Harms, Ludwig - Am Abend vor Weihnachten.

Gnade sei mit uns und Friede von Gott dem Vater und unserem HErrn Jesu Christo. Amen.

Text: Ev. Matth. 1,18-25.
Die Geburt Christi war aber also getan. Als Maria, Seine Mutter, dem Joseph vertraut war, ehe er sie heimholte, erfand sich's, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Joseph aber, ihr Mann, war fromm, und wollte sie nicht rügen; gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Indem er aber also gedachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des HErrn im Traum, und sprach: Joseph, du Hohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Gemahl, zu dir zu nehmen; denn das in ihr geboren ist, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, des Namen sollst du Jesus heißen; denn Er wird Sein Volk selig machen von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, auf dass erfüllet würde, das der HErr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht: Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein, und einen Sohn gebären, und sie werden Seinen Namen Immanuel heißen, das ist verdolmetschet Gott mit uns. Da nun Joseph vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm des HErrn Engel befohlen hatte, und nahm sein Gemahl zu sich; und erkannte sie nicht, bis sie ihren ersten Sohn gebar; und hieß Seinen Namen Jesus.

Wie bin ich doch so herzlich froh,
dass mein Schatz ist das A und O,
der Anfang und das Ende.
Er wird mich auch zu Seinem Preis
aufnehmen in das Paradeis,
des klopf ich in die Hände!1)

O meine Lieben, ich bin so sehr fröhlich heute Abend, und ich denke, ihr seid es auch. Sonst wärt ihr ja wohl nicht an diesem Abend hierher gewandert Stunden weit. Die Nacht ist euch nicht zu dunkel gewesen, der liebe Gott hat euch ja die hellen Sterne scheinen lassen; Schnee und Eis ist euch auch nicht zu kalt gewesen, Jesus erwärmte euch das Herz und ließ vor lauter Freude die Füße munter zutreten. Und nun sind wir hier in unserer lieben, lieben Kirche mit ihren vielen hellen Lichtern, dass es fast so hell ist als am Tag. Und da auf dem Chor um den schönen Weihnachtsbaum, den die Liebe zu Jesu so schön geziert hat, da steht ihr lieben großen und kleinen Kinder und freut euch des allerschönsten Geschenkes, welches dieser heilige Abend bringt, des teuren Jesuskindes, dass diese Nacht geboren ward in Bethlehem im Stall und in einer Krippe lag! Viele hundert Jahre haben unsere Väter den heiligen Weihnachtsabend hier in dieser hellerleuchteten Kirche gefeiert, nachdem sie sich in der letzten Adventswoche hier jeden Abend eingefunden hatten zum Gebet um ein gesegnetes Weihnachten. Ach, das alles war in der bösen Zeit, die nun Gottlob hinter uns liegt, so nach und nach abgekommen. Und nun hat es der liebe Heiland alles wiedergebracht. Wir sind in dieser Woche auch hier jeden Abend zusammengekommen und haben gebetet: HErr Jesu, schönes Kindelein, mach Du mein ganzes Herze rein, zu sein Dein liebes Wiegelein, dass ich nimmer vergesse Dein! Und nun ist dieser liebe Abend da. O lasst uns jetzt gleich mit einander singen nach der alten Weise und in Begleitung der Posaunen: Nun singet und seid froh usw., ganz zu Ende! Das ist ein rechter Jubelgesang, nicht wahr? der zieht das Herz mächtig nach oben, der gibt Lust, nach dem Freudenort zu gehen, wo unser lieber Jesus ist. Eya, wären wir da! Eya, wären wir da! Und nun hört recht zu, ihr Lieben groß und klein, wir wollen jetzt nach Anleitung unsers vorhin verlesenen Textes andächtig mit einander betrachten:

wie es mit unsers HErrn Jesu Geburt zugegangen ist?

Zuvor aber lasst uns beten: Jesu, schönstes Kind, wahrer Gott und Mensch. Ich kann nicht begreifen Deine Liebe, aber anbeten kann ich und im Staub vor Deiner Krippe liegen und mich nicht satt sehen an Dir! O Du höchster und erster und größter, der Du der niedrigste und letzte und kleinste geworden bist, und doch der höchste, erste und größte geblieben, der Du den Himmel und die Erde umspannst mit Deiner Hand und doch in der Krippe Raum hast: schönstes Kindlein in der Krippen, komm zu uns, lass Dich erbitten, komm ins Herz hineingeschritten, lass es Deine Herberg sein! Gib uns Deinen Geist, der uns in alle Wahrheit leite. Amen.

