keine Frucht bringen von ihm selber, er bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn an mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibet, und ich in ihm, der bringet viele Frucht. Denn ohne mich könnet ihr Nichts thun.
10.Es fliesst ferner daraus, dass ein Christi mit Christo in einer solchen Gemeinschaft stehe, dass Christus sich aller seiner Leiden annimmt und ihm hingegen sein Leiden schenket. Wie es nun aus den Leiden Christi so Viel ist, als hätte der Christ selbst gelitten, was sein Heiland für ihn gelitten hat, daher er Vergebung der Sünden davon hat: Also, wo ein Christ leidet, nimmt es Christus nicht anders an, als litte er alles Solches selbst, und würde solches Unrecht ihm zugefüget. Daher er’s auch demselben in dem Leiden an Trost nicht mangeln lässet. Darum nennt es der Apostel 2. Cor. 4,10 das Sterben unsers Herrn Jesu Christi, welches Gläubige an sich tragen; und er ruft selbst dem Saulo zu Ap.-Gesch. 9,4: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Da doch derselbige Christum zur Rechten des Vaters sitzenden nicht verfolgen konnte, sondern seine Christen plagte; wesswegen es der Herr als ihm gethan ahndet, wie er auch die Verlassung seiner Brüder in deren Bedürfniss als ihm geschehen aufnimmt. Matth. 25,45.
11.Wie aber das Leiden zwischen Christo und seinen Christen gemein ist, also setzt er sie auch ein in die Gemeinschaft seiner Herrlichkeit, dass sie alle Herrlichkeit Christi mit geniessen, als die Sterne, die in seinem, als der Sonne, weil er die Sonne der Gerechtigkeit ist, Licht leuchten. Joh. 17,22: Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast. Offb. 3,21: Wer überwindet, Dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.
12.Endlich kommt auch noch dazu, dass er sie mit seinem Leib und Blut in dem heiligen Abendmahl speiset und tränket, da dann ihr neuer Mensch nicht weniger aus solchem Leib und Blut Christi ernähret wird, als der natürliche Mensch aus dem natürlichen Brod und Wein. Ja, dass er auch ausser dem heiligen Abendmahl mit seinem Leib und Blut, durch den Glauben angenommen, sie wahrhaftig ernähret. Wovon sonderlich Joh. 6 zu lesen ist.
Nun, wer in solcher Gemeinschaft mit Jesu Christo stehet, ihn und alle seine Güter hat, von Dem mögen wir mit Recht sagen, dass er eben darinnen selig sei. Aber es ist nicht genug, dass wir nur wissen, dass eine solche Seligkeit in Christo sei, sondern wir müssen uns dahin bestreben, dass wir auch in gedachter Seligkeit stehen, sonst nützt uns das Wissen Nichts.
Wer hat aber solche Seligkeit? Nicht Alle, hingegen allein der glaubet, aber also, dass es ein göttlicher Glaube und Licht in seiner Seelen sei, von dem heiligen Geist entzündet, daher solches Licht nicht zugleich mit den Werken der Finsterniss stehen kann. Also willst du, dass dir auch dieser Schatz der Seligkeit wahrhaftig zukomme, so musst du deines Glaubens versichert sein; willst du aber deines Glaubens Zeugnisse haben, so musst du dich nach dessen Früchten prüfen, da wirst du bald den Ausschlag finden.
Hier muss ein grosser Hauptirrthum, der gefährlich genug ist, bemerket werden, wenn alle Christen so gern von den übrigen Wohlthaten Christi hören und sich dieselben zueignen wollen, als da sind Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Befreiung von der Sünden Strafe, vom Gesetz, Gottes Zorn und von dem Teufel, wiederum die Gemeinschaft mit Christi Herrlichkeit, und dass er sich unsers Leidens annehme, weil es lauter Dinge sind, die Nichts von uns erfordern; aber wenn es auf den Neunten kommen solle, wie Christus uns Saft und Kraft zu Bringung heiliger Früchte geben und wir solchen in uns kräftig sein lassen sollen, da will Niemand daran. Aber, da bleibet’s ein Mal bei: Kein einziger Mensch kann sich rühmen Christi übriger Güter, der Vergebung der Sünden und anderer dergleichen thätlich zu geniessen, welcher nicht auch Christum also in sich wohnend hat und also wohnen lässet, dass er in ihm viele Früchte bringe. Wie denn Christus von uns Nichts hilft, wo nicht Christus in uns auch dabei ist. Es bleibt ein wahrer Ausspruch unsers Heilands an vorgezogenem Ort Joh. 15,2: Einen jeglichen Reben, der nicht Frucht bringet, wird er wegnehmen; und, wie V. 6 folget, mit Feuer verbrennen.
