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Calvin, Jean - Psalm 18.

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Calvin, Jean - Psalm 18.

Inhaltsangabe:Wir wissen, mit welchen Schwierigkeiten David zu kämpfen hatte, und welche großen Hindernisse er überwinden musste, um zur Herrschaft zu gelangen. Denn bis zu Sauls Tode brachte er als flüchtiger Verbannter furchtsam sein Leben zu, da ihm von vielen Seiten der Tod drohte. Dann, als Gott ihn schon durch seine Hand auf den Thron gesetzt hatte, begannen für ihn neue innere Streitigkeiten, und da die feindliche Partei sehr stark war, so war er oft dem Untergange nahe; endlich wurde er bis an sein Ende von äußeren Feinden hart bedrängt. Dieser Schwierigkeiten würde er ohne den Beistand der göttlichen Macht nie Herr geworden sein. Nachdem er nun diese herrlichen Siege errungen, verherrlicht er nicht sich selbst, wie sonst die Menschen zu tun pflegen, sondern bringt Gott, als dem Urheber derselben, die ihm gebührende Ehre dar. Der Psalm beginnt mit einer herrlichen Lobpreisung der wunderbaren Gnade, die er nicht nur zu Beginn seiner Regierung erfuhr, sondern die ihn auch im weiteren Fortgang stützte. Darauf zeigt er, dass sein Reich ein Vorbild auf Christi Reich ist, damit die Gläubigen daraus die Zuversicht gewinnen, dass Christus, mag auch die Welt ihm feind sein und gegen ihn ankämpfen, doch durch die unglaubliche Macht seines Vaters immer Sieger bleiben wird.

V. 1. Die Angabe über die Abfassungszeit dieses Psalms ist von großer Bedeutung. Denn daraus ersehen wir, dass David, nachdem er Ruhe erlangt hatte, nicht in trunkener Freude schwelgte, wie andere Menschen tun, die, wenn ihnen Erleichterung von ihren Übeln zuteil geworden ist, die Wohltaten Gottes alsbald vergessen, sich sinnlichen Genüssen ergeben, stolz das Haupt erheben, und durch den Weihrauch, den sie sich selbst streuen, Gottes Ruhm verdunkeln. Die heilige Geschichte berichtet uns nämlich (2. Sam. 22), dass David diesen Psalm in hohem Alter gedichtet hat, als er, von allen Mühsalen erlöst, in Ruhe lebte. Hiermit stimmt die Überschrift des Psalms überein, und die angeführten Gründe zeigen, dass diese Überschrift nicht willkürlich hinzugesetzt ist. Die Zeitangabe nennt nämlich eine Zeit, wo Gott ihn von allen seinen Feinden erlöst hatte. Damit wird angedeutet, dass er damals im ruhigen Besitz der Herrschaft war, und dass Gott ihm mehr als einmal und gegen die verschiedensten Feinde geholfen hatte. Denn da immer neue Kämpfe sich erhoben, so war das Ende des einen Krieges der Anfang eines anderen; ja oft traten feindliche Heereshaufen von den verschiedensten Seiten gegen David auf. Seit Erschaffung der Welt kann kaum ein Mann gefunden werden, der von Gott so mannigfach versucht worden ist. Da jedoch Saul ihn grausamer und mit größerer Wut und Hartnäckigkeit verfolgte als alle übrigen, so wird sein Name besonders genannt, nachdem vorher aller Feinde im allgemeinen Erwähnung getan ist. Er wird aber nicht etwa darum zuletzt genannt, als wäre er der letzte Feind gewesen. War er doch schon vor dreißig Jahren gestorben, und nach seinem Tode hatte David nicht nur viele äußere Feinde besiegt, sondern auch die Verschwörung seines Sohnes Absalom niedergeworfen. Da er es aber als eine besondere Gnade Gottes erkannt hatte, dass er so viele Jahre hindurch unzählige Male dem Tode entgangen, ja dass er fast durch ebenso viel Wunder Gottes errettet worden war, als er Tage unter der Regierung Sauls verlebt hatte, so verherrlicht er nicht ohne Grund gerade das Gedächtnis dieser Befreiung. Wenn er sich einen Knecht Gottes nennt, so tut er dies ohne Zweifel, um damit seine Berufung zu bezeugen. Er gibt zu verstehen, dass er sich nicht leichtsinnig auf den Thron geschwungen, sondern dass er dabei einer Offenbarung Gottes folgte. Für ihn war es aber in den vielen Stürmen eine sehr notwendige Stütze und bei dem Schiffbruch der einzige Hafen, dass er sich des göttlichen Auftrages recht bewusst war. Denn es gibt nichts Traurigeres, als wenn ein Elender in seinem Unglück sich vorwerfen muss, das er sich aus eigenem Antriebe in die Gefahr gestürzt habe. Mit vollem Recht legt David daher Nachdruck darauf, es zu bezeugen, dass nicht der Ehrgeiz ihn in diese Kämpfe, in denen er so hart mitgenommen worden war, getrieben und dass er nichts widerrechtlich durch schlechte Künste erstrebt habe, sondern dass er nur dorthin gegangen sei, wohin ihn Gottes Befehle gewiesen. Auch für uns ist es nützlich, dieses zu wissen: wir sollen, wenn wir dem Ruf Gottes folgen, uns nicht in die trügerische Hoffnung auf ein müheloses Leben einwiegen, sondern uns vielmehr auf harte Kämpfe gefasst machen. Die Bezeichnung als „Knecht“ Gottes bezieht sich hier wie auch sonst oft auf das öffentliche Amt. In gleicher Weise nennen sich auch die Propheten und Apostel Gottes Knechte. David will damit sagen, dass er sich nicht selbst zum König gemacht habe, sondern von Gott hierzu erwählt sei. Zugleich ist seine Bescheidenheit wohl zu beachten, dass er, der durch so viele Siege berühmt war, so viele Völker unterworfen hatte, so große Würden und so großen Reichtum besaß, sich keinen anderen Ehrentitel als den eines Knechtes Gottes beilegte, um damit gleichsam zu bezeugen, dass er es für eine größere Ehre als allen Glanz dieser Welt halte, das ihm von Gott übertragene Amt treu verwaltet zu haben.

V. 2. Und sprach usw. Die Abweichungen dieses Psalms von dem 2. Sam. 22 überlieferten Liede will ich nicht im Einzelnen genau durchnehmen, sondern nur gelegentlich die wichtigsten kurz berühren, wie denn dort schon der erste Satz fehlt: Herzlich lieb habe ich dich. Dieser Satz stellt in bemerkenswerter Weise die Liebe zum Herrn, mit der man ihm die größte Ehre antut, als Hauptstück der Frömmigkeit an die Spitze. Allerdings könnte man auch sagen, dass man zur Wahrung der göttlichen Majestät die Verehrung, die wir dem Herrn schulden, lieber als Gottesfurcht bezeichnen sollte. Da der Herr jedoch vor allem von uns fordert, dass wir alle Neigungen unseres Herzens ihm zuwenden, so gibt es für ihn kein besseres Opfer, als wenn wir durch das Band der freiwilligen Liebe uns mit ihm verbinden. Auch leuchtet uns anderseits seine Herrlichkeit nirgends so entgegen wie in seiner gnädigen Güte. Deshalb sagt auch Mose, wenn er die Summe des Gesetzes angeben will (5. Mo. 10, 12): „Nun, Israel, was fordert der Herr, dein Gott, von dir, denn dass du ihn liebst?“ Zugleich lassen Davids Worte aber auch ersehen, dass er nicht an dem in der Welt zu allen Zeiten stets verbreiteten Fehler leidet, seine Gedanken ganz an die Wohltaten Gottes zu heften und undankbar darüber den Spender selbst zu vergessen. Auch heute sieht man, dass der größte Teil der Menschen Gott vernachlässigt und hintansetzt und sich nur an seinen Gaben ergötzt. Demgegenüber spricht David, um nicht in diese Undankbarkeit zu verfallen, mit seinen Anfangsworten gleichsam ein feierliches Gelöbnis aus: Herr, weil du meine Stärke bist, so will ich dir mit lauterer Liebe ergeben sein.

V. 3. Herr, mein Fels usw. Wenn David hier mehrere Ehrentitel des Herrn aneinanderreiht, so ist das nicht überflüssig. Wir wissen ja, wie schwer es hält, die Gedanken und die Herzen der Menschen in der Gemeinschaft mit Gott zu erhalten. Bald bilden sie sich ein, dass der Herr ihnen nicht genüge, und suchen sich dann einen anderen Helfer; bald lassen sie das Vertrauen zu ihm fahren, sobald eine Versuchung an sie herantritt. Deshalb bezeugt David mit einer reichen Aufzählung, dass er in jeder Beziehung ganz sicher ist, wenn er nur Gott zum Hort seines Heils hat. Er gibt zu verstehen, dass Leute, die Gott mit seiner Hilfe schützen will, nicht nur gegen eine Art von Gefahren gesichert, sondern von allen Seiten mit einem so starken Schutz umgeben seien, dass sie von nirgendsher den Tod zu fürchten hätten. Wir sehen also, dass er hier Gottes Lob nicht nur zum Zweck des Dankens verherrlicht, sondern auch um die Herzen mit festem und standhaftem Glauben auszurüsten, damit sie, was auch immer geschehen möge, alsbald zu Gott sich flüchten und damit sie fest überzeugt seien, dass Gottes vielgestaltige Macht allen schädlichen Plänen der Gottlosen gewachsen sein werde. Wie schon vorher angedeutet, ist David nicht ohne Grund in dieser Beziehung so wortreich: denn wenn Gott uns auch auf eine Weise geholfen hat, so erschrecken wir doch, sobald ein neuer Sturm sich erhebt, gleich als hätten wir nie seine Hilfe erfahren. Erwarten sie auch in einer bestimmten Bedrängnis seine Hilfe, so scheint ihrem böswilligen Schwachglauben in jeder anderen Richtung seine Macht doch stark eingeschränkt. Sie machen es wie ein Kämpfer, der sich für seine Brust gesichert fühlt, weil sie durch Harnisch und Schild geschützt ist, aber für sein Haupt fürchtet, weil er keinen Helm hat. Aus diesem Grunde reicht David hier den Gläubigen eine vollständige Waffenrüstung dar, damit sie merken, dass sie keinen Schlägen bloßgestellt sind, wenn sie mit Gottes Kraft sich rüsten. Dass dieses seine Absicht ist, bezeugen die folgenden Worte: auf den ich traue. Lasst uns daher von ihm lernen, uns diesen Namen Gottes vorzuhalten, so oft uns Angst befällt. Ja, möge dieses uns so im Gedächtnis haften, dass dadurch jede Furcht, die Satan uns einflößen will, ferngehalten wird. Senn wir sind nicht nur im Augenblick der Not schwankend, sondern bilden uns auch für die Zukunft grundlose Gefahren ein, die uns beunruhigen.