I.

Es war eine Zeitlang sehr dunkel bei der Geburt Jesu Christi. Die Jungfrau Maria aus dem Stamm Davids war die verlobte Braut eines Mannes, der auch aus dem Stamm Davids war, mit Namen Joseph. Beide waren arm, denn das Geschlecht Davids war sehr heruntergekommen, so dass z. B. Joseph die Zimmeraxt anstatt des Königszepters führen musste. Aber das ist nicht das Dunkel, welches ich meine. Denn Armut ist keine Schande und ist auch kein Unglück. Wenn wir Nahrung und Kleidung haben und einem jeden gleich und recht tun können, so brauchen wir weiter nichts, müssen ja doch alles Irdische hier lassen. Außerdem wissen wir ja, dass beide, Maria und Joseph, von Herzen fromm waren, dass also ihr Sinn nach dem Himmel stand, und solchen Leuten hängt das Irdische gar nicht am Herzen; Reichtum und hohen Stand begehren sie also nicht, weil sie wissen, dass sie hier Pilgrimme und Fremdlinge sind. Und ums tägliche, ehrliche Brot ist ihnen nicht bange, sie können ja beten und arbeiten. Beide hatten sich als fromme, ehrliche Brautleute von Herzen lieb, und solche fromme Liebe ist ein so reiches Kapital, dass die irdische Armut ganz dagegen verschwindet. Aber nun denkt euch Josephs Schrecken und tiefen Herzenskummer, als sichs erfand, dass Maria, seine Braut, schwanger war. Unser Text setzt freilich hinzu: vom heiligen Geist, und wir wissen das ja auch aus der wunderschönen Geschichte Luk. 1. Aber Joseph wusste das nicht. Da denkt ihr nun wohl: wie ist das möglich? warum hatte denn Maria ihm das nicht gesagt? das hätte sie doch tun sollen, denn Joseph war ja ihr Bräutigam! Ihr habt auch Recht, Brautleute sollen ja billig kein Geheimnis vor einander haben, so wenig als Eheleute, denn das herzlichste Vertrauen, das immer aus wahrer Liebe hervorgeht, soll ja unter ihnen herrschen. Und doch sage ich euch, ihr müsst Maria nicht schelten, denn in diesem Fall hat sie ganz recht getan. Denn Gott selber hat ihr Seinen heiligen Engel gesandt und ihr kund getan, dass sie vom heiligen Geist schwanger werden und Jesum gebären solle; aber Gott hat ihr nicht sagen lassen, dass sie es weiter erzählen soll. Und so muss sie, so hart es ihr auch ankommen mag, als eine demütige, gehorsame Magd des HErrn, still schweigen, selbst gegen ihren Bräutigam Joseph. Will der HErr, dass dies wunderbare Geheimnis offenbar werden soll, so muss Er es ihr sagen, dass sie es offenbaren soll, oder Er muss es auf andere Weise offenbaren.

Wie schwer ihr aber dieser demütige Gehorsam geworden sein mag, könnt ihr euch leicht denken. Sie musste sich ja vorstellen, wenn ihre Schwangerschaft offenbar wurde, dass Joseph sie für eine grundschlechte Person, für eine abscheuliche Heuchlerin halten müsse. Er konnte sich ja nicht anders denken, als sie müsste in Hurensünde gefallen sein und das noch dazu während ihres Brautstandes, welches ja eine eben so scheußliche Sünde ist, als der niederträchtigste Ehebruch. Und dann war es mit ihrem irdischen Glück zu Ende; denn dass Joseph, welcher fromm war, nimmermehr eine Hurenbraut heimführen würde, das konnte ein Blinder einsehen. Das alles muss Maria sich vorstellen, sie kann es ja sich nicht verbergen. Aber dabei könnt ihr recht erkennen, wie von Grund des Herzens gläubig, wie wahrhaft fromm diese Maria gewesen ist. Um ihres Gottes willen, dessen Magd sie ist, ist sie bereit, Alles zu verleugnen, Alles aufzuopfern, das ganze Glück ihres irdischen Lebens, selbst ihre reine, heilige Liebe zu ihrem Bräutigam Joseph. Ja sie ist bereit, in Josephs Augen für eine Treulose, für eine Heuchlerin, für eine Hure zu gelten, wenn Gott das von ihr verlangt, lieber, als dass sie die Treue und den Gehorsam hätte verletzen wollen gegen ihren Gott und HErrn. Das heißt doch in der Tat um Gotteswillen alles für Schaden und Dreck achten. Was mag dabei für ein Kämpfen, Ringen, Weinen und Beten in ihrem Herzen und Kämmerlein Statt gefunden haben. Aber der Glaube behielt den Sieg!

