Melanchthon, Philipp - Narratio de Anabaptistis

Melanchthon, Philipp - Narratio de Anabaptistis

Mittwoch nach Andreä (d. 1. Decb.) haben sich die Herren von der Universität, nämlich Doctor Caspar Creutzinger, Magister Philippus Melanchton, der Pfarrher (Anton. Musa), sampt den Burgermeistern und etlichen des Raths zu Jena mit den gefangenen Wiedertäufern unterredet, und befraget. Die haben Antwort geben wie hernach folget.

Heinz Krauth, der erste, saget, er sey von einem Dorfe Esperstedt genannt, nicht weit von Frankenhausen gelegen, geboren, hab eine Weil unter dem Grafen von Schwarzburg gewohnet, und sey einmal getauft von einem Menschen, von Gott gesannt, Alexander genannt, welchem man vor zweien Jahren den Kopf habe zu Frankenhausen abgeschlagen. Von der Taufe, die in der Kindheit gegeben, davon wisse er nichts, halt auch nichts darvon.

Der andere, Jobst Moller, bei Zwickau in einem Dorfe, Schöne genannt, geboren, saget, er sey jetzunder von Gott hier gefüget. Den hat der obgenannte Heintz Kraut getaufet.

Hans Peißker von Kleinentersdorf, weiland daselbst ein Wirth oder Müller, saget, er sey getauft worden von einem, Melcher Rink, wie Magister Philippus anzeigt, den hab der Landgraf von Hessen gefangen, etwan im Bauernkrieg.

Sie sagen aber sämmtlich, sie seyen gen Münster nie kommen, wissen weder Guts noch Böses von denselbigen zu sagen.

Magister Philippus Melanchton hat sie weiter gefragt, warum sie sich also nicht allein von der Papistischen, Lutherischen, Zwinglischen etc., wie man sie nennet, sondern auch von der ganzen Christenheit und der alten Kirchen, so weit man zurücke lesen oder finden kann, absondern, und eine eigne Sect anfahen? denn man nie, daß die Kirche diese Sect derWiedertäufer gehat habe, in einiger Historien oder Geschicht finde. Darauf Heintz Krauth geantwortet, die Tauf der Kirchen, Ehestand, ehelich Leben und alle Sacrament, wie sie jetzund gehalten werden,wäre alles vom Teufel wider Gott angefangen. Wären selbst Secten. Das haben die andern zweene helfen bestätigen.

Befraget von der Dreifaltigkeit Gottes anworten sie: Gott der Vater müsse in der Allmächtigkeit, der Sohn in der Gerechtigkeit und der Geist in der Gütigkeit erkannt werden. Dergleichen bekennnen sie die ewige Gottheit in Christo sammt der angenommenen Menschheit, darin er gelitten habe, sagen nicht unrecht von beiden NAturen in Christo; doch sagen sie, sie seyen nicht gelahrt, und können von diesen hohen Artikeln nicht viel reden.

Befragt, wie sie Vergebung der Sünden erlangten,

Antwort: sie müßten die Vergebung herzlich verlangen, und müßten darauf mit der Gerechtigkeit fortfahren, Gottes Wort glauben und vertrauen, und Christo folgen, des Vaters Willen thun, da wäre Vergebung der Sünden. In summa man sollt Wahrheit und Gerechtigkeit üben.

Fürder befragt, ob den Christen alle Güter gemein seyn sollen?

Darauf sie geantwortet, ein Christ müsse aller seiner Güter frei und gelassen stehen, seinem Bruder, wo ers bedarf, mittheilen, und so einer die Stuben voll Geldes oder Gülden hätte, so könnt er nicht sagen, daß einer sein wäre. Darum sey der Güter Gemeinschaft vonnöthen, wie es auch die Apostel gehalten hätten.

Item man soll gar nicht schwören, denn es einem Christen verbothen zu schwören, weder bei dem Himmel noch der Erden.

Von Oberkeit

Item ein Christ dürfe keiner Oberkeit. So könnten und möchten sie auch kein Regiment haben oder tragen, wenn sie leich eine Commun hätten; denn sie wären alle Brüder.

Von dem Sacrament der Taufe

Sagen sie der Kinder Taufe sey nicht befohlen, und werden alle Kinder selig, sie seyen der Christen, Heiden oder Türken. Gott sey nicht ein solcher Gott, der ein Kindlein um ein wenig Wassers willen verdamme; denn alle seine Geschöpfe seyen gut. Und verleugnen in den Kindern die Erbsünde, denn sie hätten nicht, sagen sie, darein gewilligt, sondern wenn der Mensch erwachse, und in die Sünde willige, alsdann habe die Erbsünde erst Kraft.