V. 4. Ich rufe an den Herrn, den Hochgelobten. Obwohl „den Herrn anrufen“ oft im Allgemeinen bedeutet, dass man ihm die schuldige Ehre gibt, wird doch hier an ein eigentliches Gebet zu denken sein, von dessen Erklärung ja auch sofort die Rede ist: wenn David den Herrn anruft, begibt er sich also in seinen Schutz und sucht bei ihm Rettung. Und eben diese Anrufung ist seiner Hoffnung Grund: denn wer auf den Herrn hofft, fleht ihn in der Not um seine Hilfe an. Er verkündigt also, dass er erhalten bleiben und alle seine Feinde besiegen werde, weil er seine Zuflucht zu Gott nehme. Dabei nennt er, wie fast alle Ausleger annehmen, Gott nicht allein in dem allgemeinen Sinne den Hochgelobten, weil er es verdient, gelobt zu werden, sondern der heilige Sänger will insbesondere aussagen, dass er unter seine Gebete Lobpreisungen mischt. Ich glaube, dass der Zusammenhang diese Auffassung fordert; denn indem David für die früheren Wohltaten dankt, sucht er zugleich durch neue Bitten Gottes Beistand. Und sicherlich wird nur der freimütig beten, der durch die Erinnerung an die Gnade Gottes sich aufrichtet. Deswegen ermahnt Paulus auch die Philipper (4, 6): „In allen Dingen lasst eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Überhaupt wollen wir bedenken, dass man dem Herrn widerstrebt und mit ihm hadert, wenn man bittet, ohne zu danken.

V. 5 u. 6. Es umfingen mich des Todes Bande usw. David beginnt jetzt zu erzählen, wie er es durch gewisse und herrliche Beweise erfahren habe, dass Gottes Hand imstande sei, jedes auch noch so schwere und große Übel abzuwenden. Wir dürfen uns nicht darüber wundern, dass David mit dichterischen und glänzenden Worten das Weitere ausschmückt, was auch in einfacher und gewöhnlicher Sprache beschrieben werden könnte. Denn da der heilige Geist gegen die übelwollende und schlechte Gesinnung der Menschen streiten will, so rüstet er den Sänger mit einer so zu sagen übertriebenen Beredsamkeit aus, um die Welt zur Betrachtung der Wohltaten Gottes aufzuwecken. Denn es gibt fast keine noch so greifbare Hilfe Gottes, die unsere böse Gesinnung nicht verdunkelte. Deshalb sagt David, um mehr Eindruck auf unsere Sinne zu machen, dass die Hilfe, die Gott ihm gebracht habe, am ganzen Weltgebäude sichtbar gewesen sei. Diese seine Absicht müssen wir wohl im Auge behalten, damit wir nicht auf den Gedanken kommen, dass er in seiner erhabenen Sprechweise über das rechte Maß hinausgegangen sei. Alles in allem: als schon jeder Ausgang verschlossen schien, nahm David seine Zuflucht zu Gottes Hilfe und wurde wunderbar errettet. Als „Bande des Todes“ werden alle Gefahren bezeichnet, in die ein Mensch derartig verwickelt wird, dass ihm Untergang und Verderben droht. Die Bäche Belials deuten auf den Ansturm einer großen Flut: es war, als sollte David Schiffbruch leiden. „Belial“ ist ein im Hebräischen oft zur Bezeichnung gottloser und verkehrter Menschen gebrauchtes Wort: es lässt sich etwa durch „Nichtsnutzigkeit“ wiedergeben. David redet so im Blick auf seine Feinde, die keine Schlechtigkeit und kein Verbrechen scheuten, ihn zu verderben. Doch will ich auch nicht widersprechen, wenn andere übersetzen: „Bäche todbringenden Verderbens“. Im folgenden Verse wiederholt David, dass er durch die Stricke des Grabes gebunden gewesen sei; denn „Hölle“ oder genauer „Unterwelt“ bedeutet hier das Grab. Diese Beschreibung der Gefahr, in der er sich befand, stellt die Gnade der Befreiung in das rechte Licht. David war in eine so verzweifelte Lage gekommen, dass er durch Menschen nicht mehr gerettet werden konnte.

V. 7. Da mir angst war, rief ich den Herrn an. Es ist ein herrliches Zeugnis eines seltenen Glaubens, dass David, da er schon fast im Strudel des Todes versunken war, doch sein Herz im Gebet zum Himmel erhebt. Wir wollen dabei bedenken, dass uns ein solches Bild vor Augen gestellt wird, damit auch die schlimmste Not uns nicht vom Beten abhalte. Die Frucht, die dieses Gebet hatte, zeigt umso deutlicher, dass Gottes Hand helfend eingriff. Wie inbrünstig David betete, ersehen wir aus dem nächsten Satz: und schrie zu meinem Gott. Wer so persönlich redet, unterscheidet sich von den offenbaren Verächtern Gottes und den Heuchlern, die wohl, wenn die Not sie treibt, in unordentlicher Weise die himmlische Gottheit anrufen, aber weder vertraut noch mit reinem Herzen sich zu Gott nahen, weil sie von seiner väterlichen Gnade nichts verstehen. Denn erst dann, wenn der Glaube uns voranleuchtet, so dass wir überzeugt sind, dass Gott unser Vater ist, ist die Tür dem gegenseitigen Verkehr geöffnet. Hierzu kommt noch, dass David, indem er Gott auf seine Seite stellt, ihn zum Gegner seiner Feinde macht: auch darin zeigt sich seine Frömmigkeit im hellsten Lichte. Mit dem Tempel ist hier nicht (wie sonst oft) das Heiligtum gemeint, sondern der Himmel. Denn dass des Beters Schreien zu Gottes Ohren kommt, passt kaum für das irdische Heiligtum. David will sagen, dass Gott ihm, als er in der Welt verlassen dastand, und die Ohren aller Menschen taub waren, vom Himmel seine Hand darreichte.

V. 8. Die Erde bebte usw. Weil David die Hilfe Gottes, die er erfahren, nicht genug nach Würde preisen konnte, so malte er davon ein Bild an den Himmel und auf die Erde. Er will etwa sagen, diese Hilfe sei so sichtbar gewesen, wie die Veränderungen bemerkbar sind, die am Himmel und auf der Erde geschehen und diesen ein anderes Aussehen geben. Denn wenn der Lauf der Dinge immer gleichmäßig wäre, so würde Gottes Macht nicht so bemerkbar sein. Wenn dagegen der Herr durch einen plötzlichen Regen, Gewitter oder Sturmwind den Himmel verändert, so müssen auch Leute, die früher gleichgültig waren, aufwachen, da solche unerwartete Veränderungen Gottes Gegenwart deutlicher zeigen. Gottes Erhabenheit ist ja auch bei ruhigem Himmel vollständig sichtbar. Da jedoch die Menschen erst dann ihre Sinne auf die Betrachtung derselben richten, wenn Gott näher zu ihnen herniedersteigt, so zählt David, um mehr Eindruck zu machen, die plötzlichen Veränderungen auf: er zeigt uns Gott in dunkle Wolken gekleidet, wie er jetzt durch den Sturm alles erschüttert, jetzt mit plötzlicher Windsbraut die Luft durchschneidet, jetzt blitzt, jetzt Hagel und Blitze schleudert. Alles in allem: der Gott, der alle Teile der Welt, so oft es ihm gut scheint, mit seiner Kraft erschüttert, erschien als Davids Retter in nicht minder deutlichen Zeichen, als wenn er seine Kraft oben am Himmel und unten auf Erden an allen seinen Geschöpfen offenbart hätte. Zuerst heißt es, dass die Erde bewegt worden sei, weil das Erdbeben das Furchtbarste ist. In dem Liede (2. Sam. 22, 8) werden statt der Grundfesten der Berge die Grundfesten des Himmels genannt: aber der Sinn ist derselbe, nämlich dass auf Erden nichts so beständig und so fest gewesen sei, dass es nicht gezittert haben und von seinem Platze gerückt worden sei. Doch, wie gesagt, berichtet David hier nicht etwas, was wirklich geschehen ist, sondern er redet um der Trägheit der Menschen willen in Bildern, um ihnen dadurch ihre Zweifel zu nehmen, - weil sie den Herrn nur in äußeren Zeichen wahrnehmen. Einige meinen zwar, dass diese Wunder von Gott offenbar gewirkt worden seien. Das ist aber kaum glaublich, da der heilige Geist bei der Beschreibung des Lebens Davids ganz davon schweigt. Doch werden wir über diese übertriebene Redeweise nicht spotten, wenn wir, wie schon gesagt, an die Trägheit unseres Geistes und unsere Bosheit denken. Da David ein viel schärferes Auge hat und alles viel besser durchschaut als die Menschen im Allgemeinen, so beschreibt er die Macht Gottes, die er selbst im Glauben durch den Geist erfahren hatte, mit äußeren Bildern, weil er bei den trägen und stumpfsinnigen Menschen mit einer einfacheren Redeweise nicht auskommen kann. Gewiss ist nicht daran zu zweifeln, dass David das allgegenwärtige Wirken Gottes viel gewisser erfasst hat, als die stumpfe Masse der Menschen seine Hand im Erdbeben, Unwetter, Blitzen, Himmelsverdunklungen und anderen Stürmen fühlen würde. Zugleich ist hierbei zu bedenken, dass, obgleich Gott seine Gnade in so wunderbarer Weise durch die Bewahrung Davids bezeugt hatte, dennoch viele meinten, dass ihm alles durch seine Kunst, durch Zufall oder sonst auf natürliche Weise geglückt sei. Dieser Stumpfsinn und diese Bosheit zwangen ihn, alle Geschöpfe zu Zeugen anzurufen. Übrigens finden einige Ausleger in dieser ganzen Schilderung mit Recht Anspielungen an die Erlösung des ganzen Volkes aus Ägypten. Denn da Gott damals ein ewiges Denkmal errichtete, an dem die Gläubigen erkennen sollten, dass er der Hort ihres Heils sei, so waren alle späteren Wohltaten, die er seinem Volke sowohl in der Gesamtheit als den einzelnen Gliedern erwies, gleichsam nur ein Anhang zu dieser ersten Erlösung. Auch anderwärts erinnert David an jene vorbildlichen Gnadentaten des Anfangs, wenn er die Rettungen rühmen will, die Gott seinem Volke angedeihen ließ. Zudem hatte er einen besonderen Grund, seine persönliche Rettung eng mit der dem ganzen Volke gemeinsamen Erlösung zusammenzuknüpfen: denn viele spotteten sein, als wäre er von Gottes Volk abgeschnitten, da er aus dem Vaterlande fliehen musste; auch murrte man wider ihn, als habe er das Königtum mit Gewalt an sich gerissen. So will er zu verstehen geben, dass man ihn grundlos gleich wie einen Fremden verwerfe: hat es doch Gott durch die Tat bewiesen, dass er vor ihm als ein edles und ausgezeichnetes Glied der Gemeinde gilt. Wir sehen ja, dass die Propheten das Volk, wenn sie ihm Hoffnung auf Erlösung machen wollen, immer auf den ersten Bund hinweisen, der durch die bekannten Wunder in Ägypten, durch den Durchgang durchs rote Meer und durch die am Sinai gesehenen Wunder geheiligt worden war. Wenn aber David sagt, dass die Erde gezittert habe, als Gott zornig war, so gilt das für die Gottlosen. Denn der Herr erklärt öfters, dass er in Zorn und Eifer entbrenne und die Waffen in die Hand nehme, um das Wohl seiner Gläubigen zu schützen.

