Luther, Martin - Aus: "Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament"
Geschrieben zu Anfang des Jahres 1525
Unter den „himmlischen Propheten“ versteht Luther Karlstadt, den er in seinen acht Sermonen aus Schonung noch nicht genannt hatte und die Anabaptisten (Wiedertäufer) und Schwärmer seiner Zeit, als Nic. Storch, Mart. Stübner, Mart. Cellarius, Thom. Münzer. - Im ersten Theil handelt er zuerst, wie in den acht Sermonen, vom Bilderstürmen, und vertheidigt sich dann gegen die Beschuldigung, als habe er Karlstadt aus Wittenberg vertrieben, und die Messe beibehalten. Im andern theil handelt er vom Sakrament insonderheit, beleuchtet zuerst die Meinung dieser Geister, und widerlegt dann ausführlich beide, die Schrift- und die Vernunftgründe Karlstadts, daß Christi Fleisch und Blut nicht im Sakrament sei. Wir heben daraus folgende Stelle aus über Auesseres und Inneres, wahren und falschen Geist:
Die Meinung (dieser Propheten) aber ist diese:
Gott hat uns aus großer güte wiederum gegeben das reine Evangelium, den edeln, theuren Schatz unsers Heils. Dieser Gabe muß nun auch folgen der Glaube und Geist inwendig in gutem Gewissen, wie er denn verheißt Jes. 55,11: daß sein Wort solle nicht vergeblich ausgehen, und Röm. 10,17: der Glaube kommt durch die Predigt.
Diesem Evangelio ist (aber) der Teufel feind und wills nicht leiden; und weil er bisher nichts dawider vermocht hat mit Gewalt noch Schwert, greift ers nun an mit List und mit falschen Propheten. Und bitte dich, christlicher Lehrer, wollest drauf sehen, ich will dir, ob Gott will, den Teufel aufdecken in diesen Propheten, daß du ihn greifen mögest. Die Sache geht also zu.
So nun Gott sein heiliges Evangelium hat lassen ausgehen, handelt er mit uns auf zweierlei Weise: einmal äußerlich, das andermal innerlich. Aeusserlich handelt er mit uns durchs mündliche Wort des Evangelii und durch leibliche Zeichen, als da ist Taufe und Sakrament. Innerlich handelt er mit uns durch den heiligen Geist und Glauben samt andern Gaben; aber das alles der Maßen und der Ordnung, daß die äusserlichen Stücke sollen und müssen vorgehen, und die innerlichen hernach und durch die äusserlichen kommen, also daß ers beschlossen hat, keinem Menschen die innerlichen Stück zu geben ohne durch die äusserlichen Stück; denn er will Niemand den Geist noch Glauben geben ohne das äusserliche Wort und Zeichen, so er dazu gesetzt hat, wie er Luc. 16,29. spricht: Laß sie Mosen und die Propheten hören. Daher auch St. Paulus darf nennen die Taufe ein Bad der neuen Geburt, darin Gott den heiligen Geist reichlich ausgießt, Tit. 3, 5-7.; und das mündliche Evangelium eine göttliche Kraft, die da selig macht alle die dran glauben, Röm. 1,16.
Auf diese Ordnung habe acht, mein Bruder, daran wirds ganz und gar lieben. Denn wiewohl sich dieser Rottengeist stellet, als hielte er groß von Gottes Wort und Geist, und rühmet treffliche Brunst der Liebe und Eifers zurr Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes, so ist doch das seine Meinung, daß er diesen Orden umkehre und einen widersinnischen aufrichte aus eigenem Frevel, und führet die Sache dermaßen:
1) Was Gott äusserlich ordnet zum Geist innerlich (wie gesagt ist), ach wie höhnisch und spöttisch schlägt er das in den Wind, und will zuvor hinein in den Geist. „Ja, spricht er, sollt mich eine Hand voll Wassers von Sünden rein machen? Der Geist, der Geist, der Geist muß es inwendig thun? Sollte mir Brod und Wein helfen? Sollte das Hauchen über das Brod Christum in's Sakrament bringen? Nein, nein, man muß Christi Fleisch geistlich essen: die Wittenberger wissen nichts drum, sie stehlen den Glauben aus den Buchstaben“; - und der prächtigen Worte viel, daß, wer den Teufel nicht kennt, möchte wohl meinen, sie hätten fünf heilige Geister bei sich.
