Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 5. Sonntag nach Epiphanias
Evang. Matth. 13, 24 - 30.
Vom Samen und Unkraut.
Einem Ackermann ist es nicht gleichgültig, was auf seinem Acker wächst, ob Waizen oder Unkraut. Er säet guten Samen aus, und wenn dann der Acker Unkraut bringt, so sieht er nach, woher das kommen mag. So ist Gott, Christus der Ackermann der Welt, der Kirche besonders. Die ganze Welt ist Sein Ackerfeld, die Kirche Christi aber das besonders bestellte und bearbeitete Feld, auf welches Er Seinen guten Samen des göttlichen Wortes, des Gesetzes und der Verheißungen durch Moses und die Propheten, des Evangeliums durch Christum und Seine Apostel ausgestreut hat, und daher gute Früchte erwartet. Daher sagte Christus: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säete. Der Acker ist verflucht worden um der Sünde und des Falles willen, den die ersten Menschen im Paradiese sich zu Schulden kommen ließen. Nur Disteln und Dornen sollte er tragen, wenn nicht der Mensch im Schweiße seines Angesichts ihm mit saurer Mühe das nothwendige Brod abzugewinnen suchte. Wie die Erde, so war auch der Mensch, der Bewohner der Erde, nicht weniger unter dem Fluche, denn auch des Menschen Herz ist ein solcher verfluchter Acker, der nur Unkraut, Disteln und Dornen hervorbringt, denn sein Dichten und Trachten ist böse von Jugend auf immerdar, er ist in Sünden empfangen und geboren, und nichts Gutes wohnt in ihm. Darum hat Gott sich erbarmt, und hat guten Samen ausgestreut zu allen Zeiten. Denn nachdem Gott vorzeiten manchmal und in mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hat Er in den letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen Er gesetzt hat zum Erben über Alles, durch welchen Er auch die Welt gemacht hat. Hebr. 1, 1. 2. Die Welt ist also Sein Eigenthum, Sein Acker. Ist dieser Acker Ihm gleich durch des Teufels Neid und durch die Sünde verderbt und verwüstet worden, so hat Er ihn doch wieder herzustellen und fruchtbar zu machen gesucht durch Sein eigenes Blut. Er, der Erbe, der Sohn, wurde selbst Mensch und hat drei und dreißig Jahre daran gearbeitet, Blut geschwitzt, gezittert und gezagt, hat sich geißeln, krönen, kreuzigen, tödten lassen, und hat all Sein Blut und Leben hingegeben, um den Acker wieder in Stand zu setzen, um Seinen guten Samen ausstreuen zu können, daß er Frucht bringen könnte und sollte.
Daß das Wort Gottes im alten und neuen Testament ein guter Same ist, daran zweifelt Niemand, der die Kraft desselben an seinem Herzen erfahren hat. Es ist wie ein Feuer, und wie ein Hammer der Felsen zerschmettert; Jer. 23, 29. lebendig und kräftig, und schärfer denn ein zweischneidiges Schwerdt, und durchdringet, bis daß es scheidet Seele und Geist, und Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Hebr. 4, 12. Dieses Wort hat die Kraft, wenn es in ein feines gutes Erdreich fällt, dreißig-, sechzig-, hundertfältige Frucht zu bringen, und den Menschen ganz neu zu schaffen an Herz, Muth, Sinn und allen Kräften, wenn es im Glauben aufgefaßt wird. Darum schrieb Jakobus 1, 21: „Nehmet das Wort mit Sanftmuth an, welches in euch gepflanzet ist, welches kann eure Seelen selig machen.“
Also der große Ackermann hat guten Samen auf Seinen Acker ausgestreut, besonders da Er das Evangelium predigen ließ aller Kreatur.
Da aber die Leute schliefen, kam der Feind und säete Unkraut zwischen den Waizen, und ging davon. Der Feind ist kein anderer als der Teufel, der das Unkraut schon im Paradiese säete, da der Acker noch ganz gut, und der Mensch in rechtschaffner Gerechtigkeit und Heiligkeit nach Gottes Bilde geschaffen war. Er verleitete die ersten Menschen zum Ungehorsam, zur Lust, zum Stolz und dadurch zu allem Bösen. Nun war der Acker, das Herz des Menschen ihm offen, er konnte hinein säen, was er nur wollte. Der erstgeborene Mensch, Kam, wurde gleich ein Brudermörder, und sein Geschlecht wurde so böse, der Acker wurde so voll Unkraut, daß Gott die Welt vertilgen, das ganze Menschengeschlecht ersäufen mußte, acht Personen ausgenommen, um mit diesen eine neue Welt anzufangen. Aber auch dann kam das Unkraut bald wieder zum Vorschein bei Ham, bei Babels Thurmbau, bei Sodom, und nicht nur bei allen Völkern der Erde die in's Heidenthum ausarteten, sondern selbst bei dem auserwählten Geschlecht, Abrahams Nachkommen, zeigte sich Unkraut genug, bis auf Christum hin, der neuen Samen und den allerbesten vom Himmel brachte, und Selbst sowohl, als durch Seine Apostel ihn auf den Acker säete. Aber auch seit Christo fand sich immer, und findet sich noch Unkraut, Unglaube, Ungehorsam, Sünde und Gräuel auf Erden, in und außer der Kirche Gottes.
