Hofacker, Ludwig - Predigt am Sonntage Cantate.

Hofacker, Ludwig - Predigt am Sonntage Cantate.

Text: Epistel Jakobi 1,13-20.

Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott ist nicht ein Versucher zum Bösen, Er versucht Niemand. Sondern ein Jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizet und gelocket wird. Darnach, wenn die Lust empfangen hat, gebieret sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebieret sie den Tod. Irret nicht, lieben Brüder. Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts, bey welchem ist keine Veränderung, noch Wechsel des Lichts und der Finsterniß. Er hat uns gezeuget, nach Seinem Willen, durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge seiner Kreaturen. Darum, liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sey schnell zu hören; langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn thut nicht, was vor Gott recht ist.

„Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichts (oder eigentlich: von dem Vater der Lichter), bey welchem ist keine Veränderung, noch Wechsel des Lichts und der Finsterniß.“ So schreibt der Apostel Jakobus in unserer heutigen Abend-Lection, und will eben mit diesen Aussprüchen unser finsteres, ungläubiges Herz überwinden, daß wir Dem, von welchem nur gute und vollkommene Gaben kommen, solches auch zutrauen, daß wir uns aus den finstern, trüben Herzensgedanken von Gott, die wir von Natur in uns haben, hinausführen, und uns in die Gnade JEsu Christi und in wahre kindliche Gedanken hineinleiten lassen. Der Vater der Lichter ist unser Gott! Sehet an die vielen tausend Lichter, die Er an den Himmel hingestellt hat! Hebt eure Augen in die Höhe, und sehet: wer führet das Heer der Sterne heraus, und rufet sie mit Namen? Ist's nicht der Gott, der die Welt aus Nichts gemacht hat, der Vater des Lichts? Er ist es, der den ungeheuren und vielen Weltkörpern, die über uns in schönen Bahnen dahin gehen, das Licht als ihr Wesen gegeben - das Licht! O, es gibt ja unter allen sichtbaren Dingen nichts, das schöner, höher, himmlischer von Natur wäre als das Licht. Gott aber ist der Vater des Lichts und der Lichter - und zwar nicht nur der natürlichen, sichtbaren Lichter, sondern auch der unsichtbaren, der Lichter in der Geisterwelt. Die tausend Mal tausend Geister um Seinen Thron, die Ihm ohne Sünde und ohne Finsterniß dienen, und Sein Antlitz schauen, die Cherubinen und Seraphinen, die in ein ewiges Anbeten und Anschauen Seiner Majestät versunken sind, diese Alle haben von Ihm das Wesen, leben, weben und sind in Ihm, und durch Ihn und zu Ihm. Er ist ihr Vater. Was muß das für ein Gott seyn! Welche Herrlichkeit, welche Lichtsherrlichkeit muß in Ihm seyn, da Alles das, was Licht ist, was herrlich und unvergänglich ist, durch Ihn das Wesen hat, und aus Seinem Wesen heraus geboren ist, da gegen Ihn der Glanz und die Heiligkeit der Cherubinen und Seraphinen nur Dunkelheit ist, oder ein schwacher Ausfluß Seiner lichten Herrlichkeit. In einem solchen Gott kann keine Finsterniß, noch auch Wechsel des Lichts seyn. Es ist bey Ihm nicht bald so, bald anders, sondern Er ist ein ewiges, unveränderliches Licht, wie heute, so auch morgen, wie vor vielen Jahrtausenden, so in die ewigen Ewigkeiten hinein. Es ist keine Finsterniß bey Ihm; wo Finsterniß, wo Sünde ist, da hat sie einen andern Ursprung als Ihn; denn Er ist nur Licht, und ist keine Finsterniß in Ihm. Und weil Er Licht ist, sollen Ihn auch alle Seine Kinder und Creaturen als den Vater des Lichts erkennen. Gleichwie in jedem Thautropfen sich die Morgensonne spiegelt, so soll sich auch in jedem Geschöpfe die Lichtsherrlichkeit Gottes spiegeln; jedes Geschöpf soll ein reiner Wiederschein Seiner lichten Herrlichkeit seyn. So ist es aber nicht, liebe Zuhörer! wir haben von Natur finstere, trübe Grundgedanken und Empfindungen gegen Gott. Ich will nun dieß weiter ausführen, und in dieser Gott geweihten Stunde zeigen:

Wie wir aus unsern finstern, und, ich möchte fast sagen, satanischen Gedanken von Gott heraus und in das Licht der Gnade sollen hineingeführet werden.

