Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Predigt über Ebräer, Cap. 1, Vers 3.
Gesang vor der Predigt:
Psalm 89, Vers 1-3.
Ich sing in Ewigkeit von des Erbarmers Huld,
Er liebet treu sein Volk, vergibt und hat Geduld,
Mein Mund soll seine Treu und Wahrheit laut verkünden,
Daß auch die Enkel Gott, wie wir ihn fanden, finden.
Ja, deine Gnade steigt, sich ewig zu erhöh‘n,
Und deine Wahrheit bleibt im Himmel feste stehen.
Ich hab, so sprach der Herr, den festen Bund gemacht,
Mit meinem Liebling selbst, den stets mein Aug bewacht.
Ich habe meinen Knecht, den David, mir erkoren,
Ihm meine Treu und Huld mit einem Eid beschworen.
Ich will ihm sein Geschlecht zu aller Zeit beschützen,
Und ewig seinen Thron mit Allmacht unterstützen.
Du Unvergleichlicher! der Himmel freuet sich,
Sieht deine Herrlichkeit, staunt und erhebet dich.
Und deine Wahrheit wird, von dir geweihten Zungen,
In der Gemeine hier aus voller Brust gesungen.
Wer in den Himmeln kann bis an Jehovah reichen?
Wer von den Königen darf sich mit ihm vergleichen?
Zwischen-Gesang:
Psalm 117.
Lobt, alle Heiden, lobt den Herrn!
Rühmt, alle Völker, rühmt ihn gern!
Kommt, sehet seine Gnade, seht,
Sie waltet über uns erhöht!
Die Wahrheit Gottes stehet fest,
Steht, Hallelujah! ewig fest.
Daß wir unser Heil und unsere Seligkeit nicht bei Engeln, bei Heiligen, bei uns selbst oder anderswo, sondern nach Gottes geoffenbartem Willen und Wort lediglich außer uns, das ist bei Christo, zu suchen haben; und daß wir, falls wir an Christum glauben, auch Alles in Ihm haben, was zu unserer Seligkeit vonnöthen ist, - habe ich Euch, meine Geliebten! vorgehalten aus den so vielen Trost der Seligkeit ertheilenden Worten der beiden ersten Verse des ersten Capitels Pauli an die Ebräer. Wohlan, laßt mich Euch in dieser Stunde aus dem dritten Verse desselbigen Capitels solches noch näher bekräftigen. Wir werden daraus vernehmen, daß, wenn wir Gott sehen wollen in seiner Güte, Gnade, Liebe, Barmherzigkeit, Wahrheit und Treue, und wir des Trostes solcher Tugenden, solchen Namens und Wesens Gottes gewiß sein wollen, wir auf Christum zu sehen, uns lediglich an ihn zu halten haben.
Zu gleicher Zeit möget Ihr denn auch Manches inne werden von der wundervollen Weisheit, welche dem Apostel Paulus in den Dingen Gottes und Christi zu Theil wurde; welche Weisheit der Herr ihm ertheilet hat, nicht auf daß er dieselbige für sich behielte, sondern daß er sie den Gemeinen mittheilete, und er also auch Andere tröstete mit dem Troste, womit er selbst ist getröstet worden.
Der Gott aller Gnade gebe es durch seinen heiligen Geist, daß dieses Wort keine vergeblich empfangene Gnade bei Manchem sei; denn es wird uns dieses Alles dazu geprediget und in aller Liebe vorgehalten, daß wir doch ja in keinem Stücke abtreten von dem lebendigen Gotte, sondern uns an ihn halten und an das Gebot des Lebens, dagegen in Wahrheit abstehen von Allem, was sichtbar und tastbar und also nicht aus Glauben ist.
Text: Ebräer Cap. 1, Vers 3. 1)
Welcher, sintemal er ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens, und tröget alle Dinge mit seinem kräftigen Wort, und hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst, hat er sich gesetzt zu der Rechten der Majestät in der Höhe.
