Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Person des Herrn.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Die Person des Herrn.

Predigt über Matth. 16, 13-18.

Matth. 16,13-18.
Da kam Jesus in die Gegend der Stadt Cäsarea Philippi, und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei? Sie sprachen: Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer; die Andern, du seiest Elias; Etliche, du seiest Jeremias, oder der Propheten einer. Er sprach zu ihnen: Wer saget denn ihr, daß ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine: und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

„Wer mich bekennt vor den Menschen,“ spricht der Herr, „den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater!“ Ein großes Wort, Geliebte, in welchem sich uns schon der Mann verräth, der sich eines Mehreren als eines philosophischen Lorbeers um seine Stirne, oder als einer irdischen Königskrone auf seinem Haupte bewußt ist. - Im Bekenntniß vollendet sich der Glaube. Bekennend brichst du die Brücken hinter dir ab, und gehest frei in das Lager der Wahrheit über. Das unumwundene Bekenntniß zur Sache Gottes zieret den Mann, und um so mehr, je weiter es der Hölle den schmähenden und Grimm sprühenden Rachen wider ihn aufreißt. - Wessen Seele fühlt sich nicht gehoben durch die Erinnerung an die bekannte Scene nach Uebergabe der Augsburgischen Confession im Jahre 1530, da die beiden herrlichen Fürsten Georg, Markgraf von Brandenburg, und Wolfgang, Herr von Anhalt, nochmals aus freien Stücken vor Karl V. erschienen, ihr evangelisches Bekenntniß wiederholten und offen erklärten, daß sie, ehe sie davon lassen und abfallen sollten, lieber zur selbigen Stunde vor Seiner Majestät niederknieen, und sich die Köpfe abhauen lassen möchten; worüber Kaiserliche Majestät sich höchlich verwunderte und freundlich den Beiden zurief: „Nicht Kopf ab, liebe Fürsten, nicht Kopf ab,“ dann aber - und hier erschaut ihr auch des freien Bekenntnisses Macht und Frucht, - zu den Umstehenden bemerkte: „Es muß ja diese Lehre stärkere Gründe haben, als wir leider noch sehen und verstehen können!“

Als wen gilt es denn Christum bekennen? Wer war und wer ist dieser Christus? - O Schmach, nach Seinem Namen sich nennen, und auf jene Frage entweder keine, oder doch nicht die rechte Antwort wissen! Diejenigen, die im ersteren Falle sich befinden, wollen wir so unbedingt noch nicht verdammen, wie die Andern; denn hinter ihrem Nichtwissen um Christi Person könnte möglicher Weise noch eine, wenn gleich dunkle, so doch hohe Ahnung verborgen ruhen. Diejenigen aber, die die rechte Antwort verfehlen, und nur für einen Menschen, für welch' einen ausgezeichneten auch immer, Ihn gelten lassen wollen, sind durchaus verächtlich: denn sie erklären Ihn, der selbst für einen ungleich Höheren sich ausgab, ich mag nicht sagen, für was, und nennen sich, auf ihrem Standpunkt, nach dem Namen eines die Ehrfurcht verbietet mir, diesen begonnenen Satz zu Ende zu führen. Aber gab sich Christus wirklich für Höheres aus? Und wofür hat Er sich ausgegeben? Auf diese gewichtvollste aller Fragen wird uns heute ein klarer, bündiger, und abschließender Bescheid ertheilt, und zwar in dem Siegel der Bestätigung, welches der Herr selbst in dem Vorgange unsres Evangeliums dem Bekenntnisse Seines Jüngers Simon aufdrückt. Wir richten denn unser Augenmerk zuerst auf Petri Bekenntniß, und dann auf des Herrn Siegel.

Sei Er selbst uns nah mit Seinem Geiste, und besiegele Er uns heut aufs neue unsern Glauben an Seine Gottessohnschaft!

1.