Darauf saget Magister Philippus und die andern Herrn: David saget, ich bin in Sünden empfangen etc. Item Paulus: wir werden alle Kinde des Zorns geboren. Darauf sie geantwortet: sie wollen nicht einen Heller um alle Schrift geben, die in der Welt wäre, und allegirten doch alsbald Schrift: das Himmelreich wäre der Kinder, und die Erbsünde wäre im Fleisch, das käme nicht in Himmel, denn Fleisch und Blut könnten das Himmelreich nicht ererben. Item zum Beschließ, wer getauft soll werden, der müsse vorhin glauben.

Darauf sie auf das Mal zu Besserung vermahnt worden. Und weil diese Rede lange gewähret, hat man auf einen andern Tag weiter mit ihnen zu handeln vorgenommen.

Hilarius Petzsch, der vierte, ist um Sagerhausen daheim, saget, er sey neulich zu dieser Gesellschaft kommen, und hab sich noch nicht taufen lassen, begehr Unterricht; hab er geirrt, will er sich gern weisen lassen, bitt auch um Gnade und Verzeihung. Darauf ist er von den andern abgesondert worden.

Item, sie beharren kurz darauf, daß niemand, denn sie, die Schrift verstehe.

Mondtags Nicolai (d. 6. Decb.) anno 35, haben die obbenannten Herrn abermals mit den Wiedertäufern eine Unterrede gehabt, angefangen um eins nach Mittage, und hat gewähret bis um vier Uhr.

Erstlich hat der achtbare und hochgelarte Magister Philippus Melanchton die armen Leut aufs treulichste vermahnt, von ihrem Irrthum abzustehen, und einen jeden in sonderheit vorgenommen, und hat ihnen darauf vorgehalten, wiesie am nächsten gesagt hätten, die Kinder hätten nicht Sünde. Das wäre wider die Schrift, die da saget, daß von eines Menschen Sünde wegen alle Menschen Sünder wären. Item, daß wir alle Kinder des Zorns geboren würden.

Darauf Heintz Krauth, der erste, geantwortet: es müßten allhie die Kinder des Unverstandes vernommen werden, die im Unverstand blieben, und das göttliche Wort nicht vernehmen wollten, die Kinder des Unglaubens, die zu der Erleuchtung nicht kommen; bestehe darauf, daß die Kinder in die Sünde noch nicht gewilliget, und ob sie gleich Sünde haben, so schade sie ihnen doch nicht, denn sie verstehen nicht, was böse oder gut sey.

Magister Philippus fraget, ob die Kinder auch durch Christum müssen selig werden? Antwortet Heintz Krauth: ja. Darauf sag. Mag. Philippus: wenn sie keine Sünde haben, so dürfen sie Christus Leiden nicht, und fordert Schrift von ihm. Darauf er geantwortet: es stehe in seinem Herzen geschrieben, wie es ihm denn Gott gelernt habe; der Teufel könne auch schreiben.

Mag. Philippus fraget ihn, ob er auch böse Neigung bei sich fühlet, undob dieselbigen auch Sünde wären? Dazu saget er: ja. Philippus M.: diese Schwachheit werde je mit uns geboren, und sey in den Kindern; darauf er geantwortet: er wolle es so tief nicht suchen.

Von der Oberkeit

weiter befragt, sagt er, daß er bei sich befinde, daß Christus die Seine alle habe frei gemacht. Wenn aber seine Oberkeit, unter der er gewohnet, ihn hätte bei seinem Glauben bleiben lasse, so wollt er gegeben haben, was man gefordert hätte. Aber numals (nunmehr) dürfe er keiner Oberkeit. Doch er und seine Brüder machen keinem kein Gewissen, die unter den Herrn wohnen. Er dürfe keines Herrn; er habe einen Herrn, den wolle er behalte, Gott allein. So könne er bei sich auch nicht finden, daß er oder seine Brüder könnten oder möchten im Regiment sen. Wer aber im Regiment recht thut mit Straf der Bösen, den wolle er nicht verdammen. arauf ist ihm die Schrift vorgehalten, antwortet er: er wolle von seinen Artikeln nicht abstehen wenn man gleich tausend Jahr mit ihm handele. Man mache aus allen Dingen Abgötterei, man lasse sich Herr heißen, ziehen die Barett vor den Leuten abe, und gehöret doch die Ehre Gott alleine. Magister Philipp tödtet mit seiner todten Schrift mehr Leute, denn alle Henker. Schließlich saget er, er wolle äußerlich gerne geben Geschoß, und was man von ihm fordere, wenn man ihn allein bleiben ließ.

De iure iurando

Da antwortet er: Ein Christ soll nicht schwören, und ob St. Paulus gleich geschworen, habe er solchs aus Gebrechlichkeit gethan. Und als ihm derhalben auch Schrift vorgehalten, antwortet er: es sey nicht alles recht, was die Schrift sage. Item, die Schrift weise allein den Weg, man müsse aber fürder gehen. Item vom Sacrament des Leibes und Blutes christi sagt er: man habe aus der Figur des Brodes eine lauter Abgötterei gemacht.

