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Calvin, Jean - Psalm 59.

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Calvin, Jean - Psalm 59.

Inhaltsangabe: Die Überschrift lässt ersehen, bei welcher Gelegenheit dieser dem vorigen sehr ähnliche Psalm gedichtet wurde. Um ungerechte Wut der Feinde in ein umso grelleres Licht zu stellen, betont David, dass sie ihn ohne Grund angreifen. An die Klage über ihre Ungerechtigkeit schließt sich dann die Bitte um Gottes Hilfe. Nachdem sich David des Weiteren mit frommen Betrachtungen zu guter Hoffnung gestärkt hat, weissagt er seinen Feinden einen unglücklichen Ausgang. Zum Schluss verspricht er, dass er Gottes Gnade, die ihn befreien soll, in ewigem Gedächtnis preisen wolle.

1 Dem Musikvorsteher: Verdirb nicht, ein gülden Kleinod Davids, da Saul hinsandte und ließt sein Haus verwahren, dass er ihn tötete. 2 Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden, und denen, die sich wider mich erheben, entrücke mich. 3 Errette mich von den Übeltätern, und hilf mir von den Blutgierigen. 4 Denn siehe, Herr, sie lauern auf meine Seele; die Starken sammeln sich wider mich ohne meine Schuld und Missetat. 5 Sie laufen ohne meine Schuld und bereiten sich. Erwache und begegne mir und siehe drein. 6 Du Herr, Gott Zebaoth, Gott Israels, wache auf und suche heim alle Heiden; sei der keinem gnädig, die so verwegene Übeltäter sind. (Sela.)

V. 1. Da Saul hinsandte usw. Die hier gemeinte Geschichte ist bekannt (1. Sam. 19, 11). Als David in seinem Hause durch einen Trupp Soldaten belagert war und Sauls Wächter alle Ausgänge der Stadt besetzt hielten, schien an Entrinnen nicht mehr zu denken und die Hoffnung seines Lebens war abgeschnitten. Obgleich es nun die List seiner Gattin war, die ihn doch entrinnen ließ, erkennt David als Grund seiner Rettung allein Gottes Barmherzigkeit an. Und in der Tat: mochte auch Michal die List ausgedacht haben, um die Soldaten ihres Vaters zu täuschen, so bedurfte es doch eines besonderen göttlichen Schutzes, um den frommen Mann zu retten. Dass also Saul sein Haus verwahren ließ, stellt uns vor Augen, wie er schon in den Klauen des Todes sich befindet: denn Sauls Boten sollten ihn nicht lebendig fangen, sondern ums Leben bringen.