Der Herr steht, wie wir heute zu ihm treffen, dem Ziele seiner Erdenwallfahrt nahe. Bisher hatte es seine Weisheit ihm gerathen erscheinen lassen, jedes Gespräch mit seinen Jüngern über seine Natur und Person zu vermeiden. Sein Thun sollte dieselbe ihnen eher offenbaren, als sein Wort. Sie sollten erst stärker und immer stärker die übermenschliche Herrlichkeit hinter seiner Erscheinung ahnen lernen, damit dann zu seiner Zeit, wie ein Blitz aus elektrischer Wolke, aus ihrer gesteigerten Ahnung das helle Licht des Erkennens von selbst hervorzucke. Der Augenblick, da Solches geschehen konnte, war nun vorhanden. Wirklich that's auch den Jüngern um der ihnen bevorstehenden schweren Anfechtungen willen Noth, daß die traumartigen Vorstellungen, die in Betreff der Person ihres Meisters bisher ihre Seelen durchwogten, nunmehr zu einer klaren und bestimmten Anschauung sich gestalteten. Die Schrecken Gethsemanes und Golgathas dunkelten fern herauf, und da bedurften sie, um nicht am Glauben Schiffbruch zu leiden, einer starken Rüstung. Die mehr als mütterliche Fürsorge des Herrn erkannte dies wohl, und ergriff darum den ersten sich darbietenden günstigen Moment, um die Jünger darüber ins Klare zu setzen, wem sie denn in Ihm mit ihrer Liebe und ihrem Vertrauen sich angeschlossen hätten. Am Fuße des Libanons, nahe den Jordansquellen, befindet sich der Herr mit seinen Zwölfen. Hier. wo fast nur Heiden ihn umgaben, die von ihm nicht wußten, konnte er sich einmal ungestört und ungetheilt den Seinen widmen. Fern tauchte die Stadt Cäsarea Philippi vor ihnen auf, die früher Paneas hieß, und der erst der jüdische Fürst Philippus zu Ehren des Kaisers Tiberius den Namen der „Kaiserstadt“ verlieh. Diese Stadt stand also recht als ein Denkmal der Erniedrigung Israels da; war aber zugleich ein laut redendes Zeugniß, daß nach der Weissagung des Allvaters Jakob nunmehr „das Scepter von Juda wirklich entwendet,“ und somit die Erscheinungszeit des von allen Propheten verheißenen großen Zukünftigen herbeigekommen sei. Vielleicht hatte der Herr die Jünger eben an das Weissagungswort des alten Patriarchen erinnert; vielleicht winkte er sogar bedeutsam auf jene ferne Kaiserstadt hinüber: genug, die Stelle war ebenso weise von Ihm ersehen, wie der Zeitpunkt, um da mit den Seinen eine Unterhaltung anzuknüpfen, wie er auf Erden eine gewichtvollere noch nicht gepflogen hatte. Er eröffnet das Gespräch mit der Frage: „Wer sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?“ Des „Menschen Sohn“ pflegte Er sich zu nennen in der doppelten Absicht, in diese Beziehung sich zu verhüllen, und auch wieder durch dieselbe sich zu offenbaren. Solchen gegenüber, die für alles Göttliche noch erstorben waren, und denen es kein nütze gewesen wäre, Ihn schon nach seiner ganzen Würde und Hoheit zu erkennen, bediente Er sich jener Selbstbenennung als eines Schleiers. Sie kamen über den Menschen in Ihm nicht hinaus, und wähnten nun für ihre Ansicht von Seiner Person in seiner eigenen Versicherung eine Bürgschaft zu finden. Den Sinnigern dagegen mußte nothwendig bei der Bezeichnung: „des Menschen Sohn“, der Eindruck werden, daß Christus sich unmöglich eine so überflüssige Signatur habe beilegen können, wenn Er sich in der Thal als etwas Höheres nicht, denn als ein Menschenkind wie alle Andern wüßte. Sie schloffen ganz richtig aus dem Auffallenden jener Benennung, daß der Herr damit nur andeuten wolle, daß das Menschliche an Ihm nur etwas zu seiner ursprünglichen Natur später erst Hinzugekommenes, und also sein Mensch-Sein etwas Außerordentliches und Wunderbares sei. Von Haus aus sei Er ein gar Anderer und ungleich Erhabenerer, als ein Sprößling der sterblichen Menschenfamilie. Zugleich erinnerte der Name „des Menschen Sohn“ an den „Gottmenschen“, den Daniel einst in einem Gesichte sah. „Ich sah,“ erzählt der Prophet, „und siehe, es kam Einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn. Und ihm ward gegeben Gewalt, Ehre und Reich, daß ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten.“