Er ist befragt worden, ob das alte und neue Testament Gottes Wort sey, wie das in die Bücher geschrieben? Darauf seine Antwort: er halts dafür, was aus dem Geist geschrieben sey, das sey Gottes Wort. Hat doch letztlich Ja gesagt. Befraget, ob er auch denn müsse gehorsam seyn, oder Gehorsam zu leisten schuldig? sagt Ja. Item: ob man etwas dawider thun dürfe? sagt er Nein. Herwieder sagten die Herren: die Schrift saget, wir sollen alle unterthan seyn nicht von wegen der Furcht, sondern auch um des Gewissens willen, antwortet Heinz Krauth: wenn ihm die Oberkeit will den Glauben nehmen, so soll er nicht gehorsam seyn; die Oberkeit hab ihm in sein Gewissen gegriffen, darum sey er numals in die christliche Freiheit kommen, und niemands mehr unterthan denn Gott.

Ist weiter gefragt worden

warum er und seine Sect in Winkeln predigen und nicht öffentlich auf die Kanzel oder vor die Leute träten? Antwort: das göttliche Wort sey verfolgt aufs Höchste, und dürfen niht predigen; darum müssen sie zusammen kommen; das thäten sie öffentlich und nicht heimlich. Und dieweil ihnen das Wort zu predigen verstopft und verhindert würde, wollt man ihnen darzu wehren, daß sie auch nicht Thäter des Worts seyn sollten. Befraget, wer ihn doch zu predigen berufen? Antwort: er sey von Gott berufen durch Erkenntniß seines Worts und dürfe keiner Oberkeit darzu, sondern Bewilligung seiner Brüder, und derer, die das Wort annehmen.

Vom Ehestande

befraget: so er ein Weib habe, die nicht seines Glaubens sey, ob ers auch für eine Ehe halte? Antwort: wann sie im Wort nicht einig seyen, so sey keine Ehe mehr zwischen ihnen; aber er wollt ein Zeit mit ihr Gedult tragen, und Gott für sie bitten, ob sie sich auch zum Wort begeben wollt.

Ihm ist hierauf St. Paulus Spruch 1. Cor. 7 vorgehalten: so es dem ungläubigen Weibe gefällt bei dem Mann zu wohnen, so soll er sich nicht scheiden. Aber ist auf seinem Vorhaben beharrt, und (hat) das Wort gefallen dahin gedeutet, wenn sie an des Mannes Glauben einen Gefallen habe, und mit der Zeit auch herzukommen wolle in seinen Glauben.

Jobst Möller beharret auch auf allem seinen Vornehmen, und saget, er könne weder schreiben noch lesen. Dann was ihm Gott ins Herz geschrieben, deß sey er von einem Menschen, von Gott gesandt, unterrichtet, und hab darnach Gott gebethen, der habe es ihm ins Herz gegeben. Bleibet auf dem, daß die Kinder der Taufe nicht bedürfen. Item er dürfe keiner Oberkeit. Es könne die Oberkeit nicht göttlich seyn. So gehen sie die jenigen, die draußen seyn, nichts an. Unsern Ehestand heißt er einen Hurenstand wider Gott, mit Fressen und Saufen angefangen. Sagt, er habe auch ein Weib in seinem Glauben getauft, und jetzunder mit gefangen, die heißt er seine Schwester. Wann ihm aber sein Weib im Glauben nicht folgen wollt, so wäre sie nimmer sein Weib; wär auch an sie nicht gebunden ungeachtet St. Paulus Lehre, und will sich auf diesen Artikel zerreißen lassen.

Item, er sagt auch, er glaube nicht an unsern Brod-Herrgott.

Hans Preußker, der dritte, bestehet auch darauf, und ist fürder befragt, weil er achte, daß die Kinder keine Sünde haben, ob denn auch Christus für sie gestorben sey? darauf wollt er nichts antworten.

Von der Oberkeit (ist) seine Antwort: er sey in keinem Amt; er wolle auch in keinem seyn; die Rache sey Gottes, und sonsten niemand befohlen. Unter den Christen sey kein Dieb noch Mörder, darum dürfen sie keiner Oberkeit; und allegirt die Schrift: richtet was unter euch ist, was gehen euch die an, die draußen sind? Beschleußt: wer ein Dieb oder Mörder sey, der werde seinen Richter wohl finden.

Befraget, ob er auch ein Weib habe? sagt (er): ja. Item, ob sie seines Glaubens sey? Antwort: Gott weiß es; verhoff, ihr Herz stehe auch zu Gott.

Item, wenn das Weib dem Manne nicht im Glauben folge oder seines Glaubens sey, so sey keine Ehe mer zwischen ihnen, könne auch nicht glauben, daß eine Ehe sey. So sey unser Ehestand auch keine Ehe, werde mit Fressen und Saufen angefangen.

Item, beschleußt sehr trotzig: was man ihm sage, kein Mensch soll ihn nicht anders weisen.

Quelle: Brettschneider, Carolus Gottlieb - Corpus Reformatorum Vol. II

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