V. 9. Dampf ging aus von seiner Nase. David vergleicht hier die Nebel und Wolken, die den Himmel verdunkeln, mit dem spürbaren Hauch, der aus der Nase eines zornigen Menschen hervorgeht. Denn wenn Gott durch seinen Hauch den Himmel mit Wolken bedeckt und den Glanz der Sonne und aller Sterne vor unserem Auge verdunkelt und uns in Finsternis hüllt, so bekommen wir einen rechten Eindruck davon, wie furchtbar Er ist. Dass verzehrend Feuer von seinem Munde ausgeht, will besagen, dass Gott ohne große Anstrengung, wenn er nur einen Hauch aus seiner Nase ausgehen lässt und seinen Mund öffnet, ein Feuer anzünden kann, das mit seinem Rauch die ganze Welt verfinstert und dann mit seiner Glut alles verschlingt. Die Worte: Glühkohlen brannten aus ihm hervor – sind hinzugesetzt, um anzuzeigen, dass dieses Feuer kein Feuer ist, das bald verlischt.

V. 10. Dass Gott den Himmel neigte, ist als Beschreibung eines neblig-düsteren Tages zu verstehen. Denn wenn dichte Nebel den Himmel bedecken, so scheinen die Wolken über unseren Häuptern zu hängen. Und dieses nicht allein: Gottes Erhabenheit flößt uns durch ihr Näherkommen auch Schrecken ein und erfüllt uns mit Angst, während wir bei heiterem Himmel uns ganz der Freude hingeben. Übrigens werden wir hier daran erinnert, dass die Dunkelheit des Himmels uns ein Bild des göttlichen Zornes ist. Denn so wie bei hellem Sonnenschein Gottes Angesicht uns erheitert, so stimmt die Trübung des Himmels uns traurig, dass wir die Stirn in Falten ziehen, weil Gott gleichsam mit drohenden Augenbrauen auf uns losstürzt. Zugleich werden wir auch daran erinnert, dass alle Veränderungen am Himmel und auf Erden Zeugen der Gegenwart Gottes sind.

V. 11. Er fuhr auf dem Cherub. Wie der Dichter uns die Wolken und die Bedeckung des Himmels als ein Zeichen und ein Bild des göttlichen Zorns vorhält, als ob der Herr Rauch aus seiner Nase hauchte und drohend herniederstiege, um die Menschen mit der Wucht seiner Kraft zu bedrängen; und wie er sagt, dass in Blitz und Wetterleuchten flammendes Feuer aus Gottes Munde gehe, so führt er uns ihn jetzt vor, wie er auf dem Winde und dem Wirbel dahinfährt und in schnellem Laufe oder besser in raschem Fluge den ganzen Erdkreis durcheilt. Eine ähnliche Beschreibung finden wir Ps. 104, 3, wo es heißt, dass Gott auf den Flügeln des Windes reite und diese als seine raschen Boten nach allen Seiten hinaussende. Übrigens heißt es nicht einfach, dass Gott die Winde lenkt und durch seine Kraft regiert, sondern dass er auf dem Cherub reitet. Da unter dem Bilde der Cherubim Engel dargestellt werden, lernen wir hier, dass Gott sich der Engel bedient, um auch dem Winde seine Bahn zu weisen. Zugleich wird eine Anspielung auf die Bundeslade vorliegen. David lässt uns Gottes Macht in den Wundern der Natur schauen; aber er vergisst auch den Tempel nicht, in welchem der Herr sich in besonderer Weise den Söhnen Abrahams offenbart hatte. Er verherrlicht also Gott nicht nur als den Schöpfer der Welt, sondern auch als den, der mit Israel einen Bund geschlossen und sich in seiner Mitte einen heiligen Wohnsitz erwählt hatte. Er hätte ja die Engel mit ihrem eigentlichen Namen nennen können: aber er setzt dafür absichtlich die sichtbaren Abbilder bei der Bundeslade, um dadurch die Gedanken der Gläubigen auf den Gottesdienst des Tempels zu richten. Was wir weiter (V. 12) von Gottes dunklem Gezelt lesen, wiederholt lediglich mit neuen Worten, was wir schon hörten: wenn Gott die Erde in Finsternis hüllt, so verbirgt er den Menschen gewissermaßen sein Angesicht. So zieht ein König, der seinem Volke grollt, sich in die Verborgenheit zurück. Mit einer allgemeingültigen Aussage über Gottes unerforschliche Herrlichkeit, welche die Menschen vor neugierigem Vorwitz waren wollte, haben wir es hier nicht zu tun. Gewiss wohnt Gott in einem Lichte, da niemand zukommen kann: aber unsere Stelle muss im gegebenen Zusammenhange so gedeutet werden, wie ich es ausführte.

V. 13. Vom Glanz vor ihm trennten sich die Wolken usw. Wiederum kommt David auf die Blitze zurück, die die Wolken zerteilen und den Himmel öffnen. Er sagt, dass die Wolken, in welche Gott sich zum Zeichen seines Zornes gehüllt hatte, um die Menschen des Lichtes seines Angesichts zu berauben, vor seinem Blitze vergangen seien. Denn bei solchen plötzlichen Veränderungen bekommen wir einen tiefen Eindruck von Gottes Macht. Der Dichter fügt hinzu, dass Hagel und Blitze, buchstäblich „Feuerkohlen“, gefolgt seien. Denn wenn die Wolken durch den Donner zerrissen werden, so brechen die Blitze hervor und die Wolken entlasten sich in Hagel.

V. 14. Der Höchste ließ seine Stimme hören. Als Gottes Stimme wird der Donner bezeichnet, damit wir nicht meinen sollen, dass dieser zufällig oder allein aus natürlichen Ursachen ohne himmlischen Befehl entstehe. Die Naturforscher kennen allerdings die vermittelnden Ursachen, aber David erhebt sich im Geiste über diese Naturerscheinungen und geht auf Gott als die letzte Ursache zurück. Es ist hier wohl zu beachten, was ich früher bemerkt habe, nämlich dass David uns mit diesen Bildern die furchtbare Macht Gottes beschreibt, um dadurch die Gnadentat seiner Rettung ins rechte Licht zu stellen. Gleich darauf (V. 15) deutet er das Bild und berichtet von Gottes Hilfe: Er schoss seine Pfeile und zerstreute sie, d. h. die Feinde. Er will damit sagen, dass sie nicht durch Menschenhand oder durch menschliche Waffen niedergeworfen wurden, sondern dass Gott offenbar gegen sie gewettert habe. Er berichtet hier jedoch nicht Dinge, die wirklich geschehen sind, sondern er bedient sich dieser Redeweise, weil die rohen und böswilligen Menschen in anderer Weise nicht dahin gebracht werden konnten, Gott als seinen Befreier zu erkennen. David gibt zu verstehen: Leute, die das nicht anerkennen wollen, dass ich durch Gottes Hand bewahrt worden bin, könnten ebenso gut leugnen, dass Gott vom Himmel donnert, und dass er in der ganzen Ordnung der Natur und in den wunderbaren Veränderungen derselben seine Macht offenbart.

V. 16. Da sah man das Bette der Wasser. Ohne Zweifel spielt David in diesem Verse auf das Wunder beim Durchgang durch das rote Meer an. Ich habe schon früher bemerkt, in welcher Absicht er dies tut. Er tut es, weil Gott durch die besonderen Wohltaten, die er den einzelnen Söhnen Abrahams erweist, den Bund, den er einmal mit dem ganzen Volke geschlossen hat, immer wieder aufs Neue ins Gedächtnis zurückruft, damit sie von seiner dauernden Gnade fest überzeugt seien, und damit diese eine Befreiung ihnen als Beweis und Unterpfand ihres dauernden Heils dienen möchte. David stellt daher die Hilfe, die ihm persönlich vom Himmel gebracht wurde, passend mit jener vor langer Zeit geschehenen Befreiung der Gemeinde zusammen. Denn diese Gnade, die er als ihm persönlich erwiesen preist, war von jener ersten Erlösung gar nicht zu trennen: sie war davon gleichsam ein Anhängsel und Teil. So schaut David das Wunder der Trocknung des Meeres und die ihm gewordene Hilfe gleichsam in einem Augenblicke zusammen. Alles in allem: der Gott, der einst den Seinen einen Weg durchs Meer bahnte und sich als ihr Beschützer offenbarte, um ihr Vertrauen auf seinen bleibenden Schutz zu erwecken, hat wiederum seine wunderbare Kraft bewiesen und das Gedächtnis jener alten Geschichte erneuert, indem er diesen einen Menschen rettete. Hieraus geht aufs Deutlichste hervor, dass David bei seinen großartigen Ausmalungen nicht dichterisch fabuliert, sondern sich in der Bahn hält, die Gott seinen Gläubigen vorschreibt. Zugleich ist der Grund zu beachten, der ihn zur Ausschmückung der erfahrenen Gnade zwang: hätte er schlichter geredet, so würde der größte Teil des Volkes, sei es aus Bosheit, sei es aus Stumpfsinn mit geschlossenen Augen daran vorübergegangen sein.

V. 17 u. 18. Er streckte seine Hand aus. Hier wird kurz gezeigt, was der Zweck dieser so glänzenden Schilderung ist. Wir sollen es wissen, dass David sich aus den tiefen Abgründen nicht durch eigene Kraft und auch nicht mit Hilfe anderer Menschen emporgearbeitet hat, sondern dass er durch Gottes Hand aus ihnen herausgezogen worden ist. Dass Gott von der Höhe her Hilfe sendet, pflegt gesagt zu werden, wenn er uns in wunderbarer und ungewohnter Weise bewahrt. Diese Sendung der Hilfe steht im Gegensatz zu den irdischen Hilfsmitteln, auf die wir in verkehrter Weise unser Augenmerk zu richten pflegen. Schwerlich soll gerade an die Sendung von Engeln erinnert werden. Denn auf welche Weise uns auch immer geholfen werden mag, so ist es doch immer Gott, der seine Geschöpfe, die seines Winks gewärtig sind, zu unserem Dienst bestimmt und ihnen den Auftrag gibt, uns zu helfen. Mag die Hilfe, die ihm vom Himmel gesandt wurde, nun so oder so gewesen sein, so versichert David mit Recht, dass Gott ihm von der Höhe seine Hand zur Erlösung entgegengestreckt habe. Denn dadurch will er ausdrücken, dass diese Wohltat alle anderen, gewöhnlichen, als eine besondere weit übertreffe. Diese ungewöhnliche Offenbarung der göttlichen Macht steht hier nämlich im Gegensatze zu den gewöhnlichen Mitteln, durch die Gott täglich hilft. Wenn David weiter sagt, dass er von Gott aus großen Wassern gezogen sei, so ist das eine bildliche Redeweise. Er vergleicht nämlich die Wildheit der Feinde mit reißenden Strömen, die ihn hundertfach zu verschlingen drohten; so stellt er uns anschaulich die Größe der Gefahr vor Augen. Es ist das so, als wenn er sagen würde, dass er aus einem großen Schiffbruch wider Erwarten erlöst worden sei. Im folgenden Verse berichtet er dieselbe Sache ohne Bild in einfacher Weise, nämlich dass er von einem wilden Feinde, der ihn tödlich hasste und hart verfolgte, befreit wurde. Es dient ihm zur Empfehlung der göttlichen Macht, dass diese durch keine Menschenmacht gehindert werden konnte, ihm in der größten Not Rettung zu bringen. Er sagt: Gott hat mir aus der Höhe beigestanden; denn die Feinde waren so mächtig, dass von Menschen nichts mehr zu hoffen war. Hieraus ziehen wir die nützliche Lehre, dass für Gott dann die gelegenste Zeit ist, den Seinen zu helfen, wenn sie nicht mehr imstande sind, den Feinden Widerstand zu leisten; ja wenn sie gebrochen und niedergeworfen ihrer Wut unterliegen, - gleichwie ein Schiffbrüchiger, der die Hoffnung, sich durch Schwimmen zu retten, verloren hat, in die Tiefe hinabgezogen wird.

