Krummacher, Gottfried Daniel - Die hohepriesterliche Segensformel - 8. Predigt.
4. Mose 6, 26. 27
Der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Friede.
Denn ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israel legen, daß ich sie segne.
Wir betrachten denn das Doppelwerk des Heiligen Geistes. Jehovah erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Friede und den Schluß des Ganzen.
I.
Erhebet Jehovah, der Heilige Geist, sein Angesicht über uns, so bringt das die fröhliche Erhebung unseres Herzens zuwege durch Zueignung des Trostes des Evangeliums.
Das Gesetz, wenn es offenbar wird, drückt uns nieder. Es drückt nieder durch Offenbarung der Sünde, die wir nur aus demselben in ihrer erschrecklichen Bedeutsamkeit kennen lernen, durch sein strenges Gebot, welches sogar die Gedanken und die geringste Neigung zu etwas Ungöttlichem untersagt, leitet es unsere Aufmerksamkeit auf den innersten Zustand unseres Herzens. In seiner früheren Ausgekehrtheit und Zerstreuung blieb der Mensch sich selbst ganz unbekannt, wußte allenfalls besser, was in andern Weltteilen, als was in seinem eigenen Herzen vorgeht, und hatte deswegen eine sehr selbstgefällige Meinung von seinem Seelenzustande, wie elend er auch war. Da rühmt man sich seines guten Herzens und seiner armseligen Tugend. Jetzt aber wird sein Blick, durchs Gesetz erleuchtet, in sein Inneres geleitet. Alles, was er nun in sich gewahr wird, schlägt ihn darnieder. Was er nie von sich gedacht hätte, findet er nun in sich, nämlich ein Gesetz, ja ein Gesetz in seinen Gliedern, das ihn gefangen hält. Die Sünde ist ihm zu mächtig. Sie reißt ihn mit sich fort, indem doch etwas in ihm ist, was das Gute will, aber nicht thut. Die Sünde wird in ihm lebendig, und er ihr Gefangener, obwohl wider Willen; obwohl er gern frei wäre und würde von dieser schmählichen Gebundenheit, deren Absicht der ewige Tod ist, und woraus er kein Entkommen sieht.
Seit ihr auf dieser Station, oder waret ihr da, so wisset ihr auch von der Niedergeschlagenheit zu sagen, die David in den Worten ausdrückt: Meine Sünde ist mir als eine schwere Last zu schwer geworden. Das Gesetz drückt nieder durch die Unmöglichkeit, die Bedingungen zu erfüllen, woran es die Verheißung des ewigen Lebens knüpft. „Du sollst leben, sagt es, aber thue das.“ Was denn? Was im Buche des Gesetzes geschrieben steht. Wie viel? Alles. Wie lange? Allezeit. In welcher Weise? Vollkommen. Aber wie, wenn ich thäte, was ich könnte? Das gilt nichts. Wer an einem fehlet, ist des Gesetzes schuldig. Wer im Geringsten nicht treu ist, ist's auch im Größten nicht. Wer jemanden ansieht, sein zu begehren, ist nicht besser als ein Ehebrecher, und wer seinen Nächsten haßt, so arg wie ein Todschläger. Arbeite, wie du kannst, du wirst die Erfahrung teilen, die Hiob machte, wenn er sagt: Was arbeite ich so vergeblich, ich werde doch gottlos sein (Cap. 9,30). Setze erst einen guten Baum, so wird die Frucht gut, ein neues Herz, eine neue Natur, so wird der Wandel gut. Doch wozu so viele unnötige Worte? Höret Christum, welcher sagt: Bei den Menschen ist's unmöglich. Hört seinen Apostel, welcher sagt: Dem Gesetz ist's unmöglich, denn es ist durch die Sünde geschwächet. Aus solcher zweier Zeugen Munde wird doch die Sache bestehen und bestehen müssen. Sollte das nicht niederschlagen? Nun aber kommt noch der Fluch über jeden, der nicht bleibt und beharret in alle dem, was dazu geschrieben steht, daß wir es nicht blos wissen, sondern thun. Diesen Fluch kann man nicht mehr, wie man früher that, verachten; man entsetzt sich darüber, daß einem die Haut schaudert. Ja, in diesen Umständen fühlt der Mensch etwas davon in seinem Gewissen und leidet die Schrecknisse Gottes schier zum Verzagen. Da gilt kein Geringschätzen mehr. Die Furcht, dieser Zustand möge nie endigen, läßt der Seele keine Ruhe noch Kraft, auch weiß sie keinen Rat, wo aus, noch ein.
