Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Micha.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Micha.

Micha, ein Mann aus Juda aus dem Städtchen Maresa,1) hat seinen ersten Spruch vor der Zerstörung Samariens gesprochen. Er trifft also mit Jesaja, wenigstens mit dem größeren Teil der Wirksamkeit desselben, zusammen, hat aber eine andere Stellung im Volk als dieser. Jesaja stand den Regenten Judas nahe und gab ihnen die prophetischen Weisungen für die wichtigen Entschließungen, welche der Gang der Zeitgeschichte nötig machte. Daher ist Jesaja's Wort fortwährend voll von Beziehungen auf zeitgenössische Ereignisse. Bei Micha tritt außer dem Fall Samariens keines dieser eingreifenden Ereignisse hervor, nicht einmal der Einmarsch und Untergang der Armee Sanherib's. Dagegen teilt er mit Jesaja die großen, hellen Blicke in die Zukunft der Gemeinde.

Die assyrische Not. 1.

Der Prophet beginnt mit der Ankündigung, daß der Herr zu einem mächtigen Eingriff in das Geschick des Volkes kommt.

Der Abfall von ihm sammelt sich in Samarien als in seinem Mittelpunkt, weshalb es vernichtet wird; nicht weniger aber auch in Jerusalem. Darum erstreckt sich die Verheerung auch über Juda. Und der Prophet macht die Größe des Elends anschaulich, indem er uns die Städte des judäischen Landes sämtlich von der Kriegsnot betroffen zeigt.

Judas Schäden. 2 u. 3.

Wo fehlt's denn Juda? Der Prophet macht die schlimmen Dinge namhaft, die es verderben. Die Reichen brauchen ihre Übermacht habgierig und ziehen den Grundbesitz der Ärmeren an sich. So wird die Grundlage für das Gedeihen Israels untergraben, daß jeder seinen Anteil habe am Land des Herrn. Solches macht, daß Gott dem Volk das Land gewaltsam nimmt. 2,1-4.

Dazu kommt die Auflehnung gegen das prophetische Wort, sowie es nicht lügnerisch und schmeichelhaft den Lüsten des Volkes dient. Und doch wird an allen Schwachen, an Frauen und Kindern, rohe Gewalt geübt. Darum muß das Volk gefangen in die Ferne ziehen. 2,5-10.

Die folgende Strophe ist dunkel. Vielleicht spottet der Prophet über die leichtsinnigen Wahrsager, die alsbald nach dem Fall Samariens von einer herrlichen Rückführung und Sammlung des Volkes zu sprechen wagten. 2,11-13.

Er dagegen hält den Leitern und Häuptern des Volkes in offenem Bußwort ihr Unrecht vor. Die Richter saugen mit Rechtsbruch und Gewalt das Volk aus. Die Propheten erniedrigen die Weissagung schmählich zum Broderwerb. Überall stellt der Eigennutz das Geld über Gott und sein Recht, und dabei sind sie voll stolzer Zuversicht auf ihn. Deshalb ist das Ende dieses Treibens die völlige Zerstörung Jerusalems. 3.

Nach dieser Abrechnung mit der Gegenwart wendet sich der Prophet der Zukunft zu.

Das zukünftige Israel. 4 u. 5.

Der Tempel wird der Sammelpunkt aller Völker im großen Friedensreich. Das zersprengte Volk wird gesammelt, und das Königtum wiederhergestellt. 4,1-8.

Zuvörderst kommt freilich die königslose Zeit im Exil in Babel. Und nach der Errettung von dort sammeln sich noch einmal die Nationen gegen die Stadt zum letzten Kampf. Aber Gott gibt der neugesammelten Gemeinde den Sieg. 4,9-14.

Dann wird aus dem Davidshaus, das vom Thron herabgesunken und in die Niedrigkeit Bethlehems zurückgebracht ist, der rechte König in Gottes Kraft geboren, der vollen Frieden schafft, unüberwindlich auch für die Weltmacht Assurs. 5,1-5.

Dann wird das Volk von Gott wunderbar gemehrt wie der Tau und sieghaft wie ein Löwe gemacht. 5,6-8.

Und dann sind alle götzendienerischen Unreinigkeiten und alle kriegerischen Machtmittel eines stolzen Übermutes weggethan. 5,9-14.

Der Rückweg zu Gott. 6 u. 7.

2)

Die letzte Rede kehrt sich nach innen. Die inwendige Stellung des Volkes zu Gott wird beleuchtet, wie es jetzt von ihm abweicht und wie es ihn wieder suchen muß.

Im Namen Gottes klagt der Prophet über Israels Undank, der die Wohlthaten Gottes bei der Ausführung aus Ägypten so schnöde vergißt. 6,1-5.

Überaus eifrig erbietet sich das Volk zu jedem Opfer. Sogar den erstgeborenen Sohn will es nach der Kanaaniter Weise Gott dargeben, damit sein Unwille versöhnt werde. Aber ernst und gemessen bezeichnet ihm der Prophet den wahren Willen Gottes, den es in seiner Einfachheit längst schon kennt und der sich in die drei Worte zusammenfaßt: Gerechtigkeit, Güte und demütiger Wandel mit Gott. 6,6-8.

All das Unrecht, die Habgier und Lüge im Volk rufen Gottes Gericht hervor. Er wird das begehrliche Streben des Volkes gründlich vereiteln. 6,9-16.

Alle Verhältnisse unter dem Volk sind tief zerrüttet; Treue und Redlichkeit sind überall gewichen. 7,1-6. Aber die Hoffnung Israels - der Prophet spricht im Namen der wahren Gemeinde - steigt auf zu Gott und in ihm triumphiert sie über ihre Feinde. Sie wird wieder hergestellt aus ihrer Erniedrigung und alle Völker kommen zu ihr. 7,7-13.

Das letzte Wort wird zum Gebet um Gottes Offenbarung über den Völkern, damit sie sich beugen vor seiner Majestät, und um die Erweisung seiner Gnade an Israel, die die Sünde begräbt und die den Vätern gegebene Verheißung erfüllt. 7,14-20.

Micha hat mit Jesaja dies gemein, daß er die Hoffnung des Volks nachdrücklich auf den dem neuen Jerusalem verheißenen neuen König lenkt. Die im engern Sinn messianische Erwartung geht von diesen beiden Propheten aus. Seit Nathan nach Davids Thronbesteigung Juda die Hoffnung gab: das Haus Davids bleibt! hatte das Volk Segen und Unsegen des Königtums in einer wechselnden Reihe von Königen reichlich erlebt. Nun wird die Weissagung bestimmter und größer: ein König in Gottes Namen, dessen Regierung uns wirklich Gottes Reich und Regiment brächte, war uns noch nicht gegeben; aber er wird kommen, dann wenn das alte Jerusalem und der jetzige Glanz des Königshauses verschwunden sind, dann wenn Gott das Volk neu macht, dann kommt auch der rechte König in Gottes Kraft.

1)
Wahrscheinlich lag es in der Nähe von Gath an der Philistergrenze.
2)
Die letzte Rede ist in ihrem Tone von den früheren etwas abweichend. Es wurde deshalb die Vermutung geäußert, daß sie von einem späteren Propheten stamme. Andere denken sich wegen des dunkeln Urteils über den sittlichen Zustand des Volks, daß Micha noch die Zeit Manasse's erlebt habe. Allein wir müssen uns jene aufgeregten Kriegszeiten auch in Bezug auf die moralische Haltung des Volks jedenfalls sehr düster denken.
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