V. 19 u. 20. Die mich überwältigten usw. Mit anderen Worten bestätigt David den vorhergehenden Gedanken, nämlich dass er durch Gottes Hilfe gehalten worden sei, als kein Ausgang für ihn mehr da war. Denn er berichtet, dass er von allen Seiten umringt war. Und es handelte sich nicht um eine gewöhnliche Belagerung, sondern die Feinde hatten ihn in der Not so hart bedrängt, dass er übel zugerichtet war. Dieser Umstand zeigt deutlich, dass er nur durch Gottes Hand aus der Enge in die Weite gebracht worden ist. Was hatte diese plötzliche Versetzung aus dem Tode ins Leben zu bedeuten? Wollte Gott dadurch nicht bezeugen, dass bei ihm die Erlösung aus dem Tode sei? Dabei lässt David dem Herrn allein die Ehre, indem er als Grund seiner Errettung einfach die freie Gnade nennt (V. 20): denn er hatte Lust zu mir. Er denkt dabei an seine Berufung und betont mit besonderem Nachdruck, dass die Kämpfe, die er durchgemacht hatte, allein dadurch entstanden waren, dass er dem Rufe Gottes Folge geleistet und seiner Offenbarung gehorsam gewesen war. Denn ehrgeizige und unruhige Geister lassen sich durch ihre Begierde jählings fortreißen, alles zu wagen, und stürzen sich mutwillig in Gefahr. Mögen solche Leute auch oft, wenn sie tapfer und mutig streiten, das Ziel ihrer Wünsche erreichen, so nehmen sie doch schließlich ein unglückliches Ende, weil sie der Hilfe Gottes nicht würdig sind. Sie bauen einen hohen Turm, dessen Spitze in den Himmel reicht, aber nicht auf das Fundament der Berufung Gottes. Kurz, David bezeugt, dass Gottes Hilfe ihm immer zur Seite stand, weil er durch Samuels Hand zum Könige gesalbt war und sich nicht selbst eingedrängt hatte. Er selbst war mit seiner Lage zufrieden und wäre gern in den Schafställen und der väterlichen Hütte verborgen geblieben. Aber seine Salbung gab ihm das Zeichen, dass Gottes Gnade ihn erwählt hatte.

V. 21. Der Herr tut wohl an mir nach meiner Gerechtigkeit. Es könnte auf den ersten Blick scheinen, dass David sich selbst widerspreche. Soeben hat er alles dem göttlichen Wohlgefallen zugeschrieben, und jetzt rühmt er sich, dass ihm ein gerechter Lohn gegeben sei. Wenn wir jedoch beachten, zu welchem Zweck er diese Lobpreisung seiner Unbescholtenheit zu dem Ratschluss des göttlichen Wohlgefallens hinzusetzt, so erkennen wir leicht die Übereinstimmung beider Aussprüche. Zuerst hat er bezeugt, dass er nur auf Gottes Veranlassung hin sich Hoffnung auf die Herrschaft gemacht habe, dass er auch nicht durch die Stimmen der Menschen erhoben worden sei noch aus eigenem Antriebe sich eingedrängt habe, sondern lediglich durch Gottes Verfügung geleitet wurde. Jetzt setzt er an zweiter Stelle hinzu, dass er dem Herrn treuen Gehorsam geleistet habe und immer seinem Winke gefolgt sei; denn beides war nötig: einmal, dass Gott ihm zuerst seine Gunst zuwandte, indem er ihn zum Könige wählte, und dass David seinerseits gehorsam und mit reinem Gewissen die ihm von Gott übertragene Herrschaft übernahm, - und dann, dass er, was auch seine Feinde unternehmen mochten, um seinen Glauben zu erschüttern, standhaft den rechten Weg verfolgte, den seine Berufung ihm anwies. Jetzt sehen wir, dass zwischen den beiden Aussprüchen so wenig Verschiedenheit ist, dass sie vielmehr aufs Beste mit einander übereinstimmen. David stellt Gott hier gleichsam als den Kampfordner hin, durch dessen Gunst und Veranlassung er auf den Kampfplatz geführt worden ist. Es ist dieses nämlich eine Folge seiner Erwählung, durch die Gott ihm seine Gunst zugewandt und ihn zum Könige erwählt hat. Nachher setzt er hinzu, dass er die ihm übertragene Pflicht mit dem schuldigen Gehorsam bis zu Ende treu erfüllt habe. Daher ist es nicht zu verwundern, dass Gott seinen Kämpfer, den er selbst aus freien Stücken herbeigeholt hatte, unter seinen Schutz nahm, als er ihn treulich seine Schuldigkeit tun sah, und dass er auch durch offenbare Wunder sich als seinen Schutzherrn erwies. David will sich auch keineswegs mit eitlen Reden rühmen, sondern der heilige Geist gibt uns durch seinen Mund die nützliche Lehre, dass Gottes Beistand uns nie fehlen wird, wenn wir unserer Berufung nur immer eingedenk bleiben und nichts tun ohne sein Geheiß. Hierbei ist aber festzuhalten, dass das Wohlgefallen Gottes der Grund unserer Erwählung bleibt, und dass die Berufung, durch die er uns ruft, ehe wir ihn riefen, der Anfang des rechten Weges ist. Jetzt bleibt aber noch eine Schwierigkeit ungelöst. Denn wenn Gott der Gerechtigkeit einen Lohn gibt, hat es den Anschein, als wenn seine Güte sich nach eines jeglichen Verdienst richte. Aber wenn es auch heißt, dass Gott „vergilt“, so ist doch unter solchem „Lohn“ niemals etwas zu verstehen, was Gott uns schuldig ist. Deshalb ist es auch ganz verkehrt, davon ein Verdienst oder die Würdigkeit der Werke abzuleiten. Wenn auch Gott als der gerechte Richter einem jeglichen nach seinen Werken vergilt, so bleibt doch ein jeder in seiner Schuld, während der Herr niemandem etwas schuldet. Denn erstlich hat Augustin recht, wenn er sagt, dass der Herr die Gerechtigkeit, die er bei uns findet und belohnt, uns selbst zuvor aus Gnaden geschenkt habe. Und vor allem müssen wir aussprechen: indem Gott die Fehler übersieht, die allen unseren Werken anhaften, rechnet er uns als Gerechtigkeit an, was er mit Recht verwerfen könnte. Wenn nun kein einziges unserer Werke dem Herrn ohne Vergebung gefällt, so folgt daraus, dass der Lohn, den er spendet, ein Gnadenlohn ist, den wir nicht wirklich verdienen. Übrigens liegt an unserer Stelle noch ein besonderer Grund vor, der wohl zu beachten ist. David tritt hier nämlich nicht vor Gott hin im Vertrauen auf seine gesetzliche Gerechtigkeit, sondern er will sich gegen die frevelhaften Verleumdungen seiner Feinde verteidigen: er unterstellt darum sein Streben dem Urteilsspruch Gottes, von dem er weiß, dass er es billigt. Wir wissen ja, wie schmählich er unter der verkehrten Missgunst seiner Feinde zu leiden hatte. Diese wollten aber mit ihren Schmähungen nicht nur seinen guten Ruf zerstören, sondern auch das Heil der ganzen Gemeinde. Denn wenn auch Saul durch seinen eigenen Schmerz zur Wut getrieben wurde und alle anderen deswegen so heftig und wütend auf David einstürmten, weil sie dem Könige helfen wollten, so ist doch kein Zweifel, dass der Teufel sie dazu trieb, das Königtum Davids mit solcher Macht zu bekämpfen: denn eben auf diese Persönlichkeit sollte nach Gottes Willen sich gründen, was das ganze Volk an Wohlsein zu hoffen hatte. Das ist auch der Grund, weswegen David so eifrig und heftig für die Gerechtigkeit seiner Sache kämpft. Ferner: wenn er hier vor dem Richterstuhl Gottes mit seinen Feinden streitet, so handelt es sich nicht um sein ganzes Leben, sondern nur um eine bestimmte Sache. Es ist also streng festzuhalten, was eigentlich der Streitpunkt war. Die Widersacher warfen David viele Verbrechen vor. Zuerst beschuldigten sie ihn des Abfalls und der Untreue, dass er seinen König, der zugleich sein Schwiegervater war, treulos verlassen habe; dann des Raubes, dass er als ein Räuber die Regierung an sich gerissen habe; ferner des Aufruhrs, dass er die Ruhe des Reiches gestört habe; endlich der Grausamkeit, dass er die Veranlassung zu vielen Morden gegeben und viele unerlaubte Mittel gebraucht habe, um seine Verschwörung durchzuführen. Diesen bestimmten Vorwürfen gegenüber bezeugt David seine Unschuld und versichert, dass er in allen diesen Stücken immer rechtschaffen und lauter geblieben sei, da er nichts gegen Gottes Befehl unternommen habe und trotz aller Anstrengungen seiner Feinde immer innerhalb seiner Grenzen geblieben sei. Es ist also gar kein Anlass für den törichten Schluss, dass Gott seine Gnade in dem Maße den Menschen zuwende, als er sie für würdig erkenne. Denn hier handelt es sich um eine Rechtfertigung in einem ganz bestimmten Falle und durchaus nicht um die Frage, ob der Mensch durch ein rechtschaffenes Gesamtleben Gnade und Gerechtigkeit vor Gott erwerben könne. Kurz, David schließt hier aus dem Erfolg, dass seine Sache Gott gefallen habe. Das ist freilich nicht so gemeint, als ob ein einziger Sieg schon ein für alle Zeiten gültiger Beweis für die Güte seiner Sache wäre: aber Gott hatte doch durch offenbare Zeichen seiner Hilfe bewiesen, dass er auf Davids Seite stand.

