Kapff, Sixtus Carl von - Am Sonntag nach dem Neujahrsfest.
Text: 1 Petr. 4, 12 - 19.
Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden (die euch widerfährt, dass ihr versuchet werdet), als widerführe euch etwas Seltsames; sondern freuet euch, dass ihr mit Christo leidet, auf dass ihr auch, zu der Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit, Freude und Wonne haben möget. Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht weidet über dem Namen Christi, denn der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und GOttes ist, ruhet auf euch. Bei ihnen ist er verlästert, aber bei euch ist er gepriesen. Niemand aber unter euch leide als ein Mörder, oder Dieb, oder Übeltäter, oder der in ein fremdes Amt greift. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht; er ehre aber GOtt in solchem Fall. Denn es ist Zeit, dass anfange das Gericht an dem Hause GOttes. So aber zuerst an uns; was will es für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelio GOttes nicht glauben? Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? Darum, welche da leiden nach GOttes Willen, die sollen ihm ihre Seelen befehlen, als dem treuen Schöpfer, in guten Werken.
Gestern traten wir mit frohem Mut ein in das neue Jahr, in dem seligen Glauben, dass JEsus unser Friedefürst sei, und dass er auch das Kreuz, dem wir etwa entgegengehen, uns zum himmlischen Segen machen werde. Diese Hoffnung wird durch unsern heutigen Text uns aufs Stärkste bestätigt. Petrus spricht in seinem Briefe gar viel von dem hohen Segen des Leidens, das er als einen Hauptberuf eines Nachfolgers JEsu darstellt. Wie viele Leiden trug JEsus, der Sohn Gottes! Kurz nach seiner Geburt wurde Er von Herodes verfolgt und musste fliehen. Und wie arm war sein Leben in Nazareth! Und welche Leidensfluten ergingen über Ihn bis zu seinem schrecklichen Tode! Deswegen sagt Petrus in unserer Epistel: „Freuet euch, dass ihr mit Christo leidet, „ und Jakobus: „achtet es eitel Freude, so ihr in mancherlei Anfechtungen fallet.“ Aber wie weit hat dazu unsere Natur, der die Kreuzflüchtigkeit und Leidensscheue als eine Haupteigenschaft angeboren ist! Was wünschten wir uns gestern zum neuen Jahr? Gewiss Alles eher, als Kreuz. Gute Tage, ungestörte Gesundheit, Glück, Ehre, Reichtum und Freude - das wünscht unsere Natur. Aber was sagt JEsus? „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach, der ist meiner nicht wert“ (Matth. 10, 37.), und Paulus: „wir müssen durch viel Trübsal in das Reich GOttes eingehen.“ Wie gefällt uns das? Wie weit sind wir in diesem Hauptstück unseres Christenberufes, in der Leidenswilligkeit?
In dem Predigtbuch des Dekan Hartmann sind die Leidenden in vier Klassen eingeteilt, nach den vier Losungsworten: ich muss leiden, ich will leiden, ich kann leiden, ich darf leiden. Zu welchen von diesen Klassen gehörst du? Ist dir das Leiden ein schweres Muss, dessen Bürde du mit innerem Unmut, vielleicht sogar mit Murren und Klagen dahin schleppst, weil du es nicht ändern kannst? Wie unselig ein solcher Zustand ist, wissen wir. Oder hast du gelernt, leiden zu wollen, weil es GOtt so will, und lässt du diesen Willen GOttes stärker in dir sein, als deinen Eigenwillen, dann wirst du auch je und je sagen dürfen: ich kann leiden. Und je mehr du in der Kraft JEsu leiden kannst, desto eher wird auch manchmal der HErr dich auf die schöne Höhe hinaufheben, da du sagen kannst: ich darf leiden, es ist mir, wie unser Text will, eine Freude, mit Christo zu leiden und so ihm ähnlich zu werden.
