Kapff, Sixtus Carl von - Am Feiertag des Apostels St. Thomas.
Text: Ephes. 1, 3-8.
Gelobet sei Gott und der Vater unseres HErrn JEsu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum. Wie Er uns denn erwählet hat durch denselbigen, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe. Und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen Ihn selbst, durch JEsum Christum, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zu Lobe seiner herrlichen Gnade, durch welche Er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten; an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade, welche uns reichlich widerfahren ist durch allerlei Weisheit und Klugheit.
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. So sagt der HErr in unserem Evangelium zu Thomas, dem schwermütigen Manne, der den vielen frohen Stimmen, die ihm die Auferstehung JEsu verkündigten, keinen Glauben schenkte, sondern in tiefem Schmerz versunken blieb, und am hellen Tag nichts sah, als Nacht, weil er die Fenster zuschloss, durch welche die Sonne der Freude auch in seine Trauerkammer hineingeleuchtet hätte. Wie Thomas sind immer noch gar viele Christen, sie bringen es nicht zu einem freudigen Glauben, und wenn Alles um sie her des Heilandes und seiner himmlischen Segnungen sich freut, so klagen sie, dass das Alles ihnen nicht gelte und sie zu unwürdig seien, so hohe Gnade sich zuzueignen. Dadurch wird auch die Weihnachtsfreude, der wir jetzt so gerne uns hingeben, manchem Herzen verkümmert, und während letzten Sonntag der Ruf unter uns erschallte: „Freuet euch in dem HErrn allewege“ hat auch unter uns hie und da eine Seele sich nicht freuen können und sich immer noch nicht aus ihrer düstern Verzagtheit herausreißen lassen.
Solchen ängstlichen Gemütern hält unsere Epistel einen festen Glaubensgrund vor, indem sie unsern Blick von uns selbst hinweg- und hineinführt in das Vaterherz Gottes, das schon vor Grundlegung der Welt unsere Seligkeit beschlossen und zur Ausführung dieses ewigen Liebesvorsatzes Alles getan hat, was nur die treueste Liebe tun kann. Das ist die göttliche Erwählung in Christo JEsu, von welcher Paulus Röm. 8, 29. sagt: „welche Er zuvor versehen und erwählet hat, die hat Er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.“
Hört, hört, Menschen sollen Christi Brüder sein, und welche Er dazu verordnet hat, die hat Er auch berufen; welche Er aber berufen hat, die hat Er auch gerecht gemacht; welche Er aber hat gerecht gemacht, die hat Er auch herrlich gemacht. Das stärkt den Glauben und erhebt ihn über alle Zweifel. Das erweckt zu hoher Christtagsfreude; denn Christi Geburt ist unsere Neugeburt in Gott und in den Himmel hinein. Daher wollen wir betrachten:
Welch' mächtige Stärkung unseres Glaubens in der göttlichen Erwählung liege,
- in ihrem Ziel,
- in ihrem Grund,
- in der Art ihrer Ausführung.
I.
Der Apostel spricht in unserem Texte besonders von dem Ziel und Endzweck der göttlichen Erwählung, und wenn wir bedenken, dass, was Gott will, auch geschehen muss, so ist es für unsern Glauben ungemein stärkend, zu hören, was die göttliche Erwählung uns für ein Ziel vorhält. Unser Text sagt: „Gott hat uns erwählet durch Christum, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe, und hat uns verordnet zur Kindschaft gegen Ihn selbst zu Lob seiner herrlichen Gnade.“ In diesen Worten hören wir als Ziel und Endzweck der göttlichen Erwählung, dass wir, d. h. Alle, denen dieses Evangelium verkündiget wird, dass wir sollen heilige und untadelige Kinder und Erben Gottes werden, damit dadurch die herrliche Gnade Gottes gepriesen und seine Ehre - dieser Hauptzweck der ganzen Schöpfung - befördert werde.