Also lasset uns denn uns selbst nicht betrügen mit vergeblichem Trost, noch glauben, dass der Herr uns einige Sünden vergebe in der Kraft seines Blutes, von welcher wir nicht allezeit bereit sind, uns aus eben derselbigen Kraft auch wirklich reinigen zu lassen. So kann Christus unsere Weisheit und Gerechtigkeit nicht bleiben, noch unsre endliche Erlösung werden, wenn wir ihn nicht wollen auch unsere Heiligung werden lassen. 1. Cor. 1,30. Denn er lässt seine Wohlthaten nicht trennen, sondern welche ihn haben wollen als einen versöhnenden Hohenpriester, Die müssen ihn auch behalten als einen versöhnenden Hohenpriester, Die müssen ihn auch behalten als einen König, welcher in ihnen stets seine Feinde überwinde, und sie ihn also in sich wirken lassen, dass er sie je länger je mehr ihm ähnlich mache, und nicht sowohl sie selbst, als er und sein Geld in ihnen lebe. Dahin lasset uns stets bestreben und ihn darum anrufen, dass er uns immermehr aus uns und der Welt in sich ziehe, damit seine Wohnung so befestigt werde, dass sie ewig bleibe.
Den Trost belangend, bedarf’s keines andern als den wir bereits angeführt haben, denn die Seligkeit, die wir jetzt beschrieben haben, ist ja lauter Trost, und können wir nichts Herrlicheres uns wünschen, als Christus, da er sich uns schenket, mit sich selbst uns giebt und gegeben hat.
Weil man sich aber beschweren möchte, dass gedachtermaassen auch von uns erfordert werde, dass wir aus Christo auch Früchte bringen, und also uns eines heiligen Lebens befleissen sollen, das sei ja wiederum Gesetz und nicht Evangelium: so merke man Dieses, dass gar eine andere Bewandtniss ist, wo das Gesetz oder Moses von uns ein heiliges Leben fordert, ein Anders, wenn es aus Christi Gemeinschaft fliessen solle. Denn dort wird nur von uns gefordert, was wir nicht haben, noch selbst bekommen können, ferner, so wird uns Solches nicht durch das Gesetz gegeben, hingegen hängt das Drohen gleich an dem Fordern. Hier aber fordert Christi Gemeinschaft zwar auch ein heilig Leben, aber was sie fordert, giebt sie auch und wirket es in und durch uns, wo wir nur der Gnade in ihrer Ordnung Platz lassen. So trägt auch die Gnade Geduld mit wenigeren Früchten, wo wir nicht weiter haben kommen können, da das Gesetz Alles vollkommen haben will.
Der letzte Trost ist der, wo wir christi hier in diesem leben auf gedachte Art theilhaftig worden sind, so mangelt’s nicht, dass wir nicht auch in jener Herrlichkeit in seiner Gemeinschaft stehen und ewig leuchten werden.
Ach, liebster Jesu, der du uns nicht nur die Seligkeit mit deinem Leiden und Tod erworben hast, sondern sie auch mit dir selbst, in so vielen Gütern, uns schenkest, gepriesen sei deine ewige Liebe, davon wir alles Solches geniessen. Lass uns aber diese theure Seligkeit weder versäumen noch verstossen, sondern sie zuerst lebendig erkennen, damit wir deren Würde zu schätzen lernen und desto herzlicher uns darnach bestreben. Ach so sei denn wahrhaftig unsere Gerechtigkeit vor Gottes Thron, unser Sieg und Freiheit von allen Feinden, unser saftgebender Weinstock zur Bringung vieler Frucht, unser Trost und Beistand in den Leiden, unser Leben in dem Tod und unsere Herrlichkeit in der Ewigkeit. So sind wir recht selig in dir, Amen; ja in dir, Amen.