Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Gottes Sein.

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Gottes Sein.

Wenn der Herr sagt: „Gott ist ein Geist,“ so ist klar, dass damit nicht ein allgemeines, unpersönliches Prinzip und Leben des Weltalls bezeichnet ist, sondern die höchste Form des Seins, wozu mindestens das gehört, was den Menschen zum Menschen, zum Bild Gottes macht und über die andern bekannten Wesen hinaushebt: die Persönlichkeit, Denken und Selbstbewusstsein und freier Wille. Schon die vorchristlichen Philosophen Sokrates, Plato und Aristoteles sind Zeugen für die Persönlichkeit Gottes, welchem nicht nur das Denken, sondern das Denken des Denkens, das Wissen von Sich Selbst zugeschrieben werden müsse. Auch Lessing sagt, das würde kein Gott sein, dem man die Vorstellung von Sich Selbst nehmen wollte; Freiheit und Selbstbewusstsein seien die Siegel der Vollkommenheit. Wohl nennen die Leugner der Persönlichkeit Gottes die Annahme der letzteren ein Anthropomorphisieren (Gott dem Menschen gleich machen, von Gott in menschlicher Weise reden), vergessen aber, dass dieses nicht gegen die Wahrheit ist, nachdem Gott, den Menschen schaffend, theomorphisiert d. h. den Menschen im Bild Gottes geschaffen hat. Neuere Theologen sind im Denken über die Gottheit leider oft bei weitem nicht so klar und vernünftig, wie die oben genannten vorchristlichen Denker. Da nennt einer Gott persönlich, leugnet aber den Willen in Gott, gerade das, was neben dem Selbstbewusstsein die Persönlichkeit ausmacht. Ein anderer gibt zu, dass Gott nicht in der Welt aufgehe und in keiner Entwicklungsstufe des Endlichen seine erschöpfende Darstellung finde, leugnet aber, dass Gott eine Person, ein Ich sei; wenn aber Gott kein Ich, nicht transzendenter, überweltlicher Geist, wo ist dann inzwischen das von Gott, was nicht in der Welt aufgeht?

Andere setzen neben den ewigen Gott eine ewige Welt und nennen die Beziehung und Verbindung beider Makrokosmus, der sein Ebenbild hätte in dem Mikrokosmus, der Mensch heißt. Aber wie kann Gott bei solcher Abhängigkeit in Wahrheit Gott sein, da zum Begriff Gottes notwendig das gehört, dass Er das durch Sich selbst seiende Wesen ist, das nichts und niemand bedarf? (Apg. 17,24 ff.) - Es ist immer noch Pantheismus (Vermischung, wenn nicht Identifizierung und Verwechslung von Gott und Universum), wenn man zwar Gott als Geist fassen will, aber die Persönlichkeit Gottes leugnet; denn ohne Letztere kann mit dem Geistes-Begriff nicht Ernst gemacht werden. Der Pantheismus hat eben zwei Formen. Die erste Form fasst Gott als das allgemeine Sein, die andere als allgemeines Werben. Die erste sieht in Ihm die Natur aller Dinge, die andere den Prozess der Geschichte. Die erste ist mehr orientalisch, die andere mehr occidentalisch, die erste durch Spinoza und Goethe, die andere durch Hegel vertreten. Die erste liebt die Bilder des Meeres und der Natur, wo im Leben des Ganzen die einzelnen Erscheinungen immer wieder untergehen; die andere redet von Strom und Geist und ist mehr politisch, während die erste religiös gestimmt ist. Beim Pantheismus der ersten Art waltet das Gefühl der Resignation und der Abhängigkeit vor und das Ergebnis ist eine Religion der Ästhetik, nicht der Ethik; beim andern Pantheismus ist die absolute Vernunft Gott, und der Staat sein Prophet.

Alle diese Systeme über Gott leiden daran, dass sie Gott nicht gerecht werden als dem „Lebendigen.“ Dieses Schriftprädikat Gottes schneidet alle menschliche Konstruktion, alles eigene Bilden Gottes mit Gedanken durchaus ab; denn „das Leben“ steht allem Gemachten, vom Menschen geistig Erzeugten diametral gegenüber. „Dem, was menschliche Kunst und Gedanken von ihr bilden, ist die Gottheit nicht gleich“ (Apg. 17,29), und niemand „erkennt den Vater, als der Sohn und wem es der Sohn will offenbaren“ (Mat. 11,27). Jehova ist Gott, und dass Er ist und wie Er ist, lehrt erst völlig Seine Offenbarung. „Ihr werdet erfahren, dass Ich der Herr bin“ - lautet es oft in der heiligen Schrift. „Die Geheimnisse sind des Herrn; unser sind die Offenbarungen, dass wir danach tun.“ - Weil wir denn über Gott nicht spekulieren dürfen, so sollen wir uns bescheiden, die Lehre von diesem wunderbaren Wesen und Namen in den Worten der heiligen Schrift wiederzugeben, und diese fasst alles Erhabene, das von Gott ausgesagt werden kann, in die drei tiefsinnigen Worte zusammen: Gott ist das Leben, Gott ist Licht, Gott ist Liebe.

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