Aus dieser obersten Klasse geht es freilich gar oft wieder in die unterste zurück, und fast bei jedem neuen Leiden heißt es zuerst: „ich muss.“ Es sollte aber nicht so sein; es sollte die Naturansicht über das Leiden nicht die erste und immer wiederkehrende bei uns sein, sondern die Geistesansicht herrschend in uns werden. Unsere Epistel hilft uns dazu durch die Wahrheiten, die sie uns vorhält und die uns veranlassen, die Leidensschule näher anzusehen, und zu trachten, dass wir nicht in ihrer untersten Klasse bleiben, sondern in die oberste vorrücken und darin bleiben. Um uns dazu zu ermuntern, betrachten wir
Die Kreuzschule als eine Himmelsschule,
- ohne Kreuz kein Weg zum Himmel,
- im Kreuz der Himmel offen,
- im Himmel des Kreuzes Krone.
Ich bin mit Dir, mein GOtt, zufrieden
Und halte deinem Willen still;
Was deine Güte mir beschieden,
Mit dem vergnüget sich mein Will'.
Mein Will' ist nun nicht ferner mein,
Dieweil er dein beginnt zu sein.
Willst Du mich auf das Siechbett legen:
Ich will; soll ich im Mangel sein:
Ich will; soll sich ein Unfall legen:
Ich will; und willst Du, dass ich wein':
Ich will; und gibst Du mich dem Tod:
Ich will; Dein Will' gescheh', o GOtt!
Ach, wie selten können wir so sagen! Pflanze diesen stillen Leidenssinn in uns und segne dazu auch diese Betrachtung durch deinen heiligen Geist! Amen.
I.
Ohne Kreuz ist kein Weg zum Himmel, deswegen ist die Kreuzschule uns so notwendig, wie die Schule unsern Kindern. Daher sagt Petrus in unserem Texte: „ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden, als widerführe euch etwas Seltsames, nach dem Grundtext: Fremdes, Neues, gar nicht zu Erwartendes, vielmehr sehet es als etwas ganz Natürliches an, das gar nicht anders sein kann.“ Der Apostel nennt das Leiden Hitze, wörtlich Feuergluth, und erinnert dadurch an das Gold, das von den Schlacken, die es verunstalten, nur im Feuertigel gereinigt werden kann, und je schöner es werden soll, desto länger im Feuer sein muss. So auch die Früchte unserer Bäume und Weinstöcke reifen nicht ohne Hitze der Sonne, und je höher diese steigt, desto köstlicher wird die Frucht. So ist die Hitze der Trübsal für uns ein Tigel, der zwar brennt und wehe tut, wie das Feuer unserem Leib, in welchem aber die vielen Schlacken unserer unreinen, sündlichen Natur weggeschmolzen werden. In das Heiligtum GOttes taugt nur reines Gold, unsere Natur aber ist wie etliche Goldkörnlein unter einem Haufen Erde' oder Sand, so dass wir über Nichts uns mehr wundern müssen, als dass GOtt uns nicht wegwirft, sondern uns sucht und an uns arbeitet und für sein herrliches Reich uns zubereitet. Aber wie viel kostet es, bis unsere Seelen aus dem unglaublich tiefen Verderben des Sündenfalls herausgehoben sind, wie ist das Innerste unserer Gedanken befleckt, und wie sind wir an die Erde gefesselt, wie in den engen Kreis unseres kleinen Ich gebannt in kalter Selbstsucht und Lieblosigkeit, wie gefangen im Hochmuth und in allerlei Lüsten und Begierden des Fleisches, so dass wir seufzen müssen: „ich bin fleischlich, unter die Sünde verkauft, ich weiß nicht, was ich tue, denn ich tue nicht, das ich will, sondern das ich hasse, das tue ich“ (Röm. 7, 14 ff.).