Als Ursache giebt der Herr an: „Da die Leute schliefen.“ Diese Leute sind wohl keine andere, als die Wächter, die Lehrer, die den Acker bestellen, bearbeiten, und ihn bewachen und bewahren sollen, daß der Satan und seine Gesellen keinen Zutritt zum Acker bekommen, die ihn abwehren, die Leute warnen, mit Gebet und Flehen anhalten, und den guten Waizen pflegen und rein zu erhalten suchen, ihn begießen und um Gedeihen und Wachsthum beten sollen. Wenn sie dieses unterlassen, dann kommt der Feind, der Tag und Nacht umherschleicht, und sucht wen er verschlinge, dringt in Gemeinen, in Familien, in Herzen ein mit falschen Lehren, mit bösen Grundsätzen und schlechten Beispielen, mit falschen Schrifterklärungen, Menschensatzungen, besondern Meinungen, die zur Hauptsache gemacht werden und dergleichen. Da sollen Lehrer, Eltern und Alle, denen eine Aufsicht über die Jugend oder ihre Untergebenen übertragen, oder denen etwas am Heile der Menschen gelegen ist, wachen, beten, warnen und ermahnen, bei der reinen Lehre des Worts, bei den heilsamen Worten Jesu Christi und auf dem Wege der Wahrheit und Gottseligkeit zu bleiben, und mit Früchten der Gerechtigkeit erfüllt zu werden. Diese Schläfrigkeit, die dem Feinde, dem Teufel, Thür und Thor öffnet, Unkraut unter den schönen Waizen zu säen, ist schrecklich, ist Lebensgefährlich und Ursache von eigenem und Anderer Verderben, von deren Seelen man Rechenschaft geben muß. Man lese das 33. und 34. Kapitel Hesekiels über das Amt der geistlichen Wächter und Hirten, und sehe, welche Schuld sie sich zuziehen, wenn sie schlafen.
Da nun das Kraut wuchs, und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut, und findet sich noch allenthalben auf allen Aeckern der christlichen Kirche. Der Herr hat so schön Seine Kirche gestiftet und angefangen. Wie herrlich war die erste Gemeine zu Jerusalem, Alle ein Herz und eine Seele; und wie bald zeigte sich auch da schon Unkraut. Ananias und Sapphira, welch ein Unkraut! das der Herr aber gleich ausrottete, damit es sich nicht weiter verbreiten möchte. Wie schön, wie begabt und begnadigt war die Korinthische Gemeine! Aber wie bald kam das Unkraut zum Vorschein! daß Paulus schrieb: Feget den alten Sauerteig aus, und werdet ein neuer Süßteig. Und so ging es fort bis jetzt. Es ist kein Wunder, daß die Knechte zu dem Hausvater treten, und sprechen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesäet? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind gethan. Es giebt also einen Feind, der Unkraut säet, und da das Unkraut bis heute da ist, so muß er, der Säemann desselben wohl auch noch da seyn, und sein Handwerk noch nicht aufgegeben haben. Sie haben ihn zwar, in ihren Gedanken, schon längst abgedankt und in Ruhe gesetzt, als wäre er gar nichts, als nur ein Aberglaube. Aber das Werk verräth den Meister, das Unkraut den Säemann des Unkrauts. Die ihn läugnen, sind wohl selbst Same, ein von ihm gesäetes Unkraut. Was sollen wir damit thun? Die Knechte sprachen: Willst du, daß wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Waizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet. Lasset beides mit einander wachsen bis zur Erndte; und um der Erndte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammlet zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne, aber den Waizen sammlet in meine Scheuren. Wir dürfen also die bösen Christen, die wie Unkraut mit ihren verkehrten Lehren und Wandel den Acker des Herrn, die Kirche Gottes verderben, nicht vertilgen, verbrennen und ausrotten, das hat