V. 22. Denn ich halte die Wege des Herrn. Weil David erfahren musste, dass man seine einwandfreiesten Handlungen verkehrt beurteilte, versichert er, dass er die Wege des Herrn gehalten habe, und beruft sich zuversichtlich auf Gottes Gericht. Auch die Heuchler pflegen sich Gottes zu rühmen, ja es ist ihnen nicht geläufiger als dieser Missbrauch seines heiligen Namens. Aber David bringt hier nur das vor, was auch die Menschen, wenn sie nur einige Billigkeit besaßen, sehen konnten. Wir lernen also hier von ihm, dass wir uns vor allem Mühe geben sollen, ein gutes Gewissen zu bewahren, und dann, dass wir den Mut haben müssen, die falschen Urteile der Menschen zu verachten und Gott im Himmel als unseren Verteidiger anzurufen. David fügt noch hinzu, dass er nicht gottlos vom Herrn abgefallen sei, da er immer geraden Wegs nach dem Ziel seiner Berufung gestrebt habe, obgleich die Gottlosen vieles versuchten, um seinen Glauben zu erschüttern. Denn das Wort, das er gebraucht, bezeichnet nicht eine einzelne Sünde, sondern den Abfall, durch den die Menschen Gott ganz und gar entfremdet werden. Wenn David auch dann und wann wegen der Schwachheit seines Fleisches fehlte, so hörte doch sein eifriges Streben nach Frömmigkeit nie auf; denn er ließ die Aufgabe, die ihm geworden war, nie fahren.

V. 23 bis 25. Denn alle seine Rechte habe ich vor Augen. Jetzt zeigt er, wodurch er diese unveränderliche Festigkeit, inmitten so vieler schwerer Versuchungen immer das Rechte zu tun, bekommen hat. Der Grund davon ist, dass er immer seine Gedanken auf Gottes Gesetz richtete. Da Satan immer neue Angriffe gegen uns unternimmt, so müssen wir zu den Waffen greifen. Diese Waffen bietet uns die Betrachtung des göttlichen Gesetzes. Hieraus können Leute, die ernstlich einen rechtschaffenen Wandel führen wollen, lernen, dass sie sich täglich eifrig mit Gottes Wort beschäftigen müssen. Denn sobald man dieses Lernen vernachlässigt, schleicht sich leicht Sorglosigkeit ein, und dann schwindet alle Gottesfurcht. Hier sehen wir deutlicher, worauf ich schon früher hingewiesen habe, dass David, weil er sich ungerecht von Menschen verdammt sah, Gott als seinen Richter anruft. Er sagt (V. 24): Ich bin ohne Tadel vor ihm. Zwar redet die Schrift auch sonst wohl in dieser Weise von den Heiligen, um sie dadurch von den Heuchlern zu unterscheiden, die nur eine äußere Scheingerechtigkeit und Frömmigkeit zur Schau tragen. Aber an unserer Stelle beruft David sich mit Freudigkeit auf Gott, um die bösen Gerüchte über sich zu zerstreuen. Dass dies die Meinung ist, zeigt die wiederholte Aussage (V. 25): nach der Reinigkeit meiner Hände vor seinen Augen. Hier tritt nämlich deutlich hervor, dass er die Augen Gottes der verworrenen und böswilligen Ansicht der Welt gegenüberstellt. Er will etwa sagen, dass er sich um die unbilligen Verleumdungen gar nicht kümmere, wenn er nur vor Gott unbescholten sei, dessen Urteil sich durch keine boshaften und verkehrten Neigungen beeinflussen lässt. Die Unbescholtenheit, welche David sich hier beilegt, ist aber nicht Vollkommenheit, sondern nur die Lauterkeit, welche der Heuchelei entgegengesetzt ist. Das geht auch aus dem folgenden Gliede hervor, wo er sagt: Ich hüte mich vor meiner Sünde. Denn stillschweigend gesteht er damit ein, dass er nicht rein und frei von sündigen Anfechtungen sei, sondern dass die Bosheit der Feinde ihn öfters in Aufregung bringe. Er hatte innerlich mit vielen Versuchungen zu kämpfen; denn da er auch ein Mensch war, so konnte es nicht ausbleiben, dass sein Fleisch ihn oft beunruhigte. Aber er bewährte seine Tüchtigkeit dadurch, dass er sich selbst zügelte und alles unterdrückte, was, wie er wusste, wider Gottes Wort war. Denn keiner kann in der Frömmigkeit fortschreiten, der sich nicht sorgfältig vor seiner Sünde hütet.

V. 26 u. 27. Mit dem Sanftmütigen usw. David verfolgt noch denselben Gedanken. Denn indem er Gottes Gnade, die ihn errettete, als Zeugnis für seine Lauterkeit anführt, triumphiert er über die grundlosen und unwürdigen Verleumdungen seiner Feinde. Ich gebe zu, dass oft auch Heuchler solch hohe Worte machen: denn die glücklichen Erfolge machen sie stolz, dass sie sich nicht nur trotzig gegen Menschen, sondern auch gegen Gott selbst erheben. Da aber solche Leute den Herrn offen verspotten, wenn seine Güte sie zur Buße ruft, so hat ihre schamlose Zuversicht mit diesem Rühmen Davids nichts gemein. Er gebraucht Gottes Nachsicht nicht als Deckmantel, um Verbrechen zu beschönigen; sondern da Gott ihm so oft geholfen und er dadurch gewiss erfahren hat, dass er ihm geneigt ist, so betrachtet er dies als einen herrlichen Beweis seiner Gunst. Hier ist ein Unterschied. Die Gottlosen rühmen sich, trunken von ihrem Glück, in unverschämter Weise, dass sie dem Herrn gefallen, während sie ihn in Wirklichkeit beiseitesetzen und lediglich dem Glück opfern. Die Gläubigen dagegen preisen aus innerster Überzeugung ihres Gewissens Gottes Gnade, wenn sie im Glücke sind. So ist es auch hier bei David. Er rühmt, dass ihm wegen der Billigkeit seiner Sache von Gott geholfen sei. Denn der hier stehende allgemeine Satz ist zunächst auf den vorliegenden Fall zu beziehen: Gott hat sich dadurch, dass er einen unschuldigen Menschen so oft von dem drohenden Tode errettet hat, in der Tat gütig gegen die Gütigen und rein gegen die Reinen erwiesen. Daraus ergibt sich des Weiteren die allgemeine Lehre, dass Gott seine Diener nie täuschen und nie ungnädig gegen sie handeln wird, wenn sie nur seine Hilfe mit Sanftmut und Geduld abwarten. So sagt Jakob (1. Mo. 30, 33): „Gott wird mir meine Gerechtigkeit zukommen lassen.“ Solche Worte wollen den Gläubigen gute Hoffnung machen und sie aufmuntern, sich eines lauteren Wandels zu befleißigen, da einem jeden die Frucht seiner Gerechtigkeit werden wird.

Das folgende Glied (V. 27): gegen den Verkehrten stellst du dich verkehrt – ist zwar eine harte Rede, enthält aber nichts Widersinniges. Ja, der heilige Geist hat den besten Grund, diese Redeweise zu gebrauchen, um die Heuchler und die groben Verächter Gottes aus ihrer Schlafsucht aufzuwecken. Wir sehen ja, wie diese Leute in Sicherheit alles von sich abschütteln, wenn die Schrift von den ernsten und furchtbaren Gerichten Gottes redet, und wenn der Herr selbst seine schreckliche Rache verkündigt. Diese Dummheit, oder besser dieser wunderbare Stumpfsinn, zwingt Gott dazu, neue Redewendungen zu formen und gleichsam eine andere Gestalt anzunehmen. So hören wir auch 3. Mo. 26, 24: „Wo ihr mir entgegen wandelt und mich nicht hören wollt, so will ich euch auch entgegen wandeln.“ Es ist als wollte Gott sagen, die Hartnäckigkeit werde zur Folge haben, dass er seine frühere Mäßigung vergessen und von allen Seiten gegen die verstockten Menschen losstürmen werde. Sie bringen es schließlich durch ihre Gefühllosigkeit dahin, dass Gott, um sie zu zerreiben, sich auch mehr und mehr gegen sie verhärtet und gegen sie, die wie Stein sind, hart wie Eisen wird. Ferner ist zu beachten, dass der Geist, wenn er sich gegen die Gottlosen wendet, sehr oft in ihrer Weise zu ihnen redet. Dabei lässt die blinde Angst solchen Leuten den Herrn in einer ganz fremdartigen Gestalt erscheinen: sie nehmen an ihm nur ein grausames, wildes und wütendes Wesen wahr. Jetzt ist es uns klar, weswegen David dem Herrn nicht einfach den Titel und das Amt eines Richters beilegt, sondern ihn mit heftigem Ungestüm wappnet. Wie es im Sprichwort heißt: „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“

V. 28. Denn du hilfst dem elenden Volk. Dieser Vers enthält eine Art von Einschränkung. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass auch die Frommen schwer heimgesucht werden und dass die Rechtschaffenen in traurige Bedrängnis kommen. Damit nun keiner die Rede für falsch halte, dass Gott mit den Sanftmütigen milde handelt, so erinnert David daran, dass man auf das Ende schauen muss. Denn wenn auch Gott nicht gleich herbeieilt, um den Guten Hilfe zu bringen, so richtet er sie doch dann auf, wenn sie elend sind, und schafft den Verzweifelten Erlösung, nachdem er sie einige Zeit in der Geduld geübt hat. Daraus folgt, dass man nur dann, wenn man auf den Ausgang sieht, erkennen kann, wie Gott sanft und freundlich mit den Sanftmütigen umgeht und sich rein zeigt gegenüber den Reinen. Denn wenn Gott die Gläubigen nicht eine Zeitlang in ihren Hoffnungen hinhielte, so könnte eigentlich nicht von ihm gesagt werden, dass er den Elenden hilft. Und dieses ist ein großer Trost im Unglück, dass die Hilfe Gottes, die schon für sie bereit liegt, absichtlich zurückgehalten wird, damit den Elenden geholfen werde. Auch dürfen die Ungerechtigkeiten, die wir zu tragen haben, nicht bitter für uns sein, da sie uns die heilbringende Gunst Gottes verschaffen. Statt des Satzes: „die hohen Augen niedrigst du“ steht 2. Sam. 22, 28: „mit deinen Augen erniedrigst du die Hohen.“ Aber durch diese Verschiedenheit wird der Sinn nicht geändert, außer dass dort der heilige Geist den Stolzen deutlicher verkündigt, dass sie dem Verderben nicht entrinnen werden: Gott wacht, um sie zu verderben. Der Grundgedanke beider Stellen ist, dass je mehr die Gottlosen sich der Sicherheit hingeben und je schändlicher sie die Elenden unterdrücken und verachten, sie dem Untergang umso näher kommen. So oft sie uns daher grausam beleidigen, müssen wir daran denken, dass Gott allein deshalb ihren unbeugsamen Trotz noch nicht bändigt, weil ihr Hochmut noch nicht aufs Höchste gekommen ist.

V. 29 u. 30. Denn du erleuchtest meine Leuchte. In dem Liede (2. Sam. 22, 29) ist die Ausdrucksweise etwas bestimmter. Dort heißt es nicht, dass Gott die Leuchte erleuchte, sondern er wird dort selbst die Leuchte genannt. Beides gibt aber denselben Sinn, nämlich dass es ein Werk der göttlichen Gnade ist, wenn David, als er von Finsternis umgeben war, wieder ins Licht gebracht wurde. Denn dem Herrn wird nicht einfach dafür Dank dargebracht, dass er dem David voranleuchtete, sondern dass er seine Finsternis licht machte. David gesteht also, dass er so in die Enge gekommen war, dass er einem Verlorenen und Verzweifelten glich. Er vergleicht nämlich die zerrütteten Verhältnisse mit der Finsternis. An sich ließe der Ausdruck auch an geistige Erleuchtung denken: aber hier ergibt sich der Sinn einfach aus dem Zusammenhang. Wie nun David bekennt, dass er nur durch Gottes Gunst, wie durch ein lebenspendendes Licht, wiederhergestellt worden sei, so müssen wir auch wir nach seinem Vorbilde die Überzeugung haben, dass es für uns keine Erlösung aus dem Unglück geben würde, wenn Gott nicht die Nebel zerstreute und uns das Licht der Freude wieder leuchten ließe. Auch darf es uns nicht lästig sein, durch Finsternisse hindurchzugehen, wenn Gott uns nur als Licht leuchtet. Im folgenden Verse schreibt David seine Siege dem Herrn zu. Er sagt nämlich, dass er unter seiner Führung die Haufen der Feinde zersprengt und befestigte Städte erobert habe. Wir sehen hier, dass, wenn er auch ein strammer Krieger war, er sich doch selbst nichts anmaßt.

V. 31. Gottes Wege sind vollkommen. Gottes Weg bedeutet hier nicht die Lehre, sondern die Handlungsweise Gottes gegen uns. Der Sinn ist also, dass Gott seine Diener nie täuscht, noch im entscheidenden Augenblicke im Stiche lässt. Die Menschen helfen ihren Schutzbefohlenen nur insoweit, als es ihnen selbst nützt; Gott dagegen beschirmt die Seinen, die er einmal in seinen Schutz genommen hat, immer mit treuer Hut. Ferner, da wir in keiner Verbindung mit Gott stehen würden, wenn er sich uns nicht durch sein Wort offenbarte, so fügt David, nachdem er versichert hat, dass Gott für die Seinen ein sicherer Schutz sei, hinzu: seine Reden sind durchläutert. Damit wollen wir allen Zweifel dämpfen und wollen lernen, dass Gott uns tatsächlich in vollem Maße beistehen wird, weil er versprochen hat, der Hort unseres Heils zu sein. Seine Verheißung ist aber sichere Wahrheit. Aus dem folgenden Gliede ist ersichtlich, dass mit der Rede nicht die Gebote, sondern die Verheißungen gemeint sind. David sagt nämlich, dass der Herr ein Schild sei allen, die ihm vertrauen. Das Lob auszusprechen, dass Gottes Wort rein sei von allem Trug und von aller Täuschung wie Silber, das von seinen Schlacken gereinigt ist, - scheint zwar überflüssig, aber unser Unglaube treibt den Herrn dazu, unter diesem Bilde seine Treue herrlich zu empfehlen. Denn wir sind nur zu sehr geneigt, wenn der Ausgang unserer Hoffnung nicht entspricht, unfromme Zweifel an Gottes Wort bei uns aufkommen zu lassen. Was weiter zu sagen wäre, ist schon zu Ps. 12, 7 bemerkt worden.

V. 32. Denn wo ist ein Gott, ohne der Herr? Hier spottet David über die eitlen Lügengebilde der Menschen, die leichten Herzens sich selbst Schutzgötter machen. Damit bestätigt er, was wir schon früher hörten, dass er nie etwas ohne Gottes Leitung und Befehl unternommen habe. Denn wenn er über die Grenzen seiner Berufung hinausgegangen wäre, so hätte er sich nie mit solcher Zuversicht auf Gott berufen dürfen. Dem Wortlaut nach wird einfach der einige wahre Gott allen erdichteten Götzen gegenübergestellt: darin liegt aber zugleich ein verwerfendes Urteil über alle trügerischen Hoffnungen, durch welche die Welt sich umtreiben lässt, weil sie nicht in Gott allein ihre Ruhe suchen will. Um den bloßen Titel Gottes handelt es sich nicht, sondern David verkündet mit Nachdruck, dass man Hilfe nirgend anders als bei Gott suchen soll, der allein Macht besitzt. So hält er allen seinen Feinden mutig den Herrn entgegen, unter dessen Leitung er gekämpft hat. Und er tut dies vor allem auch, um zu bezeugen, dass er nichts willkürlich oder mit schlechtem Gewissen unternommen habe.

V. 33. Gott rüstet (wörtlich: „umgürtet“) mich mit Kraft. Dieses Bild ist von dem Gürtel oder auch von den Lenden genommen, welche in der Schrift zuweilen als der Sitz der Stärke bezeichnet werden. David will also sagen, dass er durch Gottes Kraft stark sei, während er sonst schwach und kraftlos sein würde. Danach weist er auf den Erfolg hin: er lässt meinen Weg ohne Anstoß sein, d. h. er leitet mit seinem Segen den Verlauf der Dinge so, dass alle Unternehmungen einen glücklichen Ausgang gewinnen. Denn es ist nicht genug, Geistesgegenwart, Unternehmungsgeist und Kraft zu besitzen: es muss auch ein glücklicher Ausgang hinzukommen. Unfromme Menschen bilden sich ein, dass dieser von ihrer Klugheit oder vom Glück komme, David dagegen schreibt ihn allein Gott zu.

V. 34 u. 35. Da David viele Burgen erobert hatte, die wegen ihres steilen und schwierigen Zugangs für uneinnehmbar galten, so preist er hierin Gottes Gnade. Denn wenn er sagt, dass ihm Füße gleich den Hirschen gegeben seien, so bezeichnet er damit eine Schnelligkeit, wie sie den Menschen von Natur nicht eigen ist. Der Sinn ist also, dass der Herr ihn in außergewöhnlicher Weise unterstützte, so dass er wie ein Hirsch in behändem Laufe unzugängliche Felsen ersteigen konnte. Als seine Höhen bezeichnet er die Burgen, die er als Sieger und Kriegsknecht in Besitz genommen hatte. Er konnte sich mit Recht rühmen, dass er nichts Fremdes genommen habe, da er wusste, dass er von Gott dorthin gerufen war. Wenn er sagt (V. 35): Er lehrt meine Hand streiten – so gesteht er damit, dass er die Geschicklichkeit zum Kämpfen weder durch eigenen Fleiß noch durch Übung erlangte, sondern als eine besondere Gabe von Gott empfing. Gilt es auch ganz im Allgemeinen, dass kriegerische Kraft und Tüchtigkeit allein aus Gottes verborgenem Wirken stammt, so drückt David doch zumal durch die folgenden Worte aus, dass er weit über gewöhnliches Maß hinaus mit besonderer Kraft für seine Kämpfe ausgerüstet wurde: Gott lehrte und stärkte seinen Arm, den ehernen Bogen zu zerbrechen. Denn wenn er auch ein kräftiger Mann war, so war er nach der Beschreibung doch nur klein von Gestalt, und der Vergleich weist auf etwas hin, was über menschliche Kraft hinausgeht.

Im folgenden Verse sagt er, dass er nur durch Gottes Güte sicher bewahrt geblieben sei. Denn die Worte: „Schild meines Heils“ bedeuten, dass, wenn Gott ihn nicht in wunderbarer Weise bewahrt hätte, der Tod ihn oft ereilt hätte. David stellt also den Schild des göttlichen Heils allen Schutzmitteln und Waffen gegenüber, mit denen er sonst ausgerüstet war. Der Grund solcher Zuversicht ist unverdiente Gnade: deine Güte macht mich groß, d. h. fördert mich mehr und mehr und lässt mich immer neue Freundlichkeit erfahren.

V. 37. Du machst unter mir Raum, zu gehen. Das will besagen, dass ihm ein ebener Weg durchs Unwegsame bereitet wurde. Denn die Weite steht hier im Gegensatz zur Enge, aus der man keinen Fuß heraussetzen kann. Der Sinn ist, dass Gott ihm geholfen habe, als er in die größte Bedrängnis gekommen war. Diese Bemerkung ist sehr nützlich, um uns von unserem Kleinglauben zu heilen. Denn wenn wir keine liebliche Ebene vor uns haben, auf der das Fleisch sich frei ergehen lassen kann, so zittern wir, als wenn für uns kein Raum mehr wäre auf Erden. Lasst uns daher dieses festhalten, dass es nicht ohne Grund der Hand Gottes zugeschrieben wird, dass sie unsere Wege weit und eben macht. Als Wirkung dieser Gnade fügt David dann noch hinzu, dass seine Knöchel und also seine Füße nicht wanken, d. h. dass er durch kein Unglück zu Boden geworfen werde.