V. 2. Errette mich usw. Um sich desto mehr zur Anrufung Gottes anzuspornen, beschreibt David die gewalttätige Macht seiner Feinde. Denn dass sie sich wider ihn erheben, deutet nicht nur auf ihre Kühnheit oder ihre angestrengten und heftigen Angriffe, sondern auch auf die Kraft, die sie wirklich besaßen. Und doch bittet er: entrücke mich – um gleichsam aus jener Überschwemmung gerissen zu werden. Diese Ausdrucksweise gibt zu denken; nun dürfen wir nicht zweifeln, dass Gott allerlei Mittel hat, uns zu retten, mögen sich die Feinde noch so frech über unser Haupt erheben. Der nächste Vers begnügt sich nicht mit der Klage über die Bedrängnis, sondern erhebt auch Anklage wider die ungerechte und verbrecherische Grausamkeit der Feinde. Darnach (V. 4) wird beides zusammengefasst, dass David keine Kraft zum Widerstand gegen die Starken hat und dass alle ihre schweren und harten Angriffe ihn ohne seine Schuld treffen. Wir sagten ja schon öfter, dass die Gläubigen mit umso fröhlicherer Zuversicht Gott suchen dürfen, ein je besseres Gewissen sie haben: ein freier Zugang steht ihnen offen, weil ihre Sache Gottes Sache ist. Denn weil Gott der Gerechtigkeit hilft und die gute Sache schützt, so nimmt den Krieg mit ihm selbst auf, wer unschuldige Leute angreift. Zuerst also klagt David, dass eine starke Verschwörung wider ihn besteht und allerlei Hinterlist ihn umlagert, woraus dann folgt, dass er keinen Schutz mehr in der Welt hat. Darnach erst beteuert er seine Unschuld. Gewiss empfinden Gottes Kinder ihre Leiden als Züchtigungen um ihrer Sünden willen; aber im Blick auf Saul spricht sich David doch mit Recht von aller Schuld frei und ruft Gott zum Rächer seiner Unschuld auf, die den boshaften Verleumdungen der Menschen unterlegen war. Mögen sie, so meint er, tun und sagen, was sie wollen, bei mir werden sie kein Verbrechen noch Schuld finden. Obgleich ihnen also jeder Grund zum Angriff fehlt (V. 5), laufen sie doch und bereiten sich, womit gesagt sein soll, dass sie in ihrem verkehrten Eifer es an nichts fehlen lassen: so sind sie darauf erpicht, einen unglücklichen Menschen zu verderben. Erwache und begegne mir. Das ist eine Anspielung an die eben beschriebene Eile der Feinde: Gott soll nicht minder eilen, um zu helfen, als jene, um zu verderben. Wiederum aber ruft David den Herrn zum Zeugen und Rächer seiner Sache auf, um seine Gunst zu gewinnen. Die Ausdrucksweise: siehe drein – entspringt freilich nicht der reinen Lehre des Glaubens, sondern auch der fleischlichen Empfindung. David redet, als wäre Gott mit geschlossenen Augen bisher an allem Unrecht vorübergegangen und müsse nun erst gebeten werden, dass er die Augen öffne. Diese Rede erscheint einem rohen menschlichen Empfinden angepasst. Anderseits aber ist es eine Regung des Glaubens, wenn man dem Herrn zuschreibt, dass er sehen kann, dass also nichts seiner Vorsehung verborgen bleibt. Ohne Zweifel war David auch trotz seines kindlichen Stammelns davon überzeugt, dass sein Leiden wie seine Unschuld samt dem Unrecht der Feinde vor Gottes Augen stünde. Jetzt aber unterbreitet er mit seiner Bitte die ganze Sache dem Herrn zu genauer Untersuchung. Der nächste Vers setzt die gleiche Bitte noch brünstiger fort. Dabei vernehmen wir neue Anreden an Gott: Gott Zebaoth, d. h. der Heerscharen; er besitzt also unbeschränkte Macht. Weiter: Gott Israels: er sorgt also insbesondere für seine Kinder und seine ganze Gemeinde. Nachdrücklich lautet die Anrede: Du. Sie gibt zu verstehen, dass wenn Gott von seinem Richteramt abträte, er sich selbst und sein ganzes Wesen verleugnen müsste. Dass aber Gott aufgerufen wird, alle Heiden heimzusuchen, geschieht nicht in der Meinung, dass Davids Sache so weit bekannt wäre, sondern es handelt sich um einen Schluss von einer größeren auf eine kleinere Sache: wenn nicht einmal fern stehende und fremde Leute der Hand und der Rache Gottes entfliehen werden, so muss umso gewisser über die inneren Feinde ein schreckliches Gericht kommen, die trotz ihres Brudernamens die Frommen drücken und die Ordnung der Gemeinde Gottes verwirren. Zugleich sind die Worte ein Ausdruck des inneren Kampfes, welchen David gegen die Versuchung zum Unglauben führt. Sie lassen ersehen, wie tief erregt er war, da er nicht von vier oder fünf gottlosen Menschen, sondern von einem ungeheuren Schwarm verfolgt wurde. Aber er erhebt sich darüber in dem Gedanken, dass es Gottes eigentliches Amt ist, nicht bloß wenige zur Ordnung zu bringen, sondern die Verbrechen einer ganzen Welt zu strafen: was war dem gegenüber die ganze Schar der Feinde, die doch nur einen winzigen Bruchteil der Menschheit ausmachte! Betet David weiter wider verwegene Übeltäter, welchen Gott nicht gnädig sein soll, so denkt er ohne Zweifel an endgültig verworfene Menschen, die in rettungsloser Bosheit dahinlebten. Zudem gilt, was wir früher schon darlegten, dass ihn nicht persönliche Empfindlichkeit treibt und dass er von aller ungestümen Wut frei ist. Nicht bloß, dass die betreffenden Leute überhaupt nicht mehr zu retten sind, sondern wenn David mit dem reinen und gemäßigten Eifer des heiligen Geistes betet, denkt er weniger an seine, als an die Sache des ganzen Gottesvolkes. Darum darf man sich auf sein Beispiel nicht berufen, wenn man um persönlicher Beleidigungen willen Fluchurteile herauspoltert.