So erhebet das Gesetz das Angesicht nicht, sondern schlägt es nieder. Wenn aber das Evangelium fragt: Was seht ihr so traurig und warum weinest du? so thut's das nur in der Absicht, das Angesicht zu erheben, indem es das Herz erheitert. Dies bewirkt der Heilige Geist dadurch, daß er dies Evangelium von der Gnade Gottes in Christo Jesu klar macht. Er öffnet das Verständnis, daß man sie versteht. Der bis dahin so furchtbare Gott erscheint durch das Blut Christi als ein versöhnter Vater, ja als derjenige, welcher Gottlose gerecht spricht. Sein Zorn, der bis in die unterste Hölle brannte, gestaltet sich in eine Liebe um, die allen Verstand übersteigt, die sogar des eingebornen Sohnes nicht verschonte. Der ist zur Sünde, der ist zum Fluch gemacht, das Eine, damit wir gerecht würden, das Andere, damit wir den Segen empfingen. Und das ist der Seele genug, mehr als genug, wie es dem alten Jakob genug war, daß sein Sohn Joseph noch lebte. Der heilige Gesät erhebt sein Angesicht über zerschlagene Herzen, indem er ihnen nun auch Glauben schenkt, dies Evangelium auf sich zu deuten, ihr Jawort, ihr Amen dazu sagen, zu versiegeln, daß Gott wahrhaftig ist, zu bekennen: „Mir auch ist sein Sohn gegeben, durch den Glauben ist er mein!“ zu schwören:: „In dem Herrn Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke!“ So wird ihr Weg bis zu dem Herzen Gottes gebahnt, um mit Freimütigkeit zum Gnadenthrone hinzutreten, sich da Vergebung der Sünden und alles, was sie bedarf, zu holen. Ach, wie wird alsdann das Joch ihrer Last und die Rute ihrer Schulter und der Stecken ihres Treibers zerbrochen! So wird man stille, so hat man Ruhe, so erquicket man die Müden. O, ein seliger Stand, oder wenigstens, wenn es noch nicht zum bleibenden, befestigten Stand geworden ist, o, seliger Genuß, Vorschmack des Himmels, Ruhen des wiedergefundenen Schafes auf den Schultern des guten Hirten, von seiner starken Hand gehalten! Wer will nun noch anklagen? Welche Sünde darf nun noch herrschen? Welcher Feind noch siegen? Überwinden wir denn nicht weit in allem? Wodurch denn? Durch den, der uns geliebet hat.
II.
Aber freilich, die Anmut des Frühlings ist von kurzer Dauer, und die entzückenden Töne der Nachtigall verhallen bald oder wandeln sich gar in ein häßliches Gekreisch um. Ich will damit sagen: Die Erquickungen gehen und kommen, sie sind unbeständig. Daher setzt der hohepriesterliche Segen noch ein zweites Werk des Heiligen Geistes hinzu in den Worten: Und gebe dir Frieden.
Das Wort Friede hat teils eine weitere, teils eine engere Bedeutung. Im weitern Sinne umfaßt dieses Wort alle Glückseligkeit nach Leib und Seele, in Zeit und Ewigkeit. Dies faßte der Herr Jesus zusammen, wenn er nach seiner Auferstehung zu den Jüngern sprach: „Friede sei mit euch!“ und was er meinte, wenn er früher sagte: „Meinen Frieden gebe ich euch.“ Mein nennt er ihn, weil er der einzige und vollkommene Urheber und Ausspender alles Friedens ist. Sehr fein begrüßte sich das hebräische Volk auch im allgemeinen mit dem Worte: Schalom, Friede, weil in diesem einen Worte alles liegt. Was kann uns der hohepriesterliche Segen also auch köstlicheres wünschen als Frieden? Aber dieses Wort deutet nicht nur auf die ganze Fülle alles Guten, sondern zugleich und vornehmlich auch auf die beständige Dauer derselben, ohne welche die höchste Glückseligkeit nur eine Art von Unglück sein würde. Ein geringeres Glück, das dauert, ist von größerem Wert, als ein glänzenderes, das wankt.