V. 38 bis 41. David ist vor allem darauf aus, an dem Erfolge nachzuweisen, dass er seine Siege allein unter Gottes gnädiger Führung gewonnen hat. Daraus folgert er dann, dass seine Sache gut und gerecht gewesen sei: Denn wenn Gott auch dann und wann den Gottlosen und Übeltätern glückliche Erfolge gibt, so zeigt er doch durch den Ausgang, dass er ihnen feindlich und zuwider ist. Solche Zeichen der Gunst, wie er sie David erwiesen, erfahren nur seine Diener, - zum Zeugnis, dass sie ihm wert und wohlgefällig sind. Es scheint jedoch sehr unritterlich zu sein, wenn David verkündigt, dass er nicht eher vom Morden ablassen werde, bis er seine Feinde umgebracht habe. Ja es scheint, dass er die Milde vergisst, die doch in allen Gläubigen leuchten soll, damit sie ihrem Vater im Himmel gleichen. Da er aber nichts ohne Gottes Befehl unternahm, der mit dem Zügel seines Geistes alle seine Neigungen regierte, so müssen wir uns sagen, dass hier nicht ein blutgieriger und grausamer Mensch redet, sondern ein Mann, der das ihm von Gott übertragene Gericht treulich ausführt. Und es steht fest, dass er in seinem Herzen so milde gesinnt war, dass er davor zurückscheute, auch nur einen Tropfen Bluts zu vergießen, wenn nicht die Pflicht oder die Not es erforderte. Davids Beruf und sein reiner Eifer, der von aller fleischlichen Leidenschaft frei war, sind daher wohl im Auge zu behalten. Zu beachten ist ferner, dass es sich hier um Feinde handelte, deren unbändige Hartnäckigkeit eine solche göttliche Rache herausforderte. Denn da David ein Vorbild Christi war so vollzog er nur das letzte Strafgericht an den Widerspenstigen, die durch ein menschliches Gericht nicht zum Gehorsam gebracht werden konnten. Sein Leben zeigt uns, dass ihm nichts mehr am Herzen lag, als die Bußfertigen zu verschonen. So wie auch Christus, wenn er auch alle freundlich zur Buße ruft, doch diejenigen mit eisernem Zepter zerschlägt, die bis zuletzt hartnäckig ihm widerstehen. Alles in allem: Weil David unter Gottes Leitung kämpfte, von ihm zum König erwählt war und kein Werk ohne seinen Befehl unternahm, wurde er so von Gott unterstützt, dass er allen Angriffen der Feinde gegenüber unbesiegt dastand, ja ungeheure und starke Heere in die Flucht schlug. Wir müssen ferner bedenken, dass uns unter diesem Bilde das unsichtbare Reich Christi dargestellt wird, der im Vertrauen auf Gottes Kraft alle seine Feinde zu Boden wirft, sich ihnen immer überlegen erweist und als König regiert trotz der Feindschaft der Welt. Da aber die Siege des Hauptes für alle Glieder gelten, so folgt, dass uns hier eine unüberwindliche Hilfe gegen alle Anläufe des Satans, gegen alle Ränke der Sünde und gegen die Versuchungen des Fleisches verheißen wird. Christi Reich kann aber nur durch Kampf zur Ruhe kommen, deshalb müssen wir uns daran genügen lassen, dass Gottes Hand immer bereit ist, dasselbe zu beschützen. David war eine Zeitlang ein Flüchtling, der kaum in den Höhlen der wilden Tiere Schutz für sein Leben fand. Aber Gott trieb endlich seine Feinde vor ihm her. Ja, er trieb sie nicht nur in die Flucht, sondern übergab sie auch seiner Macht, damit sie von ihm überwältigt würden. Wenn daher die Feinde uns auch eine Zeitlang auf dem Nacken sitzen, so wird doch Gott endlich schaffen, dass sie nicht nur vor uns fliehen, sondern auch, dass sie vor unseren Augen untergehen, wie sie es verdienen. Wir dürfen aber nicht vergessen, zu welch einem Streite Gott uns ruft, gegen welche Menschenklasse er uns in den Kampf schickt und mit welchen Waffen er uns ausrüstet, damit wir uns daran genügen lassen, dass der Teufel, das Fleisch und die Sünde durch seine geistliche Kraft unter unsere Füße geworfen werden. Die Herrscher jedoch, denen er das Schwert in die Hand gegeben hat, wird er auch beschützen, wenn sie ihr Regiment nur unter Christo als ihrem Haupte führen, und wird nicht zulassen, dass man sich ungerechter Weise über sie erhebt.

V. 42. u. 43. Sie rufen usw. Dass Davids Feinde vergeblich zu Gott rufen werden, gehört noch zu der Schilderung des ihm geschenkten Erfolges: dadurch muss es offenbar werden, dass die Widersacher fälschlich auf des Herrn Namen pochen, der sich vielmehr wider sie kehrt. Es ist ja wahr, dass sie zeitweilig durch glückliche Unternehmungen hoch kamen, so dass man allgemein glaubte, dass Gott ihnen günstig sei, während David indessen, obgleich er Tag und Nacht schrie, nichts erreichte. Aber als Gott die Geduld seines Knechtes genügend geprüft hatte, da zerstörte er jener Leute leere Hoffnungen und vereitelte sie. Ja, er würdigte sie nicht einmal, ihre Gebete zu hören. Jetzt ist es uns klar, was David meint: da die Gottlosen lange Gottes Namen in verkehrter Weise missbraucht hatten, so verlacht er ihr trügerisches Prahlen. Es ist aber wohl zu beachten, dass hier von Heuchlern die Rede ist, die den Herrn nie mit Ernst anrufen. Denn die Verheißung, dass Gott nahe ist allen, die ihn suchen, erweist sich nie als trügerisch bei denen, die in Wahrheit nach ihm fragen (Ps. 145, 18). David sagt also nicht, dass seine Feinde von ganzem Herzen zu Gott riefen und doch Abweisung erfuhren: sie meinten vielmehr in ihrer gewohnten Unverschämtheit, dass Gott gleichsam verpflichtet wäre, ihre verbrecherischen Anschläge zu unterstützen. Denn wenn auch die Gottlosen in drängender Not zu Gott rufen, so ändern sie doch ihren Vorsatz nicht und tun nicht Buße, wenn sie auch vor Angst und Schrecken eine demütige Miene zur Schau tragen. Dazu kommt, dass sie anstatt des Glaubens Vermessenheit und Verstocktheit beweisen oder zweifelnd ihre Klagen ausstoßen, so dass sie dem Herrn mehr murrend widersprechen, als sich vertrauensvoll an ihn wenden. Klar und deutlich geht hieraus hervor, dass Menschen, die einen Unglücklichen grausam beleidigen oder stolz seine Bitten verachten, es erfahren werden, dass auch Gott taub ist gegen ihre Bitten. Aus dem folgenden Verse ersehen wir auch, dass Gott, nachdem er die Gottlosen verworfen hat, sie in alle Schmach hineinstößt und sie dahingibt, damit sie wie Kot auf der Gasse zertreten werden. Denn er verkündigt nicht allein, dass seine Ohren gegen die Stolzen und Grausamen verschlossen sein werden, sondern er droht ihnen auch, dass ihr Lohn ihnen mit demselben Maße zugemessen werden solle.

V. 44 bis 46. Du hilfst mir von dem zänkischen Volk. David fasst hier kurz zusammen, wie er auf alle Weise Gottes Hilfe erfahren habe. Die inneren Unruhen hätten ihm sehr gefährlich werden können, wenn sie nicht in wunderbarer Weise unterdrückt und das wilde Volk zur Ordnung gebracht worden wäre. Ebenfalls geschah es gegen alle Erwartung, dass er weit und breit siegte und die benachbarten Völker niederwarf, die noch vor kurzem Israels Macht ganz gebrochen hatten. Es war eine unglaubliche Veränderung, dass er nicht nur das Volk, das Unglück auf Unglück erlitten hatte, in kurzer Zeit wieder kräftigte, sondern sich auch Nachbarvölker tributpflichtig machte, mit denen man früher nicht in Frieden leben konnte. Es wäre schon etwas Großes gewesen, wenn das Volk nach der erlittenen schweren Niederlage erhalten geblieben wäre und, nachdem es seine Kräfte aufs Neue gesammelt, seine alte Stellung wiedererlangt hätte. Aber Gott erwies dem David wider Erwarten die viel größere Wohltat, dass er Völker unterwerfen konnte, die früher über Israel gesiegt hatten. Diese beiden Stücke hebt David deutlich heraus: einmal dass der innere Aufruhr des Volkes durch Gottes Hilfe gedämpft wurde, und zum andern, dass desselben Gottes Regiment und Kraft starke Völker unter das Joch gebeugt und so das Reich, das unter Saul geschwächt und halb zerbrochen war, weit ausgedehnt habe. Daraus geht hervor, dass ihm nicht nur im Lande, sondern auch draußen gegen äußere Feinde geholfen worden ist. Da der heilige Geist uns in diesem Bilde Christi Reich darstellt, so lernen wir hieraus, dass dieses in der Weise aufgerichtet und erhalten wird, dass Gott nicht nur mit ausgestrecktem Arm gegen die offenbaren Feinde kämpft, die sich von außen erheben, sondern auch die inneren Wirren und Kämpfe beschwichtigt. Dies zeigt sich auch von Anfang an deutlich bei Christo. Zuerst trat ihm die unsinnige Hartnäckigkeit seines Volkes hindernd entgegen. Und die Erfahrung aller Zeiten lehrt uns, dass die Zwiste und Streitigkeiten, durch welche die Heuchler die Gemeinde zerreißen und zerfleischen und Christi Reich erschüttern, ebenso verderblich sein würden wie die heftigen Angriffe der Feinde, wenn Gott ihnen nicht seine Hand entgegensetzte. Deshalb wirft Gott, um das Reich seines Sohnes zu schützen und zu fördern, nicht nur die äußeren Feinde vor die Füße seines Sohnes nieder, sondern er befreit es auch von den inneren Streitigkeiten. – In dem Liede 2. Sam. 22, 44 rühmt David nicht bloß, dass der Herr ihn zum Haupt über Völker gemacht, sondern dass er ihn auch als solches „behütet“ habe. Dieser Ausdruck bezieht sich auf die Beständigkeit und Dauer seiner Herrschaft. Wir wissen ja, wie schwer es hält, Menschen in Untertänigkeit zu erhalten, die noch nicht an das Joch gewöhnt sind. Deshalb geschieht es auch so oft, dass Herrschaften, die neu gegründet sind, durch neue Unruhen erschüttert werden. David aber kann verkünden, dass Gott ihn in der Würde als Herrscher über die Heiden, die er unter seiner Leitung erlangt hatte, auch beschütze.

Ein Volk, das ich nicht kannte, dient mir. Diese ganze Stelle bestätigt aufs Beste, was ich schon anmerkte, dass diese Schilderung nicht allein auf David zu beziehen, sondern als eine Weissagung auf das zukünftige Reich Christi zu verstehen ist. Zwar konnte auch David sich rühmen, dass solche Völker ihm untertan geworden seien, deren Sitten und Gesinnungen er nicht genau kannte. Aber es steht doch fest, dass alle, die er besiegte, ihm nicht ganz unbekannt waren und nicht weit von ihm entfernt wohnten. Gott hat also damals mit einigen unbestimmten Strichen das gewaltige Reich seines Sohnes angedeutet, das sich vom Anfang der Sonne bis zu ihrem Niedergang erstreckt und die ganze Welt erfüllt.

Hierauf bezieht sich auch das Folgende (V. 45): Auf das bloße Gerücht hin dienen sie mir. Denn wenn David sich auch durch seine Siege einen solchen Namen gemacht hatte, dass viele freiwillig die Waffen streckten und sich ihm ergaben, so konnte doch von diesen eigentlich nicht gesagt werden, dass sie ihm auf das bloße Gerücht hin dienten. Denn auch sie waren durch Waffengewalt überwunden, da ihre Nachbarn vor ihren Augen Davids Macht zu ihrem Unglück kennen gelernt hatten. Besser passt der Ausdruck auf Christus, der sich die Welt durch sein Wort unterwirft und auf das bloße Gerücht hin solche sich untertänig macht, die sich vorher gegen ihn auflehnten. Mithin kann von David nur insofern, als er ein Vorbild Christi war, gesagt werden, dass weit entfernte Völker, mit denen Israel bis dahin nicht verkehrt habe, ihm von Gott untertan gemacht worden seien. Davids Herrschaft ist nämlich ein Vorspiel der verheißenen Herrschaft Christi, dessen Reich sich bis zu den entferntesten Gegenden der Welt ausdehnen soll. Durch seine Waffen und durch seine kriegerische Tüchtigkeit war David so berühmt geworden, dass viele seiner Feinde sich ihm aus Furcht unterwarfen. Dieses ist wiederum ein Vorbild für die Unterwerfung der Völker unter Christus, die durch die bloße Verkündigung des Evangeliums zum Gehorsam gezwungen worden sind. Denn der Glaubensgehorsam, auf den Christi Herrschaft sich gründet, kommt aus der Predigt (Röm. 10, 17).