Wenn irgendwo die Lieblichkeit, die Macht, die Zuverlässigkeit, die Fülle Christi uns aus den Schatzkammern des apostolischen Wortes entgegenkommt, auf daß wir deß gewiß seien, daß wir in Christo Alles haben, was zu unserm Heile und Seligkeit uns vonnöthen ist, meine Geliebten! so ist es aus den verlesenen Worten, wovon jedes einzelne uns den Himmel aufthut, auf daß wir mit allen unsern Sorgen, Beschwerden, Druck und Noth der Seele wie des Leibes uns werfen durch alle Himmel hindurch an das Herz unseres Gottes, alles Heil und Seligkeit allein von ihm zu erwarten durch den einzigen Mittler Gottes und der Menschen!
Laßt uns der hohen Bedeutung dieser Worte mit Andacht und Heilsbegierde nachgehen, auf daß wir, ein Jeglicher nach seinen Bedürfnissen, reichen Trost schöpfen aus dem Heilsbrunnen, welcher uns hier geöffnet ist gegen alle Sünde, gegen alle Noth.
Wie Ihr vernehmt, prediget uns hier das Wort von unserm allmächtigen Heilande Folgendes:
- Er ist der Glanz der Herrlichkeit.
- Er ist das ausgedrückte Bild des Wesens Gottes.
- Er trägt auch Alles in dem Ausspruche seiner Macht.
- Er hat durch sich selbst die Reinigung unserer Sünden gemacht.
- Er hat sich gesetzet zur Rechten der Majestät in der Höhe.
I.
Wir hören hier reden von der Herrlichkeit Gottes und davon, daß Christus der Glanz dieser Herrlichkeit Gottes ist. Wir sollen hier nicht an eine Herrlichkeit Gottes denken, welche er hat ohne Rücksicht darauf ob Geschöpfe da sind oder nicht. Denn da ist es eine trostlose Spekulation, Eigenschaften und Tugenden, eines Wesens zu betrachten und begreifen zu wollen, welchem wir mit dem schärfsten Verstände niemals beikommen können. Niemand kann sagen, wer, was und wie Gott ist; auch ist Niemand unter dem Himmel oder in dem Himmel dazu befugt, eine einzelne der Eigenschaften und Tugenden der höchsten Majestät auszusprechen. Die Herrlichkeit Gottes, wovon hier die Rede ist, ist eine solche Herrlichkeit, welche aus Gott sich offenbarte, hervortrat, hervorfloß, von ihm abfloß und abströmte in dem Rathe seines Willens, da er sich vornahm, selbst in Christo zu sein, und also für eine von ihm abgefallene Welt sich selbst in den Tausch zu geben, auf daß wir von Gott Abgekommene, als Gerechtigkeit in Christo wieder zu ihm gebracht wären.
Von solcher Herrlichkeit Gottes ist Christus der Glanz, der Abglanz, die Abstrahlung, die reine, klare, helle Ausströmung und Abfluß.
Herrlichkeit wird in der heiligen Schrift auch übersetzt durch Ehre und Ruhm.
Die Herrlichkeit, wovon hier die Rede ist, ist dieselbige, von welcher wir lesen Jesaias Cap. 6 (verglichen mit Joh. 12, V. 41), wovon wir auch lesen 2 B. Mosis Cap. 33 V. 18 u. V. 22 (vergl. mit Cap. 34, V. 5, 6, 7). - Es ist dieselbige Herrlichkeit, welche den Kindern Israels so oft erschien in der Wüste, z. B. da sie das Man erhielten; dieselbige, welche die Stiftshütte und später den Tempel erfüllete, und welche zwischen den Cherubim ruhete auf der Bundeslade.
Damit wir die apostolischen Worte um so mehr zu unserm Troste verstehen mögen, haben wir vor allen Dingen das zu beachten, was der Apostel im Römerbrief am 3. schreibt: „Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln der Herrlichkeit Gottes.“2)
Adam ist geschaffen in dem Bilde und nach der Gleichheit Gottes, und so sind wir in ihm geschaffen. Er war demnach in Gottes Herrlichkeit, Gottes Herrlichkeit strahlte, glänzte, strömte von ihm ab. Da er aber in solcher Ehre war, hat er es nicht begriffen; er hat solche Herrlichkeit nicht erkannt, und sich selbst mit Willen unter die Sünde gegeben, und demzufolge unter den Tod und die Vermaledeiung, da er dem Worte des Teufels das Ohr lieh. Wir Alle sündigten in ihm, und sind demnach der Herrlichkeit Gottes verlustig, wir mangeln derselben und liegen Alle in unserer Schande.