7 An jedem Abend kommen sie wieder, heulen wie die Hunde, und laufen in der Stadt umher. 8 Siehe, sie geifern mit ihrem Munde, Schwerter sind in ihren Lippen: „Wer sollte es hören?“ 9 Aber Du, Herr, wirst ihrer lachen und aller Heiden spotten. 10 Seine Macht steht bei dir: ich will Ausschau halten; denn Gott ist mein Schutz.

V. 7. An jedem Abend usw. David vergleicht seine Feinde mit hungrigen und wütenden Hunden, welche der Hunger ziellos und ohne Ende umtreibt. Damit beklagt er sich über ihre maßlose Grausamkeit: sie brennen vor Begier, ihm zu schaden, und setzen ihrer Betriebsamkeit keine Grenze. Dass sie an jedem Abend wiederkommen, will nicht besagen, dass sie in der Zwischenzeit sich ruhig verhielten, sondern dass sie mit unermüdlichen Eifer in ihrer Bosheit fortfahren: haben sie am ganzen Tage vielleicht nichts zustande gebracht, so wird man sie noch immer am Abend umherschweifen sehen. Dass sie wie Hunde heulen und bellen, ist eine sehr passende Bezeichnung ihrer schrecklichen Angriffe. Auch der nächste Vers beschreibt noch ihr freches Gebahren: sie geifern (wörtlich: sie sprudeln heraus) mit ihrem Munde. Das will besagen, dass sie ganz öffentlich und ohne Scheu ihre verbrecherischen Pläne vortragen. Sie sitzen nicht bloß in einem heimlichen Winkel, um Verderben über einen unschuldigen Menschen zu beschließen, sondern lassen frei und frech ausströmen, was sie im Herzen sich vorsetzen. Dass Schwerter in ihren Lippen sind, bedeutet, dass sie lauter Mord schnauben: jedes ihrer Worte ist ein Schwert, mit welchem sie sich auf einen unglücklichen Menschen stürzen. Als äußerstes Zeichen ihrer Frechheit fügt David hinzu, dass sie nicht einmal fürchten, mit ihrem Treiben sich Schande zuzuziehen: „Wer sollte es hören?“ Diese ihre Worte lassen sich auch darauf deuten, dass sie, um alle Furcht zu verscheuchen, sich einreden, Gott schliefe in seinem Himmel. Ich fasse sie jedoch lieber als eine Klage darüber, dass jene Leute ihre bösen Pläne ganz ungescheut und öffentlich verhandeln dürfen, weil sie dafür gesorgt haben, dass niemand ihnen entgegentreten wird. Sie haben das Volk ganz und gar für sich gewonnen und mit ihren Verleumdungen David so schlecht gemacht, dass niemand wagen wird, zur Verteidigung eines so elenden Menschen auch nur einen Ton zu sagen. Ja, je heftiger jemand ihn dem König zu liebe verfolgte, desto höher stieg derselbe in der allgemeinen Gunst als ein Verteidiger des öffentlichen Wohls.