Wenn man sie aber fragt: wie kommt man denn zu demselbigen hohen Geist hinein? so weisen sie dich nicht aufs äusserliche Evangelium, sondern in's Schlaraffenland, und sagen: „Stehe in der „Langweile“, wie ich gestanden bin, so wirst du es auch erfahren; da wird die himmlische Stimme kommen und Gott selbst mit dir reden.“ Fragst du weiter nach der „Langweil“, so wissen sie eben so viel davon, als Dr. Karlstadt von griechischer und ebräischer Sprache. Siehest du da den Teufel, den Feind göttlicher Ordnung? wie er dir mit den Worten „Geist, Geist, Geist“, das Maul aufsperrt udn doch dieweil beide, Brücken, Steg und Weg, Leiter und alles, umreißt, dadurch der Geist zu dir kommen soll, n#ämlich die äusserlichen Ordnungen Gottes in der leiblichen Taufe, Zeichen und mündlichen Wort Gottes, und will dich lehren, nicht wie der Geist zu dir, sondern wie du zum Geist kommen sollst, daß du sollst lernen auf den Wolken fahren und auf dem Winde reiten; und sagen doch nicht, wie oder wenn, wo oder was, sondern sollst's erfahren selbst wie sie.
2) Wiederum was Gott nicht ordnet äusserlich, da loddern sie heraus als wären sie unsinnig. Und gleichwie sie einen eigenen innerlichen Geist erdichten, also richten sie auch eigene äusserliche Ordnung an, davon Gott weder geboten, noch verboten hat, als daß man soll keine Bilder, Kirchen, Altar haben, nicht „Messe“ nennen, nicht „Sakrament“ heißen oder aufheben 1), nicht Kasel2) haben, sondern graue Röcke tragen, „lieber Nachbar“ nennen3), gottlose Fürsten todtschalgen, kein Unrecht leiden, und viel der äusserlichen Demuth und Geberden treiben, die sie selbst erdichten und die Gott nicht achtet. Wer hie anders thut denn sie, der ist ein zwiefältiger Papist, der henkt und mordet Christum, und müssen Schriftgelehrte sein. Wer es aber thut, der ist schon in den Geist hinein gesprungen mit Stiefeln und mit allem, und ist ein Geistgelehrter. O treffliche Heiligen! Fragst du sie,, wer sie solches heißet, so werfen sie die Hand dahin: „Ah, mein Gott sagt mirs, der Geist heißts auch“; ja alle ihre Träume sind eitel Gottes Wort. Wie dünkt dich um die Gesellen? Greifest du schier, wer dieser Geist sei?
3) Weiter, was Gott innerlich ordnet, als den Glauben, das gilt nichts, fahren zu und nöthigen alle äusserlichen Worte und Schrift, die auf den innerlichen Glauben dringen, auf eine äusserliche neue Weise den alten Menschen zu tödten, und erdichten allhie „Entgröbung“, „Studirung“, „Verwunderung“, „Langweil“ und des Gaukelwerks mehr, davon nicht ein Buchstabe in der Schrift steht. 4) Daher plumpt mein Karlstadt herein wie eine Sau und Hund Matth. 7, 6., und zerreißt alles was Christus redt und setzt vom innerlichen Glauben, auf solche äusserliche, erdichtete Werke, so gar auch, daß er aus dem Abendmahl Christi und seinem Gedächtniß und aus der Erkenntniß Christi nichts Anders macht denn ein menschlich Werk, daß wir mit brünstiger Hitze und (wie ihre tölpischen Worte lauten) mit ausgestreckter Lust sollen auch also uns tödten; damit er einen Nebel und Wolke macht, daß man diese hellen Worte nicht sehen solle, da Christus spricht: „Mein Blut wird vergossen für euch zur Vergebung der Sünde“, welche ohne Zweifel allein mit dem Glauben gefaßt, erlangt und behalten werden, und mit keinem Werk.