  • I. Will ich beweisen, wie wir von Natur finstere, satanische Gedanken von Gott haben;
  • II. beweisen, daß wir nicht darin bleiben dürfen;
  • III. zeigen, wie wir aus diesen finstern Herzensgedanken heraus in das Licht der Wahrheit hinein kommen können.

O HErr, Du bist Licht, und ist nicht die geringste Finsterniß in Dir; mach' uns auch Licht, schenk' uns Christi Klarheit.

Jesu! gib gesunde Augen,
Die was taugen;
Rühre uns're Augen an;
Denn das ist die größte Plage,
Wenn am Tage,
Man das Licht nicht sehen kann.

I.

Wir haben von Natur finstere, trübe, satanische Gedanken von Gott. Das sollte man in einer christlichen Versammlung nicht erst beweisen dürfen; sie sollte davon überzeugt seyn und wissen, wie es in ihrem Herzen ist. Aber es ist nicht also; man muß es wahrlich beweisen. Wenn man gehört und gelesen hat von der Liebe und Barmherzigkeit Gottes, und hat es im Kopfe: so beredet man sich, daß es im Herzen auch so sey. Aber Kopf und Herz sind sehr verschieden, sie sind weit aus einander; der Kopf kann herzliche, kindliche Gedanken, und das Herz finstere, feindselige Gedanken von Gott haben. Womit soll ich es beweisen? Wenn es der Geist Gottes nicht thut, wenn der nicht die Augen öffnet und einen Lichtstrahl hineinwirft, daß man erkennt: ich muß aufwachen, ich bin im Träume gewesen, ich habe Gott nicht gekannt, - wenn es der Geist Gottes nicht thut, so kann ich es nicht thun; doch einige Fingerzeige kann ich geben. Sage an, der du dir so viel zu gut thust auf dein zutrauensvolles, kindliches Herz gegen Gott, warum wehrest und sträubest du dich so sehr, wenn Er dir Leiden auferlegt? warum willst du dem Heiland dein Kreuz nicht geduldig nachtragen? warum willst du nicht eine kleine Züchtigung von deinem himmlischen Vater annehmen? Du sprichst: Leiden sind Leiden, und deßwegen mag ich sie nicht haben; aber sage an, ob es nicht ein geheimes Mißtrauen ist, das in dir steckt, daß du glaubest, du habest's nicht verdient? ob nicht ein geheimer Unglaube gegen Gott in dir ist? Oder du! warum bekehrst du dich nicht? Es ist dir schon so oft der Antrag gemacht worden: wache auf, o Mensch! vom Sündenschlafe! die Stunde ist da, zu wachen; wache auf, so wird dich Christus erleuchten! Das Licht hat keine Gemeinschaft mit der Finsterniß; Christus und Belial, Himmel und Hölle taugen und stimmen nicht zusammen! Schon so oft ist dir dieser Antrag gemacht worden, warum folgest du nicht? warum lässest du nicht deine Lieblings-Leidenschaften und Lieblings-Gewohnheiten fahren? Mit einer brünstigen Liebe ruft dir der gute Hirte: warum folgest du ihm nicht? Die Meisten haben keinen andern Grund, als daß sie glauben, das, was sie in der Welt aufgeben, könne ihnen Gott nicht wieder ersetzen; Er könne ihnen kein Vergnügen machen; sie mögen sich von ihrem Genuß der Weltlust nichts versagen, weil sie sich Dem nicht nahen wollen, der allein die Quelle aller wahren Freude ist. Untersuchet euch, ob's nicht so in euren Herzen ist. Oder warum wird es dir so sauer, dich unter das Joch des Heilandes zu beugen, da doch der Heiland sagt: „mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht!“ Ja, dein harter Nacken sträubet sich dagegen; du willst dieses Joch immer von dir werfen, wie es im zweiten Psalm steht, wo die Feinde sprechen: „Lasset uns zerreißen Seine Bande, und von uns werfen Seine Seile“; oder wie es an einem andern Orte heißt: „wir wollen nicht, daß Dieser über uns herrsche.“ Sage an, ob nicht ein solcher heimlicher Feindessinn in deinem Herzen ist? - Doch den größten Beweis, daß wir finstere, trübe, satanische Herzensgedanken von Gott haben, gibt uns unsere Abend-Lection. Der Apostel sagt nämlich: „Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde.“ Es muß also Menschen geben, die sagen, Gott habe sie versucht, die Gott zum Sünder machen. Es wundere sich Niemand, daß ich sage: „Gott zum Sünder machen.“ Denn es ist dieß etwas sehr Gewöhnliches, etwas Alltägliches, etwas, das jeder muthwillige Sünder unzählige Male thut, aber etwas, das unserer Verderbtheit die Krone aufsetzt. So weit geht der rebellische Mensch, der sich nicht bekehrt. Schon David klagt darüber, wenn er (Ps. 18.) sagt: „bey den Verkehrten bist du verkehrt, und bey den Frommen bist du fromm“; und auch zu des Apostels Zeiten muß es solche Leute gegeben haben, weßhalb Jakobus sagt: „Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde.“ Ach, was müssen das für finstere Geister seyn, die den großen Gott zum Versucher zur Sünde machen, die die heilige Majestät Gottes in den Koth ihrer Sünde herabziehen. Und das ist auch jetzt nichts Seltenes; ich will es beweisen. Ich will nicht von Denen sagen, die sich durch ihre Wissenschaft dieser Sünde schuldig machen, die sagen, der Fall unserer ersten Eltern sey der Wille Gottes gewesen, Gott habe die Sünde absichtlich hereinbrechen lassen und angeordnet, um der Gerechtigkeit und Tugend aufzuhelfen (wobey also Gott gleichsam gemeinschaftliche Sache mit dem Teufel gemacht hätte zum Verderben der Menschheit), eine Sprache, die in unserer Zeit gar nicht so selten ist, als man glauben möchte, die ich schon in manchen Büchern, nur mit mehr Schminke überzogen, daß es nicht so grob ausgefallen ist, gedruckt gelesen habe, und die ich aus dem Munde sonst gottesfürchtiger Leute gehört habe, die aber mit ihren Vernunftsgedanken sich in eine Höhe verstiegen haben, von welcher sie wohl nichts herabbringen wird als die züchtigende Hand des treuen Gottes. So ist's ja nicht selten, auch die Sprache zu hören, Gott habe diesen oder jenen Menschen in diese oder jene Sünde hineinfallen lassen, damit er aufmerksam auf Sein Heil und gedemüthiget würde. So lange man diese Sprache ganz so versteht, wie die Worte sagen, ist es ganz wahr. Gott gibt oft zu, daß hochmüthige Geister in diese oder jene äußere Sünde hineinfallen, damit sie gedemüthiget werden, und erkenne, wer sie sind; aber die Ursache zu einem solchen Falle liegt nicht in Gott, sondern im Hochmuth. Gott ist kein Freund der Sünde. Er will sie nicht; es heißt bey Ihm nicht: lasset uns Böses thun, daß Gutes herauskomme! Nein! nein! aber das ist wahr: Gott ist es, der aus Bösem Gutes herausbringen kann. Und doch - prüfet euch! wälzet man einen Theil der Schuld eines solchen Falls auf Gott; man denkt doch heimlich: der HErr hat in der Sache Seine Hand gehabt, und hat den Menschen zu Fall gebracht. Nicht wahr? O, es ist oft auch in gut gemeinter Rede viel mehr Gotteslästerung, als man glaubt. Doch hievon wollen wir nicht sagen, ich sage vielmehr: jeder unbekehrte, muthwillige Sünder macht Gott zum Urheber seiner Sünde; denn ein Jeder hat eine Entschuldigung für seine Sünde, und wenn er auch so weit gesunken wäre, daß er sich vor den Menschen gar nicht mehr entschuldigte über seiner Sünde, daß er sich gleichsam dazu für privilegirt ansähe, so entschuldigt er sich in seinem Gewissen vor sich selber, und indem er in dieser Entschuldigung die Schuld von sich abwälzt, so schiebt er die Schuld zuletzt auf Gott, und will den Vater der Lichter als Den anklagen, der ihn zum Sündigen verleite, und um deßwillen er nicht ganz so handeln und wandeln könne, wie es sein Gewissen von ihm fordere. Sehet, dieß hat schon im Paradies angefangen. Als Adam im Paradiese war, da kam es, daß Gott zu ihm sprach: „hast du nicht gegessen von dem Baume, davon Ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?“ Da sprach Adam: „ja, HErr! das Weib, das du mir zugesellet hast, gab mir von dem Baume, und ich aß.