Das hat Gott schon in der Ewigkeit gejammert, daß wir Alle so da lagen in unserer Schande und Schmach, woraus wir uns nie und nimmer wieder erheben oder emporarbeiten konnten. Da dachte er aber Gedanken des Friedens über uns; er faßte den Entschluß, uns freiwillig zu lieben, uns wieder aufzunehmen aus unserer Schande; zu uns in unserm Blute zu sagen: du sollst leben! uns rein zu machen von unserm Blute; uns wieder zu bekleiden mit seiner Herrlichkeit; und ewig wieder in solche Herrlichkeit zu sich zu nehmen und bei sich wohnen zu lassen.
Das aber konnte nicht stattfinden, ohne daß seiner Gerechtigkeit genug geschehen wäre, ohne daß ein Lösegeld für uns bezahlt wäre, wodurch wir freigekauft wären von dem, der die Gewalt des Todes hat, d. i. von dem Teufel. Es würde aber Niemand im Himmel noch auf Erden gefunden werden, der der ewigen Gerechtigkeit würde Genugthuung bringen können oder den Lösepreis zahlen; - das kostete zu viel. - Da entschloß sich Gott, es selbst zu thun, es sein Bestes sich kosten zu lassen. Er entschloß sich, sein eigen Blut zu geben, seinen Sohn zu geben, sein eigen Herz und andere Ich; der sollte es thun.
Das war, das ist Gottes Herrlichkeit. Und alle Heiligen im Himmel, alle Engel, Cherubim und Seraphim, alle Throne und Fürstenthümer schlagen in ihre Himmelsharfen und geben ihm diese Herrlichkeit, und Alles, was Odem hat, soll ihm diese Herrlichkeit geben: daß er sich geoffenbaret hat als einen solchen Gott, der alle unsere Sünden von uns genommen und sie hinter seines Rücken geworfen hat in das tiefe Meer der Vergessenheit. Das ist Gottes Herrlichkeit, die Herrlichkeit seines ganzen Namens; es ist seine Güte und wundervolle Barmherzigkeit!
Wo sehen wir aber solche Herrlichkeit, in wem glänzt und strahlt sie uns entgegen, in wem fließt sie von Gott aus und ab, in wem strömt sie uns zu? Wir haben Christum, den Sohn Gottes. Er ist der Ausstrom, der Abglanz solcher Herrlichkeit; denn die ganze Gewogenheit Gottes gegen uns rettungslos Verlorne, das ganze Wohlgefallen, uns auf ewig errettet, gerechtfertiget und geheiliget wieder zu sich gebracht zu haben, - kommt uns entgegen, strahlet uns entgegen, umleuchtet uns in dem Sohne, als in dem Mittler zwischen Gott und Menschen. Seitdem er zum Mittler berufen wurde und sich als Mittler stellte, wurde er und ist er die Abspiegelung, der Abstrom, die Herableuchtung solcher ewigen Güte.