Gottes Ehre und unsere Seligkeit - das ist das Ziel der Schöpfung, Erlösung und Heiligung. Die höchste Ehre Gottes ist, wenn seine Vollkommenheiten in Geschöpfen seiner Hand sich darstellen, und je mehrere seiner Werke sein Bild an sich tragen, desto größere Anbetung wird vom ganzen Geisterreiche seiner wunderbaren Schöpfer-Herrlichkeit und seiner sich selbst mittheilenden Liebe dargebracht. Deswegen schuf Gott den Menschen zu seinem Bilde, dass seine Weisheit, Heiligkeit und Seligkeit sich im Menschen abspiegeln sollte, und dass die Seligkeit, die Gott hat in der Liebe zu seinem Sohne, unendlich vervielfältigt würde durch die Liebesvereinigung Gottes und seiner Kinder aus der Menschheit. Deswegen sagt Paulus Röm. 8: Gott habe uns dazu verordnet, dass wir gleich sein sollen dem Ebenbild seines Sohnes, als dessen Brüder. Gott hat die Fülle seiner Vollkommenheiten dem Sohne gegeben, der als der ewige Abglanz des Wesens Gottes die höchste Ehre und die höchste Liebe und die höchste Seligkeit des Vaters ist. Aber der Sohn soll nicht allein, Er soll der Erstgeborene unter vielen Brüdern sein, unter Brüdern, die zwar nicht seines göttlichen Wesens von Natur sind, die aber als Geister sein Ebenbild in sich tragen, in das göttliche Wesen verklärt werden und so die Herrlichkeit GOttes in unendlicher Mannigfaltigkeit darstellen sollen.
Deswegen sagt unser Text, dass wir heilig sein sollen nach GOttes Liebesvorsatz, heilig und untadelhaft, also ohne Sünde, ohne die Finsternis, die GOtt als dem Lichte entgegengesetzt ist, und diese Heiligkeit soll ruhen in der Liebe, in diesem Band aller Vollkommenheit, in der Liebe GOttes und Derer, die das Leben haben von Ihm. In dieser Liebe sollen wir Kinder GOttes sein, nach dem Grundtext zur Sohnschaft GOttes bestimmt, d. h. zu einer tiefen Vereinigung unseres Wesens mit dem seinigen, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes in unsere Herzen, des Geistes, der als der „GOtt in uns“ sich uns wesenhaft mittheilt und göttlicher Natur uns teilhaftig macht. Zu solcher Gemeinschaft mit sich selbst hat GOtt uns erwählt. Sich selbst will Er uns mittheilen, seine Wahrheit, seine Heiligkeit, seine allgenugsame Gnade und Liebe, sein Leben und seine Seligkeit. Dazu hat Er uns geschaffen, dazu uns zuvor versehen, ehe wir noch geboren waren, ja, ehe der Grund der Welt gelegt war.
Ähnlichkeit mit Ihm, Seligkeit in Ihm, das ist der göttliche Grundgedanke, dem wir unser Dasein verdanken. Und diesen ewigen Ratschluss unserer Erwählung und Beseligung will GOtt nicht aufgeben. Wie Vieles auch durch den Sündenfall dazwischen gekommen ist, auf GOttes Seite bleibt der Bund ewig feste stehen, und alle göttlichen Reichsanstalten durch die ganze Weltentwicklung hindurch haben den Zweck, die Menschheit zu dem zu bringen, wozu GOtt sie von Ewigkeit vorersehen hat. Die Schöpfung und Erhaltung der Welt, die Regierung aller unserer Schicksale, die Gesetzesanstalt und die Verheißung, sowie die ganze alttestamentliche Heilsökonomie, die Erlösung in Christo, die Heiligung durch den Geist, sein Kommen in Herrlichkeit, sein Friedensreich, selbst das Weltgericht - Alles muss dem großen Ziele zuführen, dass GOtt in der Menschheit verklärt werde. Ja, alle seine Feinde müssen endlich zum Schemel seiner Füße gelegt werden, bis dass Alles wiedergebracht sei, was in Adam verloren war, und bis GOtt ist Alles in Allem.