“ Warum sagte denn Adam: „das Weib, das Du mir zugesellet hast?“ Es ist offenbar, daß er etwas von der Schuld auf Gott wälzte; es hieß ja so viel als: hättest Du sie mir nicht gegeben, so wäre ich nicht gefallen. Und so ist es jetzt noch. Der Eine sagt: mein Stand, mein Beruf, mein Amt, meine Gesellschaften und Umgebungen erlauben es nicht, daß ich mich bekehre; Ein Anderer sagt: ich bin jähzornig, so ist mein Temperament, meine Art, ich kann mich deßwegen nicht in die Sanftmuth Christi schicken; ein Wollüstling sagt auch: so ist meine Art. Weißest du auch, was du mit diesen Entschuldigungen thust? Gott machst du zum Sünder, zu einem Verführer; denn sage: wer hat dich in diesen Stand gesetzt, dieses Temperament dir gegeben? Das that Gott; warum? dazu, daß du sündigen sollst? Nein! sondern daß es für dich eine Uebung und eine Schule für die Ewigkeit seyn soll. O, es sollte einem ein Schauer ankommen, wenn eine solche Entschuldigung im Herzen aufsteigt. Dieß ist ja ganz die satanische Art, wo Gott der Sünder seyn soll, und der Mensch rein seyn will - nur damit er sich nicht schuldig geben darf. Andere haben andere Entschuldigungen, Sie sagen etwa: Gott ist barmherzig, und wird es nicht so genau nehmen; Er denket daran, daß wir Staub sind; wir sind ja allzumal Sünder, und werden nimmermehr vollkommen. Woher wissen sie es denn, daß es Gott nicht so genau nimmt? Ist es nicht eine Meinung, die aus ihrer Sündenliebe - ein elender Schluß, der aus ihrem Herzen herauskommt? Zeuget nicht das ganze Wort Gottes gegen diese Sprache? Da heißt es: „Lasset euch Niemand verführen mit vergeblichen Worten, denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens.“ Und zu was machen wir Gott durch solch' eine Sprache? Zum Sünder! Was würden wir von Eltern denken, die ihren Kindern, wenn sie in Sünden gerathen, durch die Finger sehen, und es nicht so genau nehmen würden? wir würden sagen: sie sind ja selbst Schuld daran; sie helfen ja ihren Kindern zu ihren Sünden. Oder wenn eine Obrigkeit die strengsten Gesetze gäbe, aber es käme dabey nicht zur Vollziehung, sie ließe das Morden und Stehlen ungestraft hingehen; würden wir sagen: das ist eine recht gute Obrigkeit! das ist eine barmherzige Obrigkeit! Nein, liebe Zuhörer! wir würden sagen: das ist eine gottlose Obrigkeit! die ganze Welt wird ja ruinirt. Sehet nun, so wälzen Die, welche sagen, Gott nehme es mit der Sünde nicht genau, die Schuld auf Gott hin. Manche erkennen die Strenge des göttlichen Gesetzes, sie bleiben aber doch in ihren Sünden; um nun doch ihrem Gewissen einigermaßen Genüge zu thun, erhebt sich in ihrem innersten Herzensgrunde ein geheimes Murren gegen Gott; warum hat Er auch solche Gesetze gegeben, die Niemand halten kann? Er hat ja durch's Gesetz, das Er gegeben, mir alle Weltfreude mißgönnt, und hat doch gesehen, wie der Mensch eine Freude an weltlichen Dingen und Vergnügungen hat, warum hat Er sie ihnen denn abgeschnitten? warum will Er's ihnen nicht gestatten? Ist Er durch die Strenge Seines Gesetzes nicht selbst Schuld daran, wenn kein Mensch sie hält? Ist Er nicht Schuld an der Sünde? denn wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Sünde, und wo ein strenges Gesetz ist, da ist auch große Sünde. Sehet, liebe Zuhörer! das ist die Sprache der über das Gebot Gottes ergrimmten Natur, und prüfet euch nur, ob euch nicht auch schon solche Gedanken gekommen sind; ich will nicht sagen, daß ihr's ausgesprochen habt, ich will nur sagen, daß es in dem inwendigen Herzensgrunde sich geregt hat. Ist's nicht so? Man erkennt die Schärfe des Gesetzes; man will aber eben einmal in der Sünde bleiben; man hat sie zu lieb; was thut man? Statt sich über seine