Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 119. Psalm.

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Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 119. Psalm.

Der 119. Psalm hat keine Überschrift noch anderweitige unfehlbare Anzeige, wann und von wem er gemacht worden sei. Weil so viel vom Abweichen auf falschem Weg und vom genauen Bleiben an der unverfälschten Richtschnur des göttlichen Worts darin vorkommt, so sehen ihn Manche in spätere als Davids Zeiten, weil nämlich erst durch den vielen Umgang mit fremden Völkern so eine Vermischung der Wahrheit mit Lügen unter das Jüdische Volk gekommen sei. Er ist aber auch auf alle Zeiten hinein ein wichtiges Zeugnis von dem mannigfaltigen Gebrauch und Nutzen des göttlichen Worts, wie ein Mensch GOttes dadurch vollkommen ausgerüstet und zu allem guten Werk geschickt werden kann. Zur Einteilung des Psalms ist überhaupt so viel zu merken, dass er nach dem hebräischen Alphabet, welches 22 Buchstaben hat, in 22 Teile eingerichtet ist, so dass jedes Mal 8 Verse nach einander mit einerlei hebräischen Buchstaben anfangen. Der erste Achter macht den Eingang, die 20 mittlern die Abhandlung, und der letzte den Schluss aus. Der Eingang enthält die Summe vom ganzen Psalm. Der Mann GOttes hat nämlich unter einem tiefen Eindruck von der Seligkeit derer, die das Wort GOttes halten, den Vorsatz und Wunsch in seinem Herzen gefasst, dass seine Wege auch nach diesem Wort GOttes eingerichtet, und er dadurch zu einem Menschen GOttes ausgerüstet, mithin dieser Seligkeiten auch teilhaftig würde. In der Abhandlung wird hernach dieser gute Vorsatz und Wunsch ausgeführt, und da hat man auf zwei Stücke zu merken, erstlich auf die mancherlei Namen, die darin das Wort GOttes bekommt. Denn daraus sieht man, wie sich der Manu GOttes auf den güldenen Text so ernstlich appliziert1) und gelegt, die Materie desselben, die Art des Vortrags, die daran hängenden Siegel der Rechte und Gerichte in Belohnung und Bestrafung, die Fassung des Worts und Willens GOttes in einen Bund, in Zeugnisse und Gebote, wie er dies Alles so genau bemerkt; - andern Teils aber die vielfältigen Übungen, so der Mann GOttes daraus von sich genommen, mit Beten, mit Bekenntnis und Lob, mit gehorsamem Angriff, mit Klage über sein Elend und Unvermögen, mit Erneuerung seines guten Vorhabens, mit Eifer über Andere, mit Zurückdenken aus Vergangene, mit froher Aussicht aufs Zukünftige, und was ihn jede dieser Übungen zu seinem guten Zweck gefördert habe. Demnach kommt es auf die zwei Vorteile an: Appliziere dich ganz auf den köstlichen Text, und die Sache appliziere ganz auf dich. Das ist: halte an mit Lesen, Betrachten, Wiederholen, Vergleichen der Worte GOttes, Alles aber, was vorkommt, lass bei dir zur Besserung des Herzens anschlagen, dass es dich ins Gebet zur Bewahrung deiner Sinne, zur Läuterung deiner Absichten, zur Verabscheuung der Welt und ihres Laufs, zum Misstrauen gegen dein betrügliches Herz, zur sorgfältigen Anwendung der Gnade antreibe.

I. Der Eingang: das selige Vorhaben, GOtt in Seinem Wort zu suchen, an GOtt nach. Seinem Wort zu hangen, und durch das Wort GOttes ein zu allem guten Werk geschickter Mensch GOttes zu werden.

1. Wohl denen, die ohne Wandel leben, die im Gesetz des HErrn wandeln. 2. Wohl denen, die seine Zeugnisse halten, die ihn von ganzem Herzen suchen. 3. Denn welche auf seinen Wegen wandeln, die tun kein Übels. 4. Du hast geboten fleißig zu halten deine Befehle. 5. O dass mein Leben deine Rechte mit ganzem Ernst hielte! 6. Wenn ich schaue allein auf deine Gebote, so werde ich nicht zu Schanden. 7. Ich danke dir von rechtem Herzen, dass du mich lehrest die Rechte deiner Gerechtigkeit. 8. Deine Rechte will ich halten; verlass mich nimmermehr.