V. 9. Aber Du, Herr, usw. Gegen alle Widrigkeiten erhebt sich David nichtsdestoweniger zu großer Zuversicht. Dass Gott lachen wird, ist ein Zeichen seiner überragenden Macht: mögen die Gottlosen versuchen, was sie wollen, der Herr wird ohne Mühe und wie spielend ihre Anstrengungen zunichte machen. So lange Gott die Dinge gehen lässt, frisst ihre freche Wut immer weiter ums sich und wird ganz ungebärdig: denn sie verstehen nicht, dass Gott in seiner scheinbaren Muße nur darauf wartet, mit einem einzigen Wink seine Gerichte zu vollziehen. David sagt also verächtlich, dass es nicht großer Anstrengungen bedürfen werde: sobald Gott strafen will, wird er seine Feinde spielend vernichten. Darin liegt zugleich eine harte Anklage wider die blinde Wut, welche die eignen Kräfte maßlos überschätzt und Gott schlafen und müßig sein lässt. Dass Gott aller Heiden spotten soll, hat etwa den Sinn: wären die Feinde auch so viel als die ganze Welt, so würden sie doch mit ihren Reichtümern und Menschenmassen zum Spott werden. So lacht David der törichten Überhebung seiner Feinde, die im Vertrauen auf ihre Menge alles wagen zu dürfen glaubten.

V. 10. Seine Macht steht bei dir usw. Die Dunkelheit dieser Stelle und die Unsicherheit der Lesart hat eine Reihe verschiedener Auslegungen hervorgerufen. Liest man mit dem überlieferten hebräischen Text: „seine Macht“, so ist an Saul zu denken, und der Sinn wäre etwa der: mag mein Feind im Vertrauen auf seine Stärke hoch einherfahren, so will ich doch ruhig sein; denn ich weiß, dass alles, was er unternimmt, durch deine Vorsehung gezügelt wird. Sicherlich müssen alle Sterblichen durch den Gedanken sich beugen lassen, dass ihre Unternehmungen und Kräfte in Gottes Hand sind. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass gelesen werden muss, wie es am Ende des Psalms lautet: „meine Macht steht bei dir.“ Für den eigentlichen Sinn macht dies wenig Unterschied. Denn jedenfalls fährt David fort: ich will Ausschau halten. Von der hohen Warte seines Glaubens kann er furchtlos auf die gewaltsamen Angriffe seines Feindes herabblicken, indem er weiß, dass dieser ohne Gottes Zulassung nichts vermag. Dass David Ausschau hält, ist also der Ausdruck dafür, dass er mit ruhigem Gemüte und stiller Geduld abwartet, was dem Herrn zu tun gefallen wird. Vielleicht enthält das Wort nebenher eine Anspielung auf die Wächter, welche nach David Ausschau halten und sein Haus belagern. Dem gegenüber würde er sagen: ich halte ohne Furcht auf Gott meine Ausschau.

11 Gott, der mir gnädig ist, begegnet mir zur rechten Zeit; Gott lässt mich meine Lust sehen an meinen Feinden. 12 Erwürge sie nicht, dass es mein Volk nicht vergesse; zerstreue sie aber mit deiner Macht, Herr, unser Schild, und stoß sie hinunter! 13 Die Sünde ihres Mundes, das Wort ihrer Lippen – darum müssen sie gefangen werden in ihrer Hoffart; dass sie reden eitel Fluchen und Lügen.