Wie oft sehnen wir uns nach Freiheit von allem Irdischen, nach reiner Klarheit des inneren Menschen in einer von irdischen Gedanken nicht mehr gestörten Gemeinschaft mit GOtt, aber unsere innersten Denk- und Willensbewegungen sind vom Eitlen durchflochten, und auf Einen göttlichen Gedanken kommen zehn, zwanzig, vielleicht hundert fleischliche, irdische, sündliche. Da sind wir wie Kinder, die sich selbst nicht mehr helfen können und daher die Ruthe haben müssen. Denn GOtt will uns nicht aufgeben, nicht eine Beute des Feindes werden lassen; Er will auch das, was Er uns schon gegeben, nicht verderben lassen unter Fleischesschutt, sondern rein und klar will Er uns haben nach seinem Bilde. Da muss Er unser Fleisch in's Gericht nehmen. In's Gericht? Sind demnach Leiden als Gerichte anzusehen? Warum denn nicht? Viele freilich wollen Nichts davon hören; die Welt nicht, weil sie überhaupt sich nicht unter Gerichte GOttes beugen will, sondern Alles als Naturereignis, als Zufall oder Schicksal ansieht; aber auch manche Gläubige wollen nicht, dass man das Leiden als Gericht ansehe, weil es für die in Christo Versöhnten kein Gericht mehr gebe. Aber unser Text sagt doch deutlich: „es ist Zeit, dass anfähe das Gericht an dem Hause GOttes, „ d. h. an der Familie GOttes, an seinen Kindern und Heiligen. An diesen muss das Gericht anfangen, das bei ihnen ein Läuterungs-, bei den Ungläubigen aber ein Verdammungs-Gericht ist.
So viel wir noch vom alten Menschen an uns haben, so viel stehen wir noch unter dem Gerichte; daher heißt es Ps. 99, 8. von Mose, Aaron und Samuel zu GOtt: „Du erhörtest sie und vergäbest ihnen, und straftest ihr Thun.“ Was noch vom Fleische an uns ist, das muss, wenn wir es nicht selbst in den Tod geben, von dem HErrn gekreuzigt werden. So wir uns selber richten, so werden wir nicht mehr gerichtet, da ist der Schmerz der Buße das Gericht, und was JEsus am Kreuze für uns erduldet, wird als unser eigen Gericht uns zugerechnet. Aber so viel wir uns selbst noch nicht richten und dem Fleisch in uns Raum lassen und GOtt widerstreben, so viel . an uns verfällt wieder dem Gerichte, und da ist Alles', was GOtt von Leiden uns auflegt, immer noch wenig gegen das, was wir bei so großer Unreinigkeit und Ungöttlichkeit verschuldet hätten. Aber ohne ein solches Gnadengericht GOttes durch mancherlei Kreuz und Trübsale würden wir entweder nie zur Buße und so nie zum seligmachenden Glauben, also nie in den Himmel kommen, oder wir würden das, was wir durch Buße und Glauben erlangt haben, in den guten Tagen des Fleisches wieder verlieren, und so der Krone, die uns im Himmel schon beigelegt war, durch Leichtsinn und Fleischlichkeit wieder verlustig werden. Deswegen sagt Petrus in unserem Texte: „die Hitze der Trübsal widerfahre uns, dass wir versuchet werden, d. h., dass unser geistliches Leben auf die Probe gestellt, in Übungen bewährt, und durch Kampf und Sieg bestärkt, geläutert und vollendet werde.“ Daher sagt unser Lied:
Leiden bringt empörte Glieder
Endlich zum Gehorsam wieder,
Macht sie Christo unterjocht,
Und durch diese Feuerkräfte
Werden manche wilde Säfte
Unseres Blutes ausgekocht.
