Kanne, Johann Arnold - Adolph Clarenbachs Martyrthum (Einleitung)
Im Jahr 1730 gab Heinrich Milde ein Candidat der Theologie in Halle, ein nicht zwei ganze Bogen starkes Schriftlein über Adolph Clarenbach heraus, (Kurze und deutliche Einleitung in die erbauliche Historie von dem sel. Märtyrer Adolphe Clarenbach, welche vorläufig der Presse überlässet Heinrich Milde 1730. 8.) und lug mit demselben das Publikum ein, ihn durch Geld-Unterstützungen in den Stand zu setzen, ein ausführliches, bereits von ihm ausgearbeitetes Werk über diesen merkwürdigen Märtyrer in Druck geben zu können. (Es sollte den Titel haben: Historische Erzählung, oder Glanz und Kraft des Evangeliums von Christo, welches von Dr. Martini Lutherus wieder auf den Leuchter gestellet, so an dem Exempel zweier gottseliger Männer, nämlich Adolph Clarenbachs und Petri Flistedts wahrzunehmen.) Ob aber dies Buch wirklich erschienen sey, habe weder ich selbst, noch hat der bewanderte Literator, Herr Prediger und Bibliothekar Ranner in Nürnberg, ausmitteln können. Indeß wenn es auch wirklich erschienen ist, so wird doch darum, daß es nicht von mir zu Rathe gezogen worden, Clarenbachs Märtyrgeschichte dem Leser nicht weniger vollständig mitgetheilt werden können, da ich Gelegenheit hatte, diese aus der Quelle selbst zu schöpfen, - aus einem äußerst selten gewordenen Buche, das außer drei von Clarenbach selbst herrührenden schriftlichen Dokumenten, auf 146 Quartseiten (Es ist ohne Seitenzahlen; ich mußte es mir aber paginiren und habe als erste Pagina die (bedruckte) Kehrseite des letzten Blattes der Vorrede genommen.) ausführlich wiedergiebt, was theils in den Untersuchungs-Akten enthalten, theils einstimmige Aussage derer gewesen ist, die den Märtyrer aus dem Gefängnisse zum Hochgerichte begleitet haben. (Ueber Letzteres diese Quelle S. 129.) Dies Buch heißt: Wahrhafftige Historia von den wolgelarten und bestendigen mennern, Adolpho Clarenbach und Peter Fleisteden, Was Adolphs im Lande vom Berge, ehe er dann zu Cöllen gefangen, des Evangeliums halber von seinen Widersachern begegnet und zugestanden sey, Und wie jn hernach, als er zu Cöllen gefangen, und gemeltem Petro, die Sophisten und Ketzermeister zu Cöllen, so verrheterisch, diebisch, mörderisch, unchristlich, ja ganz und gar unmenschlich wider alles fein gründtlich darthun aus heiliger Schrifft, zum Fewr verurtheilt haben im Jar 1529 am Abend Michaelis. New auff vieler Christen bitt gedruckt zu Wittemberg 1560.
Auch hauptsächlich in literarischer Beziehung auf diese Quelle habe ich des Mildeschen Unternehmers gedacht. Denn auffallend war es mir, daß Milde derselben mit keiner Sylbe gedenkt, obgleich er S. 20 f. ein Verzeichniß der Autoren giebt, die von Clarenbach gehandelt haben, und worunter selbst solche sind, die seiner nur ganz kurz gedenken, als Joh. Sleidanus (De statu religionis et reipubilcae Carolo V., Caesare commentarii 1555 fol. pag, 97. Was Sleidanus hat, führt aus ihm auch Schröckh an, Kirchengeschichte seit der Reformation 1ster Theil Seite 404.) und Veit Ludw. Seckendorf. (Commentarius de Lutheranismo 1694 fol. pag. 145 und 243.) Aber eben so wenig wird sie in zwei dem Mildeschen Schriftlein fast gleichzeitigen Schulprogrammen erwähnt, in denen er Rector der Schule von Clarenbachs Vaterstadt Lennep, Daniel Christian Francke, seinen Landsleuten den vaterländischen Märtyrer wieder ins Andenken bringen wollte, (Diese Programme kamen 1728 und 1729 heraus und der Verf. gedenkt in