Er, der Herr, Sich vorbehalten, Er wird sie, wenn sie nicht Buße thun und Waizen werden, verbrennen wie Stoppeln, und mit Feuerflammen Rache nehmen an denen, die dem Evangelio nicht gehorsam sind. Wir müssen sie dulden, aber nicht so, daß wir gleichgültig zusehen, und sie ungehindert Schaden thun und den Acker verwüsten lassen, wie die wilden Schweine, sondern wir müssen wachen, beten, ermahnen, strafen und das Böse hindern, so gut wir können. Wir müssen die Unordentlichen, wie die Apostel befehlen, zurechtweisen, die ärgerlichen, anstößigen Verführer und Irrlehrer, nachdem sie ein und das andere Mal gewarnt sind, aus der Gemeinschaft ausschließen, ihren Umgang meiden, nicht einmal mit ihnen essen, sie nicht grüßen, d. i. als Brüder und Jünger. 2 Joh. 10. - 1 Cor. 5, 6 - 11. - Tit. 3, 10. - Matth. 7, 5. -
Wenn der Heiland sagt: „Lasset es wachsen,“ heißt das nicht, schlafet, daß der Feind säen kann; sondern wenn es einmal da ist, das Unkraut, sollen wir es nicht mit Feuer und Schwerdt vertilgen, aber doch nicht pflegen, sondern wachen, hindern, daß es nicht ärger werde und um sich greife.
Es ist auch klar aus diesem, daß die Bösen, das Unkraut, nur um der Frommen, um des Walzens willen geduldet werden. Den Frommen, die sie so verachten und hassen, haben sie ihr Daseyn und Bestehen zu verdanken, damit ihre Ausrottung jenen nicht schade, und weil Gott will, daß sie durch Seine Güte sich bekehren und auch noch gewonnen werden. Man muß sie also immer so behandeln, daß ihnen der Rückweg zur Besserung offen bleibt. Bleiben sie Unkraut, so bleibt ihnen auch nichts übrig, als der Ofen, der ewig brennt. Dagegen steht den gläubigen Frommen der Himmel, die ewige Scheuer offen.
Ein Jeder denke hier zuerst an die Seinigen, und an die ewige Sonderung, die die Schnitter einst mit Unkraut und Waizen vornehmen werden. Ach daß nicht Eltern von Kindern, Geschwister von Geschwistern, Freunde von Freunden und Verwandten abgesondert, und Einige als Unkraut verbrannt, die Andern als Waizen in die Scheuer gesammelt werden. Ein Jeder thue doch was er kann, daß er einst von Keinem der Seinigen getrennt, sondern Alle, Alle von den Engeln heimgetragen werden und dort ewige Freude genießen. Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich und anhaltend ist. Lasset uns nichts versäumen, und auf alle Weise beitragen, daß der Acker Gottes, auf welchem so guter Same ausgestreut ist, immer mehr von allem Unkraut gereinigt, mit gutem Waizen überfüllt, und gut erhalten werde. Amen.
Herr, Dein Wort, die edle Gabe,
Diesen Schatz erhalte mir;
Denn ich zieh es aller Habe
Und dem größten Reichthum für.
Wenn Dein Wort nicht mehr soll gelten,
Worauf soll der Glaube ruh'n?
Mir ist's nicht um tausend Welten,
Mir ist's um Dein Wort zu thun.
Laß mich eifrig seyn beflissen,
Dir zu dienen früh und spät,
Und zugleich zu Deinen Füßen
Sitzen, wie Maria thät.
Ein einig's Wort der heil'gen Schrift
Das ein betrübtes Herze trifft,
Ist mehr als Himm'l und Erde werth;
Denn wenn das Feuer die verzehrt,
So bleibt doch Gottes heil'ges Wort
Ohn' alles Ende fort und fort.
Gott, heil'ger Geist, schaff Du in mir,
Daß ich mit rechter Herzbegier
Dem Wort anhang', und mich nicht schäm',
Vielmehr dabei gefangen nehm'
Und unter den Gehorsam bring'
Vernunft und Sinn und alle Ding'.
Wie wohl ist mir, wenn mich mein Hirte führet
Zur guten Weid' auf Seines Wortes Au'!
Dies süße Wort, das mich so mächtig rühret,
In welchem ich Sein Herz voll Liebe schau',
Hat täglich meinen Geist genährt,
Und macht mich immer mehr
Zum Himmelreich gelehrt.