Ich las einmal in einer Reisebeschreibung, dass ein Seefahrer das Meer in weiter Fläche in einem ganz außerordentlichen Zustand der Fäulnis fand, wobei ein abscheulicher Verwesungsgeruch die ganze Luft verderbte. Die Ursache lag in einer lange anhaltenden Windstille, bei der aus Mangel an Bewegung das Wasser durch die in Masse gestorbenen kleinen Seetiere in Fäulnis überging, während bei rascher Bewegung und Reibung das Wasser mehr mit Luft vermischt, seine Frische behält. So fault der geistliche Mensch, wenn das Tierische an ihm, der Eigenwille, die Weltliebe und Fleischesluft nicht unterdrückt wird, und wenn er in behaglicher Ruhe nur die frische Lust einatmet, nicht die frische, Leben gebende Himmelsluft. Deswegen unterbricht GOtt die fleischliche Ruhe und Windstille durch Leidensstürme, und macht uns dadurch Alles klein, was dem Fleische groß, und Alles groß, was dem Fleische klein und verächtlich war. Leiden entleidet die Welt, zerbricht den Eigenwillen, schmelzt das Fleisch und macht nach GOtt verlangend. Daher sagt Petrus: „Wer am Fleische leidet, höret auf von Sünden.“ Deswegen mussten auch alle Männer GOttes in allen Zeiten den Dornenpfad der Leiden gehen. Abraham musste seinen Isak opfern, Jakob seinen Joseph, Joseph seine Freiheit im Gefängnis, Mose seine Ruhe und Stille im Getümmel des Volks; Davids und der Propheten und der Apostel Leben war eine Kette von Leiden aller Art, und der Sohn GOttes selbst musste in seiner Menschheit die Wogen der Trübsale über sich zusammenschlagen lassen und sagte: „musste nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ Wie Er nur durch Leiden zur Herrlichkeit, durch Tod zum Leben, durch Kampf zum Sieg und durch Schmach zur Ehre gelangte, so ist für uns noch vielmehr kein Weg zum Himmel ohne Kreuz. Darum sagen wir nicht mehr: ich muss, sondern ich will leiden. Aber eben weil das der Weg Christi ist, deswegen ist
II.
im Kreuz der Himmel offen. Unser Text sagt: „Freuet euch, dass ihr mit Christo leidet, und selig seid ihr - jetzt schon - wenn ihr geschmäht werdet über dem Namen Christi, denn der Geist der Herrlichkeit und GOttes ruhet auf euch.“ Wem das gilt, der sieht den Himmel offen mitten in seinem Kreuze, denn wo JEsus ist und sein Geist, da ist der Himmel. Wo JEsus nicht ist, da ist freilich das Leiden eine Hölle. So ist es bei denen, von welchen unser Text spricht in den Worten: „Niemand leide als ein Mörder, oder Dieb, oder Übeltäter, oder der in ein fremd Amt greifet.“ Die Leiden, die für solche Sünden von GOtt und von Menschen auferlegt werden, sind eitel Wermuth und Galle; ja, die geringste Unannehmlichkeit, Schmach, Misskredit oder Schaden, woran wir selbst schuld sind, das tut bitter wehe; überhaupt aber Alles, was ohne den Heiland durchgemacht werden muss, ist Pein und Qual. Daher sagt unser Text: „wenn das Gericht ansähet an uns, wenn auch Gläubige noch durch allerlei Leiden gerichtet werden müssen, was will's für ein Ende werden mit denen, die dem Evangelio GOttes nicht glauben? Und so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?