einem derselben schon des Mildeschen Vorhabens, obgleich dessen Schriftlein erst 1730 erschien. Sie haben also wahrscheinlich in Verbindung gestanden.) sondern der Verf. führt statt dessen Ludewig Rabus Märtyrgeschichte als Quelle an, aus der er Clarenbachs Schreiben an den Rath und die Gemeinde von Lennep, das doch auch in unserer Quelle (S. 1-9) steht, habe abdrucken lassen. Auch Hr. Prediger Ranner hat unsere Warhafftige Historia in keinem der Bücherverzeichnisse, die er nachzuschlagen Gelegenheit hatte, z.B. nicht im Georgischen Bücherlexikon, finden können. (Auch ein Literator in Frankfurt, den ich erst, nachdem obiges geschrieben war, befragte, konnte mir keine literarische Auskunft über sie geben.) Was indeß dieser Literator vermuthet, daß nemlich die Warhafftige Historia vielleicht ein Abdruck von dem seyn möge, was in Rabus Martyrbuche stehe, möchte die Vergleichung beider Bücher, die ich nicht anstellen kann und auch er nicht anstellen konnte, wohl nicht ausweisen, da aus S. 102 f. der Warhafftigen Historia ziemlich beweisend hervorgeht, daß sie aus keiner Druckschrift geflossen ist, sondern etwas bisher Ungedrucktes hat bekannt machen wollen. Hier nemlich handelt sie von Peter Fleisteden, dessen Martyrgeschichte sie jetzt von dem Momente an, da die Geschichte Clarenbachs von ihr unzertrennlich ist, mit aufnimmt, nachdem sie seine Verhöre mit Stillschweigen übergangen hat, und sagt nun von letztern kürzlich nur Folgendes: Als nun Peter eine gute Zeit gessen (lies gesessen), hat der Rath von Cöllen etliche verordnet, die mit den Ketzermeistern und andern Theologen zu Petro kommen jn zu examinieren, wie denn geschehen, und haben jn unter andern vielen Articuln, die hie von unnöthen anzuzeigen, nachdem sie gedruckt sind gefragt etc. Hätte es demnach dem Verf. nicht ebenso unnöthig dünken müssen, Clarenbachs Verhöre nebst den genannten drei Dokumenten, die doch zusammen von den 146 Seiten des Buchs den größten Theil, nemlich 100 Seiten einnehmen, mit aufzunehmen, wenn sie bereits durch den Druck bekannt gewesen wären? Wir dürfen also annehmen, daß der ungenannte Verfasser Adolphs Proceß in Handschrift vor sich hatte, und als solche existirte diese Geschichte ja auch noch lange, nachdem sie gedruckt erschienen war. Denn noch der hollsteinische Generalsuperintendent Mühlius besaß sie, seiner eigenen Aussage in den dissertationibus historico-theologicis p. 396 zu Folge, im Manuscripte, und es ist höchst wahrscheinlich, was Milde vermuthet, daß eine solche Abschrift gleich Anfangs und deswegen nach Holstein gekommen seyn möge, weil Clarenbach hier bekannt gewesen, indem er als diaconus nach Meldort berufen worden sey. (Mühlius besaß auch noch Clarenbachs Bildniß und ließ es, da er 1723 eine Rede über ihn hielt, öffentlich zur Schau stellen.) Auch kann der Ungenannte seine Handschrift schon ehe Rabus sein Märtyrbuch schrieb (1554 – 1558) haben drucken lassen, denn leicht kann die erste Ausgabe der Warhafftigen Historia, von der sowohl das new gedruckt auf dem Titel, als die Worte der Vorrede zeugen: „Dieweil nu so fromme Christen diese Historien zu lesen begeren, und die alten Exemplaria nicht mehr zu bekommen, ist wiederumb mit dieser kurzen Erinnerung (Vorrede) in Druck ausgangen“ schon vor dem Jahr 1554, etwa 7 – 8 Jahre vor der zweiten Ausgabe, erschienen seyn. Sie kann daher auch Rabus Quelle gewesen seyn, wenn anders dieser nicht auch eine Abschrift von Clarenbachs Prozeß-Geschichte gehabt hat.