O Geliebte! wie wunderbar erhaben ist dieses Ziel! Wie stärkt es unsern Glauben, über Alles hineinzublicken, was sich uns in den Weg stellen mag! Was ist Alles, was die Welt Großes und Kostbares hat, gegen die Kindschaft GOttes, was sind Königskronen und Kaiserschätze gegen die Würde und Seligkeit derer, die GOtt gleich werden im Ebenbild seines Sohnes! Und was sind alle Freuden und alle Vorzüge der Menschen gegen die Liebe GOttes, in der wir ruhen sollen als seine Erben! O, wenn etwas von der Erde unser Herz beschweren will, so soll der Blick auf das Ziel unserer Erwählung uns aufrichten, Alles für Schaden zu achten, auf dass wir Christum als den Weg zu unserem Ziel und als selbstständiges Ziel unserer Seele gewinnen und in Ihm erfunden werden. Und wenn irdische Noth uns drückt und der Glaube und die Geduld uns ausgehen will, so soll der Gedanke an das herrliche Ziel, zu dem uns GOtt bestimmt hat, uns erheben über Dinge, die in Vergleichung mit den himmlischen Dingen klein, weder der Mühe noch des Sorgens wert sind. Aber wie? wenn unsere Sündennot sich gegen uns auftürmt? wenn wir denken müssen: wie will so ein armer Sünder, wie ich bin, ein heiliges, unsträfliches Kind GOttes, wie ich seiner Gnade zum Lobe werden? Dann sehen wir
II.
auf den Grund der göttlichen Erwählung. Dieser liegt nicht in uns selbst, als müsste eine besondere Würdigkeit von unserer Seite die Erwählung GOttes verdienen, sondern allein in GOtt, in seiner freien Gnade und unbegreiflichen Liebe, - darin hat die göttliche Erwählung ihren Grund. Das sagt unser Text mit den Worten: „GOtt hat uns erwählt durch JEsum Christum,“ nicht durch uns; um seinet-, nicht um unsertwillen; und: „Er hat uns verordnet zur Kindschaft nach dem Wohlgefallen seines Willens.“ In uns liegt nicht ein einziger Grund, warum GOtt uns erwählen sollte; vielmehr, wenn wir auf uns sehen, so können wir es gar nicht begreifen, dass der heilige GOtt so unreine, sündenbeladene Geschöpfe, wie wir sind, wählen soll zu seinen Kindern. Da ist lauter Gegenteil von Heiligkeit und Unsträflichkeit, da ist ein Grundverderben, das sich von Geburt an durch all unser Dichten und Trachten hindurchzieht, da ist Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben, wobei wir das Böse, das wir nach dem inneren Menschen nicht wollen, doch tun, und das Gute, das unser zu GOtt geschaffener Geist will, nicht tun, so dass wir nach unserem natürlichen Wesen hundertmal in den Seufzer ausbrechen müssen: o ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes!
Bedenken wir das, so kommt uns das vorhin betrachtete Ziel unserer Erwählung unerreichbar vor, als wenn einem armen Taglöhner oder einem in Ketten schmachtenden Verbrecher gesagt würde: in zehn Jahren wirst du König sein; so wenig diese das für möglich hielten, so wenig begreifen wir, wenn wir auf unser Sündenelend sehen, wie wir zu dem hohen Ziel der heiligen Kindschaft GOttes kommen sollen. Aber nicht auf uns sollen wir sehen, sondern auf GOttes ewigen Liebesvorsatz. Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, sagt Paulus Tit. 3, sondern nach seiner Barmherzigkeit macht uns GOtt selig. Nach dem freien, durch keinerlei Verdienst von unserer Seite bestimmten Wohlgefallen seines Willens und seiner unergründlichen Liebe hat Er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war, ehe Er Gutes oder Böses an uns gesehen hatte.
Zu uns Allen kann GOtt sagen, was der Heiland zu seinen Aposteln sagte: ihr habt mich nicht erwählet, sondern Ich habe euch erwählet. Und warum wählte Er sie? Was sah Er an einem Thomas, der so schwach im Glauben war, was an einem Petrus, der Ihn verläugnen konnte, was an den armen Fischern und Handwerkern, die nichts von allem dem zu haben schienen, was für ihren hohen Apostelberuf nötig war? Er erwählte sie nach dem freien Wohlgefallen seines Willens, und was sie nötig hatten, das Alles gab Er ihnen, so dass sie nichts aus sich, sondern Alles aus Ihm hatten. Selbst den Glauben musste JEsus nach unserem Evangelium dem Thomas geben. Das will Er auch bei uns tun. Christus allein ist unsere ganze Würdigkeit, unsere Weisheit, unsere Heiligkeit. Deswegen sagt unser Text immer: in Christo seien wir erwählt, in Ihm, dem Geliebten, seien wir angenehm gemacht.