O wie ernstlich lauten diese Worte! In welch' schreckliche Leidenstiefe lassen sie uns hineinblicken! O, wer wollte zu solchen unbekehrten Sündern und Ungläubigen gehören, die wie Nachtfliegen um das Licht schwärmen, bis sie sich verbrennen, die eine kleine Weile Lust und Freude haben in der Welt, dann aber schrecklichen Unfrieden, Strafen und Züchtigungen aller Art und das ewige Verderben in der Hölle. Vor solchen Leiden um der Sünde willen und ohne einen Heiland zu haben, bewahre uns GOtt in Gnaden! Dagegen helfe Er uns durch seinen Geist, mit Christo zu leiden und so jetzt schon selig zu sein in der Gemeinschaft seines Lebens und Geistes! Da ist das Leiden keine Hölle, sondern eine Eröffnung des Himmels. Das ist es schon als ein Leiden mit Christo. Wen sollte nicht Alles freuen, ' was wir gemeinschaftlich mit Ihm haben können und was uns Ihm ähnlich macht! Das ist zunächst am meisten der Fall bei dem Leiden, das wir um Christi willen tragen, wovon unser Text sagt: „Selig seid ihr, wenn ihr geschmäht werdet über dem Namen Christi.“ Der Welt ist die Heiligkeit JEsu und das göttliche Leben, zu dem Er führen will, zuwider, darum hasst sie Alles, was Christo die Ehre gibt und sein Leben verklärt und verherrlicht. Ihn selbst lobt sie lügnerisch als Tugendhelden und Weisheitvorbild: aber die, denen Er mehr ist, die ihr Heil und Leben in Ihm suchen und finden, und Ihn mehr lieben, als die ganze Welt, die sind der Welt eine Torheit und ein Ärgernis, und da spottet, höhnt, schmäht und verfolgt die Welt, so dass selbst ein Paulus, dem doch an Weisheit und Frömmigkeit nicht leicht Einer gleich kam, sagen muss: „wir sind Narren um Christi willen, wir sind stets als ein Fluch der Welt und Fegopfer aller Leute: als die Allergeringsten hat GOtt uns dargestellt, als dem Tode übergeben“ (1. Kor. 4, 9. 13.). Die Apostel und Stephanus und viele Tausende in allen Jahrhunderten haben um Christi willen Pein und Todesmartern erdulden müssen, und wo nur wahre Liebe zu JEsu ist, da bleibt der Hass der Welt nicht aus.
Aber ebendeswegen ist das Leiden, das wir um Christi willen zu tragen haben, ein erfreulicher Beweis, dass wir Seine sind und dass sein Leben in uns ist, und dass, wie wir mit Christo leiden und sterben, so wir auch mit Ihm leben und herrschen werden. Deswegen sagt Petrus: „Freuet euch, die ihr mit Christo leidet.“ Aber nicht bloß in der Zukunft, schon jetzt sind die Kreuzträger Christi selig. Nichts gibt so vielen inneren Frieden, als wenn wir um JEsu willen geschmäht und verfolgt werden. Aus vielen Erfahrungen kann ich versichern, dass nie das Gebet gesegneter und die Friedensnähe des HErrn fühlbarer ist, als wenn wir Christi Schmach zu tragen hatten. In dem Maaß, als die Welt uns ausstoßt, nimmt JEsus uns auf in sich, und je weniger Freude und Ehre wir in der Welt suchen, desto mehr Wonne gibt JEsus uns in sich selbst, und schenkt uns so den reichsten Ersatz für Alles, was wir um Seinetwillen verleugnen. Ja, auf solchen Seelen ruht nach unserem Text der Geist, der ein Geist der Herrlichkeit und GOttes ist, der Geist, der GOtt in uns verklärt und uns in die Herrlichkeit erhebt, der Geist der Kraft und des Friedens; dieser Geist ruht wie ein offener Himmel voll Seligkeit über denen, die um JEsu willen leiden, und gibt Kräfte der Ewigkeit in sie. Daher schämen sie sich nicht unter der Schmach der Welt, schämen sich nicht des Namens JEsu und des Wandels nach seinem Sinn, sondern ehren und preisen GOtt, dass sie gewürdigt werden, an dem Leiden JEsu Theil zu bekommen, und sie suchen durch eine JEsu ähnliche Leidenswilligkeit, Geduld und Sanftmut, GOtt zu preisen und ihr Licht zu seiner Ehre leuchten zu lassen. Und je mehr sie das tun und sich in Christi Tod geben, desto mehr sehen sie mitten im Leiden in den Himmel hinein, wie wir neulich von Stephanus hörten, der unter dem Toben seiner Feinde den Himmel offen und GOttes Herrlichkeit sogar leiblich sähe, und wie so viele Märtyrer zum Feuertod, wie zu einem Hochzeitmahl gehen, und mitten unter den furchtbarsten Martern GOtt loben und zu JEsu jauchzen konnten, und wie Paulus sagt: „als die Sterbenden, und siehe wir leben, als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch Viele reich machen, als die Nichts inne haben und doch Alles haben“ (2 Kor. 6, 10.). Wie so in dem Leiden um Christi Willen sich höhere Kräfte GOttes offenbaren und der Himmel sich aufschließt, so in allem Leiden, das wir mit dem Sinne JEsu im Gehorsam gegen Ihn und zu seiner Ehre ertragen.