Soviel sei gesagt zum Anzeigen, wie dieses Geistes Art sei, stracks eine verkehrte Weise wider Gottes Ordnung zu treiben. Das was Gott vom innerlichen Glauben und Geist ordnet, daraus machen sie ein menschlich WErk. Wiederum was Gott vom äußerlichen Wort und Zeichen und Werken ordnet, daraus machen sie einen innerlichen Geist, und setzen die Tödtung des Fleisches vorn an zuerst vor den Glauben, ja vor das Wort, fahren also (wie denn des Teufels Art ist) heraus, wo Gott hinein will, und hinein, wo Gott heraus will. Daß ich ihn nun einen Teufel nenne, soll sich Niemand verwundern; denn an Dr. Karlstadt liegt mir nichts; ich sehe auf ihn nicht, sondern auf den, der ihn besessen hat und durch ihn redet, wie St. Paulus spricht, Eph. 6, 12.: „Wir fechten nicht mit Fleisch und Blut“ ec. So halt nun du, mein Bruder, fest an der Ordnung Gottes, nämlich, daß die Tödtung des alten Menschen, darin man Christi Exempel folgt, wie Petrus sagt, 1. Petr. 2, 21., solle nicht das erste sein, wie dieser Teufel treibt, sondern das letzte; also daß Niemand möge sein Fleisch tödten, Kreuz tragen und Christi Exempel folgen, er sei denn zuvor ein Christ, und habe Christum durch den Glauben im Herzen als einen ewigen Schatz. Denselben kriegt man aber nicht durch Werke (wie diese Propheten toben), sondern durch Hören des Evangelims, daß die ordnung also gehe, Zuerst, vor allen Werken und Dingen, höret man das Wort Gottes, darin der Geist die Welt um die Sünde straft, Joh. 17, 9. Wenn die Sünde erkennet ist, höret man von der Gnade Christi. Im selben Wort kommt der Geist und gibt den Glauben, wo und welchem er will. Darnach geht an die Tödtung und das Kreuz und die Werke der Liebe. Wer dir eine andere Ordnung vorschlägt, da zweifle nicht, es sei der Teufel, wie dieser Karlstadter Geist ist.
So will ich denn Jedermann treulich und brüderlich gewarnt haben, daß er sich vor Doktor Karlstadt und seinen Propheten hüte, um zwei sonderlicher Ursachen willen.
Die erste, daß sie unberufen laufen und lehren; welches Gott durch Jeremiam straft und spricht: Sie liefen und ich sandte sie nicht, sie reden und ich befahl ihnen nichts, Jer. 23,21. Drum urtheilet sie auch Christus Joh. 10, 1. für Diebe und Mörder, die nicht zur Thür eingehen, sondern anderswo einsteigen. Sie rühmen sich fast hoch des Geists, höher denn die apostel, und haben doch nun länger, denn drei Jahr heimlich geschlichen und geschmeist. Wäre es der rechte Geist gewest, so wäre er flugs aufgetreten und hätte sein Berufen mit Zeichen und Worten beweiset; aber es ist ein meuchlinger heimlicher Teufel, der in Winkeln umherschleicht, bis er Schaden thue und sein Gift ausbreite.
Die andere ist, daß diese Propheten das Hauptstück christlicher Lehre meiden, fliehen und schweigen. Denn sie lehren an keinem Ort, wie man doch solle der Sünden los werden, gut Gewissen kriegen und ein friedsam fröhlich Herz zu Gott gewinnen, daran alle Macht liegt. Dies ist das rechte Wahrzeichen, daß ihr Geist der Teufel sei, der mit seltsamen neuen Worten die Gewissen wohl erregt, schreckt und irre macht, stellt sie aber nicht zur Ruhe noch zu Frieden, kanns auch nicht, sondern fähret zu und lehret etliche sonderliche Werke, damit sie sich üben und bläuen sollen. Aber wie ein gut Gewissen solle gethan und geschickt sein, wissen sie gar nichts. Denn sie habens nicht gefühlt, noch jemals erkannt: auch wie können sie es wissen oder fühlen, so sie unberufen von ihm selbst kommen und lehren; davon kann ja kein Guts kommen. Gottes Gnade sei mit uns allen. Amen.
Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin