Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Lebensbeschreibung.
Johann Gerhard, der Verfasser der heiligen Betrachtungen, ward geboren zu Quedlinburg den 17. October 1582. Seine gottseligen Eltern waren Bartholomäus Gerhard, Rathsherr und Rathsschatzmeister zu Quedlinburg, und Margaretha, Tochter Johann Berndesius, eines Beisitzers des Halberstädter Schöppenstuhls. Ein Jüngling von 17 Jahren studierte er fast zwei Jahre lang Philosophie und Theologie zu Wittenberg, dann auf Anrathen eines hochgestellten Verwandten, Andreas Rauchbars, Churfürstlich - Sächsischen Kanzlers, Medicin drei Jahre lang. Nach Vollendung dieser Studien, in denen er eben so wie früher in den ersteren ausgezeichnete Fortschritte machte, ward er Lehrer und Erzieher der Kinder Rauchbars, doch nur auf kurze Zeit. Denn Rauch: bar starb, und Gerhard kehrte nun in Erinnerung eines früheren Gelübdes, das er als Jüngling von 15 Jahren in einer schweren Krankheit gethan, zur Theologie zurück und ging nach Jena. Mit Rath und Anleitung zum rechten Studieren stand ihm der damalige Pfarrer seiner Vaterstadt zur Seite, der berühmte Johann Arndt, der außer andern erbaulichen Schriften namentlich durch seine vier Bücher vom wahren Christenthum sich verdient gemacht hat. Der hatte auch früher schon gesegneten Einfluß auf Gerhards Gemüth geübt und durch seinen geistlichen Zuspruch jenes Gelübde in ihm geweckt. Gerhard aber studierte zu eifrig und erlag im Jahre 1603, da er eben die philosophische Doctorwürde erlangt hatte, einer schweren Krankheit, die ihm nach seinem Meinen den Tod in so gewisse Aussicht stellte, daß er sein Testament machte. Wie es zu der Zeit um sein Herz, stand, das bekundet uns die sechste seiner heiligen Betrachtungen: „Trost des Bußfertigen im Leiden Christi.“ Die rührt aus jener Zeit, und die hat er niedergeschrieben, da er glaubte jeden Augenblick aus der Zeit in die Ewigkeit überzugehen. Aber der Herr wollte ihn noch brauchen im Dienste seiner Kirche.
Gerhard genas und ging 1604 nach Marburg, um seine Studien fortzusetzen vornehmlich unter Leitung des gelehrten Balthasar Menter. Mit diesem machte er im folgenden Jahre eine wissenschaftliche Reise durch einen großen Theil Deutschlands, und kehrte dann nach Jena zurück, wo er sich in der philosophischen Facultät habilitierte und nun theologische Vorlesungen hielt. Zur selben Zeit entschloß er sich auch endlich auf Anrathen Johann Major's feine erste Predigt zu halten in Kunitz bei Jena. Der Herzog Johann Casimir von Sachsen hatte die Predigt gehört und berief ihn 1606 zum Superintendentenamte zu Heldburg bei Jena mit der besonderen Verpflichtung, allmonatlich theologische Unterredungen im Gymnasium zu Coburg zu halten und an den Berathungen des Consistoriums daselbst Theil zu nehmen. Um seiner Jugend willen ward's ihm schwer, das Amt anzunehmen. Aber das Ansehn des Herzogs und die Bitte seiner Freunde vermochte ihn dazu. Durch Vermittelung des Herzogs erhielt er nun die theologische Doctorwürde; und neun Jahre verwaltete er im Segen dieses Amt.
Im Jahre 1615 übertrug ihm sein Herzog die Generalsuperintendentur zu Coburg. In diesem Amte blieb er aber nur kurze Zeit, 1 Jahr und 2 Monate, und stiftete trotz dem des Segens viel. Er verfaßte eine Kirchenordnung, die vom Herzoge sämtlichen Pfarrern zur Nachahmung empfohlen und im Lande eingeführt ward. Ebenso hielt er eine Kirchenvisitation durch's ganze Land. Seine körperliche Kraft aber, die viel schon in Anspruch genommen worden war, war dem Amte mit seiner großen Last fast nicht mehr gewachsen und ganz besondere Neigung hatte er auch zu dem academischen Lehramte. Daher kam seine kurze Amtierung. Der Churfürst Johann Georg von Sachsen, der Schirmherr der Universität Jena, hatte auch bereits im Jahre 1615 einen Ruf zum Lehrer an derselben Universität an ihn ergehen lassen. Er folgte nunmehr diesem Rufe und um so freudiger, weil er neben seinen sonstigen bisherigen Amtsgeschäften sich auf solches Amt vorbereitet hatte; und so ungern auch sein Herzog Casimir aus seinem Lande ihn scheiden sahe, so gab dieser doch endlich ebenso dem Ansehn des Churfürsten von Sachsen als Gerhards eigenen Bitten nach. Am Sonntage Cantate im Jahre 1616 hielt er seine Abschiedspredigt in Coburg und ging, von seinem Fürsten und Herrn auf das Ehrenvollste entlassen, nach Jena.