Statt nun unsere Warhafftige Historia als Quelle zu nennen, verweist Milde bei Angabe der einzelnen biographischen Notizen, die aus Adolphs Verhören zu entnehmen sind, immer und zwar nach Seitenzahlen citirend, auf Acta eines auctor Anonymus. Allein was er von dieser Art anführt, steht in der Warhafftigen Historia unseres Anonymus alles auch, und in gleicher Nacheinanderfolge jener zerstreut vorkommenden Notizen. Doch findet sich bei unserm Ungenannten kein Wort von dem, was Milde S. 17 aus den Actis anführt, daß nemlich der Anonymus von sich sage, er schreibe nur, worin alle, die geschrieben haben, (Wohl aber sagt die Warhafftige Historia S. 129, sie erzähle die Geschichte von Clarenbachs Abführung zum Hochgerichte nach einstimmiger Aussage derer, die ihn begleitet haben.) übereinstimmen, er sey persönlich und allzeit dabei gewesen, und er wolle solches nicht verleugnen, wenn es dazu komme. Was folgt nun aus jener Uebereinstimmung der Acta mit der Warhafftigen Historia und dieser ihrer geringen Divergenz von derselben? Entweder, daß Milde keine andere Quelle als die Warhafftige Historia gemeint, aber diese in ihrer ersten Ausgabe besessen habe; denn da das, was bei unserm Anonymus fehlt, so aussieht, als habe es in der Vorrede gestanden, so mag es in unserer zweiten Ausgabe deswegen nicht befindlich seyn, weil der neue Herausgeber selbst eine Vorrede schrieb (wie die oben angeführten Worte zeigen,) und nun die alte wegließ, wie das bei wiederholten Auflagen älterer Bücher mehr der Fall ist. Zwar könnte gegen diese Annahme der Umstand seyn, daß die Seitenzahlen der Acta, nach denen Milde jene Notizen anführt, von denen, auf welchen sie in der Warhafften Historia vorkommen, gar zu sehr abweichen, als daß hier an zwei Ausgaben eines und desselben Buchs gedacht werden könne. Allein der überhaupt unbestimmt sich ausdrückende Milde kann überall nicht die Pagina seiner Quelle, sondern die seines eignen bereits ausgearbeiteten Werks gemeint haben, da er ebenso seinen Anhang zum Werke, den er S. 20 Anhang zu den Acten nennt, nicht nur nach Nummern, wie am angef. O, sondern auch nach Seitenzahlen citirt, wie wieder am angef. O. und S. 11, 12.
Oder es hat Milde ebenfalls nach einer in einer öffentlichen Bibliothek oder sonst erhaltenen Abschrift von Clarenbachs Geschichte gearbeitet, also aus derselben Quelle geschöpft, aus der unsere Warhafftige Historia geflossen ist, nur daß dann der Herausgeber von letzterer jene Vorerinnerung des Verf. der Handschrift entweder ausgelassen oder in der Abschrift, nach welcher er drucken ließ, nicht vorgefunden hat. Was aber den Titel Acta betrifft, so mag Clarenbachs Geschichte diesen eben in den Abschriften gehabt haben, weil sie doch hauptsächlich eine Geschichte des gerichtlichen, in Protokollen aufgezeichneten Verfahrens wider ihn war. Auch unsre Warhafftige Geschichte behält ja diesen Namen bei, wenn sie S. 104 sagt: „wie du denn in den zwei Theilen der Acten Adolphi gehört hast,“ oder in der Vorrede S. 3: „und die Acta zeugen, (unten) daß jn verlanget, um Christi willen sich zu opffern.“ Daher auch in den Ueberschriften der einzelnen Theile ihr Ausdruck Handlung, als Uebersetzung dieses lateinischen Worts.
So unbekannt nun aber dem oben Gesagten nach Clarenbachs Geschichte als besondere Druckschrift späterhin geworden ist, so bekannt und allgemein verbreitet war sie in dem Jahrhunderte selbst, in welchem Clarenbach gelebt hat. Denn der westphälische Geschichtschreiber Hamelmann, der in eben diesem Jahrhunderte, von 1525 – 89 lebte, (Sein Buch, Opera genealogico-historica, kam aber erst 1711 zu Lemgow heraus. Ein Theil dieser Opera wurde als Handschrift in der Wolfenbütteler Bibliothek aufbewahrt, bis er durch Leibnizens Vermittelung in die Hände des Rechtsgelehrten Wasserbach kam, der dann diese ungedruckten Aufsätze mit den bereits gedruckten in ein Ganzes sammelte, daß erst nach seinem Tode bei Meyer in Lemgow herauskam.) sagt in seines Werkes 5tem Buche, das er nach S. 213 im Jahre 1564, also vier Jahre nach der 2ten Ausgabe der Warhafftigen Historia schrieb, ebendaselbst S. 221: Clarenbachius, sanctus martyr, cujus historia ubique exstat, und meint hiermit offenbar die Warhafftige Geschichte in ihren beiden Ausgaben, da es eine zweite Monographie über Clarenbach nie gegeben hat.
Quelle: Kanne, Johann Arnold - Zwei Beiträge zur Geschichte der Finsterniß in der Reformationszeit