Wie oft schon ist in Krankheiten und Todesnöten oder in bangen Sorgen um geliebte Kinder, bei äußerlichen Verlusten, in Armut und Traurigkeit der innere Mensch erfrischt und neu belebt worden! Wenn der Gewohnheitsgang unseres natürlichen Lebens sich so ruhig fortspinnt, so wird uns Alles, auch das Göttlichste, alltäglich, das Gebet schläfrig, mechanisch, das Wort GOttes mehr für Wissbegierde und Grübelei, als zur Nahrung, der Umgang mit Brüdern mehr zu Ärgernissen und Selbsterhebung, als zur Erquickung, unser Beruf mehr zur Zerstreuung und Verweltlichung, als zur Förderung in der Treue und im Gehorsam, kurz Alles, was uns GOtt zum Segen gegeben hat, das wird durch die fleischliche Sicherheit und Behaglichkeit uns zum Unsegen. Je weniger göttliche Gedanken uns erfüllen, desto mehr eitle und irdische, und so kann auch der Wandel vielfach befleckt und unlauter werden. Da ist der Himmel uns wie zugeschlossen. Da kommt dann der treue Hirte, der keines seiner Schafe vergisst, und verzäunt den Weg mit Domen, und führt in die Wüste und in die Stille, züchtigt das Fleisch durch Schmerzen und Leiden, und bewirkt so einen Niederschlag der irdischen Gedanken, Bilder und Begierden, wie in der Natur der Sturm die Luft von üblen Dünsten reinigt. Da darf es eine Seele, die auf GOtt merkt, oft bald erfahren, wie Alles, was zum geistlichen Leben gehört, wieder viel leichter wird, wie herzlich die Demuth und Buße über die vorgekommenen Untreuen, wie sehnlich das Verlangen, von allem Irdischen los ganz mit JEsu vereinigt zu sein, wie innig die Zuneigung alles dessen, das JEsus für uns getan hat. Da ist das Wort GOttes uns oft wie neu; was wir vorher als altbekannt nur flüchtig überblätterten, da stießt uns im Leiden aus jedem Verslein ganz neue Kraft zu, und der geringste Bruder, den wir vorher vielleicht mit Geringschätzung oder mit Ärgernis ansahen, er steht uns in der Demütigungsprobe höher, als das eigene Ich, und ein Wörtlein des Zuspruches, in Armut gesprochen, kann uns erquicken und aufrichten.
Das Alles haben gewiss Manche von uns im verflossenen Jahr erfahren. An Kranken- und Sterbebetten wurde uns die Welt klein und der Himmel groß und nahe, die Thüren, durch die so viel Eitelkeit in uns eingeht, schlossen sich zu und die Himmelstür tat sich auf, und oft durften wir erfahren, was der HErr sagt, dass Er bei denen wohne, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, dass Er das Schreien der Armen und das Seufzen der Elenden hört, und tut, was die Gottesfürchtigen begehren.