Das Wort GOttes treibt durch Aufdeckung unserer Mängel zum Gebet. Deswegen wer viel und ernstlich mit GOttes Wort umgeht, wird immer zum Gebet gestimmt, teils nach dem Gefühl seines eigenen Bedürfnisses, teils nach dem Glauben ans ganze Work GOttes.

II. Er bekennt, dass man mit der Übung im Wort GOttes früh anfangen und fleißig anhalten müsse, wenn man zu dem gewünschten Zweck kommen wolle.

9. Wie wird ein Jüngling seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält nach deinen Worten. 10. Ich suche dich von ganzem Herzen; lass mich nicht fehlen deiner Gebote. 11. Ich behalte dein Wort in meinem Herzen, auf dass ich nicht wider dich sündige. 12. Gelobt seist du, HErr! Lehre mich deine Rechte. 13. Ich will mit meinen Lippen erzählen alle Rechte deines Mundes. 14. Ich freue mich des Weges deiner Zeugnisse, als über allerlei Reichtum. 15. Ich rede, was du befohlen hast, und schaue auf deine Wege. 16. Ich habe Lust zu deinen Rechten, und vergesse deiner Worte nicht.

Mit Lust, Begierde, Freude, Verlangen, Fleiß des Herzens, es zu behalten, hat sich einer im Worte GOttes zu üben, aber auch hernach mit Bekenntnis des Mundes, mit Reden davon, mit Erzählen sich dessen anzunehmen.

III. Er fährt fort, GOttes Beistand zu seinem guten Vorhaben zu suchen, damit er nicht von innerlichen und äußerlichen Hindernissen davon abgehalten werde.

17. Tue wohl deinem Knechte, dass ich lebe, und dein Wort halte. 18. Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz. 19. Ich bin ein Gast auf Erden; verbirg deine Gebote nicht vor mir. 20. Meine Seele ist zermalmt vor Verlangen nach deinen Rechten allezeit. 21. Du schiltst die Stolzen: verflucht sind, die deiner Gebote fehlen. 22. Wende von mir Schmach und Verachtung: denn ich halte deine Zeugnisse. 23. Es sitzen auch die Fürsten, und reden wider mich; aber dein Knecht redet von deinen Rechten. 24. Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen, die sind meine Ratsleute.

Wer freilich in die Übung in GOttes Wort hineinkommt, der findet erst die tiefen Wunder desselben, er spürt die Schwäche seiner Augen, selbige einzusehen. Und wenn dazu noch die Fremdlingschaft in der Welt kommt, darin einem so viel Gefährliches und Betrügliches begegnen kann, so viel Exempel von Verführern und Verführten vorkommen, so viel Ansehen der Menschen, das einen erschrecken und gefangen nehmen will; so merkt man freilich, dass man sich nichts Geringes vorgenommen hat, wenn man sich vorgenommen, ein durch das Wort GOttes zu allem guten Werk geschickter Mensch GOttes zu werden.

IV. Er kommt über seinem guten Vorsatz in einen noch tieferen Kampf hinein, diese Bedrängnis aber schärft auch sein Gebet und er hält desto mehr um Erleuchtung an, und verspricht Standhaftigkeit im Wort des HErrn.

25. Meine Seele liegt im Staube; erquicke mich nach deinem Wort. 26. Ich erzähle meine Wege, und du erhörst mich; lehre mich deine Rechte. 27. Unterweise mich den Weg deiner Befehle; so will ich reden von deinen Wundern. 28. Ich gräme mich, dass mir das Herz verschmachtet; stärke mich nach deinem Wort. 29. Wende von mir den falschen Weg, und gönne mir dein Gesetz. 30. Ich habe den Weg der Wahrheit erwählt, deine Rechte habe ich vor mich gestellt. 81. Ich hange an deinen Zeugnissen; HErr, lass mich nicht zu Schanden werden. 82. Wenn du mein Herz tröstest, so laufe ich den Weg deiner Gebote.

Da geht es aus dem nämlichen Ton, wie in dem Kirchenlied:

Ach, erheb' die matten Kräfte,
Dass sie sich doch reißen los,
Denke, dass ein armer Mensche
Dir im Tod nichts nütze sei?
Heb ihn aus dem Staub der Sünden :c.

V. Nun aber kommen gelassene Bitten, wie noch bei einer redlichen Übung im Wort GOttes bald der Ernst und Fleiß, sich anzugreifen, vorschlägt, bald das Gefühl, wie bei unserem Unvermögen das Beste sei, nur gelassen um die Handleitungen der göttlichen Weisheit anzuhalten.