Im engeren Sinne bezeichnet das Wort Friede eine köstliche Reihe der herrlichsten Güter. Ihr Grund ist die Rechtfertigung. Denn nun wir sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum, durch welchen wir auch Zugang haben durch den Glauben zu dieser Gnade, darin wir stehen. Friede ist ein Stand der Freundschaft, also der Gnadenstand, in welchen der Sünder vermittelst der Wiedergeburt eingeht. In diesem herrlichsten aller Stände hat der in sich selbst verlorene Mensch Friede mit Gott, von dem er nichts zu fürchten, alles zu hoffen hat, kraft der durch das Blut Christi vollendeten Versöhnung. Welch' eine unübersehbare Glückseligkeit, Gott wohl fürchten, als einen gnädigen, heiligen Vater, aber sich nicht vor ihm mehr fürchten dürfen, als vor einem gestrengen Richter, ja als vor einem erzürnten, allmächtigen Feinde, ihm dienen ohne Furcht, wozu der Geist der Kindschaft verliehen wird. Welche Ruhe für die Seele, die sich früher fürchtete, alle Tage, da der Geist der Knechtschaft sie zusammenpreßte, nun in Gott ihren allmächtigen Freund zu sehen! Dies Glück läßt sich nicht aussprechen, es ist höher, als alle Vernunft.
Daran reiht sich der Friede im Gewissen; es brannte wie ein Feuer; es schreckte wie ein unheimlich Nachtgesicht; es war wie ein Mord in den Beinen; es beschuldigte, es klagte an; es wollte sich nicht beschwichtigen lassen; es raunte stets ins Ohr: Sünder! Sünder! Und nun, da der Heilige Geist Friede giebt, wie wird es durch das Blut Christi so rein gewaschen von den toten Werken, von den Anklagen, von den Beschuldigungen! Da hat die Seele kein Gewissen mehr von den Sünden, weil sie samt dem Verderben, womit ich mein Lebenlang zu streiten habe, einmal gereinigt ist durch das vollkommene Opfer Christi, einmal am Kreuz geschehen. Da hat sie einen heitern Blick ins Leben. O, dann ist ihr viel herrlicher zu Mute, als einem im Leiblichen, wenn er sich plötzlich ganz von marterndem Zahnweh oder sonstigem Schmerz erledigt fühlt! O, erfahrt es selbst und urteilt dann selbst!
Hierzu gesellt sich der Friede im Innern. Das ungestüme Meer, das nicht still sein konnte, und dessen Wellen stets Kot und Unflat auswarfen, wird stille und die Stürme legen sich, denn Jesus gebeut’s. Die Gemütsbewegungen werden geordnet, das Herz wird sanft, demütig, versöhnlich, liebreich und milde. Es ist ein ganz anderer Mensch. Die Gottseligkeit, das Glauben und Lieben geht gleichsam wie von selbst, wie ein guter Baum seine Frucht gleichsam wie von selber bringt. Alles, was er macht, gerät wohl.
Es ist ein Friede mit allen Menschen, denen allen er das wahrhaftige Heil herzlich gönnt, gern, wenn er kann, dazu mitwirkt und sich von Herzen freut, wenn sie Teil daran erlangen, mögen sie auch vorher gewesen sein, was sie wollen: Zöllner und Sünder, Juden und Heiden, sie werden alsdann seine lieben Brüder. Insbesondere fühlt er sich mit denen vereinigt, die aus Gott geboren sind. O, wie lieb’ ich, Herr, die Deinen, die dich suchen, die dich meinen, o wie köstlich sind sie mir! Du weißt, wie mich’s oft erquicket, wenn ich Seelen hab’ erblicket, die sich gänzlich weihen dir. Ja, dieser Friede ist wie ein breiter Wasserstrom; er macht sich alles dienstbar. Die Feinde selbst ihm dienen sollen. Sie befestigen diesen Frieden, indem sie ihm dienen sollen. Sie befestigen diesen Frieden, indem sie ihn zerstören wollen. Was schaden in diesem Friedensstande alle, auch die unangenehmsten Ereignisse? Nichts, sie nutzen vielmehr. Es sind Züchtigungen uns zunutz, daß wir seine Heiligung erlangen. Es sind Messer, welche den Weinstock desto kräftiger beschneiden, je schärfer sie sind; es sind Wunden, woran der alte Mensch sich verblutet. Anfechtungen, Versuchungen sind gefährliche Dinge, von welchen wir bitten: Führe uns nicht hinein! Dennoch, lieben Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtung fallet. Sie fördern euch in der Selbsterkenntnis, sie demütigen euch, sie zerstören das Vertrauen auf euch selbst und die Eigenliebe; sie gleichen jenen Hornissen, womit Gott das zu verfolgen verspricht, was sich heimlich verbirgt vor dir (3. Mos. 7); sie machen die Gnade desto köstlicher; sie leiten euch an, euer Vertrauen allein auf diese Gnade zu setzen, und was für köstliche Wirkungen sie noch mehr haben. Kommt nun Anfechtung her, so wehr’, daß sie mich nicht umstoßen. Du kannst machen, daß mir’s nicht bring Gefahr. Ich weiß, du wirst’s nicht lassen.