V. 11. Gott, der mir gnädig ist, begegnet mir zur rechten Zeit. Auch hier ist Lesart und Übersetzung zweifelhaft. Andere übersetzen: „Gott, seine Gnade kommt mir zuvor“, was etwa hieße: er kommt mir in seiner Gnade zuvor. Dabei erinnert Augustin, dass der Mensch ohne Gottes zuvorkommende freie Gnade nichts vermag. So richtig dies ist, so wenig steht es doch hier. David tröstet sich vielmehr, dass Gott ihn mit seiner Hilfe zu rechten Zeit retten werde: mag er zu zögern und seine Hilfe zu verschieben scheinen, so wird er im entscheidenden Augenblick doch zur Stelle sein. In der Tat: wären wir nicht gar zu erpicht auf die Erfüllung unserer voreiligen Wünsche, so würden wir mit Augen sehen, wie er eilt, uns zu erretten. Aber weil wir zu schnell laufen, meinen wir, er ginge zu langsam. Dass aber David sich daran erinnert, dass Gott ihm gnädig ist, soll zur Stärkung seines Glaubens dienen: die bereits erfahrenen Beweise der Barmherzigkeit verbürgen ihm, dass er auch für die Zukunft eine gewisse Hoffnung hegen darf.

V. 12. Erwürge sie nicht. Diese Bitte gewinnt David sich klüglich ab, um sich in Geduld zu üben. Meinen wir doch gewöhnlich, dass unsere Feinde der Hand Gottes entronnen seien, wenn er sie nicht im Augenblick völlig zunichte macht: wir bedenken nicht, dass er auch durch langsames und allmähliches Aufzehren seine Strafe an ihnen vollziehen kann. Weil also die meisten Menschen gar zu voreilig ein plötzliches Verderben ihrer Feinde herbeisehnen, legt David sich Zügel an: er will Gottes Gericht auch in den leichteren Übeln anerkennen, welche die Verworfenen allmählich mürbe machen. Und gerade darin soll uns ein Schauspiel vor Augen gestellt werden, welches uns zur täglichen Erinnerung dient, damit Gottes Gerichte, die ja an sich in großen Straftaten deutlicher zu sehen sind, desto nachhaltiger sich in unser Herz prägen. So enthalten unsere Worte einen verborgenen Tadel von Israels Undankbarkeit: dass es mein Volk nicht vergesse. Würden doch einzelne besondere Taten leicht dem Gedächtnis entschwinden. David bittet nun: zerstreue sie. Die Meinung ist, dass diese Leute in Elend und Dürftigkeit umherirren sollen, ohne jemals Trost für ihren Schmerz zu finden. Dies zeigt das nächste Wort noch deutlicher: stoß sie hinunter. Menschen, die jetzt in ehrenvoller Stellung sich befinden, sollen in den Staub gezogen werden und in Elend und Schande als ein leibliches Beispiel des göttlichen Zorneswaltens dastehen. Wenn also manche Ausleger übersetzen, dass Gott mit seiner „Heeresmacht“, d. h. durch einen Krieg seines Volkes das alles ausrichten soll, so ist dies gezwungen. Es wird einfach seine Macht wider die Gottlosen aufgerufen, welche im Vertrauen auf ihre irdischen Mittel sich für unbezwingbar hielten. Um aber desto gewisser erhört zu werden, gibt David zu verstehen, dass er für die ganze Gemeinde eintritt. Er sagt in der Mehrzahl: Herr, unser Schild. Und in der Tat lag in seiner Person das Heil der ganzen Gemeinde beschlossen, weil Gott ihn zum König erwählt hatte. Angriffe, die sich gegen ihn richteten, trafen das ganze Volk, für dessen Wohl Gott mit seiner Einsetzung in das Königtum hatte sorgen wollen. Rücksicht auf das Volk, dem ein Stoff zu bleibendem Gedächtnis gegeben werden sollte, war es ja auch, welche dem David Geduld und Mäßigung in seinem Gebet eingab.