Als nun ihre Schwangerschaft offenbar wurde, da kam der Kampf und die Finsternis auch auf Joseph. Auf Marias Treue hatte er Häuser gebaut, und nun zeigte ihre Schwangerschaft doch, dass sie ihn betrogen habe. Er hatte gedacht, nun bald mit ihr in die Ehe zu treten und sein Hauswesen mit ihr zu beginnen, mochte sich wohl manche schöne Gedanken und Träume gemacht haben, wie glücklich, fromm und einträchtig sie mit einander leben wollten und gleichsam schon den Himmel auf Erden haben. Und nun war das alles zu Wasser geworden, Maria hatte ihn auf das schändlichste betrogen nach seiner Meinung, ja sie musste ihm ganz verstockt vorkommen, da sie so hartnackig über alles schwieg, auch nicht eine Silbe darüber ausgehen ließ, weder bekannte, noch um Vergebung bat. Nun, was meint ihr, dass Joseph getan habe? Er hatte nach dem Gesetz das Recht, sie vor Gericht zu stellen, und wenn sie schuldig erfunden wäre, sie verfluchen zu lassen vor dem ganzen Volk, dass sie ein Scheusal geworden wäre vor allen. Aber das wollte Joseph nicht, er wollte sie nicht rügen, d.h. vor Gericht stellen, denn, heißt es, er war fromm, darum gedachte er sie heimlich zu verlassen. Das war ein so edler, großmütiger Entschluss, dass man Joseph in der Tat nicht genug hochachten und lieben kann. Denn in der Tat, unter tausend frommen Männern findest du doch kaum einen, der so fromm wäre. Denn damit hätte Joseph die ganze Schuld auf sich genommen, er würde dann als der Vater des Kindes angesehen sein, das Maria unter ihrem Herzen trug. Und somit wäre er dann als der Treulose erschienen, als ein Mensch, der schändlicher Weise seine verlobte Braut, nachdem er sie zu Fall gebracht, verlassen hätte und ließe sie nun sitzen und zusehen, wie sie mit ihrem Kinde durch käme. Woher solcher Edelmut? Eben weil Joseph fromm war. Solche Leute sehen auf Gott, und nicht auf sich selbst. Er hatte Maria so herzlich geliebt, darum wollte er das Böse mit Gutem vergelten. Dazu wusste er, wie der gute Ruf eines Weibes noch viel empfindlicher ist, als der eines Mannes, der sich in einem solchen Fall noch eher durchschlagen kann. Und so fasst er den großmütigen Entschluss, Maria heimlich zu verlassen, so alle Schande und Schmach der Treulosigkeit auf sich zu nehmen, überzeugt, dass Maria nun allgemeine Teilnahme finden würde, da ihr Bräutigam sie verließ. Dass das alles auch bei ihm durch die schwersten Kämpfe hindurch gegangen ist, könnt ihr euch leicht denken. Und so weiß man denn in der Tat nicht, wen von den beiden man am meisten lieben und bewundern soll. Unser lieber HErr Gott aber lässt wohl sinken, jedoch nicht ertrinken. Wie Er einst Abraham das schwere Opfer ersparte, seinen geliebten Sohn zu schlachten, da Er sah, dass Abraham gehorsam war, und die Traurigkeit in Freude verkehrt, so machte Er es hier auch. Lasst uns

II.