33. Zeige mir, HErr, den Weg deiner Rechte, dass ich sie bewahre bis ans Ende. 34. Unterweise mich, dass ich bewahre dein Gesetz, und halte es von ganzem Herzen. 35. Führe mich auf dem Steige deiner Gebote; denn ich habe Lust dazu. 36. Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen, und nicht zum Geiz. 37. Wende meine Augen ab, dass sie nicht sehen nach unnützer Lehre; sondern erquicke mich auf deinem Wege. 88. Lass deinen Knecht dein Gebot festiglich für dein Wort halten, dass ich dich fürchte. 39. Wende von mir die Schmach, die ich scheue; denn deine Rechte sind lieblich. 40. Siehe, ich begehre deiner Befehle; erquicke mich mit deiner Gerechtigkeit.

Zeige mir diese Wege, unterweise mich, führe mich, neige mein Herz, sind lauter so gelassene Bitten, die zwar aus einem billigen Misstrauen gegen sich selbst gehen, dabei man sich aber doch kindlich an GOtt und an Seine Hand hinhängt:

Wie die Jugend gängle mich,
Dass der Feind nicht rühme sich,
Er hab' so ein Kind gefället,
Das auf Dich sein' Hoffnung stellt.

VI. Von da an regt sich sich nun ein tröstlicher Vorblick aufs Zukünftige, wie er seines Gebets noch werde froh werden, und das trägt er dankbar dem HErrn vor, und hält daneben mit Beten an..

41. HErr, lass mir deine Gnade widerfahren, deine Hilfe nach deinem Wort, 42. Dass ich antworten möge meinem Lästerer; denn ich verlasse mich auf dein Wort. 48. Und nimm ja nicht von meinem Munde das Wort der Wahrheit; denn ich hoffe auf deine Rechte. 44. Ich will dein Gesetz halten allewege, immer und ewig. 45. Und ich wandle fröhlich; denn ich suche deine Befehle. 46. Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen, und schäme mich nicht, 47. Und habe Lust an deinen Geboten, und sind mir lieb, 48. Und hebe meine Hände auf zu deinen Geboten, die mir lieb sind; und rede von deinen Rechten.

Da tut es einen guten Schritt mit einem, wenn es in die Bereitschaft zur Verantwortung gegen Den, der Grund fordert, hineingeht, wenn man die Scheue, die sich verborgen hält, überwindet, und Anderer Unglauben und Spötterei sich nicht vom Bekenntnis der Wahrheit abhalten lässt. Solch ein Bekennen vor den Menschen vergilt einem der HErr gleich mit einer mehreren Freudigkeit im Zugang zu Ihm selbst und mit einer reichen Lust an Seinen Geboten.

VII. Er stärkt sich, auf seinem Vorsatz zu bleiben, auch durch Rücksicht auf das Vergangene, erzählt seine Erfahrungen, die er ehemalen über die Bewahrung des Worts GOttes gehabt, und mahnet immer an bei dem lieben GOtt, um weitere Erfüllung Seiner Verheißungen an ihm.

49. Bedenke deinem Knechte an dein Wort, auf welches du mich lässt hoffen. 50. Das ist mein Trost in meinem Elend; denn dein Wort erquickt mich. 51. Die Stolzen haben ihren Spott an mir; dennoch weiche ich nicht von deinem Gesetz. 52. HErr, wenn ich gedenke, wie du von der Welt her gerichtet hast, so werde ich getröstet. 53. Ich bin entbrannt über die Gottlosen, die dein Gesetz verlassen. 54. Deine Rechte sind mein Lied in dem Hause meiner Wallfahrt. 55. HErr, ich gedenke des Nachts an deinen Namen, und halte dein Gesetz. 56. Das ist mein Schatz, dass ich deine Befehle halte.

Ein tröstliches Zurückdenken an die überwundenen Versuchungen ist ein trefflicher Vorteil, wenn man auch neue Anläufe zu erleiden hat, und es wird einem versichert: Dergleichen hab ich schon manches mit dem Wort des HErrn abgewiesen. Dein Wort ist mein Trost in meinem Elend ist wohl die Summe von allen Erfahrungen: durch Geduld und Trost der Schrift in seinem Elend Hoffnung haben, daran kann einem genügen.

VIII. Nun stellt er neuerdings in Einfalt auf den HErrn vor, und zeigt, was ihm die Aufsicht auf das Zukünftige und der Rückblick auf das Vergangene im Gegenwärtigen für eine ruhige Fassung gebe, und wie er mit Beten, mit Untersuchung seiner selbst, mit eilfertiger Aufraffung aus der Trägheit, mit Abschneidung der Hindernisse, die ihm gemacht werden, mit Gesuch der gesegneten Gemeinschaft im Guten, sich immer wieder auf seinen Vorsatz erneure.