Die Frage des Herrn ist erschollen. Da antworten die Jünger einfältig und wahr: „Etliche sagen, du seiest Johannes der Täufer, (nämlich der von den Todten wieder auferstandene,) Etliche, du seiest Elias, Etliche du seiest Jeremias, oder sonst der alten Propheten einer.“ Sehr merkwürdig dies! Darin trafen also die Ahnungen und Stimmen im Volke doch zusammen, daß Er aus einer anderen jenseitigen Welt in die diesseitige irdische herabgekommen sein müsse. So gewaltig hatte selbst auf die ungünstig Gestimmten die Macht seiner ganzen Erscheinung eingewirkt. Wie tief Er auch in alle menschlichen Verhältnisse sich hinein begab, so vermochten doch diejenigen, die ihn beobachteten, des Eindrucks sich nicht zu erwehren, daß Er hier unten eigentlich nicht zu Hause sei, sondern nur besuchsweise unter den Sterblichen weile. Ja es wollte ihnen bedünken, als müsse er sich Gewalt anthun, um ganz Mensch zu sein, während er, wenn er sich gehen und dem Zuge seiner Natur freien Spielraum lassen wollte, über den Höhen der Erde schweben, und sich stets in den Bahnen übermenschlicher Offenbarungen, Wirksamkeiten und Krafterweisungen als in seinem wahren Elemente bewegen würde. Man hat behaupten wollen, daß sich in späteren Zeiten um die Person Christi ein Kreis von dichterischen Volkssagen und Mythen gebildet habe. Wir ersehen aber aus den Mittheilungen seiner Jünger, daß solche Mythen schon bei seinen Lebzeiten um seine Person sich bildeten. Es spricht dies aber nicht gegen, sondern vielmehr für die göttliche Herrlichkeit seiner Natur, und kann uns in unserm Glauben an dieselbe nur bestärken; denn Jemanden, an dem Ueberirdisches nichts wahrzunehmen ist, wird, wenigstens so lange er auf Erden wandelt, die Sage mit ihren Glorien nicht umweben. Mindestens wird sich von einem Solchen nicht das Gerücht verbreiten, daß er vom Himmel auf die Erde herab gestiegen sei.

Was übrigens die Jünger von den Urtheilen des Volks berichten, gemahnt mich an die sogenannten „Lichtfreunde“, von denen wir hoffen wollen, daß sie unbewußt nur in dem Sinne so sich nennen, in welchem eine in einer finstern Grotte des Lichts entbehrende, und darin verschmachtende, und ihre welken Zweiglein sehnsuchtsvoll dem Tage entgegen breitende Pflanze sich mit Wehmuth eine „Lichtfreundin“ nennen dürfte. - Ihr wißt, daß wenigstens ein Theil jener von Gottes Wort und der Kirche so weit verschlagenen Leute wiederholt und öffentlich bezeugt hat: „Auf die Frage, wer Christus sei, fehlt uns die Antwort!“ Wir ersehen daraus, daß auch sie von der majestätischen Erscheinung Christi Eindrücke empfangen haben, die es ihnen nicht zulassen, Christum für ein bloßes Menschenkind zu erklären. - Wenn sie es wagen wollen, versagt ihnen ihre Zunge dazu den Dienst. Statt des Glaubens wohnt wenigstens noch eine großartige Ahnung von der Herrlichkeit des Herrn in ihrer Brust; und dies beläßt uns noch eine fröhliche Hoffnung zu ihrer einstigen Wiederbringung zur „kleinen Heerde.“ - Aber freilich, so wenig sie es wagen, Christum für einen bloßen menschlichen Lehrherrn zu erklären, eben so wenig getrauen sie sich auch, es entschieden auszusprechen, daß Er mehr als ein Mensch, oder gar, daß Er der Herr vom Himmel sei, weil sie sich dann ja unter Sein Zepter sich zu beugen genöthigt sähen: und dies ist es eben, was sie nicht wollen.

Nachdem die Jünger geantwortet, richtet der Herr mit feierlichem Ernst an sie selbst die Frage, welche als die große Kapital- und Entscheidungsfrage des Christenthums noch immer nachdrucksvoll, wie keine andere, an die Welt ergeht.