Das ist die Bedeutung der Worte: „Glanz der Herrlichkeit“. Und nun die Lehre für uns: Es soll uns um Gottes Gewogenheit gegen uns zu thun sein, daß wir es machen wie der Zöllner und rufen: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Und wenn uns solche Gnade zu Theil wurde, soll es unsre Sache sein, daß wir uns aus solcher Güte nicht hinauszaubern lassen, sondern beim Glauben Christi beharren und bei dem einzigen Mittler Jesu und seinen Worten bleiben. Um sich der Gewogenheit Gottes gewiß zu machen, um zur Herrlichkeit zu gelangen, sucht Mancher, suchen wir Alle von Hause aus unser Heil und Seligkeit bei Engeln, bei Heiligen, bei uns selbst oder anderswo, immerdar bei den Geschöpfen, bei den Werken unserer Hände. Dazu dienen uns aber die Apostolischen Worte, daß wir doch ja für dieses, wie für jenes Leben beim Glauben Christi, in seiner Lehre bleiben. Denn wo wir auf Christum sehen, in seinen Worten bleiben, in ihm bleiben, so sehen wir die Herrlichkeit Gottes immerdar, für Man, für Wachteln, für Wasser, für Brod, für Kleider, für Schuhe, für Haus, für Hof, für Weib, für Kind und für die ewige Seligkeit; wir sehen für Alles und haben für Alles in Jesu einen vollkommenen Heiland. Er ist der Abglanz der Herrlichkeit, weshalb er auch zu Philippe sprach: „Wer mich siehet, der siehet den Vater.“
II.
Darum hören wir hier auch reden von dem Wesen Gottes, und daß Christus das Ebenbild dieses Wesens ist. - Wir sollen hier wiederum nicht an das Wesen Gottes denken, in so fern es für uns unbegreiflich ist, sondern in so fern dieses Wesen sich uns geoffenbaret hat, die wir erfahren, daß wir Staub und Asche sind, und sonst vor dem Anblicke der Herrlichkeit Gottes ausrufen müssen: Wehe mir, ich vergehe! Denn wie so eben unter der Herrlichkeit Gottes seine Güte mußte verstanden werden, welche er hat kund werden lassen in seinem Vorhaben, das er vor der Welt Zeit gefaßt, da er uns in unserm Blute und in unserm Tode sah; und wie wir also dabei denken müssen an seine Gnade, seine wundervolle Erbarmung, seine Freundlichkeit und Leutseligkeit, welche Tugenden Gottes uns alle zu unserer Errettung entgegen kommen, nicht in den Engeln, nicht in den Geschöpfen, sondern in Christo seinem eingebornen und geliebten Sohne: so bedeutet hier das Wesen Gottes, daß Gott zu unserm Heile für und für derselbige bleibt, wie Solches am Schlüsse dieses Capitels geschrieben steht, und es bei dem Propheten Maleachi am dritten heißt: „Ich, der Herr, verwandle mich nicht, darum soll es mit euch Kindern Jakobs nicht ein Garaus sein“; und wiederum: „Gott ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch ein Menschenkind, daß ihn etwas gereue; sollte Er etwas sagen und nicht thun? sollte Er etwas reden und nicht halten?“ - weshalb auch der Apostel Jakobus schreibt: „Bei dem Vater des Lichts ist keine Veränderung.“ Demnach bedeutet hier das Wesen Gottes: seine Wahrheit und Treue, die Unveränderlichkeit seines Rathes zu unserer Seligkeit; wovon der Apostel Paulus uns in diesem Ebräerbriefe so viel Tröstliches und Herzerhebendes mittheilt in dem 6. Capitel, namentlich Vers 17: „Aber Gott, da er wollte den Erben der Verheißung überschwänglich beweisen, daß sein Rath nicht wankte, hat er einen Eid dazu gethan“; weshalb auch der 89. Psalm so anhebt: „Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich und seine Wahrheit verkündigen mit meinem Munde für und für, und sage also: daß eine ewige Gnade wird aufgehen und du wirst deine Wahrheit treulich halten.“
Sodann bedeutet hier das Wort Wesen Gottes: daß Gott immerdar an einem und demselben Orte zu finden ist; darum bezeuget David:3) „Der Herr ist in seinem heiligen Tempel, des Herrn Stuhl ist im Himmel.“ So wollte Gott in der Wüste bei den Kindern Israels stets in der Stiftshütte wohnen, so wie später zu Jerusalem in dem Tempel über der Bundeslade. Auf dieser Bundeslade hatte er seinen Thron; daselbst konnte man ihn immerdar finden, so daß er nie von Hause war, sondern immerdar bei seinem lieben Volke blieb, - weshalb er auch gesagt: „Ich will euch nicht verlassen, ich will euch nicht versäumen.“
So ist denn das Wesen Gottes hier seine Treue und Wahrheit, daß er stets den Bund seines Friedens hält seinen Auserwählten, und daß, nachdem er gesagt, wo man ihn finden kann, er auch daselbst immerdar gefunden wird von Allen, die sein Angesicht suchen. Es ist das Unwandelbare und Ewige seines Lebens, das Er uns Todten in Sünde und Missethat wieder gibt bei sich und aus sich, und das Ewige der Erweisung seiner Macht, womit er uns aufgenommen, errettet und getragen, auch beschützt hat von Mutterleibe an, bis daß wir grau geworden sind, und sich tagtäglich erweiset als einen Gott, der da hilft, der vom Tode errettet und durch den Tod und durch das Grab zum Leben führet.