57. Ich habe gesagt, HErr, das soll mein Erbe sein, dass ich deine Wege halte. 58. Ich flehe vor deinem Angesicht von ganzem Herzen; sei mir gnädig nach deinem Wort. 59. Ich betrachte meine Wege, und kehre meine Füße zu deinen Zeugnissen. 60. Ich eile und säume mich nicht, zu halten deine Gebote. 61. Der Gottlosen Rotte beraubt mich, aber ich vergesse deines Gesetzes nicht. 62. Zur Mitternacht stehe ich auf, dir zu danken für die Rechte deiner Gerechtigkeit. 63. Ich halte mich zu denen, die dich fürchten, und deine Befehle halten. 64. HErr, die Erde ist voll deiner Güte; lehre mich deine Rechte.

Ohne die Sorge und Frage: Wie soll ichs machen und angreifen? gar zu lang umtreiben, lieber nach jedesmaligem besten Wissen und Gewissen es angreifen, und so gut man kann, sich nicht säumen, fördert am besten.

IX. Er merkt, dass das bisherige Ringen über seinen guten Vorsatz nicht vergeblich gewesen, dass es ihm etwas zum Geschmack des gütigen Worts GOttes ausgetragen habe; er kommt darüber mit Beten und Loben vor den HErrn, der ihm viel Gutes getan, und seine innerlichen und äußerlichen Leiden so zum Besten gewendet habe.

65. Du tust Gutes deinem Knechte, HErr, nach deinem Wort. 66. Lehre mich heilsame Sitten und Erkenntnis; denn ich glaube deinen Geboten. 67. Ehe ich gedemütigt ward, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort. 68. Du bist gütig und freundlich; lehre mich deine Rechte. 69. Die Stolzen erdichten Lügen über mich; Ich aber halte von ganzem Herzen deine Befehle. 70. Ihr Herz ist dick wie Schmeer; Ich aber habe Lust an deinem Gesetz. 71. Es ist mir lieb, dass du mich gedemütigt hast, dass ich deine Rechte lerne. 72. Das Gesetz deines Mundes ist mir lieber, denn viel tausend Stück Gold und Silber.

Was ist es für ein Unterschied, wenn sich einer in seiner erstmals erweckten Gutwilligkeit, GOtt zu suchen, ansieht, oder hernach dazu nimmt, aus was für Irrungen er erst hernach zurechtgeführt worden, nachdem ihn Anfechtung aufs Wort merken lehrte. Durch Demütigungen bringt einen GOtt von der eigenen Weisheit herab, V. 67. und gemeiniglich durch noch schärfere Demütigungen von der eigenen Gerechtigkeit, V. 71.

X. Bei bisher erfahrenem guten Fortgang streckt er sich nun nach dem Weitern aus, und fasst einen neuen Mut gegen alle noch übrigen Versuchungen, empfiehlt sich dabei GOtt an, unter der guten Hoffnung, seinen Vorsatz zu erreichen.

73. Deine Hand hat mich gemacht und bereitet; unterweise mich, dass ich deine Gebote lerne. 74. Die dich fürchten, sehen mich, und freuen sich; denn ich hoffe auf dein Wort. 75. HErr, ich weiß, dass deine Gerichte recht sind, und hast mich treulich gedemütigt. 76. Deine Gnade müsse mein Trost sein, wie du deinem Knechte zugesagt hast. 77. Lass mir deine Barmherzigkeit wiederfahren, dass ich lebe; denn ich habe Lust zu deinem Gesetz. 78. Ach dass die Stolzen müssten zu Schanden werden, die mich mit Lügen niederdrücken; Ich aber rede von deinem Befehl. 79. Ach dass sich müssten zu mir halten, die dich fürchten und deine Zeugnisse kennen. 80. Mein Herz bleibe rechtschaffen in deinen Rechten, dass ich nicht zu Schanden werde.

Auch für Andere, die GOtt fürchten, aber unter dem Druck vom Dienst der Eitelkeit etwa noch nicht so durchbrechen können, ist es keine geringe Förderung, wenn sie einen sehen, der sich mit Glauben, Bekennen, Üben, Hoffen, so fest an GOtt hält, und sich von keiner Hindernis wiederdrücken lässt.