„Wer,“ spricht er, „saget denn ihr, (was die Menge sagt, ob euch auch tausendmal überstimmend, entscheidet nichts,) daß ich sei?“ Ja, sie sollen jetzt heraus aus dem Halbdunkel ihrer bisherigen Anschauungen von Ihm; und ihr, meine Freunde, sollt dies nicht minder. Christus ist kein luftiges Denkbild, keine Figur einer Dichtung, keine Phantasmagorie, sondern eine geschichtliche Persönlichkeit, der wir den Geburts- und Heimathsschein, wie ihren Berufs- und Vollmachtsbrief abfordern sollen. Der in neuerer Zeit öfter ausgesprochene alberne Wahn, als sei es eine gleichgültige Sache, wer Christus gewesen sei, wenn sich nur seine Lehre als annehmungswerth erprobe, findet an dem Herrn selbst, wie ihr aus seiner feierlichen Frage an die Zwölfe erseht, keinerlei Stütze. Freilich wollte das Christenthum nur Philosophie, nur Lebensweisheit sein, dann läge wenig daran, wer der Mann war, von dem es ausgegangen. Aber das Christenthum kündet sich als Thatsache der Erlösung an; und nun hängt Alles davon ab, wer diese Thatsache vermittelte. Ist Christus nur, wie Manche ihn nennen, „der große Unbekannte“, so ist es auch unbekannt, ob Gott sich je der verlorenen Sünderwelt erlösend angenommen habe. Giebt es, wie gewisse Leute seichtesten Schlages behaupten, auf die Frage, wer Christus sei, keine Antwort, so giebt es auf die andere, wer diejenigen denn seien, die nach wie vor nach dem Namen eines Mannes sich benennen, der möglicher Weise gar Mancherlei sein konnte, nur eine: Thoren sind sie! -

Doch schauen wir jetzt der weiteren Entwickelung unserer großen Scene zu. Das Bekenntniß ist herausgefordert, und die Frage des Herrn von den Jüngern wohl verstanden. Nicht entging es ihnen, daß er wissen wolle, für wen und nicht für was sie ihn erachteten; daß sie also ihre Anschauung von seiner Person, und nicht etwa nur von seiner sittlichen Beschaffenheit, oder von seinem Amte und Berufe kund werden lassen sollten. Wer von den Zwölfen nun derjenige sein wird, der das Wort ergreift, können wir uns schon denken. Der rasche feurige Simon ist es, der Bannerträger in der kleinen Schaar der Eingeweihten. Auf den Flügeln des erleuchtenden Geistes hoch über das gewohnte Geleise seiner Einsichten hinaufgehoben, faßt er die mächtigen Ahnungsblitze, die längst mit wachsender Helle sein Inneres durchzuckten, in einen Brennpunkt zusammen; und so tönt's denn, im Namen Aller ausgesprochen, daher, das große Zeugniß, das wie ein feierlicher Glockenklang der Welt das Ende ihres Harms, und den Anbruch einer göttlichen Friedensperiode ansagt, und in welchem sich zugleich die Standarte entfaltet, um die sich fortan die Erleuchtetsten, Edelsten und Besten der Erde schaaren werden. „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ spricht Simon. So kurz die Bezeichnung ist, so bestimmt und erschöpfend ist sie. Die Hand davon! Es ist nichts daran zu verflüchtigen, noch abzuschwächen. „Du bist Christus“ heißt in eines Israeliten Munde: Du bist der von allen Propheten voraus verkündete große Sünderheiland. „Des lebendigen Gottes Sohn“ heißt - was? Etwa: der edelste der Sterblichen, oder: das moralische Menschheits-Ideal? O Freunde, es spricht hier kein wunderscheues Kind unserer neuesten Aufklärung, kein Zögling einer modernen Rationalistenschule; sondern hier bekennt ein mit der Milch des alttestamentlichen Gotteswortes großgesäugter Sprößling aus Abrahams Wurzel, und in der Begriffswelt eines Solchen wog der Ausdruck: „Der Sohn des lebendigen Gottes“ schwer, und besagte nichts Geringeres, als: „Du bist das wesentliche Ebenbild Gottes, Gottes anderes Ich, vom Vater in Ewigkeit geboren, die zweite Gott gleiche Person in der hochgelebten Dreieinigkeit!“

2.

