Hofacker, Ludwig - An seinen Freund P. in Basel

Hofacker, Ludwig - An seinen Freund P. in Basel

26. Juli 1827

Du bist eben immer noch leidend. Wenn ich indessen an dich und deine Gaben gedenke, so muß ich sagen: der Heiland machts recht wohl, daß er dich nicht aus dieser Schule läßt, und dir immer wieder die Flügel schneidet. Das kann ein Anderer fast besser beurtheilen als wir selbst. Dadurch wird man eben hübsch ordentlich in der Niedrigkeit erhalten, und vor gar zu hohen Flügen bewahrt, und wenn's auch nur dieses ist, so ist's ein unberechenbarer Gewinn. Das erfahre ich wohl, daß das Leiden, wenigstens soweit ich etwas davon in meinem geringen Theil erfahren habe, nicht für sich allein im Stande ist, das Herz weich und mürbe zu machen; wenigstens war es bei mir bisher nicht genugsam der Fall, sondern dazu gehört etwas Anderes, nämlich - ich schreibe es mit Scheue - das Blut des Lammes Gottes. Aber wenn man durch den Druck der sterblichen Hülle und dergleichen Dinge nur vor groben Ausschweifungen bewahrt wird, so ist in der That bei Geschöpfen von unsrer Art schon viel gewonnen. Insofern möchte ich nun auch um aller Welt Güter nicht, daß mich der Heiland aus dieser Zucht, aus dieser, wenn auch geringen, doch reellen Gemeinschaft seines Kreuzes entließe. Ich kann nicht glauben, daß es meiner Seele gut wäre, wenn ich ganz ruhige und gute Tage in dieser Welt bekäme. Wie wäre ich dann auch ein Nachfolger des Menschensohnes? Nein, der Heiland soll fortfahren und uns züchtigen, nur nicht zu scharf, damit wir seine Heiligung erlangen.

Ein Tag geht um den andern herum, und der Herr ist so herablassend gegen mich, daß er, wenn mir nur von fernher eine Sorge aufsteigen will, mich derselben überhebt. O wie gnädig ist er gegen mich! Ich kann mich nicht recht darein finden, und wenn ich den Lauf Anderer betrachte, so weiß ich nicht, warum er mich so manches Kelches, den Andere trinken, überhebt, so daß er mir nicht zum Munde kommt. Indeß ist mirs wieder oft so zu Muthe, daß ich nie völlig mehr genesen werde. Ich möchte aber doch auch noch etwas nütze sein in dieser Welt und an dem Reiche Gottes bauen helfen, soviel an mir ist, ehe mein Lauf zu Ende geht. Dieses ist mein Wunsch, sowie, daß mich der Heiland in seiner Versöhnung vorher ganz vollenden möchte. Herzlich geliebter Bruder! Laß uns aufsehen auf Jesum, und laufen in dem Kampfe, der uns verordnet ist. Der Heiland führt bei den Seinigen Alles herrlich hinaus. Dieß habe ich nunmehr schon so unzählige Male erfahren; sollte er es nicht auch thun in dem, was mir am wichtigsten ist: in der Vollendung seines Liebesrathes an deiner und meiner Seele? Der treueste Seelenfreund Jesus erquicke und stärke uns zum ewigen Leben!

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

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