Von solchem Wesen Gottes ist Christus das Ebenbild oder das abgedrückte Bild, wie auch der Apostel an einem andern Orte schreibt: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ 4).
Gott ist ein unsichtbarer König. Wie er aussieht und wie er seinen Namen schreibt, das können sterbliche Augen nicht sehen. Da ist uns aber Christus gleichsam ein Petschaft oder Siegelring, worin wir die Handschrift, den Namen Gottes, und ganz wie er aussieht in seiner Treue und Wahrheit, deutlich erblicken und durch den uns gegebenen heiligen Geist erkennen können; und haben wir Christum angenommen, so ist solches Ebenbild in uns wiederum durch Christum abgedrückt, so daß wir gleichgestaltet werden dem Ebenbilde Christi und von Tage zu Tage nach solchem Bilde verkläret werken.
Auch ist Christus dieses unsichtbaren Wesens Gottes klarer, reiner und lauterer Abstrom. Denn auf Christo ist diese Treue und Wahrheit Gottes. Mit ihm doch, auf welchem die Strafe war, welche uns den Frieden zubringt, hat Gott in dem Rathe unserer Seligkeit den Bund des Friedens gemacht, wie er gesagt: „Ich habe einst geschworen bei meiner Heiligkeit: Ich will David nicht lügen“5); und wiederum: „Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedecks“.
Gott gab in dem ewigen Friedensrathe seine Treue und Wahrheit in Christi Hand, ließ ihm diese Treue und Wahrheit zuströmen, prägte sie in ihm ganz aus, daß Christus eitel Treue und Wahrheit Gottes wurde für die verlorne Welt; - und strömt so von Christo ab der verlornen Welt entgegen Gottes Treue und Wahrheit, das Ewige und Beseligende des ganzen Bundes des Friedens und aller Heilsgüter in diesem Bunde, der den Erwählten zugeschworen ist.
Darum, wollen wir Gewißheit der unsichtbaren Treue und Wahrheit Gottes gegen alle Gewalt und Macht des Sichtbaren, der Sünde, des Todes und aller Noth Leibes und der Seele, so sollen wir, - das ist es, was der Apostel bezweckt, - auf Christum sehen, bei seinem Glauben beharren, uns auf ihn verlassen, uns an ihn halten, so werden wir von solcher Treue und Wahrheit Gottes ewige Erfahrungen machen, und uns nicht verleiten lassen, unsere Seligkeit oder sonstiges Heil zu erwarten von den Bergen und Hügeln, oder sie zu suchen bei Engeln, bei Heiligen, bei uns selbst oder anderswo. -
III.