Hoch also über die Welt der Menschen wie der Engel, ja hoch über alle Creatur hinaus setzt der bekennende Petrus seinen Meister. Er erklärt ihn für den wahrhaftigen Gott, für gleichen Wesens und gleicher Herrlichkeit mit dem Vater. Was aber sagt nun der Herr zu diesem Bekenntniß seines Jüngers? Hierauf kommt nun natürlich Alles an. Springt Er, etwa wie Paulus und Barnabas einst, mit Füßen dazwischen und spricht: Simon, du lästerst? - Er hätte als gottesfürchtiger und gewissenhafter Mann so thun müssen, wenn er sich eines Geringeren bewußt gewesen wäre, als wozu Petrus ihn stempelte. Aber hört Ihn! Hoch erfreut, daß endlich das Licht der Wahrheit siegesmächtig die Finsterniß zu durchdringen beginne, steht er keinen Augenblick an, dem Zeugniß seines Jüngers ein Siegel der Beglaubigung aufzudrücken, welches ganz geeignet aber auch dazu bestimmt ist, mit seinem strahlenden Glanze die Welt zu erfüllen. „Selig“, beginnt er, „bist du Simon. Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel!“ Was heißt das? Es heißt: „Ja, Amen, ich bin's, wofür du mich erklärtest!“ Es heißt: „Simon, es erleuchtete dich Gott; denn Fleisch und Blut, d.i. die sich selbst gelassene Vernunft, kommt über den Menschen in mir nicht hinaus!“ Es heißt: „Du hast gefunden, Simon! Dein Retter, dein Mittler und dein Heiland hat sich dir in meiner Person entschleiert! Selig bist du!“ O, diese seine Seligpreisung ist nicht verklungen in der Welt. In ungeschwächter Urkraft tönt sie über den Häuptern aller derer fort, die das Bekenntniß Petri zu dem ihrigen machten. Ja, Brüder in dem Herrn, bedeckt unsres Glaubens halber uns die Welt mit ihrer Schmach, so tönt uns Sein: „Selig bist du!“ an, und was kümmert uns der Blinden Unglimpf weiter! Hören wir die Weisen nach dem Fleisch uns darum, daß wir dem Sohn Maria's unsre Kniee beugen, verfinsterte Thoren schelten, wie leicht verschmerzen wir's unter dem Wiederhall Seines: „Selig bist du!“ Raunen uns Abgrundsmächte zu: „Was wird's euch frommen, daß ihr an den Rabbi von Nazareth euch klammert?“ so nimmt Sein: „Selig bist du“, uns mit unserm Glauben gegen sie in Schutz, und selbst die Hölle erschüttert unsre Zuversicht nicht. Ja, in alle Sorgen- und Zweifelsnächte, und selbst bis in die Schatten des Todes hinein, schallt das große: „Selig, selig bist du“ uns nach; und wir ermannen uns neu, wir stehen wieder aufrecht, wir bieten jedem Widerparte Trotz und überwinden weit in unsers Gottes Stärke.