Gedeckt von dem Schilde dieses Friedens, dürfen wir sogar fragen: Was will uns nun der Teufel thun, wie grausam er sich stelle! Mag er auch einem brüllenden Löwen gleichen, so haben wir ihn doch überwunden durch des Lammes Blut. Hier verliert auch der Tod seine schauerliche Gestalt und wandelt sich um in einen Boten des Friedens. Bei seiner Annäherung naht sich das Ziel der Hoffnung der Kinder des Friedens, das Ende ihres Kampfes, ihrer Fremdlingschaft, ihrer Leiden. Dann ist der Zeitpunkt da, wovon Paulus sagt: Ich habe Glauben gehalten, ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit.
III.
O, kostbarer Friede, höher als alle Vernunft, köstlicher als alle Güter der Erde, den gebe dir Jehovah! Welch’ ein vortrefflicher, inhaltsreicher Segenswunsch!
Erworben, verdient und errungen ist dieser Friede durch den vollkommenen, ja blutigen Gehorsam Christi; der mußte erst bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze vollendet sein, auf daß wir Friede hätten. Er, er ist der Friedensfürst, ist unser Friede. Nachdem er alles vollbracht, sprach er: Friede sei mit euch, und indem er dies sprach, gab er’s zugleich durch seinen Geist; denn dieser, sein Heiliger Geist, ist die wirkende und mitteilende Ursache dieses hohen Gutes. Er ist es, der die Seele in diesen glückseligen Gnaden- und Friedensstand einführt. Er machte sie, da sie tot war in Sünden, lebendig. Aus ihm werden sie wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung. Er läßt sie den süßen Trost des Evangeliums vernehmen. Er heiligt Herz und Sinne. Er giebt Zeugnis unserm Geiste, daß wir Gottes Kinder sind. Er bewahret sie auch in diesem Friedensstande, aus welchem sie anders gar bald wieder herausfallen würde, sei es unter das tötende Gesetz, sei es gar zurück in die Gewalt des Teufels. Wohlbedächtlich heißt es deßwegen nicht so sehr gebe, als setze dir Friede.
Das alles von Gott; darum wird hinzugesetzt: So sollt ihr meinen Namen auf die Kinder Israels legen, daß ich sie segne. In welchem lieblichen Lichte zeigt sich hier der, außer Christo dem Sünder so furchtbare und unzugängliche Gott. Hier werden alle Schätze der göttlichen Allgenugsamkeit aufeinander gehäuft, unser leeres Herz damit zu erfüllen; und je unwürdiger wir sind, desto herrlicher glänzen auf diesem schwarzen Grunde die Perlen der Gnade. Hier werden gesegnet, die unter dem Fluche des zerrissenen Gesetzes lagen und wert waren, unter der unerträglichen Last desselben ewiglich zu vergehen. Hier werden solche behütet, die den gräßlichsten Gefahren, Unglücksfällen, Verirrungen blosgestellt, in sich selbst keine Lust, Kraft noch Geschicklichkeit haben, sich selbst zu erhalten, und deren Fuß zum Straucheln geneigt ist. Und Jehovah selbst ist es, der sie behütet, behütet wie seinen Augapfel. Solche, welche von Natur Kinder der Finsternis sind, in welchen selbst das Licht, das in ihnen ist, Finsternis ist, ja, die selbst Finsternis sind und das Licht hassen, werden von dem Angesichte des Herrn erleuchtet, daß sie sehen, empfangen das Licht des Lebens, Christum selber. Solchen, die strafbare Rebellen, Feinde Gottes durch die Vernunft in bösen Werken waren, die mit all’ ihrem Thun sprachen: Hebe dich von uns, wir wollen von deinen Wegen nicht wissen, was sind wir’s gebessert, so wir ihn anrufen; solchen, die nach allem Recht verloren gehen sollten, ja wollten, ist er gnädig und kommt ihnen mit seiner Liebe zuvor. Er wendet sein Angesicht zu Leuten, die vor ihm flohen, deren Gesinnung Feindschaft gegen ihn war, und locket und ruft und neigt sie so ernstlich und milde, so kräftig und gründlich, daß sie selbst sich gern zu ihm wenden und sein Angesicht suchen. Er giebt Frieden, seinen Frieden; ja, er setzet ihnen denselben. Und wenn er auch ihrerseits oftmals angefochten, gefährdet, gestört, unterbrochen wird, so ist’s doch seinerseits unerschütterlich fest, und der Bund seines Friedens soll nicht hinfallen, wenn auch Berge weichen und Hügel hinfallen. Ich bin dein Gott, dein höchstes Gut, ich bin mit dir versöhnet.