Alle solche Erfahrungen brachten uns in eine viel innigere Nähe des HErrn und zeigten uns oft den Himmel offen und gaben so viel Trost und Kraft unter dem Leiden, dass wir sagen konnten: „ich will gerne und ich kann auch leiden, da ich so überschwänglich getröstet werde durch JEsum.“ Aber auch „ich darf leiden“ werden wir sagen können, wenn wir
III.
bedenken, dass im Himmel des Kreuzes Krone ist. Darauf weist unser Text mit den Worten: „Freuet euch, dass ihr mit Christo leidet, dass ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben möget.“ Hier unten ist unser Leben verborgen mit Christo in GOtt, aber wir wissen, dass wenn Christus unser Leben sich offenbaren wird, dann werden auch wir offenbar werden mit Ihm in der Herrlichkeit. Wie JEsus durchs Leiden des Todes gekrönt ist mit Preis und Ehre, und sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe, so sollen auch die, die in die Gemeinschaft seines Leidens und Todes eingegangen sind, Theil haben an seiner Herrlichkeit. Als Petrus Ihn fragte, was ihnen werde für alle Verleugnung um feinet willen, da sagte JEsus: „Wahrlich, ich sage euch, dass ihr, die ihr mir seid nachgefolgt in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, weidet ihr auch sitzen auf zwölf Stühlen (Thronen) und richten die zwölf Geschlechter Israel.“ So sagt Er auch vor seinem Todesleiden zu ihnen: „Euch, die ihr beharret habt bei mir in meinen Anfechtungen, euch will ich das Reich bescheiden, wie mir's mein Vater beschieden hat, dass ihr essen und trinken sollt über meinem Tisch in meinem Reich und sitzen auf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israel.“
Was Er hier den Aposteln verheißt, das verheißt Er in der Offenbarung allen Gläubigen, die Ihm nach die Welt überwinden und in Trübsalen aushalten bis an's Ende. „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tod; ich will ihm zu essen geben von dem Holz des Lebens, das im Paradiese GOttes ist, und von dem verborgenen Manna, und er soll mit weißen Kleidern angelegt werden, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und den Engeln.“ Ja endlich gar: „Wer überwindet, dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie Ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.“ Wer fasst diese Würde und Herrlichkeit? Auf JEsu Thron sitzen - o was muss das sein! Wir dürften keinen Gedanken daran haben, wenn JEsus es nicht gesagt hätte. Aber wie mächtig starken uns solche Verheißungen, dass wir willig JEsu das Kreuz nachtragen und uns freuen, wenn wir leiden dürfen. Deswegen sagt unser Lied:
Leiden macht in Allem gründlich,
Leiden macht das Wort verständlich,
Leiden wer ist deiner wert!
Hier nennt man dich eine Bürde,
Dorten bist du eine Würde,
Die nicht Jedem wiederfährt.
Hier sieht freilich Alles anders aus, als dort, hier sehen wir im Leiden Alles verdeckt und trübe und finster; aber erheben wir uns zu der Höhe der vorhin gehörten Verheißungen, so ist es, wie wenn wir aus nebelumhülltem Thal auf einen hohen Berg hinaufsteigen und da die Sonne am blauen Himmelszelt hell und freundlich leuchten sehen über dem wogenden Nebelmeer. O, wie werden wir im Himmel danken können für das, worüber wir hier geseufzt haben! Nicht ein Leiden werden wir dort bereuen oder' aus unserem irdischen Leben wegwünschen, und nicht genug werden wir uns schämen können, dass wir so törichte Kinder waren, die sogleich schrien und dem Leiden zu entfliehen suchten. „Wär' ich nur noch länger im Tigel geblieben“ - werden wir über manche Zeit unseres Lebens denken; denn je heißer das Feuer, desto schöner das Gold, je schwerer der Kampf, desto herrlicher der Sieg und die Krone.