Die Kinder der Fremde schmeicheln mir. Damit wird etwas beschrieben, was sich bei neuen Herrschern oft ereignet, nämlich dass die soeben erst unterworfenen Untertanen den Sieger zwar fußfällig, aber mit erheuchelter und gezwungener Demut verehren, da sie sklavisch und nicht freiwillig gehorchen. „Kinder der Fremde“ werden sie deshalb genannt, weil sie früher selbständig waren und ganz von Israel getrennt. Auch dieses sehen wir wiederum in Christo erfüllt, zu dem viele als fußfällig Bittende kommen, aber mit gespaltenem und trügerischem Herzen. Solche Leute nennt der heilige Geist daher passend Fremdlinge: denn wenn sie auch unter das auserwählte Volk gemischt sind, so sind sie doch nicht durch lauteren Glauben so zu einem Leibe mit ihm verbunden, dass sie als Kinder der Gemeinde anzusehen wären. Nun sind ja allerdings alle Heidenchristen aus der Fremdlingschaft herbeigerufen worden: aber nach der Sinnesänderung sind sie, die früher Gäste und Fremdlinge waren, Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes geworden.

Was hinzugefügt wird (V. 46), dass die Kinder der Fremde verschmachten und mit Zittern aus ihren Burgen kommen, ist eine weitere Ausführung des Vorhergehenden. Denn es ist ein besonderes Zeichen der Ehrfurcht, dass Leute, die in ihren Schlupfwinkeln einen sicheren Bergungsort gefunden hatten und durch starke, hohe Mauern geschützt waren, durch die Angst sich wieder heraustreiben lassen. So nun wie die Feinde Davids durch die Furcht aus ihren Burgen getrieben wurden, dass sie demütig bittend zu ihm kamen, so zwingt das Evangelium die Ungläubigen zum Gehorsam gegen Christus. Denn nach dem Zeugnis des Paulus (1. Kor. 14, 24) besitzt die Prophetie die Macht, durch Überführung des Gewissens und durch Offenbarung der Verborgenheiten des Herzens Menschen, die sich früher widersetzten, so mit Furcht zu erfüllen, dass sie dem Herrn die Ehre geben müssen.

V. 47. Der Herr lebt. Man könnte auch übersetzen: „Es lebe der Herr.“ Das wäre eine etwas schwierige, aber doch menschlich verständliche Ausdrucksweise: so reden Menschen, wenn sie einander Gutes wünschen oder ihren Führern und Herrschern ehrenvoll zurufen wollen. So hätten wir es auch Gott gegenüber mit einem Triumphruf zu tun. Besser passt doch die einfache Aussage, dass der Herr lebt, d. h. in Kraft und Gewalt regiert. Denn freilich ist mehr gemeint, als dass Gott existiert: vielmehr soll an aus seinen Werken auf sein wirksames Leben schließen. Sobald nämlich Gott seine Macht vor unseren Augen verbirgt, schwindet aus unserem Herzen das Bewusstsein und die Erkenntnis seines Lebens. Es wird also insofern von ihm gesagt, dass er lebt, als er durch deutliche Zeichen seiner Macht es zeigt, dass die Welt durch seine Hand erhalten wird. Dieses Leben Gottes, das David aus Erfahrung kennen gelernt hatte, verherrlicht er hier durch Lob und Danksagung. Das folgende „und“ ist dann soviel wie ein „darum“: darum gelobt sei mein Hort. Diese noch einmal wiederholte persönliche Ausdrucksweise – „der Gott meines Heils“ – bestätigt vollends, was ich sagte, dass Gott nicht für sich in der Verborgenheit lebt, sondern seine Lebenskraft in der Regierung der ganzen Welt kund tut.

V. 48 u. 49. Der Gott, der mir Rache gibt. Aufs Neue schreibt David dem Herrn die Siege zu, die er errungen hat. Denn so wie er nimmer gehofft hätte, sie zu gewinnen, wenn er nicht auf Gottes Hilfe vertraut hätte, so erkennt er auch Gott als den einzigen Urheber derselben an. Und damit es nicht scheine, als spende er ihm nur mit kaltem Herzen einen Teil des Lobes, so wiederholt er ausdrücklich, dass er nichts besitze, was er nicht empfangen habe. Zunächst gesteht er, dass er mit Kraft aus der Höhe ausgerüstet wurde, um die Feinde zu bestrafen, wie sie es verdienten. Doch könnte es auf den ersten Blick unpassend erscheinen, dass Gott seine Gläubigen zur Rache ausrüsten sollte. Aber es wurde schon früher bemerkt, dass Davids Berufung im Auge zu behalten ist. David war kein Privatmann, sondern ein König, und in seiner Stellung als König war ihm das Gericht, das er vollzog, von Gott übertragen worden. Allerdings hieße es dem Herrn in sein Amt greifen, wenn jedermann bei jeder Beleidigung sich selbst rächen wollte. Es ist eine räuberische Anmaßung, wenn Privatpersonen das Recht der Vergeltung an sich reißen. Aber der Gott, der von sich sagt: „die Rache ist mein“, hat den Königen und Obrigkeiten das Schwert in die Hand gegeben und sie zu Ausführern seiner Rache bestellt. Als „Rache“ bezeichnet also David hier die gerechten Strafen, die er im Auftrage Gottes vollzog. Dieses war ihm erlaubt, wenn er dabei nur durch den rechten Eifer des Geistes und nicht durch fleischliche Leidenschaft sich treiben ließ. Wenn diese Mäßigung nicht zur Berufung hinzukommt, so rühmen die Könige sich umsonst, dass die Rache ihnen von Gott befohlen sei. Denn es ist ebenso verkehrt, das übergebene Schwert nach fleischlicher Willkür zu missbrauchen, als ohne Gottes Befehl danach zu greifen. Der Gemeinde, die unter Christi Leitung kämpft, ist gestattet, gegen verstockte Sünder rächend vorzugehen. Ist uns befohlen, mit Wohltun gegen die Feinde zu streiten und für ihre Rettung zu beten, so müssen wir so lange wünschen, dass sie Buße tun und zur rechten Erkenntnis kommen, bis sicher feststeht, dass ihre Bosheit unheilbar ist. Und auch dann ist die Vollziehung der Rache dem Urteil Gottes zu überlassen, damit wir nicht vor der Zeit und voreilig zugreifen.

Des Weiteren (V. 49) zieht David noch einmal im Blick auf alle Gefahren und Schwierigkeiten den Schluss, dass er nur entrinnen konnte, weil Gottes Hand ihn rettete. Und eben um dieser Erfahrung willen erhebt er den Herrn, der ihn wunderbar erhöhte und der feindlichen Übermacht nicht erliegen ließ.

V. 50. Darum will ich dir danken. Dieser Vers lehrt uns, dass die aufgezählten Wohltaten Gottes wert seien, in neuer und ungewohnter Weise verkündigt zu werden, damit ihr Ruhm bis zu den Heiden dringe. Denn die Danksagung, von der hier die Rede ist, hebt sich ab von dem gewöhnlichen Gottesdienst, den die Gläubigen damals im Tempel abzuhalten pflegten, in dessen enges Gebiet sie nicht eingeschränkt werden soll. David will sagen: Herr, ich werde dir nicht allein in der Versammlung der Gläubigen danken nach der Weise, die das Gesetz vorschreibt, sondern dein Lob wird weiter dringen, da deine Gnade gegen mich für den ganzen Erdkreis von Bedeutung ist. Übrigens ist hierin auch eine Weissagung auf das zukünftige Reich Christi enthalten: denn wenn die Heiden nicht dem auserwählten Volke beigesellt worden wären, so würde Gottes Lob bei ihnen umsonst gesungen worden sein: sie wären dafür taub gewesen und hätten es nicht verstanden. Daher gebraucht Paulus diese Stelle geschickt und passend als einen Beweis dafür, dass die Berufung der Heiden nicht etwas Zufälliges sei (Röm. 15, 9). Wir werden später an vielen Stellen sehen, dass die heilige Stätte für den Lobpreis des Herrn seine Gemeinde ist. Darum konnte sein Name zunächst nur in Judäa rechtmäßig und fruchtbar gepriesen werden, - bis auch den Heiden die Ohren aufgetan wurden, welches geschah, als Gott sie durch das Evangelium zu sich rief.

V. 51. Der seinem König groß Heil beweist. Dieser Vers deckt den Zweck auf, um dessen willen Gott so gütig gegen David handelte. Er tat dieses nämlich, weil er ihn zum König gesalbt hatte. Denn indem David sich einen König Gottes nennt, bezeugt er, dass er sich nicht vermessen eingedrängt habe, noch durch Parteigetriebe dem Volke aufgedrängt worden sei, sondern dass er als ein rechtmäßiger König regiere, weil es also Gottes Wohlgefallen war. Dies beweist er dann durch das Zeichen der Salbung. Denn da Gott ihn durch Samuels Hand salben ließ, so gab er ihm dadurch eine ebenso bestimmte Anwartschaft auf die Regierung, als wenn er selbst seine Hand aus dem Himmel gestreckt und ihn vor aller Augen auf den königlichen Thron gesetzt hätte. Weiter wird hinzugefügt, dass diese Erwählung durch eine fortlaufende Reihe von Gnadenbeweisen herrlich bestätigt wurde. Daraus folgt, dass alle, die wider Davids Berufung Zweifel erhoben, absichtlich gegen Gott Krieg führten. Als Grund seiner Erwählung gibt David Gottes Güte an. Daraus ersehen wir, dass sein Königtum nur auf das reine Wohlwollen Gottes gegründet war. Aus dem Schlusse ist dann noch deutlicher ersichtlich, was ich schon früher gesagt habe, dass David hier nicht so sehr die wunderbaren und vielgestaltigen Arten der Gnade, die er erfahren hat, geschichtlich berichtet, als vielmehr von dem fortdauerndem Bestande seines Reiches weissagt. Zu beachten ist auch, dass mit dem Worte „Samen“ hier nicht jeder beliebige seiner Nachkommen gemeint ist, sondern dass damit besonders jener Nachkomme bezeichnet wird, dem das Versprechen gegeben war, dass Gott sein Vater sein werde. Denn da geweissagt worden war, das Reich werde bestehen, so lange Sonne und Mond am Himmel scheinen (2. Sam. 7, 12), so musste es notwendig auf den kommen, der nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein ewiger König sein sollte. Mithin empfiehlt David uns hier seinen Samen, der durch jene herrlichen Verheißungen ausgezeichnet war. Diese Verheißungen sind weder durch Salomo noch durch irgendeinen anderen seiner Nachkommen vollkommen erfüllt worden, sondern allein durch den eingeborenen Sohn Gottes, dessen Würde, wie der Apostel (Hebr. 1, 4) lehrt, selbst die der Engel übertrifft. Wir werden deshalb nur dann den rechten Segen von diesem Psalm haben, wenn der Schatten uns zum Körper selbst führt.

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