Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 1. Komm!

Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 1. Komm!

Komm einmal, mein Freund, aus deiner Stadt, aus deinem Dorfe, deiner Umgegend heraus; wollen mit einander ein Reischen machen; wollen aus unserer alten Alltags - Welt heraus in eine andere, freilich eine noch ältere ziehen, die uns aber neu sein wird; ist uns ja auch gut, so dann und wann in die Fremde ziehen, sehen neue Gesichter, hören neue Sprachen, neue Sitten anschauen und neue Werke, bei neuen, frischen Wasserquellen einen Zug thun; ist's ja nicht immer gut, immer nur auf der Einen und gleichen Seite liegen, und stille Wasser werden leicht faul und trübe. - Auch brauchet es hier keinen schweren Entschluß, und die Kosten sind nicht groß; hier heißt's: Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebet es auch: Matth. 10,8; es gehet ohne strenge Ermüdung durch Berg und Thals durch ganze Länder, über weite Fluren, Felder und Steppen; brauchen dazu nur ein gewisses Buch aufzuthun, und wir sind schon mit dessen Hülfe weit, weit über Land und Wasser, an Ort und Stelle gekommen.

Siehe da die stillen Thälchen, mit den grüngrauen Oelbäumen geschmückt; die Fluren auf den Hügeln, in den Gründen; die Eichen des Südens, die Palmen, die frischen Haine; es ist lieblich und schön; es nehmen jedoch hier die vielen weiten Weiden den größeren Theil des lieben Landes ein; die weißen, die grauen Weidthiere, groß und klein Vieh, von den vielen Hirten gehütet, suchen weit und breit auf denselben ihre einfache Nahrung; sie werden von den Hütern treu zu den grasigen Triften, zu den Wassern der Stille geleitet; mahnet mich an jenes Wort des guten Hirten: Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln; Er leitet mich auf grünen Auen, und führet mich zu Wassern der Stille. - Ps. 23. Und der Hirte Selber spricht: Meine Schafe hören Meine Stimme, und Ich kenne sie, und sie folgen Mir, und Ich gebe ihnen das ewige Leben; und sie werden nimmermehr umkommen; Niemand wird sie aus Meiner Hand reißen. Joh. 10.

Das Land ist sonst so einsam und stille; wir hören kein Geräusch der Leute, wie bei uns geschieht; kein Sausen und Brausen, kein Gemurmel und Gewimmel der vielen Zungen, der vielen Gedanken, des Sinnens und Sorgens; es ist hier keine Unruh, kein hin und her Gehen, und Laufen und Rennen, und Suchen und Jagen, ohne Rast und Freude; sondern es blöken nur die Schafe, die Rinder umher; die Vögelein unter den Himmeln singen; hie und da rufen die Hüter der Heerden den Knaben, und auch den wachsamen Hunden; es wird Abend; die Sonne neiget sich und gehet in glühendem Golde und Smaragd unter; dunkelblau senken und erheben sich die warmen Hügel so freundlich und sanft am rochen Himmels-Rand; und das Echo wiederhattet von den Stimmen der Hirten, welche einander heimrufen, zu kosten nach des Tages Hitze der labenden Kost, und der süßen, theuern Ruh.

Wie wird dir, mein Freund? Mir wird auf diesen unbekannten grünen Steppen so wohl zu Muthe; so weit von der Heimath werde ich doch hier kein Heimweh fühlen; es ist hier Etwas - sage mir was? - Etwas, das mich so inniglich erfrischet und labet; als hätte ich hier längst schon Heimathsrecht, und wäre längst im unbekannten Lande bekannt, in Hütten uns gebaut, und eine Ruhe, wie wir sie so selten haben hienieden: die Menschen ohne Falsch, die Himmel so freundlich, Gott so nahe. Wir sind im alten Canaan, im Morgenland.

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