Sündenliebe zu demüthigen, statt mit Ernst und Eifer das neue Leben, das Christus mittheilt, zu suchen, gehet man hin und versteckt sein Herz gegen Gott, und sucht die Schuld in dem Gesetze und in Gott, nicht in sich selber. Ein Anderer kann dagegen sagen: „wir sind allzumal Sünder“, und so sucht er in der allgemeinen Sünde eine Beruhigung für sein verwundetes Gewissen. Wenn man aber auf den Grund geht, was will er denn damit? Auf Gott wälzt er die Schuld hin, Der ihn so erschaffen hat, Der den ersten Sündenfall nicht verhindert hat, Der ihn in die Welt gesetzt hat, da sein Loos ist, ein Sünder zu seyn. Sehet, so gibt man mit seinen Entschuldigungen Gott die Schuld; welche furchtbare Sünde und Gotteslästerung begeht man da? Meinet ihr, ein Solcher werde am jüngsten Tage seine Schuld auch noch auf Gott schieben können? Ich glaube nicht. Und was soll ich von Denen sagen, die Christus zum Sündendiener machen? Sie geben vor, an Christum zu glauben, aber sie bleiben doch in ihren Sünden; sie sündigen auf die Gnade hinein; „das Verdienst Christi deckt ja Alles zu“, wofür sollten sie sich also so ängstlich vor der Sünde hüten? Ja, wenn Christus gekommen wäre, um Freiheit zum Sündigen uns zu erwerben; dann könnte man mit Recht sagen, Gott sey der Urheber der Sünde, dann hätten diese Menschen Recht. Aber was hätten wir dann für einen Gott? dann wäre Er nicht der Vater des Lichts, nicht der heilige Gott, der Er ist. Aber es ist nicht so, Christus ist gekommen, um uns von der Herrschaft der Sünde zu erlösen, nicht uns unter ihre Herrschaft zu bringen. Das bleibt eine ewige, göttliche, unumstößliche Wahrheit, wie vor 1800 Jahren, so noch heute; der feste Grund Gottes bestehet, und hat dieses Siegel: „es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt.“ O ihr armen betrogenen Seelen, die ihr meinet, an Christum zu glauben, und doch noch die Sünde, wenn auch nur mit dem innersten Geiste, lieb habt, die ihr euch auf das Verdienst Christi als auf ein Ruhekissen eures Fleisches hinleget. Wisset, daß euer Glaube eitel ist! werdet doch einmal nüchtern! bedenket doch, daß ihr Christum zum Sündendiener, zum Sünder machet, der darum gekommen seyn soll, daß die Menschen ungestört, ohne Vorwurf des Gewissens sündigen können - und Er ist doch um unserer Sünde willen gestorben, ist der größte Feind der Sünde. - Liebe Zuhörer! ein jeder Mensch, der kein gebrochenes Herz hat, der sich nicht demüthiget, und seine Sünde nicht bey sich sucht, der nicht mit Eifer trachtet, selig zu werden, der macht Gott zum Urheber der Sünde. So sind in unserem Herzen erstaunlich finstere, satanische Gedanken gegen Gott, welche die wenigsten Menschen wissen, weil sie ihnen nicht offenbar werden. Das eine Mal hält man den großen Gott für einen harten Mann, das andere Mal für einen ungerechten, das dritte Mal für gutmüthig und schwach, das vierte Mal für einen Sünder. Und aus diesen Grundgedanken heraus, die im ungläubigen Herzen von Natur liegen, handelt, denkt und redet der Mensch, ist ein Lästerer und Feind Gottes, ohne daß er es selber weiß, ja, während er die allerbesten Begriffe von Gott in seiner Erkenntniß hat. O glaube doch ja Keines, daß es so gar weit von dieser Gesinnung entfernt sey! Diese Wurzeln sind in Aller Herzen, und wenn die Gnade nicht wehrt, so bleiben wir Alle in dieser Rebellion gefangen. O, es ist ein entsetzlich tiefer, satanischer Grund des Unglaubens und des Meisterns der göttlichen Wege und der Unbeugsamkeit unter Sein Gesetz und der Rechthaberey und des Murrens gegen Gott in aller Menschen Herzen, so lange nicht die Gnade Gottes Alles durchdrungen und bezwungen hat, und die ganze alte Feindschaft im Fleische durch die Liebe Christi ausgetrieben ist.