V. 13. Die Sünde ihres Mundes usw. Die Ausleger pflegen einen Zusammenhang mit dem vorigen Verse herzustellen, indem sie etwa umschreiben: Wegen der Sünde ihres Mundes usw. In der Tat wird hier der Grund angegeben, weshalb die Feinde zerstreut und hinunter gestoßen werden sollen. Doch ist eine abgerissene und lückenhafte Sprechweise wohl am Platze: sie stellt uns die freche Bosheit, die man nicht erst lange zu suchen braucht, anschaulich vor Augen. Von einer Sünde des Mundes ist dabei die Rede, weil die Feinde mit vollen Backen ihren Stolz und ihre Grausamkeit ausströmen. Darauf deutet es auch, dass sie in ihrer Hoffart gefangen werden sollen. Hier liegt die Quelle ihrer Frechheit, in welcher sie den Unschuldigen hochfahrend, schamlos und großsprecherisch zu Boden drücken. Dann kommt insbesondere zum Ausdruck, wie sich ihr verbrecherisches Treiben in ihren Reden offenbart: sie reden eitel Fluchen und Lügen. Haben sie sich doch ganz und gar an Betrug und Verleumdung verkauft.

14 Vertilge sie ohne alle Gnade; vertilge sie, dass sie nichts seien, und innewerden, dass Gott Herrscher sei in Jakob, in aller Welt. (Sela.) 15 Des Abends werden sie wiederkommen und heulen wie die Hunde, und werden in der Stadt umherlaufen. 16 Sie werden hin und her laufen um Speise, und müssen ungesättigt zu Bett gehen. 17 Ich aber will von deiner Macht singen und des Morgens rühmen deine Güte; denn du bist meine Burg und Zuflucht in meiner Not. 18 Meine Macht steht bei dir: ich will lobsingen; denn du, Gott, bist meine Burg und mein gnädiger Gott.

V. 14. Vertilge sie usw. Es scheint ein Widerspruch, dass David jetzt um die völlige Austilgung der Feinde bittet, die er doch zuvor nicht so schnell getötet wissen wollte. Denn der vorliegende Satz kann doch nichts anderes meinen, als eine schonungslose Ausrottung; von mäßigen und langsam verzehrenden Strafen ist nicht mehr die Rede. David denkt aber ohne Zweifel an zwei verschiedene Zeitpunkte, so dass sich der Widerspruch leicht hebt: eben die Leute, die lange Zeit als Schauspiel vor aller Augen standen, sollen, wenn die rechte Zeit der Reife gekommen, völligem Verderben geweiht werden. So hatten römische Feldherren die Sitte, die Kriegsgefangenen bis auf den Tag des Triumphzuges zu verwahren, um sie dann durch die Stadt zu führen; war man dabei zum Kapitol gelangt, so wurden sie den Liktoren ausgeliefert, die sie sofort hinrichteten. So ist es hier Davids Gebet, dass Gott die Frevler, die er eine Zeitlang am Leben gelassen, nachdem er seinen Triumph über sie gefeiert, ins Verderben stoßen möge. So stimmt beides trefflich zusammen: Gott stellt uns seine Gerichte für längere Zeit vor Augen, damit sie uns nicht aus dem Gedächtnis entschwinden; nachdem aber die Welt genugsam in der Wahrheit unterwiesen ist, dass über die Verworfenen, denen Gott feindlich ist, nichts anderes kommen kann, als langsam zehrendes Verderben, werden sie zu rechter Zeit völlig vernichtet. Und auch dieses Schauspiel muss unsre trägen Geister, denen leichtere Strafen vielleicht keinen Eindruck machen, zu besonderer Aufmerksamkeit erwecken. Es wird hinzugefügt, auf diese Weise müsse die Welt innewerden, dass Gott Herrscher sei in Jakob, in aller Welt. Das „und“, welches einige Ausleger zwischen „Jakob“ und „aller Welt“ einschieben, ergibt einen verkehrten Sinn. Denn David denkt an ein Strafgericht, dessen Kunde bis zu den äußersten Völkern gelangen und auch blinden und unheiligen Menschen Furcht vor dem Herrn einflößen soll. Insbesondere soll sich dabei die Anerkennung ergeben, dass Gott in seiner Gemeinde Herrscher sei. Denn dies war ein schlimmer Anstoß, dass eben dort, wo Gott seinen königlichen Thron errichtet hatte, eine Verwirrung herrschte, die das Heiligtum wie eine Räuberhöhle erscheinen ließ.