sehen, wie das Dunkel in Licht verkehrt wurde. Indem Joseph also gedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des HErrn im Traum und sprach: Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Gemahl, zu dir zu nehmen. Denn das in ihr geboren ist, das ist von dem heiligen Geist. Gott selber trat also ins Mittel, denn Er konnte weder Seinen treuen Joseph, noch Seine treue Maria verlassen. Er hat ja noch niemals einen verlassen, der auf Ihn getraut hat. Er sandte Seinen Engel zu Joseph und tat ihm kund, dass Maria ihrem Bräutigam die Treue nicht gebrochen habe, dass sie nicht eine leichtfertige, heuchlerische Person sei, wie es den Anschein habe, sondern dass sie durch den heiligen Geist schwanger geworden sei, dass also ihre Schwangerschaft nicht eine Sünde, sondern vielmehr die größte Ehre sei, indem sie von Gott zu der Mutter des Messias erwählt sei, von welchem schon der Prophet Jesaias geweissagt hat: sieh eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden Seinen Namen Immanuel heißen, das ist verdolmetscht: Gott mit uns. Das war es aber eben, was Joseph und mit ihm alle frommen Israeliten schon lange mit der größten Sehnsucht erwartet hatten, die Geburt des Messias, das war es, um welches sie gebetet und gefleht hatten tagtäglich: Hüter, ist die Nacht schier hin? Hüter, ist die Nacht schier hin? Und nun war sie da, diese lange erwartete, heiß ersehnte Zeit, der Engel verkündigte ihm, Maria habe bereits durch die Kraft des heiligen Geistes den Messias empfangen! Da war alle Dunkelheit weg und lauter Licht da; die Traurigkeit war weg und lauter Freude da. Wie manchmal hatten wohl Joseph und Maria selber bei ihren vertraulichen Unterhaltungen davon gesprochen, ob wohl bald die Verheißungen der Propheten erfüllt wären. Denn fromme Brautleute haben andere Sachen mit einander zu besprechen, als fleischliches Liebesgeschwätz und Narrenteidinge. Und nun war nicht nur der Messias bereits empfangen, sondern Maria, Josephs Braut, war die gebenedeite, hochbegnadigte Jungfrau, welcher die Ehre zu Teil geworden war, den Sohn Gottes in ihrem jungfräulichen Leib zu empfangen. Mit welcher Ehrfurcht und Liebe musste nun Joseph seine Braut ansehen, da ihr Leib der Thron Gottes war!