So weit muß es bey uns kommen, denn wir dürfen, was ich

II.

beweisen will, nicht in jenen satanischen, finstern Gedanken von Gott bleiben. O, liebe Zuhörer, es ist nichts so Geringes um diese harten, finstern Gedanken, nichts so Geringes um diesen ungläubigen Herzensgrund, um diese schreckliche Gewohnheit, die Schuld der Sünde auf Gott zu schieben. Wenn der Heiland Einem zuruft, es sey Zeit, sich zu bekehren, und man sagt: es ist noch lange Zeit zum Bekehren, ich will es ersparen auf mein Krankenbett, auf das Todtenbett; so ist es nichts Geringeres, denn da macht man ja den Heiland zum Lügner. Gott ist der Vater des Lichts, und alle guten Gaben sind ein Ausfluß von Ihm; wenn wir nun hinstehen, und machen Ihn zum Urheber unserer Sünde, so ist das nichts Geringes. Wir sind in Sünden empfangen und geboren, und von der Sünde durch und durch vergiftet, wir hören nichts als Sünde, wir sind (ich bediene mich dieses Ausdrucks) Sündenwürmer, und doch stehen wir hin, und ziehen den Gott, Der die Liebe ist, in unsere Art herein. Das ist nichts Geringes. Gott ist die Liebe; aus Liebe hat Er Seinen Sohn in die Welt gesandt; der Heiland hat für mich und für euch Alle eine ewige Erlösung erfunden; und wir stehen hin und glauben nicht, daß Er unsere Wünsche stillen und uns sättigen könne, und fassen kein Zutrauen zu Ihm. Dieser Unglaube ist nichts Geringes! Gott ist heilig, und so sehr Er die Sünder leibt, so sehr haßt Er die Sünde; „Er ist nicht ein Gott, dem gottloses Wesen gefällt; wer böse ist, bleibet nicht vor Ihm!“ Christus ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, das so schwer für unsere Sünde gebüßt hat; - und wir stehen hin und sagen: Er nehme es mit der Sünde nicht genau. Das ist nichts Geringes! Die Sonne ist aufgegangen, der Tag ist angebrochen, und wir bleiben in der Sündenhöhle, und lassen den Riegel, der unsere Herzen verschließt, nicht von JEsus durchbrechen. Dieß ist der größte Undank und Sünde gegen den Heiland. Dieß ist nichts Geringes. Wo will das Alles hinaus? Mit welch' heiligem Ernste mag der Vater der Lichter auf diese verkehrte Art herabsehen? Dürfen wir da noch in solchen finstern, satanischen Gedanken von Gott bleiben? Irret nicht, lieben Brüder! wo ein solcher Herzensgrund noch Statt findet, da ist der Mensch noch unter dem Zorne Gottes; denn er hat sich ja empört und aufgelehnt in seinem innersten Grunde gegen die Majestätsrechte Gottes; er gehöret ja noch zu den Feinden des Allmächtigen, die weder Seine Gebote, noch Seine Liebe erkennen. Da möge sich doch Keines täuschen, da möge doch Keines denken: ach, ich meine es ja nicht so übel, mein Herz ist ja nicht so böse, ich denke ja wohl anders von meinem Gott. Irret nicht, es kommt nicht darauf an, was du von Gott auswendig gelernt hast, nicht darauf, was du dir in deinem Begriffe von Ihm vorstellst; es kommt auf den Grund des Herzens an, auf diesen siehet Gott. Sind durch die Wiedergeburt neue Gedanken von Ihm in dein Herz gepflanzet, wahre göttliche Gedanken, so wirst du es wohl wissen, was dir geschehen ist, denn solches geht nicht im Schlafe zu. Ist aber noch die alte Geburt in dir, der Schlangensame, so bist und bleibest du noch unter dem Zorne Gottes. Wenn man in solchen finstern, satanischen Gedanken von Gott bleibt, wie kann da in einem solchen Herzen der Friede Gottes aufkeimen und Platz gewinnen? Wie kann da, wo noch so viel Mißtrauen, wo noch so viel Kälte, wo noch so viel Finsterniß ist, wie kann da der Fürst des Friedens, der Vater der Lichter Seinen Frieden einsenken? Im Brief an die Römer im 5. Kap. steht ganz deutlich: „Nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott.“ Der Friede Gottes kann also nur in einem Herzen Platz gewinnen, das den wahren, den lebendigen Glauben in sich hat pflanzen, und alle die ungläubigen und finstern Sündengedanken hat aus sich hinaustreiben lassen. Wo aber dieß nicht der Fall ist, da ist heimliches Mißvergnügen, da ist Zorn und Neid und Haß auch gegen den Nebenmenschen, da ist noch Unruhe, man hat keinen Gott, keinen Punkt, worin man ausruhen kann, man ist geschieden von dem Urquell der Seligkeit. Sieh', darum ist ein solches Feuer der falschen Lüste, ein solches Feuer der Feindschaft, der widerstrebenden Begierden, der Gedanken, die sich unter einander verklagen und entschuldigen, darum ist so viele Unruhe in dir und kein Friede, ach, der Friede nicht, der über alle Vernunft gehet - darum, weil die alten Wurzeln des ungläubigen finstern Herzens noch fest stehen, weil du so schreckliche Gedanken in deinem Herzensgrunde gegen deinen Gott hast; denn nur im Glauben ist Liebe, und nur in der Liebe ist Seligkeit und Frieden. Darum kannst du auch nicht von der Sünde los werden, so sehr du dich darum mühest; du willst die Sünde nicht Meister seyn lassen, aber du bist an sie hingebunden. Woher kommt das? Das kommt daher, weil du nicht auf die Wurzel zurückgehest, weil du die Wurzel nicht willst tödten lassen, weil du keine andere neue Grundlage in dich willst pflanzen lassen, weil du keinen rechten Glauben in dir hast; denn der Glaube allein, der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Wo will es aber zuletzt hinaus, wenn ein Mensch sich durchaus nicht aus seiner Verschanzung, aus seinen satanischen Grundgedanken, die er von seinem Gott hat, will heraustreiben lassen? Der Heiland sucht alles Mögliche anzuwenden, um die Finsterniß zu überwinden; Er kommt bald mit Seiner Wahrheit, bald mit Seiner Liebe; in Seinem Wort stellt Er sich als die heilige Liebe unzählige Male dar; Er tritt an das Herz; Er klopft an; Er thut, was Er kann; Er schickt Leiden; Er sucht den harten Nacken zu beugen; Er bringt den Menschen in Noth, um ihn zu seinem Schöpfer hinzutreiben; Er wendet Alles an, damit doch der Mensch in dieser kurzen Gnadenzeit recht und völlig zur Besinnung komme. Und oft gelingt es Ihm auch bey einer Seele. Aber wenn es Ihm nicht gelingt, wenn eben der Mensch sein Herz zuschließt, und auf seinem finstern Grunde beharrt, was dann? ach, sie gehen dann ohne Freude dahin, in die Ewigkeit, in die Hölle! Man geht in die Hölle, und bringt eine Hölle mit, da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöschet, da ewiges Klagen und Aengsten seyn wird. Das ist schrecklich! das ist fürchterlich! O, liebe Brüder! o meine armen Mitbrüder und Mitschwestern, die ihr noch so trübe, finstere Herzensgedanken gegen Gott, die ihr keine Liebe zum Heiland habt, wollet ihr denn in diesem Elende bleiben, fühlt ihr denn nicht das Feuer des göttlichen Zorns, das in euch brennet durch euren Eigensinn, durch euren Hochmuth, durch eure Sünden und Lieblingsneigungen, die euch Tag und Nacht zu keiner Ruhe, Frieden und Erquickung kommen lassen? Soll's denn so fortgehen bis in die dunkle Ewigkeit hinein? Ist's denn so gut in der Finsterniß seyn? Sehet, das Licht ist ja erschienen, der Tag ist ja gekommen, die große Friedensstunde hat ja geschlagen. O, wer Ohren hat, zu hören, der gehe an's Licht! Heraus aus der Finsterniß, an's Licht zum HErrn JEsu!