„Selig bist du!“ Der Herr spricht's, und fügt dann das große königliche Vergeltungswort hinzu: „Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, (d. i. Fels) und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen!“ O welche Majestät, die aus dieser Rede uns anstrahlt! Hier besteigt der eben bezeugte Gottessohn wirklich in thatsächlicher Weise seinen Thron! Dieses „Ich“, wie erhaben tritt es auf! Wer sieht über demselben nicht die Himmelskrone schimmern? - Diese Ertheilung eines neuen Namens an Simon, wie charakterisirt sie den Herrn aller Herrn, der neu macht Alles, was im lebendigen Glauben an seine volle unverkümmerte Herrlichkeit Ihm sich hingiebt! Und dann das: „Meine Gemeine!“ Wie ist Er so zuversichtlich seines Sieges über die Welt sich gewiß! - Und abgesehen noch von dem gleich darauf folgenden: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben“, das triumphirende: „Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen!“ Ist dies nicht eine Verkündigung von einem Stuhle her, der mit dem Herrscherstuhle Gottes ein und derselbe ist? - „Du bist Petrus.“ Ja, Petrus, der erleuchtete und tapfere Bekenner der einzig wahren Lehre von Christo, sollte, in dieser seiner Eigenschaft, - zwar nicht allein, (auf zwölf Gründen ruht die geistliche Gottesstadt) aber doch vorzugsweise - was? - etwa der Grund? - nein, der eigentliche Grund der Kirche Christi ist und bleibt Christus selbst, - aber der Kirche erster auf diesen Grund gestellter Bau- und Grundstein werden. Und ihr wißt, als der Hauptapostel Israels, und insonderheit vermittelst des Zeugnisses, das die erste Christgemeine in's Dasein rief, ist er's geworden. Seitdem steht die Kirche, wo sie steht, auf dem Glauben und Bekenntniß Petro: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Achtzehn Jahrhunderte hindurch hat die Macht der Hölle wider sie Sturm gelaufen; aber vergebens! In neuester Zeit schmiedete sie wider dieselbe die kühnsten und ruchlosesten Pläne, und raffte ihre ausgesuchtesten Waffen gegen sie zusammen: die Kirche steht, wächst, erhebt sich neu. Große Dinge gehen in unsern Tagen vor im Lager der Feinde. Der Fürst der Finsterniß beginnt Alles wieder einzubüßen, was er seit Jahrzehnten mit großem Kraftaufwand erzielt hat. Das exegetische Gewissen ist erwacht: eine lang beliebt gewesene Schriftauslegung, vermittelst welcher alles Wunderbare und Uebervernünftige aus der Bibel weggekünstelt wurde, wird jetzt als eine unlautere und in keinerlei Weise mehr berechtigte, je länger je mehr gänzlich aufgegeben. Das geschichtliche Gewissen ist erwacht: man wagt nicht mehr in Abrede zu stellen, was man aus Feindschaft gegen das Christenthum lange geleugnet, daß Christus eine neue moralische Welt geschaffen habe und schaffe, und in diesem Sinne wenigstens allerdings verdiene, ein König genannt zu werden. Selbst das philosophische Gewissen wacht auf: man nimmt die kecke Behauptung zurück, daß die Lehre vom Dasein eines persönlichen Gottes, der einen Sohn habe, vor dem Richterstuhle der denkenden Vernunft nicht bestehen könne, und bekennt, daß man Solches nur fälschlich, und zwar um dem Evangelium sich nicht beugen zu müssen, vorgegeben habe. Es fehlt nur noch, daß in gleicher Allgemeinheit wie das wissenschaftliche, auch das sittliche Gewissen, das in Tausenden noch schlummert, von seinem Schlaf erwache, und die verblendeten Kinder der Zeit um die Sünde strafe; und, o Christe! wie wird man dann dir huldigend die Füße küssen, wie dem Friedensscepter deines Königthums sich unterwerfen, und wie die Hölle inne werden, daß die Kirche, auf dich gegründet, und auf Petri Glauben und Bekenntniß erbaut, für alle Ewigkeit gegründet stehe!

Wir schließen. - Sagt, was hat sich uns nun in der uns zugemessenen kurzen Zeit aus dem einen Evangelium schon ergeben? Nichts Geringeres, als dies: Wer die Gottheit Christi leugnen will, - ich sage: die Gottheit, und nicht die Göttlichkeit, und verstehe darunter die Wesenseinheit Christi mit dem Vater, - der muß mit der christlichen Kirche, die dieselbe je und je bekannte, entschieden brechen, der heiligen Schrift, die Christi Gottheit fast auf jeder Blattseite lehrt, als einer Lügnerinn in's Antlitz schlagen, Christum selbst, ich mag nicht sagen, für was erklären, Christi Apostel zu Träumern, Schwärmern und Betrügern stempeln, des Christennamens als einer Schmachsignatur sich schämen, die Weltgeschichte fälschen, oder doch vor ihr die Augen schließen, und überdies bezeugen, daß die ganze Menschheit, weil sündig, ewig verloren sei, indem sich Gott ihrer niemals erlösend angenommen habe. Ist aber Christus der, als den er sich selbst uns angekündigt, - und Er ist's wahrhaftig, - so bitte ich euch nicht mehr um eure Gunst und Huldigung für Ihn, sondern heische und gebiete im Namen Gottes: „Nieder vor dem Herrn aller Herrn, dem König aller Könige! Unbedingt dem Scepter Seines Worts, Seines Willens, Seiner Weisungen euch unterworfen!“ Und ohne Umschweif schelte ich euch so lange Kinder des Wahns, Gefangene des Lügenvaters, verlorene Schafe, bis ich euch anbetend vor dem Schönsten der Menschenkinder zum Staube sinken sehe, und mit Thomas rufen höre: „Mein Herr und mein Gott!“ - O, werde bald zu diesem Huldigungsrufe Herz und Lippe euch gesalbet! - Amen.

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