Und noch größer wurde seine Freude, da der Engel ihm befahl: fürchte dich nicht, Maria, dein Gemahl, deine verlobte Braut zu dir zu nehmen, sie jetzt in dein Haus zu führen. Denn du sollst den Namen des Sohnes, den sie gebären wird, Jesus heißen. Du also sollst Vaterstelle an dem Sohne Gottes vertreten, du sollst die Gnade und Ehre haben, für Maria, die Mutter, und für Jesum, ihren Sohn, zu sorgen, sie zu nähren, zu schützen, zu leiten und zu führen. So wird Joseph eben so hoch geehrt und begnadigt, als Maria. Sie soll den Sohn Gottes gebären, und er soll des Sohnes Gottes Pflegevater sein. Damit dient er aber nicht allein dem Jesuskind, damit dient er der ganzen Welt der Sünder. Denn dieser Jesus soll die Menschen selig machen von ihren Sünden. Und Joseph soll diesen Heiland aller Sünder für die Sünder groß ziehen. O mit welcher Freude hat nun Joseph seine liebe Maria in sein Haus geführt, wie ist nun alles licht geworden, was zuvor dunkel war. Ich glaube, es hat nie zwei glücklichere Menschen auf Erden gegeben, als Joseph und Maria nach dieser Offenbarung des Engels. Nun war das seligste Vertrauen wieder hergestellt und Maria brauchte nun kein Geheimnis mehr zu machen von der Gnade, die ihr widerfahren war. Da ist beider Herz voll Lobens und ihr Mund voll Lachens geworden. Maria konnte den HErrn, ihren Gott preisen, dass Er sie gewürdigt habe, die Mutter des Heilandes zu sein, und Joseph, dass der HErr, sein Gott ihn gewürdigt habe, der Pflegevater des Heilandes zu sein. Da haben sie auch erst recht eingesehen den Sinn der Weissagung: eine Jungfrau wird schwanger werden. Denn Gottes Sohn durfte Seine menschliche Natur nicht auf die gewöhnliche Weise empfangen, Er durfte nicht von einem menschlichen Vater gezeugt und also von einer menschlichen Mutter geboren werden; denn dann wäre Er ja in Sünden empfangen und geboren worden, wie alle Menschen, die aus menschlichem Samen gezeugt und also von der Mutter in Sünden empfangen worden. Und ein solcher Heiland, der selbst ein Sünder war, konnte uns nicht helfen. Sondern der wahre Gottessohn musste auch Seiner Menschheit nach ohne Sünde geboren werden. Und darum musste eine Jungfrau, die von keinem Mann wusste, durch die Kraft des heiligen Geistes Ihn empfangen. Dann war Er, auch Seiner Menschheit nach, ohne Sünde, und einen solchen Hohenpriester mussten wir haben, der da wäre heilig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert und höher, denn der Himmel ist. Nun können wir so recht aus Herzensgrund im zweiten Artikel bekennen: ich glaube an Jesum Christum, Gottes eingebornen Sohn, unsern HErrn, der empfangen ist von dem heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria usw. Nun können wir singen im Gesang: der ohne Sünd war geborn trug für uns Gottes Zorn! Ist's nicht eine wunderliebliche Geschichte, meine Lieben? Lasst uns dankbar sein, dass sie in der Bibel steht. Und lasst uns jetzt noch so recht aus Herzensgrund beten: Lieber HErr Jesu Christe, wir danken Dir von Herzen, dass Du wahrer Gott gelobt in Ewigkeit, bist in das Fleisch gekommen, geboren von der reinen Jungfrau Maria, empfangen durch die Kraft des heiligen Geistes, Du der einzig Sündlose unter lauter armen Sündern, so dass wir nun in Dir den alleinigen, wahrhaftigen Heiland haben, von dem der Engel verkündigte: Er heißt Jesus, denn Er wird Sein Volk selig machen von allen ihren Sünden. Nun hilf uns, barmherziger Heiland, durch die Kraft Deines heiligen Geistes, dass wir Dich in wahrem Glauben als unsern lieben, teuren Jesus annehmen, durch den auch wir die Vergebung aller unserer Sünden haben. Denn siehe, wir glauben ja an Dich, darum sind wir hier versammelt, darum jauchzen wir und sind fröhlich über Deine selige Geburt. O HErr sei uns gnädig, und Deine Gnade sei unser Leben. Gib uns allen, Großen und Kleinen, ein seliges Weihnachten. Amen.

Nachdem nun während des Gesanges der letzten Verse von: Ermuntre dich, mein schwacher Geist, der große, mitten auf dem Chor stehende Weihnachtsbaum, den die Liebe schön geschmückt hatte mit Lichtern, weißen Lilien und goldnen Zapfen, und der in seiner Spitze ein hellleuchtendes Kreuz von brennenden Wachslichtern trug, angezündet war, wurde vom Altare aus die Feier fortgesetzt.

Seht an, meine Lieben, unsern schönen Weihnachtsbaum, von dem das ganze Chor der Kirche erglänzt. Alles daran, dünkt mich, hat seine Bedeutung. Wie schön ist das Grün dieses Tannenbaums, so kräftig und frisch auch mitten im Winter, denn das Tannengrün verdorrt nicht. Das bedeutet die ewig junge, nie verdorrende Lebenskraft des Christentums, dem kein Winter etwas anhaben kann. Seit 1800 Jahren steht dieser immergrüne Tannenbaum des Christentums nun da in der Welt und treibt von Jahr zu Jahr immer neue Sprossen, Reiser und Zweige, wird auch nicht absterben so lange die Welt steht, sondern vielmehr die ganze Welt überschatten, dass alle Völker der Erde unter seinen Zweigen wohnen werden. Auch unsere heutige Weihnachtsabendfeier ist ein grüner Zweig, den der Baum des Christentums bei uns getrieben hat. Darum nennt sich auch unser HErr Christus selbst das grüne Holz, weil ewiges Leben von Ihm ausgeht, denn es ist in Ihm. Darum haltet fest an eurem Christenglauben, so ist euch das ewige Leben gewiss, und ihr werdet grünen und blühen wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist.