Hier wirkte er 21 Jahre als Professor und Doctor der Theologie, eine Zierde Jena's nicht allein, sondern auch der gesamten evangelisch - lutherischen Kirche, und ein Segen der studierenden Jugend, und man kann mit Recht sagen, in der verhängnißvollen Zeit des dreißigjährigen Kriegs kraft seines Rathes und Gebetes ein Schutz und Schirm Sachsens. Der Churfürst wie die Herzöge von Sachsen vertrauten ihm das Wohl der Kirche und zum guten Theile auch des Staates und bedienten sich seiner Dienste mehrfach, indem sie ihn abordneten zur Theilnahme an den Berathungen, die damals zum Besten der Kirche und des Staates in Deutschland gehalten wurden. Für die ausgezeichneten Dienste, die er dabei leistete, ließen sie es nicht an Auszeichnungen und Ehren für ihn fehlen. Einen andern hätte das stolz machen können; aber Gerhard war in der Demuth schon gegründet und der treue Gott, der den züchtiget, welchen er lieb hat, und einen jeglichen Sohn stäupet, den er aufnimmt, ließ es ihm auch an so manchen Züchtigungen seiner treuen Vaterhand nicht fehlen. Bei seiner stets schwächlichen Leibesconstitution hatte er viel Kreuz vom Herrn im Hause und ehelichen Stande zu tragen. Seine erste Gattin, mit der er 1618 sich verheirathet hatte, starb, nachdem er drei Jahre mit ihr in glücklichster Ehe gelebt, und der einzige Sohn, den sie ihm geboren, folgte ihr bald im Tode nach. Von den zehn Kindern, die ihm in seiner zweiten Ehe mit Maria Mattenberg, der Tochter eines Arztes und Rathsherrn in Gotha, geboren wurden, sahe er vier frühzeitig dahinsterben. Dazu brachte der dreißigjährige Krieg mit seinen Drangsalen und Schrecknissen ihn mehr als einmal in große Lebensgefahr und um den Besitz aller seiner Habe. Im Leiden geübt und mit der gnädigen Hand des Herrn vertraut, trug er alles mit Geduld und Ergebung und sprach mit Hiob (1, 21.): „Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobet.“ So kam sein Ende herbei. Der 17. August 1637 war sein Todestag. Sein Alter hatte er gebracht auf 55 Jahre, und sein Tod ward betrauert nicht allein von Verwandten und Freunden, sowie von den Bewohnern Jena's, sondern auch von der gesamten evangelisch - lutherischen Kirche. Seine Leichenpredigt hielt ihm sein theuerster Amtsgenosse zu Jena Johann Major, nach seiner Bestimmung über 2 Cor. 12, 9: „Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade gnügen. Denn meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne.“
Im Lobe Gerhards stimmen die ausgezeichnetsten und bewährtesten Gottesgelehrten zu und nach seiner Zeit überein. Und nicht bloß Lutheraner, sondern auch Reformirte und Katholiken sind die Verkündiger seines Ruhmes. Es ließe sich hier eine große Menge Zeugen aufführen. Doch das Büchlein, welches du hier von ihm vor dir hast, andächtige Seele, wird am besten zeugen von ihm, der nicht bloß auf der Höhe der wissenschaftlichen Gelehrsamkeit gestanden hat, sondern auch geübt und groß gewesen ist in der Kunst, die Seelen zu erbauen. Der Bücher hat er so viele verfaßt, daß sie für sich eine ganze Bibliothek ausmachen könnten. Unter seinen wissenschaftlichen ist das größte: „Loci theologici, d. i. theologische Lehrsätze“ und unter seinen ascetischen das größte: „Meditationes sacrae, d. i. heilige Betrachtungen.“ In diesen will er zeigen, wie er selbst zu erkennen gibt in seiner Zueignungsschrift an den Halberstädter Senat vom Jahre 1606, daß das Wesen der Gottesgelehrtheit nicht im Grübeln, sondern im Leben bestehet oder darin, daß wir durch sie nicht allein von Sünden befreiet, sondern auch in der Gnade bewahret werden, und daß somit ihr höchstes Ziel die geistliche Wiedergeburt des inwendigen Menschen aus dem Wasser und Geist ist nach dem Zeugnisse Christi, der die Wahrheit ist. Joh. 3, 3. 5. Wie er das gezeigt hat, wolle nun selbst sehen und lernen aus dem Büchlein, andächtige Seele.