XI. Hier lässt sich ein neuer Kampf spüren, dass er über seinem edlen Vorhaben über GOttes Rechten zu halten noch so verhindert wer de, wenigstens nicht schnellen Fortgang merke; doch bleibt ihm der Trost, dass ihn der HErr bei anhaltendem Verlangen nicht werde dahinten lassen, wie er sehnlichst bittet.

81. Meine Seele verlangt nach deinem Heil, ich hoffe auf dein Wort. 82. Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort, und sagen: Wann tröstest du mich? 83. Denn ich bin wie eine Haut im Rauch, deiner Rechte vergesse ich nicht. 84. Wie lange soll dein Knecht warten? Wann willst du Gericht halten über meine Verfolger? 85. Die Stolzen graben mir Gruben, die nicht sind nach deinem Gesetz. 86. Deine Gebote sind eitel Wahrheit. Sie verfolgen mich mit Lügen; hilf mir. 87. Sie haben mich schier umgebracht auf Erden; Ich aber verlasse deine Befehle nicht. 88. Erquicke mich durch deine Gnade, dass ich halte die Zeugnisse deines Mundes.

Man kommt freilich oft in Umstände, wo es einen dringt zu rufen:

JEsu, hilf siegen, und lass mich nicht sinken,
Wenn sich die Kräfte der Lügen aufblähn,
Und mit dem Scheine der Wahrheit sich schminken,
Lass mich viel heller noch Deine Kraft sehen.

Man kann einem mit Lügen sein rechtschaffenes Wesen heruntermachen, und dagegen was Anderes aufbürden wollen, dass es einem zu schaffen macht.

XII. Bei erlangter neuer Stärkung fasst er einen neuen getrosten Mut, mit der unveränderlichen ewigen Wahrheit des Worts GOttes Alles zu überwinden, und ewig damit zu bestehen.