Von Ewigkeit her hat der Vater uns nur im Sohne angeschaut; nur auf dem Sohn, als seinem Ebenbild, ruht sein vollkommenes Wohlgefallen, und nur was dem Sohne gleicht, gefällt GOtt. Der Sohn aber hat nach Sprichw. 8 als die ewige Weisheit seine Lust von jeher bei den Menschenkindern und ist selbst Mensch worden, um das ganze Geschlecht in sich selbst zu heiligen und GOtt gefällig zu machen als der Erstgeborene unter vielen Brüdern, die um des Erstgebornen willen Alle dem Vater angenehm sind. Dieses freie Erbarmen GOttes in Christo JEsu - dies allein ist der Grund unserer Erwählung, und in alle Ewigkeit haben wir Alles nur dem Sohne zu danken, nie dürfen wir uns selbst irgend etwas beilegen; denn unsere Sünde würde uns Alle, die Heiligsten wie die Unreinsten, in alle Ewigkeit der Kindschaft GOttes unwert machen und vom Himmel ausschließen. Nur JEsus ist das Licht, das unsere Finsternis erhellt, nur aus Ihm fließt Leben und Gottesgemeinschaft uns zu. Darum sieh' nicht auf dich und auf dein Elend, sieh' allein auf JEsum und verbirg dich ganz in Ihn, der wie ein Schild vor dir steht, wie eine Sonne, durch die hindurch der Vater dich als sonnenklar und rein anschaut. In Ihm, dem Geliebten, bist auch du angenehm gemacht und hochbegnadigt vor GOtt. Und ist dir das Alles noch immer zu hoch, dass du es nicht begreifen, dir nicht zueignen kannst, so stärke deinen Glauben
III.
an der Art, wie GOtt den ewigen Liebesvorsatz unserer Erwählung ausgeführt hat in der Zeit. Aus der Fülle seiner Gottheit hat Er das Größte herausgegeben, und aus der Tiefe der Menschheit hat Er das Geringste und Kleinste herausgewählt und daran sich verherrlicht. Vom Ersten spricht unser Text in den Worten: „GOtt hat uns angenehm gemacht in dem Geliebten, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade.“ Zur Ausführung seines ewigen Liebesvorsatzes hat GOtt seinen eingebornen Sohn, das Ebenbild seines Wesens, den Abglanz seiner Herrlichkeit, unser armes Fleisch und Blut annehmen und in aller Niedrigkeit und Schwachheit unserer so verächtlich gewordenen Menschennatur ein ganzes Menschenleben durchleben lassen, ja dieses heilige, göttliche Leben musste in den Tod sinken als Schuldopfer an unserer Statt, und durch das teure Blut des Sohnes GOttes als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes - dadurch ist die in Ewigkeit gültige Erlösung gestiftet worden, nämlich die Vergebung unserer Sünden nach dem Reichtum der göttlichen Gnade, die verheißen hat, unsere Sünden alle in die Tiefe des Meeres zu werfen, dass ihrer ewig nicht mehr gedacht werde, dass unsere Missetat vertilgt werden soll wie eine Wolke, und unsere Sünde wie ein Nebel, dass selbst blutrote Sünden schneeweiß werden sollen im Glanz der allverzeihenden Gnade.
Wie reich diese Gnade ist, zeigt JEsus durch das Gleichnis von dem Könige, der zwanzig Millionen Gulden seinem Knechte erließ. Wenn eines jeden Menschen Schuld zwanzig Millionen beträgt, welch' unermessliche Schuldenmasse lastet dann auf der ganzen Menschheit, auf diesen Millionenmal Millionen Seelen, die aus allen Jahrhunderten in die Ewigkeit hinüberkommen. Und doch wiegt das Leben JEsu, als des heiligen Sohnes GOttes, diese unermessliche Schuld auf, und wir haben an Ihm die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung aller unserer Sünden. So wunderbar hat GOtt seinen Liebesvorsatz ausgeführt. In einem Stall anfangen und am Kreuze endigen musste das Leben, das der Welt das Heil bringen sollte, aus tiefster Niedrigkeit musste die Erhöhung der Menschheit, aus tiefster Armut unser Reichtum, aus schrecklichstem Tod unser Leben fließen. Wer das bedenkt, dem ist nichts mehr zu hoch, was zu unserer Seligkeit nötig ist. Hat GOtt seines eingebornen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken?