Und welch ein heller Glanz geht aus von den Lichtern dieses Weihnachtsbaums, der das ganze Chor erhellt! Will uns das nicht recht vor die Augen stellen, was wir nachher singen wollen: das ew'ge Licht geht da herein, gibt der Welt nun neuen Schein. Es leuchtet mitten in der Nacht und uns zu Lichtes Kindern macht! Ja von unserem lieben HErrn Jesu geht aus der helle Glanz Gottes, der alle Nacht und Finsternis verscheucht; helle wird es in der Kirche, die da predigt: in Christo ist Vergebung der Sünde. Und helle wird es in den Herzen, die da glauben: ich habe Vergebung der Sünden! Darum o du Christ, der du glaubst an das Licht, lass dich aber auch ermuntern, zu wandeln in dem Licht, auf dass auch dein Wandel geziert sei mit weißen Lilien des heiligen, reinen Wandels, deinem Jesu zu Ehren, und mit goldenen Zapfen des Glaubens, der in der Liebe tätig ist.

Und da oben auf der Spitze des Weihnachtsbaums seht ihr das brennende Kreuz, das wahre Zeichen und Sinnbild unsers Christentums. Am Kreuz hat einst unser HErr Jesus gehangen, nachdem aus dem Kinde ein Mann geworden war, da ist Er, wie Luther sagt, in heißer Liebe gebraten, und hat alle Qual und Marter um unserer Sünde willen getragen. Darum sollst du auch das brennende Kreuz deinem HErrn Jesu nachtragen, wenn du willst Sein Jünger sein. Lass dirs gefallen, dass es brennt, also werden die Schlacken der Sünde hinweggeschmolzen und dein Glaube wird viel reiner und lauterer erfunden, als das Gold, das im Feuer geläutert und bewährt wird. Das Kreuz aber, das du tragen sollst, ist die Schmach Christi und die Trübsal und Verfolgung, die über dich kommt um Seines Namens willen, den du bekennst vor der Welt als ein treuer Christ, im Wort und Wandel.

Und nun lasst uns anstimmen unsere beiden wunderschönen Weihnachtslieder und zwar mit Begleitung der Posaunen, zuerst das allerschönste: Gelobet seist Du, Jesus Christ, und dann das andere: nun singet und seid froh, und ihr Kinder hier auf dem Chor, stimmt herzhaft mit ein, denn Jesus ist ein Kind geworden und ihr habt Teil an Ihm durch die heilige Taufe.

Nun, da wir ausgesungen haben, lasst uns niederknieen mit einander und beten um eine gesegnete Feier des Weihnachtsfestes: Lieber HErr Jesu, wir haben nun den Vorabend Deines heiligen Weihnachtsfestes gefeiert, und wir danken Dir, dass wir nach dem alten Brauch unserer Väter ihn wieder in unserer lieben Kirche haben feiern können. Zu dem Dank des Herzens für solche Gnade kommt aber nun die herzliche Bitte: gib uns zu morgen und übermorgen einen reichen Weihnachtssegen. Du hast uns freilich verboten, zu sorgen für den andern Morgen und sorgen wollen wir auch nicht; aber zu beten hast Du uns nicht verboten, sondern geboten, und darum kommen wir zu Dir und beten: HErr Jesu, um Deines Wortes willen, da Du verheißen hast, alles was ihr bittet in Meinem Namen, das will Ich euch geben, um dieses Worts willen gib uns einen reichen Weihnachtssegen für die Großen und für die Kleinen, dass wir es glauben und im Glauben darüber jauchzen können, dass Du der ewige Sohn des ewigen Vaters bist in das Fleisch kommen, die Sünder selig zu machen. Sieh, wir großen Leute sind solche arme Sünder, die einen Jesus nötig haben, und diese Kinder sind auch solche Sünder, die einen Jesus nötig haben. So komm denn, HErr Jesu, zu uns großen und kleinen Sündern und mache unsere Herzen zu Deiner Krippe. Amen.

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Aus: Wie schön leuchtet der Morgenstern, Philipp Nicolai
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