89. HErr, dein Wort bleibt ewig, so weit der Himmel ist; 90. Deine Wahrheit währt für und für. Du hast die Erde zugerichtet, und sie bleibt stehen. 91. Es bleibt täglich nach deinem Wort; denn es muss dir alles dienen. 92. Wo dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre; so wäre ich vergangen in meinem Elend. 93. Ich will deine Befehle nimmermehr vergessen; denn du erquickst mich damit. 94. Ich bin dein, hilf mir; denn ich suche deine Befehle. 95. Die Gottlosen warten auf mich, dass sie mich umbringen; Ich aber merke auf deine Zeugnisse. 96. Ich habe alles Dinges ein Ende gesehen; aber dein Gebot währt. Man bekommt freilich öfters zu empfinden, was man ohne das Wort GOttes, ohne den täglichen Unterricht desselben, ohne die Hoffnung des Reichs GOttes aus Seinem Wort, wäre, und wie wenig Menschen und all ihr Trost an einem ausrichteten. Und es ist ganz gut, je mehr man auf den Grund zu stehen kommt. Binde doch Alle, die Dich lieben,
In den Gurt der Wahrheit ein,
uns um Dich oft zu betrüben,
Und in Dir nur zu erfreun. XIII. Er stärkt sich noch weiter in der Hoffnung, mit dem ewig bleibenden Wort GOttes wohl zu bleiben, durch Betrachtung, was ihm sein Bleiben am Wort GOttes bisher genügt habe, zu was für Wachstum in der Weisheit, zu welchem Geschmack und Erfahrung, zu welcher Befestigung in allem Guten er gleichwohl gekommen, ungeachtet er nicht so eilend das Ziel erreicht, wie er etwa gedacht.
97. Wie habe ich dein Gesetz so lieb! Täglich rede ich das von. 98. Du machst mich mit deinem Gebot weiser, denn meine Feinde sind; denn es ist ewig mein Schatz. 99. Ich bin gelehrter, denn alle meine Lehrer; denn deine Zeugnisse sind meine Rede. 100. Ich bin klüger denn die Alten; denn ich halte deine Befehle. 101. Ich wehre meinem Fuß alle böse Wege, dass ich dein Wort halte. 102. Ich weiche nicht von deinen Rechten; denn Du lehrst mich. 103. Dein Wort ist meinem Munde süßer, denn Honig. 104. Dein Wort macht mich klug; darum hasse ich alle falschen Wege. Was ein redliches Herz hierunter zu seinem eigenen Lob zu sagen scheint, das läuft doch eigentlich auf lauter Lob GOttes und Seines Worts hinaus, als wodurch man so gelehrt, geleitet, vor bösem und falschem Weg bewahrt worden sei. XIV. Nachdem er durch so viel guten Fortgang gestärkt worden war, so wächst sein Eifer, und er macht sich durch einen Eid aufs neue verbindlich, über seinem Vorsatz zu halten, sollte es auch immer neue Proben geben. 105. Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege. 106. Ich schwöre, und will es halten, dass ich die Rechte deiner Gerechtigkeit halten will. 107. Ich bin sehr gedemütigt; HErr, erquicke mich nach deinem Wort. 108. Lass dir gefallen, HErr, das willige Opfer meines Mundes; und lehre mich deine Rechte. 109. Ich trage meine Seele immer in meinen Händen, und ich vergesse deines Gesetzes nicht. 110. Die Gottlosen legen mir Stricke; ich aber irre nicht von deinem Befehl. 111. Deine Zeugnisse sind mein ewiges Erbe; denn sie sind meines Herzens Wonne. 112. Ich neige mein Herz zu tun nach deinen Rechten immer und ewig. Über dem besten und ernstlichsten Vorsatz wie V. 106, kann es hintennach die schärfste Demütigungen geben, V. 107. damit das mit einschlagende fremde Feuer geschieden, der Mensch vor Erhebung verwahrt; und der bezeugte Ernst auf eine gemäße Probe gesetzt wer de. Darüber empfiehlt man es aber desto mehr dem HErrn zum Wohls gefallen und Fördern an. XV. Die erfahrene Demütigung bringt ihn aber nicht von seinem Vorsatz ab, sondern er bleibt auf seinem Sinn gegen GOtt und Seinem Wort, auch auf seinem Eifer gegen die Verächter desselben, und bittet GOtt, dass Er ihn gegen alles innere Unvermögen und äußere Anläufe schützen und Ihm den göttlichen Eifer gegen die Bösen fruchtbar vorstellen wolle. 113. Ich hasse die Flattergeister, und liebe dein Gesetz. 114. Du bist mein Schirm und Schild; ich hoffe auf dein Wort. 115. Weicht von mir, ihr Boshaftigen; ich will halten die Gebote meines GOttes. 116. Erhalte mich durch dein Wort, dass ich lebe, und lass mich nicht zu Schanden werden über meiner Hoffnung. 117. Stärke mich, dass ich genese; so will ich stets meine Lust haben an deinen Rechten. 118. Du zertrittst alle, die deiner Rechte fehlen; denn ihre Trügerei ist eitel Lügen. 119. Du wirfst alle Gottlosen auf Erden weg wie Schlacken; darum liebe ich deine Zeugnisse. 