Denkst du aber immer noch, du seiest es eben nicht wert, für die braven, rechtschaffenen, weisen und verständigen Leute sei der Heiland gekommen, aber für dich nicht, für die, die auch etwas aufzuweisen haben, sei Er da, aber für dein Elend und für dein völliges Nichts sei Er zu hoch, so bedenke, was Paulus sagt 1. Kor. 1: „Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat GOtt erwählet, dass Er die Weisen zu Schanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat GOtt erwählet, dass Er zu Schanden mache, was stark ist, und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat GOtt erwählet, und das da nichts ist, dass Er zunichte mache, - was etwas ist, auf dass sich vor Ihm kein Fleisch rühme.“
Diese Art der Ausführung des Liebesvorsatzes GOttes gehört zu der verborgenen Weisheit GOttes, von der unser Text sagt, dass die Gnade GOttes uns reichlich widerfahren sei durch allerlei Weisheit und Klugheit. Diese Weisheit zeigt sich in der ganzen Art, wie GOtt einzelne Völker und einzelne Menschen beruft zur Teilnahme an den Segnungen des Evangeliums. Israel, das alte Bundesvolk, der Liebling GOttes unter den Völkern, wurde verworfen und Heiden traten an seine Statt. Unter den versunkenen Griechen blühten Gemeinden auf. Aber als die griechische Weisheit sich erhob über das Wort vom Kreuze, da schlug es seinen Hauptsitz auf in Rom, der alten Weltstadt, und als in ihr der Strom des Verderbens Alles zu ersäufen drohte, da wurden die verachteten Barbaren des Nordens berufen, und unsere Voreltern, die in ihren Wäldern keiner Bildung fähig schienen, gründeten christliche Reiche und Kirchen ohne Zahl. Und als die hohe Kirche verweltlicht war und alle Weisen und Gelehrten nicht mehr helfen konnten, da musste ein verachteter Mönch in seiner Zelle den Grund zur Herstellung der Wahrheit legen, und seither haben die Ärmsten am meisten Reichtum, die Schwächsten am meisten Stärke in Christo gefunden. Und wie wunderbar sind die Wege, die heute noch der HErr geht, um seine ewige Erwählung an den Seelen auszuführen! Welch' hohes Wunder ist das, was in der Taufe an den Seelen geschieht in frühester Kindheit, so dass wer getauft ist, heute sagen darf: ich bin erwählt zu GOttes Kind und zum Erben seiner Herrlichkeit. Und was tut der Geist an zarten Kinderherzen, wie pflanzt Er GOttes Wort in sie und macht es lebendig durch tausend Gnadenzüge; wie müssen unsere Lebensführungen und Schicksale, oft die kleinsten Umstände, uns näher zu GOtt hinführen, und mit wie vielen geistlichen Segnungen in himmlischen Gütern werben wir gesegnet durch die Bibel, durchs Gebet, durch die innerlichen Wirkungen des Heiligen Geistes, durch das heilige Abendmahl, durch die Gemeinschaft der Heiligen und durch Alles, was der HErr innerlich und äußerlich an den Seelen tut! O, wer das Alles bedenkt, der muss mit unserem Texte froh und dankbar ausrufen: Gelobet, gelobet sei GOtt und der Vater unseres HErrn JEsu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum!
Nun, Geliebte, hat GOtt so viel an uns getan, so wollen wir nicht mehr zweifeln und zagen, sondern mit vollen Händen zugreifen und nehmen, was seine überschwängliche Gnade uns anbeut. O wie schrecklich wäre es, wenn wir unserer Auswahl verlustig würden durch sündliche Befleckung mit Gemeinem, mit Welt und Fleisch. Eine Krone verlieren, heißt viel verlieren, und macht unselig, selbst in der Seligkeit.
Nein! je mehr GOtt an uns getan hat, desto mehr Fleiß wollen wir tun, unsern hohen Beruf und unsere Erwählung feste zu machen. Wo wir das tun, so werden wir nicht straucheln, und also wird uns reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unseres HErrn und Heilandes JEsu Christi. Amen.