Der Apostel setzt noch etwas hinzu und gleichsam oben drauf, damit wir doch ja unser Heil und Seligkeit nur da suchen, wo sie allein zu finden ist, indem er schreibt: „und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort“, oder, wie es eigentlich heißt: „der auch das Gesammte trägt in dem Ausspruche seiner Macht“. Gott allein ist unsichtbar und untastbar. Was sichtbar und tastbar wird, kann in sich nicht auf die Dauer bestehen bleiben. Adam wurde mit der ganzen Schöpfung sichtbar und tastbar, darum mußte er mit der Schöpfung zusammenstürzen, sobald er das unsichtbare Wort drangab. - In dem ewigen Friedensräte nun gab Gott alles Sichtbare und Tastbare, den verlornen Adam und die ganze Schöpfung in die Hand des Sohnes, auf daß Alles zusammen in diesem Sohne bestehe, und ewiges Leben, ewiges Heil, ewige Seligkeit, ein ewiges Zusammenwohnen mit Gott, ein ewiges seliges Bleiben in und vor Gott dem verlornen Menschen bereitet wäre. Da nun der Sohn die Geburt und die Wiedergeburt des Menschen, die Schöpfung und die Wiederbringung aller Dinge in die Hand bekam, da umgürtete er sich mit seiner Macht, - und in dieser Macht sprach er es aus: Es bestehe meines Vaters Rath. Und wie er in den Tagen seines Fleisches die Kranken heilete mit dem Ausspruche seiner Macht, so schuf er mit dem Ausspruche seiner Macht, als Sohn, Himmel und Erde und den Menschen; und durch denselben Ausspruch seiner Macht stellet er, als Mittler, die ewige Errettung, das ewige Leben, das ewige Bleiben in Ihm, derer, die ihm von dem Vater gegeben sind, dar; und in demselben Ausspruche seiner Macht trägt er, als das Lamm Gottes und als der Held in Juda, die Gesammtheit alles Geschaffenen, alles Sichtbaren und Tastbaren; - trägt es also, daß es vor der Zeit nicht aufgehe in der Flammengluth des Zornes Gottes; trögt es also, daß Nichts sich regen noch bewegen kann gegen seinen Willen; trägt es also, daß alles dienen muß dem Raths Gottes, daß Alles mitwirken muß zum Guten derer, die Gott lieben, die nach dem Vorhaben berufen sind; trägt es also, daß dieses Vorhaben Gottes ganz zu Stande komme durch seine Hand, und er sein Volk so errette, daß nicht eine Klaue dahinten bleibe. -
Mit solchen hehren Worten will uns der Apostel belehren, daß wir doch verstehen, wie nichtig, wie unhaltbar, wie machtlos alles Sichtbare und Tastbare in sich selbst ist; auch wie nichtig, verweslich und machtlos wir in uns selbst sind: auf daß wir doch ja unsere Seligkeit und unser Heil nicht bei Engeln, bei Heiligen, bei den Werken des „Thue das“, noch bei Allem, was außer Christo ist, suchen mögen. Denn alle Engel, Throngeister und Heilige würden in sich selbst aufgelöset werden, trüge der Sohn sie nicht in dem Ausspruche seiner Macht; Alles, was sie, sammt allem Geschaffenen, zu unserm Heile möchten beibringen wollen, würde zerrinnen in ihren Händen; alle Hülfe der Welt, alles Geld und Gut, aller Rath der Menschen, der Mächtigsten, muß vor ihm zergehen; alles Werk der Vernunft kann vor ihm nicht bestehen bleiben. Er allein trögt den Weltbau mit Allem, was drin und dran ist; Er allein den Himmel und die Himmel der Himmel in dem Ausspruche seiner Macht, und nach diesem Ausspruche soll Alles sich wenden und drehen, sich regen und bewegen, auf daß dem Gottesrath durch Alles gedienet sei, und das Wort bestehe: „Wer den Namen des Herrn herbeiruft, der wird selig werden.“ -
O, welch ein reicher Trost dem Angefochtenen, wo er die Wahl zu thun hat zwischen dem Sichtbaren und Tastbaren, und des Herrn Geboten, sanftem Joche und lieblicher Last! - Wohl uns bei solchem Herrn! Es kann uns Alles nicht schaden, wo wir alles Sichtbare und Tastbare, alle Nebenmittler und alles Mönchswerk dran geben, und treu aushalten bei solchem Heilande.
IV.