120. Ich fürchte mich vor dir, dass mir die Haut schaudert, und entsetze mich vor deinen Rechten. Der Hass wider das Arge muss die Liebe zum Guten schärfen und reinigen, die Liebe zum Guten aber muss auch den Hass wider das Arge regieren und in Ordnung halten. XVI. Er legt sich nun auf anhaltendes Beten und gibt auch das zwischen immer seinen unverrückten Sinn auf die Liebe, die Wahrheit und auf den Hass gegen Alles zu erkennen. 121. Ich halte über dem Recht und Gerechtigkeit; übergib mich nicht denen, die mir wollen Gewalt tun. 122. Vertritt du deinen Knecht, und tröste ihn, dass mir die Stolzen nicht Gewalt tun. 123. Meine Augen sehnen sich nach deinem Heil, und nach dem Wort deiner Gerechtigkeit. 124. Handle mit deinem Knechte nach deiner Gnade, und lehre mich deine Rechte, 125. Ich bin dein Knecht; unterweise mich, dass ich erkenne deine Zeugnisse. 126. Es ist Zeit, dass der HErr dazu tue; sie haben dein Gesetz zerrissen. 127. Darum liebe ich dein Gebot über Gold und über feines Gold. 128. Darum halte ich stracks alle deine Befehle, ich hasse allen falschen Weg. GOtt muss einen vertreten und Seine eigene Wahrheit dafür verpfänden, dass Er einen nicht wolle umkommen noch Schaden nehmen lassen, unter so vielen bösen Händen, die nach einem greifen, und das ist einem der einzige Trost, der das Herz fest macht. Es reiße keine Lust noch Pein mich von der Liebe GOttes und Seines Worts hin. XVII. Nachdem ihm GOttes Wort unter allen bisherigen Versuchungen und Übungen so zum Licht und zur Kraft geworden ist, so schärft sich sein Verlangen nach dessen Eröffnung noch weiter, und auch der Eifer um die Ehre des Worts GOttes gegen die Verächter steigt. 129. Deine Zeugnisse sind wunderbar; darum hält sie meine Seele. 130. Wenn dein Wort offenbar wird; so erfreut es, und macht klug die Einfältigen. 131. Ich tue meinen Mund auf, und begehre deine Gebote; denn mich verlangt danach. 132. Wende dich zu mir, und sei mir gnädig; wie du pflegst zu tun denen, die deinen Namen lieben. 133. Lass meinen Gang gewiss sein in deinem Wort, und lass kein Unrecht über mich herrschen. 134. Erlöse mich von der Menschen Frevel; so will ich halten deine Befehle. 135. Lass dein Antlitz leuchten über deinen Knecht, und lehre mich deine Rechte. 136. Meine Augen fließen mit Wasser, dass man dein Gesetz nicht hält. Sei mir gnädig und lass kein Unrecht über mich herrschen; vergib uns unsere Schulden, und führe uns nicht in die Versuchung: sind die zwei Hauptstücke bei einem geraden Lauf in der Wahrheit, und darin tut einem freilich das Wort GOttes treffliche Dienste, es spricht in der Sündenpein herzlich von Vergebung ein, und es bewahrt vor Versuchung zu neuen Sünden. XVIII. Er preist das Wort der Gerechtigkeit und Wahrheit GOttes nachdrücklich, sowohl nach den herrlichen Eigenschaften und Kräften, die GOtt, sein Urheber, darein gelegt, als auch nach den guten Wirkungen, die es bei Ihm habe, ihn im Eifer wider das Böse und im steten Angedenken und Betrachtung der Rechte GOttes zu erhalten. 137. HErr, Du bist gerecht, und dein Wort ist recht. 188. Du hast die Zeugnisse deiner Gerechtigkeit und die Wahrheit hart geboten. 139. Ich habe mich schier zu Tode geeifert, dass meine Widersacher deiner Worte vergessen. 140. Dein Wort ist wohlgeläutert, und dein Knecht hat es lieb. 141. Ich bin gering und verachtet, ich vergesse aber nicht deines Befehls. 142. Deine Gerechtigkeit ist eine ewige Gerechtigkeit, und dein Gesetz ist Wahrheit. 143. Angst und Not haben mich getroffen; ich habe aber Lust an deinen Geboten. 144. Die Gerechtigkeit deiner Zeugnisse ist ewig; unterweise mich, so lebe ich. GOttes Wort ist wohl geläutert, nicht zu hoch und nicht zu nieder, eben recht, überall hin brauchbar, man darf nicht erst wie an menschlichen Rechten nach Zeit und Umständen daran mehren, mindern, nachgeben, sondern es bleibt einmal wie das Andere mal dabei. Aber ein Herz kann sich auch unverändert darauf verlassen. XIX. Er merkt und bezeugt mehr und mehr, wie es ihm beim Halten an dem Wort GOttes so wohl sei, tröstet sich dessen gegen seine Verfolger und hält einmal über das andere im Gebet an, dass ihm GOtt zu immer genauerem Bewahren Seines Worts verhelfen wolle. 145. Ich rufe von ganzem Herzen: erhöre mich, HErr, dass ich deine Rechte halte. 146. Ich rufe zu dir; hilf mir, dass ich deine Zeugnisse halte. 147. Ich komme frühe und schreie; auf dein Wort hoffe ich. 148. Ich wache frühe auf, dass ich rede von deinem Wort. 149. Höre meine Stimme nach deiner Gnade; HErr, erquicke mich nach deinen Rechten. 150. Meine boshaftigen Verfolger wollen mir zu, und sind ferne von deinem Gesetz. 151. HErr, Du bist nahe, und deine Gebote sind eitel Wahrheit. 