So liegt das ganze Evangelium, der ganze Jesus-Name und alle Fülle seiner Gnade in diesem Segen, womit er selbst segnet. Er demütigt uns tief, er erhebt uns hoch. Er weiset uns ganz von uns und unserm Eignen ab, lediglich auf den Herrn hin, daß unsere Augen lediglich auf ihn sehen. Verändert sich denn auch manches zu deinem Leidwesen in dir, so ändert er sich doch nicht. Müßtest du mit Jeremias klagen: Meine Seele ist aus dem Frieden gerissen, ich muß des Guten vergessen, so sagt doch der Herr: Ich weiß wohl, was für Gedanken ich über dich habe, nämlich Gedanken des Friedens; mag der Herr auch Krieg mit uns führen müssen bis zum Verrenken der Hüfte hin, um das zerschlagene Gebein mit seinem Friedensbalsam heilen zu können. Erst das Gefäß voll Wassers bis oben an, dann der auserlesenste Wein.
Ja, sogar liegen Andeutungen der Geschichte der christlichen Kirche in dieser Segensformel. Wie ward die Gemeinde Jesu Christi gesegnet bei ihrer ersten Ausbreitung und behütet in den erschrecklichen und langwierigen Verfolgungen! Der Herr ließ sein Angesicht über sie leuchten in einem sehr blühenden Stande und hörte nicht auf, ihr in Zeiten des Verfalls wenigstens einzelne Beweise zu geben, daß er ihr gnädig sei. Darnach hat er sein Angesicht wieder über die Kirche gehoben zur Zeit der Reformation in Offenbarung neuer Fürsorge und Gnadengaben. Und so wartet die Kirche auf den vollen Frieden, womit sie in den letzten Tagen wird gekrönet werden, da der letzte Tag des Festes auch der herrlichste sein wird.
Und so beendigen wir denn heute unsere Betrachtungen über das vollkommenste Segensformular, das sich in der heiligen Schrift findet, und das die christliche Kirche mit Recht bei ihrem Gottesdienst beibehalten hat. Was mangelt da wohl, wo dieser Segen in Kraft tritt! Hier endet sich aller Fluch und Unsegen und muß sich in Segen umwandeln, so daß selbst ein feindseliger Bileam sich genötigt sieht, auszurufen: „Ich muß segnen und kann es nicht wenden!“ Was wird die von der Liebe Gottes reißen können, welche Jehovah bewahret! Welche Finsternis und Trauer des Gemüts muß nicht schwinden, wenn die Seele mit dem Angesichte des Herrn erleuchtet wird! Ist jemand seiner Gnade teilhaftig, was hätte er noch zu fürchten, was mangelte ihm noch, da der Herr sein Hirte ist“ Erhebt Jehovah sein Angesicht, wer vermag seine Wirkungen und Tröstungen zu verhindern! Setzt er Frieden, so wohnt sein Volk in Häusern des Friedens, in sichern Wohnungen und in stolzer Ruhe.
So bitten wir euch denn allesamt an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott! Legt alles Mißtrauen, legt alle Feindschaft, legt alle Widerspenstigkeit, allen Ungehorsam gegen ihn ab! Lernt ihn als euern größten Freund, als euern versöhnten Vater kennen! Gewinnt ihn als denjenigen lieb, der euch zuerst geliebet, der sogar seinen Sohn für euch dahin gegeben hat!
O, ihr Kinder des Friedens! Friede sei mit euch! Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserm Vater und unserm Herrn Jesu Christo! Amen.