Wir haben auch wahrlich keine Ursache, uns groß anfechten zu lassen mit sogenannten Heiligen, mit himmlischen Großmächten, mit Wandel einer Scheindemuth der Engel, mit Werken nach Menschengebot und Menschensatzung, mit Opfern nach dem fleischlichen Gebot. Es geht um ein gutes Gewissen vor Gott, um ein Gewissen, welches gereiniget ist von den todten Werken, auf daß wir in aller Freudigkeit des Eingangs und Ausgangs ungezwungen dienen dem lebendigen Gott. Eines solchen Gewissens werden wir nicht theilhaftig werden, wenn wir unser Heil gegen alle Noth Leibes und der Seele, wenn wir unsere Seligkeit bei den Geschöpfen, bei uns selbst, in den Werken des „Thue das“ suchen. Hier prediget uns der Apostel, daß wir in Jesu Alles haben, was zu unserer Seligkeit vonnöthen ist, darum schreibt er: „Er hat die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst gemacht.“ Alle Wasser des Meeres können uns von unsern Sünden nicht reinigen, das bringen wir mit allen Reinigungen nach dem Gesetze nicht fertig, das bringen alle Heiligen und Engel mit all ihrer Heiligkeit nicht fertig. Solche Reinigung stellen wir in Ewigkeit nicht dar durch uns selbst, und kein levitischer Priester kann uns ein gutes Gewissen zu Gott geben. Das vermag allein das Blut Jesu Christi, welches von allen Sünden reiniget. Durch sich selbst hat er die Reinigung unserer Sünden gemacht. Nachdem er in dem Friedensrath die Erlösung aller ihm von dem Vater Gegebenen auf sich genommen, es auf sich genommen, ein ewig gültiges Lösegeld darzubringen, hat er es durch sich selbst auch zu Stande gebracht, weshalb er auch spricht: „Brandopfer und Opfer für die Sünden gefallen dir nicht, aber du hast mir einen Leib zugerichtet. In dem Anfange des Buches stehet von mir geschrieben: Siehe, ich komme; deinen Willen, o, mein Gott, thue ich gerne, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen“. Und so ward er denn gehorsam bis zum Tode, bis zum Tode hin an einem Kreuze; davon ist uns das Leben, das ewige. In solchem Willen sind wir geheiliget ein für allemal.
„Es ist vollbracht!“ rief er aus an seinem Kreuze. Wäre Jemand, wäre Etwas im Himmel oder auf Erden gefunden worden was uns Heil und Seligkeit hätte erwirken können: der Sohn Gottes hätte sich nicht selbst drangegeben, es durch sich selbst zu thun. Aber Sünden sind Uebertretungen des ewig bleibenden Gesetzes eines ewigen Gottes. - Davon konnte nur der ewige Sohn Gottes uns reinigen durch seine ewig gültige Gerechtigkeit. Nur durch den Sohn Gottes konnten wir von unsern Sünden gereiniget und von dem ewigen Zorne gerettet werden, und gehandelt hat der Sohn Gottes nach der Herrlichkeit, welche ihm der Vater gab in dem ewigen Friedensrath, daß durch ihn die Liebe, die Güte, die Barmherzigkeit, die Gnade, die Gerechtigkeit worin Gott gerecht macht, die Heiligkeit womit Gott heiliget, verherrlichet würde, - verherrlichet würde der ganze hochherrliche Name, worin unser Heil und Seligkeit besteht. Er hat das Werk vollbracht, das ihm von dem Vater zu thun übergeben war. Er hat sich in Allem erwiesen als den Abglanz der Güte und Gnade, als den Abdruck und Abstrom der Wahrheit und Treue Gottes. Er hat alle Eigenschaften, Tugenden und Vollkommenheiten Gottes, welche uns geoffenbaret sind in dem Rathe unserer Seligkeit, an seinem Kreuzholze verherrlichet. Durch ihn selbst sind wir rein gemacht von unsern Sünden. Und nun - nachdem dieses durch ihn geschehen, und er Alles trägt, zum Heile seiner Auserwählten und auf daß er auch den Letzten der Seinen bei sich habe - wo ist er, daß wir uns zu ihm aufmachen, ihn anbeten; wo ist er, daß wir von ihm und nicht von den Engeln, auch von allen Geschöpfen nicht, auch nicht von oder durch uns selbst die Krone erwarten, welche er, der gerechte Richter geben wird Allen, die seine Erscheinung lieb haben? Wo ist er, daß wir sein Angesicht suchen in aller Noth, in allem Elende, in allen Drangsalen, in aller Mühe und Arbeit dieses Lebens des Leibes, daß wir gerechtfertiget nach Hause gehen, auch singen und jubilieren: Wir haben einen Gott, der da hilft?