So wollen wir willig JEsu Kreuz auf uns nehmen und Ihm nachfolgen auf dem Weg, den Er uns führt, wollen denken wie jener fromme Landmann, dem der Hagel seine Felder zerstörte, und der, als man ihn über diesem Unglück bedauerte, getrost sagte: „das ist kein Unglück, nur die Sünde ist ein Unglück.“ So wollen auch wir denken: „Des Vaters liebe Ruth' Ist uns allewege gut, „ wollen mit Geduld aushalten in dem Kampf, der uns verordnet wird auch in dem neu angetretenen Jahre, in dem wir nicht nur auf gute Tage rechnen dürfen, sondern gerne mit Christo uns pflanzen lassen müssen zur Gemeinschaft seines Leidens und Todes. Da wollen wir, wie unser Text schließlich gebietet, leiden nach GOttes Willen, und Ihm, als dem treuen Schöpfer, der als solcher im Augenblick alles Kreuz in lauter Freude verwandeln könnte, wenn es uns gut wäre, Ihm wollen wir unsere Seelen befehlen, Ihm uns willenlos überlassen in guten Werken, in stiller Geduld und Sanftmut, in Verleugnung der Welt und im Trachten nach dem, das droben ist, da Christus ist Hand zur Rechten GOttes.
Ungeduld kann ein Quentlein Leiden zur unerträglichen Zentnerlast machen, Geduld aber und himmlischer Sinn macht den Zentner zum Pfund. Tausend Menschen sind nur in der Einbildung unglücklich, im wahren Glauben könnten sie glücklich sein. Wie viel die Einbildung vermag, habe ich einmal in einer medizinischen Zeitschrift gelesen. Einige Ärzte in England wollten über die Macht der Einbildung, die sie so oft an ihren Kranken bemerkten, einen auffallenden Versuch anstellen. Sie baten sich von der Obrigkeit einen zum Tod verurteilten Verbrecher aus, und sagten, sie wollen statt des Scharfrichters ihn dadurch töten, dass sie ihm die Pulsadern abschneiden. Dem Verbrecher war diese sanftere Todesart erwünscht, und so wurde er auf einen Tisch gelegt und die Augen ihm verbunden. Statt aber die Pulsadern aufzuschneiden, machten sie bloß leichte, kaum blutende Schnitte in das Fleisch und ließen dann Wasser durch Röhrchen in ein Gefäß fließen, so dass der Verbrecher meinte, das Blut ströme aus seinen Adern. Allmählig ließen sie das Strömen des Wassers immer schwächer werden, und sagten, jetzt werde wohl bald der Tod eintreten. Dem Verbrecher wurde aus Angst vor dem herannahenden Tod immer banger, bis endlich sein Atem ausblieb und die Ärzte ihn wirklich sterben sahen. Wie dieser Mensch bloß aus Angst oder aus Einbildung starb, so sind Tausende aus Einbildung krank, aus Einbildung arm, verachtet, unglücklich, verdammt und verloren. Viele sagen gar: mein Leiden ist nicht mehr zu prästieren. Ungeschickte Rede! Prästierst du es nicht mehr, so stirbst du, stirbst du aber nicht, so kannst du es auch tragen, denn über Vermögen legt GOtt nicht auf. Wenn du aber freilich vor dem Sterben Angst haben musst, dann steht es übel mit dir; aber gerade dann ist dir das Leiden am nötigsten, denn es soll dich lehren zu sterben. Wer aber im wahren Glauben sich aufs Sterben freuen kann, der kann alles Leiden ertragen, so lange es GOtt gefällt, und er kann es besonders im Blick auf die zukünftige Herrlichkeit, von der Paulus sagt, dass gegen sie die Leiden dieser Zeit für Nichts zu achten seien. So wollen wir in Geduld aushalten in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf JEsum, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, der gesagt hat: „Wer bis an's Ende beharret, der wird selig.“
Ja, auf mein Geist, ermuntre dich,
Bei allen deinen schweren Leiden,
O glaube JEsu sicherlich,
Dies ist der nächste Weg zu Freuden;
Ergib in kindlicher Geduld
Dich deines Vaters Lieb' und Huld;
Er wird in seinen treuen Händen
Dich unaussprechlich schön vollenden,
Und ehe du dich's wirst verseh'n,
Wirst du verklärt dort oben steh'n.
Amen.