V. 15. Des Abends werden sie wiederkommen usw. Man könnte auch übersetzen: mögen sie wiederkommen. Dann würde David eine Verwünschung aussprechen. Doch nehme ich lieber an, dass er, nachdem er seine Bitten vorgetragen, nunmehr der Hoffnung auf einen guten Ausgang seiner Sache Ausdruck gibt. Ohne Zweifel weist unser Vers anspielend auf Vers 7 zurück. Aber der Sinn der Worte ist verschieden: David gibt ironisch zu verstehen, dass seine Feinde in ganz anderer Weise hungrig umherschweifen werden als zuvor; es kommt anders, als sie gedacht haben. Zuvor musste David klagen, dass sie in ihrer unersättlichen Gier, Schaden zu tun, und in ihrer Wut heulten, wie Hunde. Jetzt aber spottet er über ihre ohnmächtigen Versuche: nachdem sie sich den ganzen Tag mit eifrigem Suchen vergeblich abgemüht, werden sie um alles betrogen werden, was sie sich versprachen. David kann sich zu ihrem vergeblichen Streben Glück wünschen. Es kommt so weit, dass sie ungesättigt zu Bett gehen müssen. Welch eine Schilderung drückenden Mangels und quälenden Hungers! Sie haben ohne Erfolg den ganzen Tag herumgebettelt, und müssen nun müde den hungrigen und leeren Bauch zur Ruhe legen.

V. 17. Ich aber will singen. Damit sagt David nicht bloß, dass er Grund zum Singen haben werde, sondern auch, dass er seinen Dank freudig darbringen wolle. Zuerst erklärt er, dass seine Errettung ein herrliches Zeichen der Macht, dann aber auch ein Geschenk unverdienter Güte Gottes sein werde. Dass er Gott seine Burg nennt, könnte nach sonstigem Sprachgebrauch auf das Geräusch des Krieges deuten, während David doch einfach durch die List seines Weibes den Hütern entronnen war. Aber es war doch Gott, der sich dieses Mittels bediente, um Sauls Zurüstungen und Soldaten zunichte zu machen. Außerdem scheint David an diese letzte Erfahrung göttlichen Schutzes nur anzuknüpfen, aber auch auf frühere Durchhilfen mit zurückzublicken.

V. 18. Meine Macht steht bei dir. Jetzt spricht er vollends deutlich aus, dass er seine Rettung lediglich dem Herrn zuschreibt: alles Lob lässt er ihm und behält nichts für sich zurück. Was er – wenigstens nach der Lesart des hebräischen Textes – zuvor (V. 10) von seinem Feinde sagte, dass seine Macht bei Gott stände, wendet er nun in feiner Änderung des Sinnes auf sich selbst. Der Gottlosen Macht steht insofern bei Gott, als er sie hemmt und zügelt, sodass offenbar werden muss, dass ihre eingebildete Kraft ein täuschendes Nichts ist. Die Macht der Gläubigen steht insofern bei Gott, als er sie ihnen schenkt, so dass es ihnen niemals an Kraft fehlen kann. Zuvor also hatte David gerühmt, er werde sicher sein, weil Saul durch Gottes verborgene Vorsehung gefesselt würde, sodass er nicht einmal einen Finger regen könne. Jetzt verkündet er, dass er trotz aller eignen Schwachheit Kraft genug in seinem Gott besitze. Darum kann er hinzufügen: ich will lobsingen, - wie denn der heilige Geist durch den Mund des Jakobus (5, 13) den, der guten Mutes ist, Psalmen singen heißt.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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