152. Zuvor weiß ich aber, dass du deine Zeugnisse ewig gegründet hast. Gnade und Rechte GOttes in Seinem Wort angeboten und bezeugt, sind ein tröstlicher Stab. Gnade ist das Erste, was ein zerschlagenes Herz ergreifen kann, wenn es aber davon erquickt und belebt wird, so merkt es auch, dass es eine aufs Recht gegründete, rechtlich ausgemachte und befestigte Gnade ist, und das macht das Herz noch fester. XX. Er fährt noch weiter im Beten fort, und rühmt, was für Trost er aus GOttes Wort genossen, und stärkt sich im Angedenken an die Barmherzigkeit GOttes, die sein Schutz bleiben werde. 153. Siehe mein Elend, und errette mich; hilf mir aus, denn ich vergesse deines Gesetzes nicht. 164. Führe meine Sache, und erlöse mich; erquicke mich durch dein Wort. 155. Das Heil ist ferne von den Gottlosen; denn sie achten deine Rechte nicht. 156. HErr, deine Barmherzigkeit ist groß; erquicke mich nach deinen Rechten. 157. Meiner Verfolger und Widersacher ist viel; ich weiche aber nicht von deinen Zeugnissen. 158. Ich sehe die Verächter, und tut mir weh, dass sie dein Wort nicht halten. 159. Siehe, ich liebe deine Befehle; HErr, erquicke mich nach deiner Gnade. 160. Dein Wort ist nichts denn Wahrheit; alle Rechte deiner Gerechtigkeit währen ewig. Man kann spüren, wie die vertrauliche Freimütigkeit gegen dem Schluss des Psalms zunimmt, und wie die Zukehr zu GOtt vermittelst Seines lieben Worts immer zärtlicher wird, wie er sich aber auch vom heillosen Zustand der Gottlosen immer ernstlicher scheidet, weil sie mit den Rechten GOttes auch alles Heil GOttes dahinten lassen. XXI. Er legt vor GOtt und Menschen dar, dass er mitten unter den Verfolgungen doch seine Ehrfurcht und Freude am Wort GOttes nicht verloren habe, sondern in der Liebe dazu ungekränkt ausharre, und noch darauf bleibe. 161. Die Fürsten verfolgen mich ohne Ursache; und mein Herz fürchtet sich vor deinen Worten. 162. Ich freue mich über deinem Wort, wie einer, der eine große Beute kriegt. 163. Lügen bin ich gram, und habe Gräuel daran; aber dein Gesetz habe ich lieb. 164. Ich lobe dich des Tages siebenmal um der Rechte willen deiner Gerechtigkeit. 165. Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben, und werden nicht straucheln. 166. HErr, ich warte auf dein Heil, und tue nach deinen Geboten. 167. Meine Seele hält deine Zeugnisse, und liebt sie sehr. 168. Ich halte deine Befehle und deine Zeugnisse; denn alle meine Wege sind vor dir. Fürchtet euch vor ihrem Trotzen nicht. Heiligt aber GOtt den HErrn in eurem Herzen. Dies ist auch eine aus dem Samen des lebendigen Worts GOttes erwachsene gute Frucht, die mit großem Frieden und Warten auf das Heil GOttes und dessen unfehlbare herrliche Hinausführung verbunden ist. XXII. Schluss, und in demselben die kurze summarische Wiederholung des Psalms, womit er nochmals seinen Sinn vor GOtt bringt, und teils für sich um Unterricht, und für die Feinde um Rettung anhält, teils verspricht, GOttes Name und Wort mit Bekenntnis zu verherrlichen, teils nochmalen aufs Demütigste zu erkennen gibt, wie er bei all seinen guten Vorsätzen und redlichem Ernst bloß der Gnade leben müsse, und seiner Schwachheit täglich bewusst sei. 169. HErr, lass meine Klage vor dich kommen; unterweise mich nach deinem Wort. 170. Lass mein Flehen vor dich kommen; errette mich nach deinem Wort. 171. Meine Lippen sollen loben, wenn du mich deine Rechte lehrest. 172. Meine Zunge soll ihr Gespräch haben von deinem Wort; denn alle deine Gebote sind recht. 173. Lass mir deine Hand beistehen; denn ich habe erwählt deine Befehle. 174. HErr, mich verlangt nach deinem Heil, und habe Lust an deinem Gesetz. 175. Lass meine Seele leben, dass sie dich lobe, und deine Rechte mir helfen. 176. Ich bin. wie ein verirrtes und verlorenes Schaf, suche deinen Knecht: denn ich vergesse deiner Gebote nicht.**

So wird der edle Vorsatz, durch das Wort, ein zu allem guten Werk geschickter Mensch GOttes zu werden, ausgeführt und behauptet, unter tiefer Armut des Geistes im Gefühl seines Unvermögens, in herzlicher Liebe und Hochachtung gegen dem großen Ziel, nach welchem man sich ausstreckt, und in dessen Betrachtung man sich aufgemacht hat. So wird das Wort GOttes und die Kraft desselben ins Herz hineingebeten, und so fließt hernach das Gebet auch wieder in das ganze Tun und Lassen eines Menschen ein, der sichs zu seinem Ziel gemacht: O dass mein Leben Deine Rechte mit ganzem Ernst hielte!

1)
anwenden, verwenden, gebrauchen
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