Schmücke dich, o liebe Seele,
Laß die dunkle Sündenhöhle!
(Ist's denn so gut in der Sündenhöhle seyn?
Komm' an's helle Licht gegangen,
Fange herrlich an zu prangen,
Denn der HErr voll Heil und Gnaden
Will dich jetzt zu Gaste laden.

Bedenk' es! dich armen, schnöden, finstern Sünder zu Gaste laden! Der HErr JEsus - zu Gaste laden! Das ist ja ein unbegreifliches Wunder!

Der den Himmel kann verwalten,
Will jetzt Herberg' in dir halten.

Der HErr des Himmels und der Erden will in dir, wo vorher die Sünde Herberge gehalten, Herberge halten! JEsus will in dir Herberge halten! O liebe Zuhörer, es ist Etwas, wenn das steinharte Herz zu einem fleischernen Herzen gemacht wird; es ist Etwas, wenn man Gott auch loben und danken kann, da vorher durch den Unglauben gleichsam ein eiserner Ring um das Herz herumgelegt war, der alle Gedanken des Lobes und der Freude am Schöpfer zusammenschnürte und erstickte.

III.

Aber wie müssen wir es machen, daß wir aus jenen finstern Gedanken von Gott in das Licht der Wahrheit hineinkommen? Das könnet ihr nicht selber machen, das muß euch gegeben, geschenkt werden. Es sind Gaben, die nicht aus euch kommen, und wenn ihr euren Herzensgrund zerschlagen und zermalmen wolltet, so hilft das Alles nicht; Er muß euch die neue Creatur schenken, sonst Keiner, denn Gott will lauter Leute, die Alles geschenkt von Ihm haben. Oder kann auch ein Kind etwas dazu beytragen, daß es gezeugt und geboren werde? Ebenso ist es ein reines Werk Gottes, wenn ein Mensch aus dem Tode zum Leben, aus der Feindschaft gegen Gott zur Freundschaft und Liebe seines Schöpfers kommt. Man kann's nicht erkaufen, nicht erhandeln, nicht erkämpfen, es ist Seine Gabe. Gut! sagst du, aber damit ist mir noch nicht gedient; ich fühle, es sollten ganz neue Gedanken und Gefühle von meinem Gott in mich gepflanzt werden; aber da möchte ich wissen, was ich dabey zu thun habe. Wenn du das wissen willst, so kann dir's gesagt werden. Gott sagt es dir: „gib mir, mein Sohn, dein Herz.“ Gib Ihm dein steinernes Herz, so wird Er dir ein fleischernes, ein weiches, ein erneuertes Herz geben; gib Ihm deinen Unverstand, so wird Er dir Verstand geben; gib Ihm deinen Hochmuth, so wird Er dir Verstand geben; gib Ihm deinen Hochmuth, so wird Er dir Demuth geben; gib Ihm deinen Ungehorsam, Er gibt dir denn Gehorsam; gib Ihm dein Mißtrauen, Er gibt dir Vertrauen; gib Ihm deine Feindschaft, Er gibt dir Liebe; gib Ihm Alles, was du hast, Er gibt dir Alles, was Er hat. Sage z.B. zu deinem Heilande (denn zum Heilande mußt du kommen mit deinem Elend, das ist der Wille des Vaters): Siehe! ich bin so arm, ich habe nichts, ich kann nicht danken, ich kann nicht loben, ich kann nicht beten, es ist keine rechte Kraft in mir, ich weiß nicht, was ich anfangen soll, ich bin ein Sünder, ein greulicher, ein verzagter, ich bin ein erstorbener Mensch; HErr, erbarme Dich, vergib mir meine Schuld, mache mich zu einem neuen Menschen, der Dir wohlgefällig lebt. - Aber ich habe Ihn schon so oft um ein neues Herz gebeten, es ist noch nicht anders mit mir geworden. Vielleicht, lieber Mensch! hast du nur um das neue Herz gebeten, und Ihm das alte nicht gegeben; oder du hast das alte, während Er es nehmen wollte, wieder zurückgezogen und behalten. Nicht wahr, das ist der Grund deines Elends? Man betet: nimm mir meinen Hochmuth! Nun kommen Demüthigungen, da will man sich's nicht gefallen lassen. Man betet: nimm mir meine Ungeduld! Nun kommen Gedulds-Uebungen, da heißt es: ja, so hab' ich's nicht gemeint; ich habe gemeint, es sollte ohne Schmerzen abgehen; also läßt man seine Ungeduld wieder aus und denkt: das ist nur dießmal so, ein andermal will ich gewiß geduldig seyn. Doch vielleicht sind solche Seelen unter uns, denen es recht darum zu thun ist, daß sie neue Herzen und neue Gedanken bekommen. Ihr Seelen, die ihr das wünschet und suchet, die ihr überzeugt seyd, daß ihr ein neues Herz brauchet: erkennet eure Bosheit und Verdorbenheit! habt keinen Unglauben mehr! - denn das ist die größte Sünde, wenn man nicht an den Heiland glaubt - wendet euch, fliehet zum HErrn Jesu und saget: Hilf mir, HErr Jesu! Du bist mein und ich bin Dein; offenbare mir doch Deinen großen JEsus-Namen und Deine ewige Erlösung. Wenn ihr den Heiland so bittet, dann werdet ihr Kinder des Lichts werden, und sagen können, wie Jakobus sagt: „Er hat uns gezeuget nach Seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf daß wir wären Erstlinge Seiner Kreatur.“ O wer fasset dieses Wort: „Erstlinge Seiner Kreatur“ zu werden? Und so wollen wir denn unsere Gedanken und Begierden und Wünsche zusammenfassen, und also beten: HErr JEsu, Du siehest und weißest und kennest alle diese Geister, die hier sind; Du weißest, was einem Jeglichen unter ihnen fehlet, daß sie nicht ganz völlig zum Licht hindurchdringen können. Ach, reiße Alle, reiße, was du herausreißen kannst, heraus aus der Finsterniß zum Licht! Offenbare an uns Allen Deine Liebe und das Blut der Versöhnung.

Ach, HErr, Du majestätischer,
Du schrecklicher und großer König!
Du aber auch so freundlicher,
Dem Eine Seele nicht so wenig!
(und sieh', hier sind so viele Seelen!)
Laß uns durch Deinen liebe Sohn
Die ewige Erlösung finden;
In Ihm, dem wahren Gnadenthron,
Laß uns den Hoffnungsanker gründen!
Denn die in JEsu seyn,
Die macht der Vater rein,
Wenn sie im Licht, wie Er ist, wandeln.

Ach, mache uns zu neuen Kreaturen; wir können Dir nichts dafür geben, es ist ein reines Geschenk von Dir; so schenke uns nun aus Barmherzigkeit als neuen Kreaturen neuen Gedanken, neue Herzen. Wir wollen uns Dir ganz zum Eigenthum geben, wir wollen ewig Dein seyn, damit wir Dich ewig loben und preisen mögen mit allen Denen, die droben sind. Amen!

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