V.
So schreibt der Apostel: „Nachdem er durch sich selbst die Reinigung unserer Sünden gemacht hat, hat er sich gesetzet (sitzt er) zur Rechten der Majestät in der Höhe“. - Wird er sich auch daselbst erzeigen als das Haupt seiner Gemeine? Wird er sein Wort auch wahr machen: Die Pforten der Hölle werden meine Gemeine nicht überwältigen? Da wir ein solches Haupt haben, einen solchen Herzog unserer Seligkeit, einen solchen Anfänger und Vollender unseres Glaubens: wird er sein vollbrachtes Werk je zerstören lassen? Haben wir nunmehr nicht in ihm Alles, was zu unserer Seligkeit vonnöthen ist? Wehe dem, der seine Seligkeit, der sein Heil, sein Durchkommen auch durch diese Welt, die Abhülfe aller seiner Bedürfnisse und Noth irgendwo sonst sucht, als durch Ihn! Sie können Alle nicht helfen, Fürsten nicht, Engel nicht, Heilige nicht, auch alle unsere Werke nicht. Unsere Hülfe stehet allein in Ihm, der die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst gemacht hat. Die Herzen aufwärts, gen Himmel, meine Geliebten! zu der Höhe hin, wo er thront! Den ihn Bittenden gibt er des Geistes die Fülle, die ihn Anrufenden schützt und erhält er mit seiner Gewalt wider alle Feinde. In der Höhe sitzt er, da wird er wohl sitzen bleiben, gnädig zu sein den Geringen und Armen, zu helfen den Seelen der Armen, ihre Seele aus dem Trug und Frevel zu erlösen und ihr Blut theuer zu achten; zu zerschlagen alles Zeug, das wider seine Erlösten bereitet wird, zu zerschmeißen wie Töpfe alle tobenden Heiden, Alle die wider ihn rathschlagen. Er sitzt an einer Rechten, an einer Rechten, die sich aufgehoben und geschworen hat: „Dein Stuhl soll feste bleiben, deine Herrschaft sein wie die Sonne und der Mond, durch dich wird's mir gelingen.“ Er sitzt zur Rechten der Majestät; - und was hat nun noch Majestät, außer Ihm? Der Teufel, ob er auch Nacht und Tag des Herrn Heilige anklagt, ist doch verworfen; zu dem Tode wird es dereinst heißen: Tod, wo ist dein Stachel? - zu der Hölle: Wo ist dein Sieg? - und alle sonstige Majestät, im Himmel oder auf Erden, muß verbleichen, ihr muß die Krone von dem Haupte fallen vor dieser Majestät worin sich unser Herr befindet.
Darum, meine Geliebten! weil diese Dinge so sind, vernehmet des Herrn Wort: „Verflucht ist der Mann, der Fleisch zu seinem Arm nimmt, er wird sein wie eine dürre Haide; gesegnet ist der Mann, deß Heil der Herr ist, er wird ruhen in großem Frieden und seine Werke folgen ihm nach.“
O, es sei auch der Trost vor unsern Augen verborgen.6) Sterben wir auf den Namen Jesu, leben wir auf seinen Namen, wagen wir's auf seinen Namen, - alles Andere über Bord -: so werden wir es erfahren, daß wir keinen künstlich erdichteten Fabeln nachgefolget sind, indem wir glauben an seinen Namen und warten auf seine Zukunft und selige Erscheinung. Amen.
Schlußgesang
Psalm 72, Vers 9.
Sein Ruhm muß ewig, ewig währen!
Seht, er ist unbegränzt.
Sein Name strahl' in vollen Ehren,
So wie die Sonne glänzt!
Man freut sich, wünscht einander Segen,
Wo er, der Herr, regiert,
Die Heiden gehn in seinen Wegen,
Froh, daß er selbst sie führt.